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Sophie Passmann:

Monologe angehender Psychopathen oder: Von Pudeln und Panzern

Ich danke meinen Eltern für alles, was war, und alles, was kommt.

Originalausgabe

E-Books, Privatkunden und Mailorder: www.shop.jugendkulturen.de

Layout: Sebastian Dehler

ISBN

978-3-943774-94-8 print

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Inhalt

Vorwort

Relativ kellertief

Daheim

Fast wie New York

Tanzball

Die neue Sachlichkeit

Mama sagt

Papa sagt

Fluchtpunkt

Scooter-Remix

Stadtgedicht

Mir sitzt der Wahnsinn auf der Schulter

Mir sitzt der Wahnsinn auf der Schulter Part 2

Musik

Track 1

Track 2

Nachwort

Vorwort

Von Sebastian23

Ich kam in die Poetry-Slam-Szene, als die Menschen noch Hand in Hand mit Mammuts lebten und Säbelzahntiger über Löwenzahnwiesen liefen. Am Anfang warf ich mich mit Begeisterung in den Wettbewerb und glomm förmlich vor Ehrgeiz, doch mit dem Alter wurde ich milder. In den letzten Jahren habe ich immer weniger Leute die Kellertreppe runtergeschubst, weil diese mich beim Slam besiegt hatten.

Ganz im Gegenteil, ich sehe das mittlerweile so: Dem Nachwuchs gehört die Zukunft und mir gehört bald deren Geld – in Form von Rente. Ich möchte nämlich langsam auch mal auf den Schaukelstuhl am Kamin, ein schön ornamentiertes Pfeifchen rauchen und in goldenen Erinnerungslücken schwelgen. Ich bin immerhin 34 Jahre alt, auch wenn ich mich an guten Tagen wie 31 fühle.

Für junge Autoren, die die Bühne nicht scheuen, ist Poetry Slam in den letzten Jahren ein unglaublich guter Weg geworden, ein Publikum zu finden. Man muss sich das vorstellen: Da kommen Dutzende, Hunderte Menschen, die sich in Kneipen, Cafés und Kellerclubs zusammenfinden, um sich Gedichte und Kurzgeschichten anzuhören. Das ist natürlich Benzin für jene, die eine kleine Flamme aufkeimender Kreativität in sich tragen. Plötzlich schreibt man nicht mehr nur noch für die Schreibtischschublade und höfliche Komplimente von Freunden und Mutti – man schreibt für die Saftschorle saufenden Horden von Germanistikstudentinnen (auf Lehramt!) im Publikum.

Aber nein, ich sollte nicht scherzen über Slam-Besucher: Die Zuhörer sind mutige Leute – sie erwerben mit der Eintrittskarte immer auch – Achtung, tieffliegende Phrase! – die Katze im Sack. Denn meist wissen sie nicht, welche Slammer an einem bestimmten Abend auf der Bühne stehen werden. Es gibt andererseits einen guten Grund, warum Poetry Slams fast immer gut besucht sind: Man wird in den allermeisten Fällen positiv überrascht. Und das nicht nur ein bisschen, manchmal kawemmst es einen echt aus den Tretlingen.

Lange Zeit moderierte ich einen der ältesten Poetry Slams in Deutschland im Café Atlantik in Freiburg. Dort hatte ich vor noch längerer Zeit einst meinen eigenen ersten Slam-Auftritt. Und ebendort geschah es, dass ich das erste Mal auf Sophie Passmann traf. Sie war damals gerade 15 Jahre alt und frech wie die Zitrone gelb ist. Bereits bei ihrem ersten Auftritt machte sie sich am Mikrofon über mich und meine Mütze lustig. 250 Leute lachten herzhaft – denn wenn ein kleines Mädchen einen alten Mann verprügelt, dann juckt dem Volk der Lachmuskel. Ich rechnete mir daher niedrige Chancen aus, meine Sympathiewerte zu steigern, indem ich Sophie von der Bühne und dann die Kellertreppe runterschubste. Also lachte ich mit, denn, verdammt, es war auch lustig – und ich dachte, es geht schon wieder vorbei.

Ging es aber nicht. Sophie kam ab da jeden Monat zum Slam und rockte jedes Mal das Haus. Das sagt man so in der Slam-Szene. Man könnte auch sagen: Die Zuhörer hingen ihr an den Lippen und lagen ihr zu Füßen. Wenn man diese Redewendungen nicht kennt, klingt das auch erst mal schmerzhaft. Es war jedoch ganz wunderbar.

Nach einer Weile nahm ich Sophie zur Seite und sagte: „Sophie, die Leute hier feiern deine Texte! Vergiss jedoch nicht: Die Welt ist groß und überall sind Slams! Geh doch mal auf Tour!“ Dann rief ich ein paar befreundete Slam-Veranstalter an und sagte ihnen, dass sie diese junge Dame doch mal in ihre Stadt einladen sollten. Das klingt erst mal so, als habe ich ihre Karriere fördern wollen – in Wirklichkeit habe ich sie einfach weggeschickt. Wäre dieser Text im Internet, würde jetzt hier wohl ein Zwinkersmiley stehen. XD.

Der Rest ist Geschichte: Sophie wurde kreuz und quer durchs Land als Katze im Sack gebucht und rockte überall die Häuser. Sie stand auf kleinen und verdammt großen Bühnen und machte kleine und verdammt große Texte.

Und alles nur, weil ich sie nicht die Treppe runtergeschubst habe.

Das ist der Text, den ich gerne als meinen „allerersten Slamtext“ vorstelle. Eigentlich ist es nur mein erster Text, für den ich mich heute nicht schäme. Meine ersten Gehversuche auf Slambühnen waren verworren, höchstens bemüht lustig, und haben sich auch höchstens mit viel Fantasie gereimt. (Wobei ich auch hier „Nirvana“ auf „Erich Kästnaa“ reime …) Diese Texte liegen ganz tief in einer Schublade, und man müsste mir schon wirklich viel Geld bieten, um sie noch mal vorzutragen.

„Relativ Kellertief“ habe ich in einem Hostelzimmer in Bochum im November 2010 geschrieben – ich hatte gerade die allerersten deutschsprachigen Slam-Meisterschaften hinter mir und drei Tage Slammer mit ihren besten Texten sehen dürfen. Mein Mund schmeckte noch ein bisschen nach schlechtem Rotwein, meine Kleider rochen nach kaltem Rauch und das nasskalte Pott-Wetter hat mich krank und zynisch gemacht. Trotzdem ging es mir blendend – ich war randvoll mit neuen Eindrücken und Inspiration, denn ungefähr jeder Teilnehmer auf der Bühne hat das so viel besser gemacht als ich. Ich konnte es also kaum erwarten, meinen ersten „richtigen“ Text zu schreiben.

Als Vorlage diente übrigens die furchtbare Aftershow-Party bei den Meisterschaften.

Relativ kellertief

Die Stimmung der Party ist relativ kellertief.

Die Kneipe ist keine Kneipe

Sondern eine Lounge.

An den Wänden hängt Kunst.

In der Luft hängt der Beat, der dir vom DJ-Pult aus sagt:

Geh nach Haus! Geh nach Haus! Geh nach

Haus! Geh nach Haus!

De-de-de-der DJ ist – de-de-de-der DJ ist

müüüüde.

Und man tanzt trotzdem.