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Dr. Isabella Ackerl,

geboren 1940 in Wien, Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, Promotion zum Dr. phil.; zahlreiche Lexikonartikel und Publikationen, u. a. bei marixwissen: Die 100 bedeutendsten Staatsmänner; Die Staaten der Erde: Europa und Asien; Die Staaten der Erde: Afrika, Amerika und Australien; Geschichte Österreichs in Daten (2 Bände).

Zum Buch

»Wir sind die Heldinnen unserer eigenen Geschichte.«
MARY MCCARTHY

Bereits lange vor der Erstarkung des weiblichen Geschlechts im vergangenen und im gegenwärtigen Jahrhundert haben sich Frauen ihren Platz unter den Großen der Welt erkämpft und den Weg in männerdominierte Lebensbereiche freigemacht. Auf allen gesellschaftlichen Ebenen wird die Geschichte der Menschheit mitgetragen von Frauen, die bis in die heutige Zeit als generationsübergreifende Vorbilder dienen. Der vorliegende Band stellt eine Auswahl dieser unzähligen Heldinnen vor, wobei einige – meist verschuldet von den sozialen Umständen ihrer jeweiligen Zeit – weitgehend im Verborgenen wirkten, andere wiederum in aller Öffentlichkeit ihre Kräfte mit dem männlichen Geschlecht erfolgreich maßen.

Mit Kurzporträts zu u. a. Hatschepsut, Hildegard von Bingen, Marie Curie, Gerty Cori, Alva Myrdal, Marie Jahoda, Mutter Teresa, Jane Goodall, Aung San Suu Kyi, Shirin Ebadi, Jody Williams und Malala Yousafzai.

Isabella Ackerl
Mutige Frauen

Isabella Ackerl

Mutige Frauen

46 Porträts

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© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2014 Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2014 Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH Hamburg Berlin
Bildnachweis: © akg-images GmbH, Berlin / Album eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0451-6

www.verlagshaus-roemerweg.de/marixverlag

»Ich bin doch nur ein Mädchen.«

Elena Lucrezia Cornaro Piscopia

»Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe, Sir!
Wir sind hier, nicht weil wir Gesetzesbrecherinnen sind;
wir sind hier, weil wir uns darum bemühen,
Gesetzgeberinnen zu werden.«

Emmeline Pankhurst

INHALT

VORWORT

HATSCHEPSUT

LYSISTRATA

HILDEGARD VON BINGEN

TAMAR

HL. ELISABETH VON THÜRINGEN

CASSANDRA FEDELE

ELENA LUCREZIA CORNARO PISCOPIA

MARIA SIBYLLA MERIAN

LAURA MARIA CATERINA BASSI

DOROTHEA CHRISTIANE ERXLEBEN

SARAH GRIMKÉ, ANGELINA GRIMKÉ

IDA PFEIFFER

FLORENCE NIGHTINGALE

BERTHA VON SUTTNER

SOFJA WASSILJEWNA KOWALEWSKAJA

EMMELINE PANKHURST

ELISE RICHTER

MARIE CURIE

MARIA MONTESSORI

LISE MEITNER

HILDEGARD BURJAN

GABRIELLE »COCO« CHANEL

MATHILDE VAERTING

GERTY CORI

MAGARETE SCHÜTTE-LIHOTZKY

IRÈNE JOLIOT-CURIE

CLÄRENORE STINNES

ALVA MYRDAL

MELITTA SCHENK GRÄFIN STAUFFENBERG

MARIE JAHODA

SIMONE DE BEAUVOIR

MUTTER TERESA

ETTA BECKER-DONNER

SIRIMAVO BANDARANAIKE

GERDA LERNER

MARIA SCHAUMAYER

JANE GOODALL

MAIREAD CORRIGAN, BETTY WILLIAMS

AUNG SAN SUU KYI

SHIRIN EBADI

JODY WILLIAMS

BENAZIR BHUTTO

RIGOBERTA MENCHÚ

LEYMAH GBOWEE, ELLEN JOHNSON SIRLEAF

TAWAKKOL KARMAN

MALALA YOUSAFZAI

LITERATURLISTE

VORWORT

Die nachfolgend dargestellten »mutigen« Frauen warfen sich nie ins Kampfgetümmel, sondern haben die ihnen durch Gesellschaft oder Zeitgeist auferlegten Schranken überwunden. Sie sind Mutmacherinnen für jene, die ihnen folgten und folgen werden. Sie sind beispielgebend, weil sie für ihre Zeit Ungewöhnliches wollten und auch erreichten, zielstrebig und unbekümmert. Die Auswahl der Dargestellten ist subjektiv und auch durch die Fülle oder das Fehlen von Überlieferung bestimmt. Zweifellos gab es viel mehr »mutige« Frauen, als wir heute wissen.

Zu allen Zeiten setzten sich mutige Frauen für den Frieden ein, beginnend mit der mythisch-literarischen Gestalt der Lysistrata bis zu den Friedensnobelpreisträgerinnen unserer Tage. Sie gingen unverdrossen und trotz teilweiser Erfolglosigkeit und Vergeblichkeit ihren Weg, sie setzten ihre Anstrengungen fort, auch wenn man sie wie Lysistrata zu einer Figur der Komödie machte, über die sich die Menschen im Amphitheater vor Lachen den Bauch hielten oder eine hämische Presse sie mit Beinamen wie die »Friedensbertha« für Bertha von Suttner verhöhnten. An ihre Erfolge glaubten nur wenige, erst im 21. Jahrhundert lassen Tendenzen gewaltlosen Widerstands und die damit einhergehenden Erfolge Hoffnung schöpfen.

Frieden bedeutet nicht nur das Verhindern von kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern auch Gleichberechtigung der Völker, religiöser Gruppen oder Ethnien. Mutige Frauen veränderten durch ihren Einsatz unsere Weltsicht und konnten bisweilen nachhaltige Erfolge erzielen, etwa wie Jodie Williams durch ihre weltweite Kampagne gegen Landminen oder Jane Goodall, die durch ihre Forschungen zu Primaten nicht ungehört ihre mahnende Stimme zum Schutz unserer genetischen Verwandten erhebt.

Über die Jahrhunderte hinweg traten Frauen für mehr Bildung und damit für ihren Anteil am sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaften ein. Die Emanzipationsgeschichte der Frauen ist vor allem eine Geschichte der Eroberung von Bildungschancen in patriarchalen Strukturen. In den westlichen Gesellschaften stehen den Frauen heute alle Bildungsmöglichkeiten offen. Doch mussten diese gegen erhebliche Widerstände im 19. Jahrhundert in jedem einzelnen Bereich erobert werden. Man bezichtigte Frauen der mangelnden Intelligenz, ja der Dummheit, man sprach ihnen schöpferische Phantasie ab, hochbegabte Frauen wurden in ihrem Streben schwer gehindert oder lächerlich gemacht, weiblicher Forschergeist zum Schaden der Menschheitsgeschichte an der Entfaltung gehindert. Jede einzelne, die sich über die ihr auferlegten Schranken hinwegsetzte, veränderte die Welt. Diese Frauen bewiesen, dass nicht nur Männer Forscher und Entdecker sein können, und machten späteren Generationen Mut, die »gläserne Decke« zu durchbrechen. Sie machten bis dahin Undenkbares möglich. Manche blieben solitäre Erscheinungen, gerieten vorübergehend in Vergessenheit und doch wurden sie von anderen Frauen wiederentdeckt und als Vorbilder angesehen. So berief sich etwa Laura Bassi, Universitätsprofessorin des 18. Jahrhunderts auf Bettisia Gozzadini, die schon im 13. Jahrhundert an der Universität von Bologna, der ältesten des Kontinents, juristische Vorlesungen gehalten haben soll.

Diesen mutigen Pionierinnen des Geistes und der Tat sei dieser Band gewidmet.

HATSCHEPSUT

* etwa 1495 v. Chr.

† 1458 v. Chr. (14. Januar 1457?)

Ägyptischer Pharao

Hatschepsut, ägyptischer Pharao weiblichen Geschlechts, regierte während der 18. Dynastie. Der Beginn ihrer Regierungszeit wird auf 1479 v. Chr. datiert, d. h. sie erreichte schon im Alter von 16 Jahren eine machtvolle Position, die mit dem ehrenden Titel »die erste der vornehmen Frauen, die Amun umarmt« umschrieben wird. Hatschepsut ist eine Tochter des Pharaos Thutmosis I. und seiner Gattin Ahmose. Ihr Halbbruder Thutmosis II. war gleichzeitig ihr Ehemann, mit dem sie zwei Töchter hatte. Ein Sohn aus einer Verbindung von Thutmosis II. mit der Nebenfrau Isis folgte als Thutmosis III. dem Vater nach. Als Thutmosis III. die Herrschaft antreten sollte, war er allerdings erst vier Jahre alt und noch nicht in der Lage, sein Amt auszuüben.

In dieser vermutlich riskanten Phase übernahm Hatschepsut die Regentschaft für ihren Stiefsohn. Die tatsächliche Übernahme der Herrschaft durch eine Frau ist ungewöhnlich, da ein Pharao zugleich auch der höchste geistliche Würdenträger des Reiches war, ein Amt, das keinesfalls von einer Frau ausgeübt werden durfte. Daher wurde diese Herrscherin einerseits als Mann dargestellt, um den Gepflogenheiten Genüge zu tun, andererseits wurde eine Legende über ihre göttliche Geburt, d. h. ihre direkte Abstammung von Amun, geschaffen, um den Tabubruch abzuwehren, indem die Herrschaft einer Frau als göttlicher Wille dargestellt und sie somit außerhalb der Normen positioniert wird. In Hatschepsuts angeblicher Geburtsgeschichte, die im Tempel von Deir-el-Bahari in 15 Szenen dargestellt ist, heißt es: »Der Name meiner Tochter, die ich Dir in den Leib gelegt habe, soll deshalb auch Hatschepsut lauten … Hatschepsut wird das treffliche Amt des Königs ausüben im ganzen Land.« Dieser Mythos von der göttlichen Geburt steht so durchaus in der altägyptischen Tradition und reicht bis in die vierte Dynastie des Alten Reichs zurück. Diesen Mythos zu schaffen und zu verbreiten, war auch deshalb wichtig, weil ihr Vater Thutmosis I., ein Armeegeneral, unbekannter Herkunft war; jedenfalls stammte er nicht aus einer Zweiglinie von Pharaonen. Ihre Mutter Ahmose hingegen stammte von Amenhotep I. ab.

Zwei Jahre nach Übernahme der Regentschaft wurde Hatschepsut formell durch den Hohepriester mit der Krone Ober- und Unterägyptens gekrönt. Eine Schilderung dieser Zeremonie findet sich in der Roten Kapelle des Tempels von Karnak. Zwei weitere Inschriften aus späteren Jahren bestätigen ihre Herrschaft.

In ihrem neunten Regierungsjahr veranlasst Hatschepsut die Expedition in das Land Punt, eine äußerst wichtige und gut dokumentierte Unternehmung. Dieses sagenumwobene Land lag möglicherweise an der Westküste des Roten Meeres im heutigen Somalia oder Eritrea. Dieses Unternehmen ist in Hatschepsuts Totentempel ausführlich dargestellt, legendär sind die Bilder der Herrscherin des Landes Punt, die im Gegensatz zum üblichen ägyptischen Schönheitsideal als besonders beleibt dargestellt wurde. Ägypten bezog aus dem Lande Punt Weihrauch und Edelhölzer, Gold, Elfenbein und Harze, aber auch Tiere, die vom Künstler des Tempels der Hatschepsut für die Ewigkeit festgehalten wurden.

Hatschepsut kam auch den für einen Pharao üblichen militärischen Aufgaben nach. Sie führte vor allem Strafexpeditionen nach Nubien und Palästina durch. Eine weitere Strafexpedition führte sie gegen kriegerische Nomaden auf der Halbinsel Sinai. Zweck war die Wiedereröffnung der dortigen Türkisminen. Vermutlich hat Hatschepsut schon ihren Vater auf Kriegszügen begleitet und sich dabei Wissen angeeignet und Reputation gewonnen.

Der Baumeister Senenmut errichtete vermutlich in ihrem Auftrag den Totentempel in Deir-el-Bahari und führte Bauarbeiten am Amuntempel von Karnak durch. Es sind dies die Rote Kapelle, ein Barkensanktuar und Obelisken. Dieser Architekt spielte im Leben der Hatschepsut eine bedeutende Rolle, denn er wird auch als Erzieher ihrer Tochter Neferure genannt und als oberster Vermögensverwalter bezeichnet. Möglicherweise stand Senenmut der Herrscherin näher, zumindest lässt eine Statue, die ihn mit Hatschepsut und ihrer Tochter zeigt, dies vermuten. Der Tempel der Hatschepsut ist in seiner architektonischen Gestaltung einzigartig, vor allem die Terrassen und Rampen zu beiden Seiten sind ohne Beispiel. Außerdem ließ Hatschepsut zu Ehren Amuns in den gewaltigen Tempelanlagen von Karnak zwei Obelisken errichten, von denen einer noch aufrecht stehend erhalten blieb. Der zweite, zerbrochen in mehrere Teile, lagert in verschiedenen Museen der Welt.

Hatschepsut wurde vermutlich kaum älter als 35 Jahre. Nach der Identifizierung ihrer Mumie, die fast zweifelsfrei 2007 erfolgte, gehen die Forscher davon aus, dass sie an Krebs oder Diabetes starb. Gefunden hatte man Hatschepsuts Mumie schon 1903; sie konnte aber damals keinem Herrscher eindeutig zugeordnet werden. Mittels DNA-Analysen und CT-Untersuchung wurde mehr Klarheit gewonnen, allerdings bestehen noch immer gewisse Zweifel, vor allem wegen eines nicht exakt passenden Zahnes.

Zu ihren Lebzeiten stand Hatschepsut als Pharao wohl nicht in Frage, nach ihrem Tod wurden aber Inschriften, Reliefs und Statuen der Hatschepsut zerstört. Zunächst vermutete man ihren Halbbruder Thutmosis III. als Täter, inzwischen meint man, dass diese Vernichtungen der Erinnerung, diese »Damnatio memoriae«, einer jüngeren Zeit zuzuordnen sind. Offenbar sollte nie wieder die Tradition gebrochen werden, nie wieder eine Frau das Regierungsamt übernehmen.

Die Geschichtsschreibung beurteilt heute die Zeit der Hatschepsut als eine wichtige und innovative Übergangsphase zum Neuen Reich. Ihre Herrschaft wurde als segensreich für das Land gesehen, die es ihrem Stiefsohn Thutmosis III. ermöglichte, Eroberungszüge bis an den Euphrat zu führen. Generell war ihre 20-jährige Regierungszeit eine Epoche des inneren Friedens. Ganz im Gegensatz zu Hatschepsut ist über die wahrscheinlich kurze Regierungsphase ihres Halbbruders und Ehemannes Thutmosis II. fast nichts bekannt, er stand sichtlich im Schatten seiner wesentlich tatkräftigeren Gattin und Halbschwester.

Ohne Zweifel war Hatschepsut eine sendungsbewusste, analytische und selbstsichere Frau. Ob sie die Übernahme der Herrschaft aus lauteren Beweggründen und nur im Interesse des Reiches vollzog, oder im Gegenteil aus Machthunger und Geltungsbewusstsein, werden wir wohl nie sicher wissen. In den Augen der Nachwelt, die sie verfemte, war ihre Herrschaft ein Tabubruch, denn eine Frau als Teil der religiösen Hierarchie war bis dahin unerhört und sollte sich auch nicht wiederholen. Für die Zeitgenossen war die Periode ihrer Herrschaft vermutlich gut. So können wir in einer Inschrift für den zur gleichen Zeit lebenden Bürgermeister von Theben lesen: »… sie, eine Herrin des Befehlens, deren Pläne vortrefflich waren; die die beiden Länder [gemeint sind Ober- und Unterägypten] beruhigte, wenn sie redete.«

Die Geschichtswissenschaft begegnete dieser außergewöhnlichen Frau zum ersten Mal nach Entschlüsselung der Hieroglyphen durch Jean-François Champollion, als man wenige Jahre später in Theben die Kartusche eines bis dahin unbekannten Herrschers entdeckte, der in keiner der klassischen Königslisten auftauchte. Eine Beischrift deutete daraufhin, dass es sich um eine Frau handeln könnte, doch blieb das Rätsel um diese Herrscherin noch lange bestehen und bleibt bis heute geheimnisvoll.

LYSISTRATA
(WÖRTLICH: HEERESAUFLÖSERIN)

Lysistrata ist eine Kunstfigur, eine literarisch-fiktionale Gestalt. Sie ist die Kopfgeburt des griechischen Dramatikers und Komödienautors Aristophanes, der seine Komödie »Lysistrata« im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta schrieb, um die kriegsmüden und erschöpften Menschen mit den Mitteln der Komödie auf Frieden einzustimmen. Das Stück des Aristophanes, aus Anlass der Lenäen, den Festspielen zu Ehren des Gottes Dionysos, aufgeführt, ist ein im Mantel der Komödie verpacktes Politstück pazifistischen Inhalts und bereits die dritte Komödie, die Aristophanes zu diesem Thema verfasste.

Die Geschichte Lysistratas lässt sich schnell erzählen: Die Frauen Athens sind des sinnlosen Tötens leid und wollen endlich Frieden. Da die Männer keinerlei Anstalten machen, Friedensverhandlungen einzuleiten, besetzen sie auf Anraten der schlauen und tatkräftigen Lysistrata die Akropolis, den Burgberg der Stadt. Mit einem Schlag haben sie den strategisch wichtigsten Platz der Stadt in ihre Gewalt gebracht und damit auch die Kriegskasse, die sich im Jupitertempel befand. Den überraschten und völlig übertölpelten Männern, deren Autorität durch diese Tat gründlich untergraben wurde, haben sie noch eine zusätzliche Bedingung auferlegt: Erst wenn Frieden herrsche, würden die Frauen wieder in die ehelichen Schlafgemächer zurückkehren. Diese sexuelle Verweigerung wurde noch durch eine Allianz mit den Spartanerinnen, personifiziert durch Lampito, die Gleiches im Namen der spartanischen Frauen ihren Ehemännern droht, verschärft. Nach verschiedenen Verstrickungen – liebestolle Männer versuchen vergeblich die Burg zu stürmen, nicht ganz standhafte Frauen wollen die Akropolis verlassen, um zu ihren Männern heimzukehren – lenken die athenischen und spartanischen Männer ein. Der Liebesentzug führt letztlich ein glückliches Ende und den lang ersehnten Frieden herbei.

Aristophanes, ein genialer Komödiendichter, der mit Vorliebe Frauen zu den zentralen Figuren seiner Stücke machte, hatte die Hand am Puls der Zeit. Er stellte komödienhaft dar, was sich keiner ernsthaft zu formulieren getraute. Seit zwanzig Jahren herrschte Krieg, eine Generation junger Männer kannte nichts anderes als den Kampf. Sicherlich waren auch sie erschöpft und müde, doch ihr Stolz ließ nicht zu, dem unsinnigen Treiben ein Ende zu setzen. Aristophanes wählte keineswegs eine feine rhetorische Klinge, seine Dialoge sind derb und direkt. Jeder athenische Mann sollte verstehen, worum es in diesem Stück ging. Vordergründig ist es ein Kampf friedliebender Frauen gegen kriegstreibende Männer. Dahinter steckte eine grundsätzlich pazifistische Haltung eines Mannes, der sich der Frauen als Sprachrohr für seine Gesinnung bediente. Er wählte das Genre der Komödie vor allem deswegen, weil es das Publikum äußerst witzig fand, wenn Frauen politisch denken und handeln, einen Plan schmieden und durchführen. In der historischen Realität waren Frauen üblicherweise ans Haus gefesselt, ungebildet und standen dem politischen Geschehen fern. Wir können vermuten, dass es nicht viele Männer in Athen gab, die die Meinung des Dichters teilten, aber alle Männer waren von der Friedensstrategie der fiktiven Heldin beeindruckt, zumindest insofern, als dass sie zufrieden ihre eigene Situation mit der der Protagonisten im Stück verglichen und sich glücklicher schätzten als die vermeintlich Unbelehrbaren. Auf die Wirklichkeit bezogen sah die Lage in Athen trotzdem alles andere als gut aus, denn es sollte immerhin noch sieben Jahre dauern, bis endlich Frieden herrschte. Athen musste eine schwere Niederlage hinnehmen.

Gab es ein historisches Vorbild der Lysistrata? Kannte Aristophanes vielleicht eine Athenerin, die ihrem Mann die ehelichen Freuden verweigerte, damit er endlich seine Stimme für den Frieden erhöbe? Wir wissen es nicht; jedenfalls war zunächst nur die Komödie des Dichters ein Erfolg.

Die Thematik des Bühnenstücks des Athener Dichters, aus dem Augenblick einer konkreten politischen Situation geboren, wird immer wieder in der Literatur aufgegriffen. Die Ideen und Taten der »Heeresauflöserin« sind ein konstantes Menschheitsthema. Die Figur der Lysistrata lebt weiter in Musicals oder Hörspielen, im Film und Fernsehen. Im 20. Jahrhundert hätten Gesinnungsgenossen der »L.« sie wahrscheinlich für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Viele Friedenskämpferinnen unserer Tage streiten nach wie vor gegen die sprichwörtlichen Windmühlen. Daher ist Lysistrata ein leuchtendes Vorbild für die Umsetzung eines edlen Gedankens.

HILDEGARD VON BINGEN

* zwischen Mai und September 1098 Bermersheim (Rheinland-Pfalz)

† 17. September 1179 Kloster Rupertsberg bei Bingen

Universalgelehrte und Mystikerin

Schon zu ihren Lebzeiten wurde Hildegard von Bingen als Heilige verehrt. Ihr wichtigster Übersetzer und Biograph Bernard Gorceix nannte sie das »geistliche und moralische Gewissen ihrer Zeit«. Erst im 20. Jahrhundert wurden ihre Schriften zur Heilkunde wiederentdeckt und als »Hildegardismedizin« zu Quellen für alternative medizinische Anwendungen, vor allem im Bereich der sich auf Kräuterkunde stützenden »sanften« Naturmedizin.

Als Hildegard von Bingen geboren wurde, befand sich Europa in einer Phase großer Veränderungen. Das christliche Abendland stürzte sich in das Abenteuer der Kreuzzüge, Adelige, einfache Bauern, Frauen und sogar Kinder wollten die Stätten des Christentums von den »Ungläubigen« befreien. Ein Mobilitätsschub ging durch den Kontinent, Städte wurden gegründet und breiteten sich aus. Das mönchische Leben erhielt neue Impulse durch die von Cluny ausgehende Reformbewegung, an zahlreichen Orten entstanden neue klösterliche Gemeinschaften, die zu Zentren von Frömmigkeit und auch Kultur wurden.

Hildegard, das zehnte Kind der rheinhessischen Adeligen Hildebert und Mechtild wurde gemeinsam mit ihrer Verwandten Jutta von Spanheim erzogen. Letztere zog sich bereits mit 14 Jahren von der Welt zurück und führte ein Leben als Klausnerin nach den Regeln des Hl. Benedikt. Vermutlich um 1112 legte auch Hildegard gegenüber Bischof Otto von Bamberg das Gelübde ab und lebte im Kloster Disibodenberg, einer Gründung irischer Mönche, die im Gefolge des Hl. Kolumban auf den Kontinent gekommen waren. Ein derart früher Eintritt in eine Ordensgemeinschaft war im Hochmittelalter durchaus üblich, sicherte er doch die Zukunft junger Mädchen. 1136 wurde sie zur Magistra (= Lehrmeisterin) der Novizinnen und zur Äbtissin gewählt. Mit Abt Kuno von Disibodenberg, dem Vorsteher des Männerklosters – damals war es üblich, dass parallel Männer- und Frauenklöster an einem Ort gegründet wurden, wobei das Frauenkloster bis zu einem gewissen Grad unter der Vormundschaft des Abtes des Männerklosters stand – hatte sie einige grundsätzliche Auseinandersetzung, denn seine Prinzipien der Askese, die strengen Speisevorschriften und die überaus langen Gebetszeiten waren ihr ein Dorn im Auge. Offenbar lag ihr ein praktisches Christentum, die Sorge um Arme und Kranke, sowie die Belehrung der Menschen mehr am Herzen.

Um 1140 traten bei ihr gehäuft visionäre Vorstellungen und religiöse Offenbarungen auf. Unsicher, ob diese tatsächlich göttlicher Eingebung zu danken wären, wandte sie sich brieflich – so wird überliefert – an Abt Bernhard von Clairvaux, um Rat, der sie vorsichtig ermahnte, diese »inneren Unterweisungen« anzunehmen. Jedenfalls bestätigte Papst Eugen III., ein ehemaliger Zisterzienserpater, 1148 auf der Synode von Trier ihre Sehergabe und wies Hildegard an, ihre Visionen zum vermehrten Ansehen der Kirche niederzuschreiben. Mit Hilfe eines Schreibers ließ sie diese Visionen in lateinischer Sprache aufzeichnen. Sie selbst hatte wohl mit Hilfe geistlicher Texte schreiben und lesen gelernt, aber nie eine gründliche Schulung in Grammatik erhalten. Dieser reich illuminierte Text ist leider nur als Faksimile erhalten, das Original ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Moderne Ärzte und Naturwissenschaftler wollten auf Grund von Hildegards genauen Beschreibungen ihrer Zustände bei ihr immer wiederkehrende schwere Migräneanfälle diagnostizieren, die zu Halluzinationen führen können.

Hildegards Kloster wurde fast täglich von zahlreichen Menschen aufgesucht, die sich Heilung von Krankheiten oder geistlichen Zuspruch erwarteten. 1147 gründete sie gegen den Willen von Abt Kuno von Disibodenberg, der ein Abwandern der die populäre Hildegard verehrenden Gläubigen in das neue Kloster befürchtete, das Kloster Rupertsburg bei Bingen. Da die Zahl der Nonnen in Rupertsberg stetig anstieg, erwarb Hildegard 1165 ein leerstehendes Augustinerkloster in Eibingen bei Rüdesheim am anderen Ufer des Rheins, um Platz für eine weitere klösterliche Gemeinschaft zu schaffen. Der Zustrom von Gläubigen brachte dem Kloster gute Einkünfte und Spenden und ließen die Gemeinschaft, deren Mitglieder sich anfangs nur aus adeligen Familien rekrutiert hatten, durchaus wohlhabend werden. Erst im Kloster Eibingen wurden auch Nonnen aus nichtadeligen Familien aufgenommen.

Hildegard war schon zu Lebzeiten wegen ihrer breitgestreuten Bildung eine Legende und ihre sehr selbstständige Denkweise war für ihre Zeit ungewöhnlich. Sowohl die Geistes- als auch die Naturwissenschaften fanden ihr Interesse. Ihr hauptsächliches Wissensgebiet war die Heilkunde, von weither strömten die Menschen in ihr Kloster, um sich medizinisch und pharmazeutisch beraten zu lassen. Ohne Unterschied des Standes und des Besitzes kümmerte sie sich um alle ratsuchenden Kranken.

Ihre Visionen über das Wirken Gottes legte sie in der Schrift »Scivias« (= wörtlich: Du sollst wissen) – fertiggestellt 1151 – nieder. Damit wurde sie zur wichtigsten Literatin ihrer Zeit. Sie schrieb außerdem Gedichte, Mysterienspiele und Hymnen. Zudem komponierte sie religiöse Lieder, deren Noten in Neumenform überliefert wurden. Es sind insgesamt 77 liturgische Gesänge erhalten, aber auch ein geistliches Drama.

In »Causae et curae« (= Ursachen und Heilungsmethoden) fasste sie ihr gesamtes praktisches medizinisches Wissen zusammen. Einen wichtigen Stellenwert nimmt bei ihr eine gesunde und ausgewogene Ernährung ein, sie propagiert vor allem Dinkel als sehr bekömmliches Getreide, was die heutige Forschung in extenso bestätigt. In ihren Anweisungen ging sie auch auf psychosomatische Symptome ein. Einen Tabubruch stellten ihre Ausführungen zum Sexualverhalten der Menschen dar. Im Grunde fasste sie in ihrem Werk einen großen Teil des medizinischen Wissens ihrer Zeit zusammen, was umso hilfreicher war, da es noch kein Medizinstudium im heutigen Sinne gab. Grundsätzlich war das medizinische Wissen im europäischen Hochmittelalter den Kenntnissen arabischer Ärzte weit unterlegen.

In ihrem Werk »Liber vitae meritorum« (Buch der Verdienste des Lebens) beschreibt sie Tugenden und Laster. Insgesamt hinterließ sie fünf Schriften in lateinischer Sprache und etwa 300 Briefe an Gelehrte und bedeutende Machthaber ihrer Zeit. Dank ihrer adeligen Herkunft wurden ihre Ermahnungen und Anweisungen zu theologischen Fragen, aber auch zu Problemen des täglichen Lebens gehört und respektiert. Sie hat sogar mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa korrespondiert, möglicherweise kam es zu einer persönlichen Begegnung in der Pfalz von Ingelheim bei Mainz. Oft nimmt sie in ihren Briefen Bezug auf die Kreuzzüge, die sie als möglichen Reinigungsprozess für begangene Sünden ansieht. Noch in hohem Alter ging sie auf Predigtreise und sprach sogar an Bischofssitzen wie in Trier, Köln oder Bamberg zu den Gläubigen. Sicherlich war es damals ungewöhnlich, dass eine Nonne die Abgeschiedenheit des Klosters verließ und zu den Gläubigen vor Ort predigte.

Im 20. Jahrhundert im Zuge der Frauenbewegung und der Entdeckung der gelehrten und heilkundigen Frauen des Mittelalters entstand ein regelrechter Hildegard-Kult, sie wurde quasi zur Schutzmantelmadonna aller Esoteriker und Alternativen. Einige Komponisten des 20. Jahrhunderts wurden von der Gestalt Hildegards zu musikalischen Werken inspiriert, wie Sofia Gubaidulina oder Peter Janssens.

Ein Prozess zu ihrer Heiligsprechung wurde 1228 begonnen, aber auch wegen Widerständen des Mainzer Domkapitels nie zu Ende geführt. Allerdings wurde sie durch die Jahrhunderte wie eine Heilige verehrt. Papst Benedikt XVI., der sich während seiner Universitätsprofessur in Bonn intensiv mit Leben und Wirken der Hildegard von Bingen auseinandergesetzt hatte, nahm sie 2012 in das Verzeichnis der Heiligen auf und erhob sie zur Kirchenlehrerin.

Von den von ihr errichteten Klöstern haben sich bis in unsere Tage nur Ruinen erhalten. Disiboden wurde zur Zeit der Reformation aufgegeben, Rupertsberg während des Dreißigjährigen Krieges zerstört, das Kloster Eibingen 1803 säkularisiert. In der erhaltenen Klosterkirche von Eibingen werden ihre Reliquien aufbewahrt. 1904 kam es zu einer Neugründung eines Frauenklosters in Eibingen, das sich als Nachfolgeinstitution der Hildegard von Bingen versteht.

TAMAR

* 1160 Tiflis

† 18. Januar 1213

Königin von Georgien

Bereits an ihrem 18. Geburtstag übertrug ihr der Vater Georgi III. aus dem Hause der Bagratiden die Mitherrschaft in seinem Reich Georgien, dem Kolchis der Argonautensage. Als ihr Vater sechs Jahre später starb, trat sie unbestritten seine Nachfolge an, da es einen männlichen Erben nicht gab. Mit ihrer Herrschaft begann in Georgien ein »Goldenes Zeitalter«, in dem dieses Land die größte Ausdehnung seiner Geschichte erreichte. Georgien war das erste Land, das im Jahre 337 n. Chr. das Christentum als Staatsreligion eingeführt hatte. Seit 975 n. Chr. war Georgien ein souveräner Staat, der sich allerdings immer wieder gegen Einfälle aus den Nachbarregionen behaupten musste, etwa 1064 n. Chr. gegen die Türken.

Welche Ausbildung Tamar erfahren hat, wissen wir nicht. Vieles in ihrer Geschichte bleibt im Dunklen, bzw. wurde zum Mythos. Tamars Großvater David, genannt der Erbauer, hatte bereits wesentliche Reformschritte eingeleitet. Tamar war in erster Ehe mit dem russischen Prinzen Juri verheiratet. Da die Ehe jedoch kinderlos blieb und ihr Ehemann den strengen moralischen Ansprüchen nicht genügte – angeblich war er in seinem Umgang höchst unmoralisch und war dem Alkohol zugeneigt –, wurde er zeitgenössischen Berichten zufolge nach Konstantinopel verbannt. Der vertriebene Ehemann suchte in der Hauptstadt des byzantinischen Reiches Verbündete, mit deren Hilfe er ein Heer aufstellte, um sich in den Besitz des Thrones zu bringen. Dieses Heer erlitt jedoch eine klägliche Niederlage – angeblich befand sich Tamar selbst unter den Kämpfern – und Juri musste sein Heil in der Flucht suchen. Kommandant der siegreichen Truppen war der ossetische Fürst David Soldan, den sie später heiratete. Zuvor hatte sie noch eine Ehe mit einem Sohn des deutschen Kaisers Friedrich Barbarossa ausgeschlagen. Dies alles lässt darauf schließen, dass Tamar zu ihrer Zeit weithin bekannt und eine begehrte Heiratskandidatin gewesen sein muss.

Nach dem Sieg über ihren Ex-Ehemann wandte sie sich grundlegenden Reformen zu. Sie stärkte die Rechte des Adelsparlaments Darbasi, indem sie das Inkrafttreten von Gesetzen an dessen Zustimmung band. Sie installierte Gerichte und eine diesen übergeordnete Berufungsinstanz. Todesstrafe und verstümmelnde Leibesstrafen wurden abgeschafft. Als neue Bildungszentren gründete sie Klöster und förderte den Kirchenbau. Auf ihre Anregung wurden die Kirchen mit Fresken geschmückt, in den Klöstern reich illuminierte Handschriften hergestellt. Wissenschaftler und Künstler, vor allem Goldschmiede, konnten sich ihrer Wertschätzung erfreuen. In ihrem Auftrag schrieb der bedeutendste georgische Literat des 12. Jahrhunderts, Schota Rustaweli, der sich übrigens auch um die Finanzen der Königin kümmerte, das Heldenepos »Der Recke im Tigerfell«, in dem Tapferkeit, ritterliche Tugenden und Edelmut gepriesen wurden. Die mittelalterliche Handschrift hat sich erhalten. Angeblich durfte sich der Nationaldichter auch der besonderen Gunst der Königin erfreuen, was aber wahrscheinlich in den Bereich der zahlreichen Legenden um diese beeindruckende Frau gehört. Außer diesem Heldenepos entstand zu dieser Zeit eine Landeschronik, »Kartlis Tshokvreba«, die die Ereignisse in diesem christlichen Land seit dem 8. Jahrhundert nach Christi schildert.

Unter Tamars Herrschaft wurde in Georgien ein sehr ausgeklügeltes Bewässerungssystem installiert, das die Erträge des Landes steigern sollte. Zuvor konnte Georgien nur Wein exportieren, danach stieg der Ertrag von Baumwolle, Reis und Flachs. Angeblich wurde auch die georgische Rinderzucht bis nach Westeuropa gewürdigt.

Mit Unterstützung des Adels führte Tamar eine Reihe erfolgreicher Feldzüge, was den führenden Adelsfamilien reiche Beute und einen entsprechenden Machtzuwachs brachte. So erzielte sie 1195 einen Sieg über die Perser bei Shamkor (heute Shamkir in Aserbeidschan). 1204 nützte sie den Überfall der christlichen Kreuzfahrer auf Konstantinopel aus, um sich das Gebiet um Trabzon, im Norden der kleinasiatischen Halbinsel, einzuverleiben.

Als Tamar 1213 unerwarteterweise verstarb, trat ihr Sohn Georgi IV. die Nachfolge an. Nach ihrem Tod wurde Tamar wegen ihrer Verdienste um die Klostergründungen von der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche kanonisiert. Wo sie begraben wurde, ist bis heute unklar. Der Legende nach sollte das ganze Land ihr Grab sein. Daher blieb ihre Grabstätte geheim.

Georgi IV. konnte sich nicht lange eines blühenden Reiches erfreuen, er fiel 1224 gegen die Mongolen, ein Jahr später eroberten diese Tiflis und die Unabhängigkeit des Landes ging verloren.

HL. ELISABETH VON THÜRINGEN

* 7. Juli 1207 Sárospatak (Ungarn)

† 17. November 1231 Marburg an der Lahn

Heilige der katholischen Kirche

Die ungarische Königstocher Elisabeth ist eine der ungewöhnlichsten Heiligen der katholischen Kirche. Aus einer der einflussreichsten Familien Europas stammend, führte sie in der Nachfolge Christi ein derart demutsvolles und heiligmäßiges Leben, dass ihre Heiligsprechung auf Grund zahlreicher Wunder schon vier Jahre nach ihrem Tod erfolgen konnte. Die als Gloria Teutoniae (Deutschlands Ruhm) gepriesene thüringische Landesherrin widmete den Großteil ihres kurzen Lebens der Fürsorge für die Armen und Kranken. Darin unterschied sie sich bedeutend von vielen Frauen ihres Standes, die ein Leben in luxuriöser Sorglosigkeit führten, während sie zum Symbol christlicher Nächstenliebe wurde.

Elisabeth, Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und der Gertrud von Andechs-Meranien, wurde bereits im Alter von vier Jahren mit Ludwig, dem Sohn des Landgrafen Hermann I. von Thüringen verlobt. Die Familie ihrer Mutter gehörte dem europäischen Hochadel an und war vielfach mit den führenden Familien versippt. Eine Schwester der Mutter war die später heiliggesprochene Hedwig von Schlesien, eine zweite Schwester Mathilde, einflussreiche Äbtissin des Klosters Kitzingen.

Wie öfter in Familien ihres Standes üblich, wuchs Elisabeth in Thüringen bei der Familie ihres künftigen Ehemannes auf deren verschiedenen Gütern, wie der Runneburg bei Weißensee oder der Neuenburg bei Freyburg auf. Der thüringische Landgraf war weithin bekannt als Förderer der Dichter und Minnesänger. Sowohl Walter von der Vogelweide als auch Wolfram von Eschenbach lebten eine Zeitlang am thüringischen Hof.

Aus Aussagen ihrer Zeitgenossen geht hervor, dass Elisabeth ein sehr liebenswertes, lebhaftes und temperamentvolles Kind war. Im Alter von sechs Jahren musste sie jedoch erfahren, dass ihre Mutter von Gegnern ihres Vaters, der sich auf einem Kreuzzug befand, ermordet worden war. Angeblich hätte sie Deutsche gegenüber den Ungarn bevorzugt.

Bereits im vierzehnten Lebensjahr heiratete sie, da ihr Schwiegervater verstorben war und ihr Bräutigam als Ludwig IV. die Herrschaft von Thüringen antrat. Der Landgraf war in Thüringen Stellvertreter von König Friedrich II. und verwaltete die Königsgüter auf seinem Territorium. Er reiste viel und hatte umfangreiche repräsentative Pflichten zu erfüllen, wie etwa die Abhaltung von Hoftagen. Die Ehe, der drei Kinder entsprangen, galt als sehr glücklich. Ludwig IV. unterstützte seine Gattin in allen ihren karitativen Unternehmungen, die von der Hofgesellschaft aber heftig kritisiert wurden. Die Hofgesellschaft prangerte immer wieder Elisabeths bescheidenes Auftreten an. So nahm man ihr übel, dass sie einfachste Kleidung und keinen Schmuck trug. Großen Unmut erregte, als sie während der großen Hungersnot der Jahre 1225/1226 die landgräflichen Kornkammern öffnen ließ und Getreide an die Armen verteilte. 1223 gründete Ludwig IV., wohl unter dem Einfluss seiner Gemahlin, ein Spital für Arme und Sieche in Gotha, 1226 ein weiteres am Fuße der Wartburg bei Eisenach, die Ludwig inzwischen zu seinem Stammsitz ausgebaut hatte.

Im Juni 1227 musste er Friedrich II., dem er im Wort war, auf den Sechsten Kreuzzug folgen. Elisabeth begleitete ihn bis an die Grenzen Thüringens. Von Otranto in Italien aus sollten sich die Kreuzfahrer ins Heilige Land einschiffen. Doch Ludwig IV. erkrankte an einer damals grassierenden Seuche – man vermutet, dass es Malaria gewesen wäre – und starb noch in Italien.

In Thüringen übernahm sein Halbbruder Heinrich die Regentschaft für den noch unmündigen Sohn Ludwigs, Hermann, und beeilte sich, die lästige Elisabeth aus dem Hause zu jagen. Sie musste ohne Mittel – ihr Witwengut hatte Heinrich einbehalten – mit ihren drei Kindern die Wartburg verlassen und war im Grunde der Verelendung preisgegeben. Niemand wollte sie aufnehmen, war doch ihr Einsatz für die Armen Ärgernis erregend geworden. Schließlich fand sie Schutz bei ihrem Onkel, dem Bischof Egbert von Bamberg, einem politisch äußerst einflussreichen Mann in Europa. Er war ein Vertrauter des Stauferkönigs Friedrich II. und zuletzt während der Auseinandersetzung mit dem Babenberger Herzog Friedrich dem Streitbaren von Friedrich II. als Statthalter in den Ländern des Aufmüpfigen eingesetzt worden. Bischof Egbert versuchte, Elisabeth zu einer neuerlichen Vermählung zu überreden. Sogar eine Ehe mit dem Stauferkönig Friedrich II. wurde von ihm angedacht. Doch Elisabeth verweigerte sich seinen Plänen.

Zu dieser Zeit kam Elisabeth mit Konrad von Marburg in Kontakt, der ihr spiritueller Mentor und Beichtvater wurde. Er war ein landauf, landab bekannter Prediger, ein strenger, zölibatär lebender Asket, der von Elisabeth fast unmenschliche Kasteiungen verlangte. Den Beitritt zum Orden der Franziskanerinnen allerdings verwehrte er ihr, sie wurde nur Mitglied des Dritten Ordens. Die Franziskaner, als europaweite Armutsbewegung in Widerspruch zu den reichen Klöstern und Stiften, erfreuten sich damals großen Ansehens und Zuspruchs. Ganz praktisch verhalf Konrad von Marburg der vertriebenen Witwe zur Wiedergewinnung ihres Witwengutes bzw. eines Teiles davon, indem er es auch verstand sie unter den Schutz des Papstes zu stellen. Das wiedergewonnene Vermögen verwendete Elisabeth 1228/1229 zur Errichtung eines Armen- und Siechenhauses in Marburg, wo sie selbst die Kranken pflegte. Ihre besondere Fürsorge galt den Aussätzigen, denn die an Lepra oder ähnlichen Krankheiten erkrankten Menschen wurden aus der Gesellschaft ausgestoßen. Damals wusste man noch nicht, dass behandelte Lepra nicht ansteckend sei. Daher wurden auch alle, die sich mit der Behandlung der Leprakranken beschäftigten und selbst gesund blieben, als Wundertäter bestaunt.

1231 verstarb Elisabeth erst 24-jährig, vermutlich an den Folgen ihrer intensiven Tätigkeit im Hospital und den frommen Kasteiungen. Schon kurze Zeit nach ihrem Tod wurden die ersten Wunderheilungen durch Elisabeth kolportiert, Mythen und Legenden um sie entstanden. Ihr in christlicher Demut, der edelsten der Tugenden, geführtes Leben wurde zum Vorbild ihrer Zeitgenossen.

Ein Jahr nach ihrem Tod beantragte Konrad von Marburg ihre Kanonisation, wozu er eine Lebensgeschichte, eine Summa Vitae der künftigen Heiligen verfasste. Außerdem liegen die Protokolle der Beschreibungen der Zeitgenossen über das wundersame Wirken der Landgräfin Elisabeth vor. Ihre Heiligsprechung erfolgte nur wenige Jahre später zu Pfingsten, am 27. Mai 1235 durch Papst Gregor IX. Zu ihrem Gedenktag wurde der 19. November bestimmt. Ihre Grablege stand inzwischen unter der Obhut des Deutschen Ritterordens. In dessen Auftrag wurde auch die Elisabethkirche in Marburg zwischen 1235 und 1283 errichtet. In dieser gotischen Kirche fand auch der Sarkophag mit den sterblichen Überresten Elisabeths seinen Platz. Als die Protestanten im 16. Jahrhundert in Thüringen das kirchliche Leben bestimmten und den Heiligenkult beseitigten, wurden ihre Reliquien zerstreut. Das Haupt der Hl. Elisabeth befindet sich heute im Kloster der Elisabethinerinnen in Wien als besonders kostbare Reliquie. Möglicherweise ist es über Erzherzog Maximilian, Hochmeister des Deutschen Ordens, Ende des 16. Jahrhunderts nach Wien gelangt, wo es zunächst zu den Klarissinnen und dann an seinen heutigen Verwahrungsort kam.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts verfasste der Dominikanerpater Dietrich von Apolda eine Lebensbeschreibung, die Vita sanctae Elyzabeth, in der auch die Zeugenaussagen von Lebensbegleiterinnen aufgenommen wurden. Dieses Werk wurde immer wieder aufgelegt.

Weltweit tragen heute hunderte Kirchen den Namen der Hl. Elisabeth, zahlreiche Krankenpflegeorden sind noch immer in ihrem Namen und nach ihrem Beispiel tätig.