image

°luftschacht

www.luftschacht.com

Umschlaggestaltung: Jürgen Lagger unter Verwendung
einer Illustration von Fabian Oppolzer
Satz: Alexander Dietmeier
ISBN: 978-3-902844-44-6
eISBN: 978-3-902844-80-4

Für den Mann im tonfarbenen Anzug

Fabian Oppolzer

Höllensturzsinfonie

Roman

image

Inhalt

PROLOG

ERSTER TEIL DAS HOTEL IMNUSOM

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

ZWEITER TEIL DIE HÖLLENSTURZSINFONIE

Kapitel 1

Kapitel 2

DRITTER TEIL GRABLEGUNG

Kapitel 1

Kapitel 2

VIERTER TEIL DER MANN MIT DER NARBE

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

FÜNFTER TEIL TRAUMLAND

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

EPILOG

PROLOG

Ich würde gerne an etwas Anderes denken. Ich würde gerne etwas Anderes tun. Aber ich weiß, dass ich anfangen muss, alles aufzuschreiben, solange die Idee noch frisch ist, solange ich mich noch erinnern kann. Ich sitze auf dem hinteren Balkon im Rückenpanzer einer Riesenschildkröte, sie schaukelt wie ein Dampfer und ich sehe zu, wie das Laub von den Bäumen fällt. Die Blätter segeln durch die Luft und legen sich wie eine lockere Decke über die Straßen. Ein kleiner Junge stapft durch die Kastanien des Parks zur Rechten, selbstsicher und zielstrebig, als wäre er auf dem Weg, die Welt zu erobern, er winkt mir als sei nichts weiter außergewöhnlich daran, eine Schildkröte von der Größe eines Wohnhauses zu sehen, aus der dampfende Schornsteine ragen und in deren Panzer ein Balkon eingelassen ist, auf dem jemand sitzt, der versucht, ein Buch zu schreiben, eine selbstgedrehte Zigarette raucht und eine Tasse türkischen Kaffee trinkt.

Aus dem kleinen Radio auf meinem Schreibtisch kommt Bartóks Der wunderbare Mandarin. Ein Ballett über Prostitution, Räuberei und Totschlag. Ich schließe die Augen und versuche, eine erste Zeile heraufzubeschwören.

Vor mir liegt ein taschenbuchgroßer Apparat. Er strahlt etwas Viktorianisches aus, etwas von der versteckten Obszönität von Bronzeschrauben und dunkel gemasertem Holz.

An der kleinen Maschine hängen fünf Gummischläuche in verschiedenen Farben wie die Arme eines Kraken und auf der Rückseite ist ein Name eingraviert: PENTATUBULUS. Die Vorderseite des Apparats lässt sich aufklappen. Die Rückseite bietet einen kleinen Bildschirm über einer gewöhnlichen, aber sehr engen, mechanischen Tastatur.

Seit geraumer Zeit pulsiert ein schmales Rechteck in der oberen rechten Seite des grünlichen Bildschirms.

Aber wann beginnt die Geschichte? Nichts scheint noch zusammenzuhängen. Einzelne Teile, die abgeschlossen keinen Sinn ergeben, im Großen und Ganzen schon gar nicht. Dieses Buch ist die Geschichte dieses Buches. Sie beginnt … nun, ich würde meinen, sie beginnt irgendwo im Nebel. Im Nichts, wo alle Schöpfung ihren Anfang hat. Wer kann schon sagen, wo etwas beginnt, wo es endet. Niemand erinnert sich an den Anfang, niemand, außer den Toten, kennt das Ende. Es gibt so vieles zu berücksichtigen, irgendwann fängt man einfach irgendwo an.

ERSTER TEIL

DAS HOTEL IMNUSOM

1

Ein heller Nebel, sonst nichts. Ich liege da und lausche in die Stille. Ich bin allein. Ich kann nicht sagen, ob ich die milchige Trübheit um mich herum wirklich sehe, oder ob ich die Augen noch geschlossen habe und sie in meinem Kopf vorherrscht. Ich bin mir nicht einmal ganz sicher, ob ich selbst existiere. Ich habe keine Ahnung, wer ich bin, oder wo ich bin, und es kümmert mich auch nicht.

Dann beginnen sich Konturen zu bilden, vor jedem Inhalt, vor dem Begreifen.

Der Nebel beginnt sich zu bewegen, wölbt sich leicht im Wind, wie ein Segel. Eine ganze Weile nichts anderes, nur das.

Ein Geräusch. Etwas Bekanntes, Vertrautes. Ein leises dumpfes Patschen von etwas, das flattert, um sich schlägt, sich abquält.

Es ist mein eigener Atem. Aber ich atme nicht. Etwas atmet für mich, in mir. Kurz flammt eine Gewissheit in aller Deutlichkeit auf, eine Erklärung, die im selben Moment wieder verschwunden ist, dann verliert das wehende Segel vor mir seine Form, das Grau wird schwarz, die Dunkelheit kehrt zurück, etwas Fremdes greift nach mir.

Zuerst ist da nur die Panik. Ich versuche, mich mit aller Kraft gegen den Griff zu wehren. Aber er ist unnachgiebig. Lange, dürre Tentakel sind unverrückbar, als wären sie aus Metall. Dann schlucke ich Wasser. Es schmerzt in den Lungen. Ertrinken ist die Schönste aller Todesarten, denke ich. Aber schön ist es nicht. Etwas nimmt Besitz von mir. Dann, nach einer Ewigkeit, lässt die Panik nach und ich tauche ein, in eine allumfassende Dunkelheit. Eine Dunkelheit, wie ich sie nie zuvor erfahren habe.

Ich erinnere mich an Geräusche. Leise, gleichzeitig hoch und schrill.

Ich erinnere mich an Laute und an Schmerzen. Die Schmerzen sind irgendwo unter den Lauten, östlich der Sonne, westlich des Mondes.

Es ist mehr als ein Schlaf. Tiefer und dunkler. Es ist auch kein Träumen, sondern etwas viel, viel Echteres. Intensiver als die Realität, denn dort im Dunklen bin ich nicht allein. Dort ist etwas, das diese Laute von sich gibt. Etwas Nasses, Schwarzes, Schleimiges. Ein Wurm mit hundert toten Augen und Fühlern. Sein wabernder Körper taucht vor mir auf, seine schlammglatte Haut ist von schaumigen Gischtwölkchen umgeben.

Ein Wurm, der seine scharfen Zähne aufeinander mahlen lässt.

Ein Wurm, der die Dunkelheit absucht. Nach mir sucht, schmatzend seine blinden Fühler ausstreckt. Ich kann mich nicht bewegen. Ich schwimme in diesem öligen Nass und warte.

Dann wird ein Mund über meinen gestülpt, der keinem menschlichen Wesen gehört, und die Luft aus diesem Mund bläht meine Lungen auf und haucht mir etwas ein, etwas Giftiges, das sich tief in meinem Körper einnistet. Ich kann es schmecken, eine Mischung aus vergorenen Trauben und bitterem Fleisch. Ich kann es hören.

Ein Forte-Schlag, kurz erweckend. Ich kenne jeden Ton. Hoher, atonaler Gesang. Das Thema, Frage und Antwort, jeweils vier Takte umfassend; die Frage einstimmig gestellt, die Antwort wirr, dicht und mehrstimmig.

Ich komme überhaupt nicht auf die Idee zu fragen, woher ich das weiß, dafür ist die Musik viel zu vertraut. Ich lausche und spüre, wie sich die Musik in mir verteilt wie ein Tintentropfen im Wasser.

Nach dem ersten öffnenden Schlag wieder Ruhe. Mit dem Einsatz des zweiten Themas fließen Achteltriolen hinzu, der Kern wird ausgeschöpft, der Gedanke variiert. Es geht nicht um Entwicklung, es geht um Bewahrung. Bewahrung von etwas, das am besten vergessen gehört. Aus der Dissonanz wird Moll, aus Moll wird Dur, trotz weiterer Trübung, die letzte Frage wieder im frei Tonalen. Die Antwort diesmal verhalten, leise, kaum spürbar, ein letztes Aufgeben. Ich kann mich an das Ende nicht erinnern und freue mich darauf. Freue mich darauf, mit dem Ende des Stückes wieder zurück ins Nichts zu gleiten.

Das alles höre und denke ich, ohne zu wissen, wer ich bin. Erst als die Musik kurz vor der Erlösung abgewürgt wird, erinnere ich mich an meinen Atem, an den Wurm.

Ich reiße die Augen auf, will hochfahren, mich dieses fürchterlichen Fremdkörpers entledigen, der Luft in meine Lungen pumpt wie ein bösartiges, riesiges Insekt, das sich auf meinem Gesicht festgesaugt hat, seinen Rüssel tief in meinen Hals gebohrt, aber das Adrenalin durchfährt nur einen tauben, regungslosen Körper.

Etwas Verschwommenes beugt sich über mich.

Mein Herz pulsiert stark hinter den Schläfen und verzerrt bei jedem Schlag das immer klarer werdende Bild. Eine Stimme flüstert in meinem Kopf. Der Kampf ist vorüber. Meine letzten eigenen Gedanken verschwinden. Dann wache ich auf.

2

Zeit vergeht. Unmöglich zu sagen, wie viel. Als ich mich wieder wach fühle, sitzen fremde Leute an meinem Bett. Ein einarmiger Mann und eine Frau. Die Frau mit Tränen in den Augen, der Mann schnaubend vor Zorn.

Ich will schreien. Aber kein Ton verlässt meine Kehle. Ich kann mich nicht bewegen.

Bin ich überhaupt wach gewesen?

Ich liege einfach da. Ich liege da, ohne etwas zu sehen, oder etwas zu denken. Ich bin betäubt, während die Sonne auf und unter geht, während sich der Planet in schwindel-erregender Geschwindigkeit um die eigene Achse dreht, liege ich starr in diesem Bett.

Das Gesicht eines Arztes.

Schneidendes Licht. Die Frau in einer dunklen, durchsichtigen Kugel neben dem Bett, in dem ich in brennender weißer Hitze liege und sehe, nein, nicht sehe, weiß, dass sie das hält, was meine Hand ist.

Eine singende Nonne. War sie noch einmal hier, oder sind es neue Bilder vom ersten Mal. Ich kann es unmöglich sagen. Die Frau singt:

Mon petit lapin

s’est sauvé dans le jardin

cherchez-moi coucou, coucou

Aber da bin ich noch ein kleiner Junge. Keine sieben Jahre alt, sitze auf einem grauen Flickenteppich in der Küche und sehe der Frau beim Kochen zu.

Die Hitze! Woher kommt die Hitze, woher das Licht? Hier war es doch so schwarz.

„Können Sie meine Stimme hören?“ Das war wieder der Arzt. Vor fünf Minuten, oder vor drei Jahren. Oder nur im Traum.

„Wir müssen gemeinsam stark sein“, sagt der Mann. „Nur gemeinsam schaffen wir das. Ich habe keine Ahnung, wie … ich … warum?“ Er schreit: „Warum, warum?“

Die Frau sitzt neben ihm auf dem Boden. Sie schluchzt in seine Brust. Er will sie in den Arm nehmen, sein linker Stummel bewegt den verknoteten Ärmel, als hätte er ihn ausstrecken wollen, als hätte er vergessen, dass sein Arm nur noch ein Stummel ist. Ich sitze alleine auf dem Flickenteppich daneben und starre sie an, ich bin dreizehn Jahre alt. Der Mann beugt sich vor zu mir, ich kenne ihn, er flüstert: „Das Schwarze ist der Schatten, ist die Dunkelheit unter meinem Mantel. Das Weiße ist die namenlose Angst, die vom immer enger werdenden Kreis des Horizonts ausgeht. Die Stille ist der Schrei der erstickten Vögel, die aus dem starrgefrorenen, leeren Raum herabregnen.“

Immer wieder kommen die Schmerzen und holen mich in die Gegenwart zurück. Zumindest fühlt es sich so an, wie sich der erlebte Moment immer wie die Gegenwart anfühlt.

Mon petit lapin

Schlaf jetzt

Die Frau weint. Meine Lippen, die Wörter geformt haben, so viele Wörter. Ein einziges ist ihnen jetzt geblieben, und das bauen sie langsam für sie auf, für die, die dort an meiner Hand ist: „Mama?“

Die Sonne geht auf und unter, die Erde dreht sich schwindelerregend schnell, ich liege in meinem Bett. Ich bin nur ein Beobachter. Ein unbeteiligter Geist, nichts weiter.

Eine Stimme sagt: „Jede Welt besitzt ihr Geheimnis, Zugang findet man nur über die Sprache!“

Mich umfängt wieder diese schwüle Hitze. Ich bin umgeben von Hitze, Fledermäusen und Schnappern. Glühwürmchen erscheinen und umflirren die hellen Lampen über mir, verbrennen sich daran wie Motten.

Dann vergesse ich auch das. Und alles, was davor gewesen ist, vergesse ich. Nebel und Wolken, ich danke euch dafür, dass es euch gibt.

3

Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich bin wieder aufgewacht. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, wann das gewesen ist. Es ist dunkel um mich herum. Ein blinkendes, grünes Lämpchen außerhalb meines Sichtfeldes erhellt das Zimmer im pulsierenden Schlag meines Herzens.

Ich zwinkere mit den Augen und hebe den Kopf an. Das geht mit einer so erstaunlichen Leichtigkeit, dass es mir zuerst überhaupt nicht auffällt. Ich hole tief Luft. Auch das geht eigenständig, ohne Schmerzen, ohne fremde Hilfe.

Ich starre eine Weile geradeaus, auf den dunklen Fleck Bild an der Wand, dann sehe ich mich um. Ich bin in einem Krankenhaus, da gibt es keinen Zweifel. Es gibt drei weitere Betten, von denen zwei mit Patienten belegt sind, die, regungslos an blinkende Apparaturen angeschlossen, zu meiner Rechten liegen.

Auch neben meinem Bett stehen verschiedene Gegenstände, die aus einem Labor der Zukunft stammen könnten, und von denen ich keine Ahnung habe, wozu sie gut sind. Viele Schläuche hängen herunter, allerdings stelle ich mit Erleichterung fest, dass ich an keinen angeschlossen bin.

„Sie sind aufgewacht. Das ist sehr gut“.

Links neben meinem Bett sitzt ein Mann mit überschlagenen Beinen, buschigem Bart und einer Glatze. Ich will antworten, erinnere mich jedoch an die Schmerzen in meinem Hals und stocke, bevor ein Wort meinen Mund verlässt.

Mir tut nichts weh, denke ich dann.

„Können Sie mich hören?“ Ein angenehmer Bariton, mit angelsächsischem Akzent. Eine Stimme, die ich mit etwas Gutem, etwas Warmen assoziiere.

Ich nicke.

„Das ist gut. Entspannen Sie sich. Sie müssen nichts sagen. Nicken Sie einfach mit dem Kopf … oder schütteln Sie ihn, je nachdem.“

„Ich kann sprechen“, sage ich. Meine Stimme ist dünn, sie hat überhaupt keinen Klang, aber das fühlt sich vertraut an. „Wie geht es Ihnen?“

„Ich weiß nicht.“

„Haben Sie Schmerzen?“

Ich überlege. Dann schüttle ich den Kopf.

„Wo bin ich?“

„Sie sind in der St. Sebastian-Klinik. Mein Name ist Dr. Clock.“

„Dr. Clock … wirklich?“

„Ja. Dr. James Clock.“

„Sie sind Engländer.“

Der Bärtige schnaubt. „Walise!“

„Entschuldigung.“

„Können Sie mir sagen, wer Sie sind?“

Wieder überlege ich, aber diesmal nur kurz.

„Nein“, sage ich dann. „Ich habe keine Ahnung.“

Wälder, denke ich. Das Geräusch von Bäumen, ein See, der Mond. Ich habe das Gefühl, kurz davor zu sein, eine Brücke schlagen zu können. Jemand schreit, eine vertraute, hohe Stimme. Dann bricht alles in sich zusammen.

„Sie erinnern sich nicht?“

„Nein.“

„Probieren Sie es!“

Ich schließe die Augen und konzentriere mich. Aber da ist nichts. Es fühlt sich an wie ein schwerer, träger Traum, der mich daran hindert, einen konkreten Gedanken zu fassen. Ein Traum, in dem ich mich noch befinde.

„Ich muss wohl einen Unfall gehabt haben“, sage ich.

Dr. Clock schlägt sein Bein zurück, setzt sich aufrecht hin und rückt etwas näher. Ich kann ohne Mühe das mit Falten durchzogene Gesicht des alten Doktors ausmachen. Buschige Brauen, eine breite Nase, dichter Bart, die Hornbrille und der makellos runde, kahle Schädel machen ihn zum Stereotyp eines verrückten Wissenschaftlers.

„Wie kommen Sie darauf?“, fragt er.

„… ein Gefühl … was ist denn passiert?“

Dr. Clock zögert.

„Nun, Sie wurden hier vor zwei Wochen eingeliefert, ohne Bewusstsein. Können Sie Ihren Kopf bewegen?“

„Ja.“

„Tut das weh?“

„Nein.“

„Das ist merkwürdig.“

„Wieso? Hatte ich einen Unfall?“

„So etwas in der Art.“

„Etwas in der Art?“

Wieder holt Dr. Clock Luft.

„Es spricht alles dafür, dass Sie sich etwas antun wollten.“ Komischerweise bin ich nicht überrascht. Ganz im Gegenteil. Dr. Clocks Worte scheinen eine verblasste Lücke in meinem Kopf nachzufärben, ohne sie mit irgendeinem Inhalt zu füllen.

„Ich wollte mir das Leben nehmen?“

„Das nehmen wir an.“

„Und … wie?“

Dr. Clock spreizt den bärtigen Mund.

„Sie haben versucht, sich zu erhängen.“ Der angelsächsische Akzent lässt die Aussage beinahe ins Komische abdriften. Sie haben versucht, sich zu erhängen, mein Bester … eine Tasse Tee?

„Und wieso?“

Dr. Clock zuckt mit den Achseln.

„Keine Ahnung. Ich habe gehofft, das könnten Sie mir sagen.“ Wieder schließe ich die Augen und versuche, ein paar wenige Bilder heraufzubeschwören. Es gelingt mir nicht.

„Nein“, sage ich. „Ich … ich kann … wieso sollte ich mich denn umbringen wollen?“

„Können Sie mir sagen, was für ein Datum heute ist?“

Ich schüttle den Kopf. „Nein, keine Ahnung.“

„Welcher Monat?“

„Juni?“ Das ist geraten. Es ist einfach der erste Monat, der mir in den Sinn kommt.

„Das ist richtig. Und das Jahr?“

„Das Jahr?“

„Ja.“

„Ich weiß nicht.“

Dr. Clock legt die faltige Stirn in noch mehr Falten. Er machte sich ein paar Notizen auf einem Block.

Meine Gedanken beginnen sich plötzlich in einer Spirale zu drehen, auf einen toten Punkt zu, der sie in sich aufzusaugen scheint wie ein schwarzes Loch. Mich überfällt die beruhigende Gewissheit eines Träumers, dem plötzlich klar wird, dass er träumt.

„Das ist alles sehr viel auf einmal. Aber ich mache mir keine Sorgen, dass die Erinnerung nicht vollständig zurückkehrt. Allerdings kann das einige Zeit brauchen.“

„Wenn ich mich umbringen wollte … wäre es nicht besser, ich würde mich nicht erinnern?“ Dr. Clock blickt mich an. „Sagen Sie es mir. Glauben Sie das?“ Ich gebe keine Antwort. Dr. Clock erhebt sich und streicht sich den knittrigen Kittel glatt.

„Ich werde Ihnen nun etwas geben, damit Sie schlafen können. Morgen werden wir uns weiter unterhalten.“

„Sie lassen mich allein?“

„Ich muss. Es tut mir leid. Ich habe noch andere Patienten. Aber keine Sorge, Sie sind in Sicherheit.

Sie brauchen nur zu klingeln, um eine Schwester zu rufen, wenn Sie irgendetwas brauchen.“

Dr. Clock tritt an mein Bett und hält mir einen kleinen durchsichtigen Becher hin.

„Trinken Sie das, und Sie werden einen ruhigen Schlaf haben.“ Die Flüssigkeit ist klebrig, süßlich, widerlich.

„Was ist das?“

Dr. Clock lächelt.

„Schlafen Sie. Ruhen Sie sich aus.“

„Aber …“ Weiter komme ich nicht. Von einer Sekunde auf die nächste werde ich von einer Schwere erfasst, die meinen Kopf zurück ins Kissen drückt. Im nächsten Moment bin ich eingeschlafen, so schnell, dass ich es nicht merke.

4

Dr. Clock erklärt mir geduldig, dass ich vor fünfzehn Tagen, in einem etwas heruntergekommenen Hotelzimmer, etwa zwanzig Kilometer von St. Sebastian entfernt, versucht haben muss, mich mit einer Vorhangkordel zu erhängen. Ein Junge fand mich und rettete mir das Leben, indem er das Seil mit seinem Taschenmesser rechtzeitig durchtrennte.

Es ist ein heller Nachmittag. Die Strahlen der Sonne fallen durch die Spalten des heruntergelassenen Rollos und malen seltsame Figuren auf meine Bettdecke.

„Sie haben sich in dem Hotel unter dem Namen Rene Bargton eingetragen und hatten keine Papiere bei sich, als man im Krankenhaus ihre Sachen durchsucht hat, um Ihre Identität zu klären … und ihre Angehörigen zu verständigen. Keiner wusste, wer Sie waren. Keiner weiß, wer sie sind. Können Sie mir vielleicht etwas zu diesem Namen sagen?“

„Rene … Bargton?“

Der Doktor nickt.

„Nein, tut mir leid. Ich glaube nicht, dass ich so heiße.“

Er schweigt einen Moment.

„Was habe ich denn in der Zwischenzeit getan … seit ich hier bin?“, frage ich.

„Sie haben viel geschlafen. Sie hatten zwar immer wieder wache Momente und erzählten einiges, aber vergaßen es jedes Mal wieder und man konnte daraus wenig schlussfolgern. Ihr Gedächtnis scheint sich erst erholen zu müssen.“ „Was ist denn mit mir los?“

„Sie leiden an einer retrograden Amnesie, also einem Gedächtnisverlust für einen Zeitraum vor Eintreten des schädigenden Ereignisses. Wahrscheinlich war bei Ihnen eine Hypoxie der Grund … Sauerstoffmangel. Die Kordel hat Ihnen ganz schön den Hals abgeschnürt. Die Narbe wird Sie noch eine ganze Weile daran erinnern …“

„Woran? Dass ich mich nicht erinnere?“

Dr. Clock stockt und schenkt mir ein müdes Lächeln.

„Schon gut“, sagt er.

„Macht nichts. Wahrscheinlich haben Sie recht, ich kann mir nur nicht erklären, so etwas getan zu haben.“

Der Doktor nickt verständnisvoll.

„Nun, außer Ihrem Gedächtnisverlust scheint Ihnen nichts zu fehlen. Sie werden noch eine Weile mit Nackenschmerzen zu kämpfen haben, ansonsten sind Sie körperlich gesund.“

„Heißt das, ich werde entlassen?“

„Sobald wie möglich. Zumindest von hier. Allerdings weiß niemand, wer Sie sind. Wohin wollen Sie gehen? In Ihrem jetzigen Zustand kann ich Sie unmöglich entlassen. Sie werden eine Therapie machen müssen und für die nächste Zeit in eine andere Klinik gebracht … bis es Ihnen besser geht und Sie sich wieder erinnern können … nun, bis wir zumindest geklärt haben, wer Sie sind. “ Der Doktor sieht mich streng an.

„Es ist gut möglich, dass Ihr Verstand Ihnen den einen oder anderen Streich spielt, Sie wieder im Stich lässt und Sie weiter Dinge vergessen lässt. Oder Sie erinnern sich plötzlich wieder an alles … Aber keine Angst. Wir verlegen Sie in die Johann-Gottlieb-Strumpf-Klinik, der leitende Psychiater, Dr. Gahl, ist ein guter Freund von mir, ein sehr fähiger Mann.“

5

Manchmal sehen sich gute Freunde ähnlich wie Geschwister, haben aber sonst nichts gemein, als könnte die gegenseitige Zuneigung tatsächlich nur auf Äußerlichkeiten zurückzuführen sein.

Dr. Johann Gahl ist das abgeschwächte Ebenbild seines Kollegen aus St. Sebastian. Er ist etwas kleiner als Dr. Clock, sein Bart ist nicht ganz so buschig, die Glatze nicht ganz so rund und kahl, die Brille randlos und oval, die Stimme nicht ganz so tief und ohne den charakteristischen Akzent. Äußerlich scheinen sie sich nur in einem Merkmal deutlich voneinander zu unterscheiden: Dr. Clocks Nase ist breit und flach, die von Dr. Gahl ist klein und spitz, zeigt leicht nach oben und löst bei genauerem Betrachten so etwas wie Ekel in mir aus, ohne dass ich sagen kann warum.

Die Johann-Gottlieb-Strumpf-Klinik ist ein helles, luxuriöses Gefängnis.

Hier riecht es nicht nach Krankenhaus, die Räume sind hell und hoch, der große Garten mündet direkt an einen dichten Mischwald, die Gittertüren sind aus Holz und bunt bemalt, die Fixiermatten bequemer als manches Bett und jeder Patient ist einem eigenen Pfleger zugeteilt.

Der einzige Bruch in diesem idyllischen Bild ist der drei Meter hohe Stacheldrahtzaun, der das Psychiatriegelände umgibt.

Ich bekomme ein eigenes Zimmer und halte mich dort die meiste Zeit auf, sitze auf meinem Bett und starre die Wand an. Ich bekomme drei Mal am Tag Medikamente, die mich sehr müde machen. Das stört mich nicht. Ich bin ganz ruhig. Einmal am Tag kommt der Doktor zu mir herein und redet mit mir. Aber die meiste Zeit bin ich allein. Es macht mir nichts aus, dass ich mich nicht erinnern kann. Irgendwie bin ich froh darüber. So gibt es nur diese Welt, nichts anderes, keine Vergangenheit.

Nur zu den Mahlzeiten begebe ich mich unter andere Menschen. Ich versuche, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Ich will nicht, dass mich einer der Patienten anspricht. Dennoch braucht es keine zwei Tage, bis jemand, kurz nach dem Essen, an meinen Tisch tritt.

„Der Name ist Brick!“, sagt er.

„Sehr schön“, sage ich.

„Findest du?“

Ich hebe den Kopf. Der Aufenthaltsraum ist groß und geräumig, die Wand zum Garten hin ist verglast und zwischen den Tischen und Sitzgelegenheiten stehen exotische Pflanzen, die bis zur Decke hinaufwachsen. Den Aussagen von Dr. Gahl zu Folge hat eine Architektin mit dieser Einrichtung irgendwo einen ersten Preis gewonnen.

„Ich finde den Namen ehrlich gesagt scheiße“, sagt der Mann. Er ist dünn, ausgemergelt, mit eingefallenen Wangen und dunklen Schatten unter den großen bernsteinfarbenen Augen, die mich neugierig betrachten. Er steckt in viel zu weiten Klamotten, die Haare sind so kurz geschoren, dass die Kopfhaut durchschimmert, eine lange, hässliche Narbe zieht sich quer über seine rechte Wange.

Ich widme mich dem wenigen Gemüse auf meinem Teller und hoffe, dass der Kerl verschwindet.

„Und wie heißt du?“, fragt er.

„Keine Ahnung“, erwidere ich. „Ich kann mich nicht erinnern.“ „Das habe ich gewusst“, sagt der Mann und setzt sich.

„Was machst du denn da?“, fragt er neugierig.

„Ich esse“, sage ich und versuche, dabei so abweisend zu klingen wie nur möglich.

„Ich mag kein Gemüse“, sagt der Mann.

„Hm …“, sage ich.

„Magst du Gemüse?“

„Tut mir leid“, sage ich. „Aber ich will im Moment wirklich mit niemandem sprechen. Ist das okay für dich?“

Das Lächeln des Mannes erstarrt für einen Moment, sein Gesicht wird ernst, dann kehrt das Grinsen zurück.

„Der Name ist Brick“, sagt er, als hätten wir uns gerade das erste Mal gesehen.

„Ich weiß“, sage ich. „Würdest du mich jetzt bitte in Ruhe lassen. Ich brauche gerade ein bisschen Zeit für mich.“

„Ich weiß, wer du bist“, sagt Brick unbeirrt.

„Ja?“

„Du kannst dich nicht erinnern, richtig?“

„Ja. Das habe ich dir ja gerade gesagt.“

„Wann?“

„Gerade eben. Wir haben uns gerade vorgestellt.“ Brick nickt.

„Das weiß ich“, sagt er und lächelt. Ich sehe den Kerl an und muss plötzlich an ein kleines Flugzeug denken, hoch über den Wolken.

Ich habe keine Ahnung, woher dieses Bild kommt, aber es ist da.

„Ich bin schon eine ganze Weile hier“, sagt Brick. „Aber das macht nichts. Ich fühle mich wohl hier. Ich habe Freunde.“ „Das ist doch gut.“

„Bist du mein Freund?“

Ich blicke mich hilfesuchend nach jemandem um, der mich von diesem Gespräch erlösen kann.

„Natürlich“, sage ich. „Aber nur, wenn du mich jetzt in Ruhe lässt.“

Brick streckt seine Hand nach mir aus und fährt mir grob über das Gesicht. Erschrocken weiche ich zurück. „Lass das!“

„Ich wollte nur wissen, ob du echt bist“, sagte Brick.

„Das bin ich.“

„Das sagen sie alle.“

„Du kannst mir glauben.“

Brick lächelt. „Dann sind wir Freunde?“

„Aber sicher.“

Brick sieht zufrieden aus.

„Wie alt bist du?“, fragt er.

„Dreißig“, antworte ich. „Glaube ich zumindest … “, verbessere ich mich dann. Ich habe keine Ahnung, wie alt ich wirklich bin.

„Ich bin sechzehn“, sagt Brick.

Ich sehe mir den Kerl an und schätze ihn auf mindestens vierzig. „Sechzehn? “, sage ich.

„Gestern war mein sechzehnter Geburtstag. Ich habe keine Post bekommen. Niemand hat mir eine Karte geschrieben, aber das ist nicht verwunderlich …“

Er beugt sich nach vorne und flüstert: „Ich habe nämlich gelogen … ich habe gar keine Freunde … und wohl fühle ich mich hier auch nicht …“

„Du … ich habe wirklich gerade keine … ich will mich gerade nicht unterhalten. Vielleicht ein andermal, in Ordnung?“

„Ein andermal?“, fragt er.

„Ja …“

„Und wann?“

„Morgen … von mir aus.“

„Abgemacht?“, sagt er plötzlich mit einer völlig klaren Stimme. „Abgemacht“, sage ich und schlage ein. Brick nickt, steht auf, geht ein paar Schritte nach hinten, dann kommt er zurück, die Hand wieder zur Begrüßung ausgestreckt.

Ich schüttle energisch den Kopf.

„Nein“, sage ich. „Nicht jetzt!“

Brick bleibt stehen, scheint kurz mit sich selbst zu kämpfen und wendet sich dann tatsächlich ab.

Ein Pfleger kommt mit einem Tablett herein und winkt ihn zu sich her.

„Brick“, sagt er streng. „Lass die Leute in Ruhe essen.“

„Wir sind Freunde“, sagt Brick verteidigend.

„Natürlich“, sagt der Pfleger und wirft mir einen verständnisvollen Blick zu, den ich nickend erwidere. „Aber jetzt komm mit.“

Zögerlich bewegt sich Brick auf den Pfleger zu, dreht sich immer wieder nach mir um, winkt mir und lässt sich schließlich nach draußen führen. Ich esse auf, danach gehe ich in mein Zimmer und lege mich hin.

Ob ich mich jemals wieder erinnern werde können, denke ich. Merkwürdig, dass es mir so wenig ausmacht.

Über diesen Gedanken döse ich weg.

Lautes Geschrei draußen am Gang lässt mich hochfahren. Ich springe auf, dann gehe ich zögerlich zur Tür und öffne sie einen Spalt.

Dort, keine zwei Meter entfernt, liegt Brick auf dem Boden und schreit, drei Pfleger knien auf ihm und versuchen, seine Gliedmaßen auf den Boden zu drücken.

„Ihr Arschlöcher!“, schreit Brick. „Ihr verdammten homogefickten Arschlöcher, lasst mich in Ruhe. Ich bring euch um, ich schwöre, ich reiß euch die Augen raus! Lasst mich. Bitte!“ Er beginnt zu schluchzen. „Ihr tut mir weh… lasst mich in Ruhe. Ich tu doch nichts.“ Dann wieder zornig. „Ich mach euch fertig! Jeden Einzelnen von euch!“

Ich sehe zu. Dann begegnen sich unsere Blicke. Brick sieht mich kurz an, dann lächelt er.

„Hallo … Freund“, sagt er freundlich. Im nächsten Augenblick verzieht sich sein Gesicht zu einer Grimasse, er spuckt aus, bekommt einen Ellbogen frei und schlägt ihn mit aller Kraft einem Pfleger ins Gesicht.

Ich höre ein Knacken, einen Aufschrei, Blut schießt aus der Nase des Pflegers. Brick jauchzt, wird nun ohne Rücksicht auf den Boden gedrückt, Dr. Gahl kommt mit weißem Kittel und gezückter Spritze.

„Neeiin“, schreit Brick. „Keine Spritze!“

„Halte besser still. Sonst tut es weh“, sagt Dr. Gahl.

„Lasst mich in Ruhe“, schluchzt Brick. Dr. Gahl sticht ihm die Nadel ins Hinterteil, Brick zuckt ein paar Mal nervös zusammen, dann entspannt sich sein Gesicht.

Ich schließe leise die Tür und setze mich zurück auf mein Bett.

6

Das Hotel, in dem ich versucht habe, mich zu erhängen, liegt etwa sechzehn Kilometer östlich der Stadt, abseits der Autobahn, dicht bei einem torfigen Weiher. Man muss weg von aller Zivilisation, Schleichwege mit Schlaglöchern entlang, in einen Wald hinein, in den einen nur das bekannte Ziel locken kann, dann in ein Tal hinab, wo das fast monströs wirkende Gebäude im Schatten von Kastanien und Eichen so weit abseits des Weges liegt, dass man es trotz seiner Größe übersieht. Niemand kann sich an diesen Ort verirren, dazu ist er zu versteckt.

„Sind Sie sicher?“, frage ich. Es ist früher Abend, als Dr. Gahl den Wagen langsam über knirschenden Kies in die ausgestorben wirkende Einfahrt des Hotels fährt.

Es ist warm, der Garten vor der Veranda ist üppig und verwildert, voller summender Insekten, ein paar Katzen liegen vor dem Eingang und schenken uns abschätzige Blicke, während wir zögerlich auf das Gebäude zugehen, auf dem in verwitterten Buchstaben „Hotel Imnusom“ zu lesen ist. Ich blicke mich etwas ratlos und schweißgebadet an diesem seltsamen, fremden Ort um.

„Hotel Imnusom“, flüstere ich, als könnte das Aussprechen dieser Worte Erinnerungen in mir hervorrufen.

Dr. Gahl zieht an dem dicken Seil neben der Tür, verzögert dringt der gedämpfte Klang einer schweren Glocke zu uns heraus.

„Hier sind wir ziemlich ab vom Schuss?“, sage ich und der Doktor nickt.

„Ein herrlicher Ort“, sagt er. „Hier könnte ich es aushalten. Das klingt jetzt wahrscheinlich etwas unsensibel … aber das könnte ein guter Platz zum Sterben sein.“

„Ein Platz zum Sterben … hm, ich weiß nicht.“

Wir schweigen und hören auf die schlurfenden Schritte, die langsam näher kommen. Ein Riegel wird zur Seite geschoben, noch einer, ein Schlüssel dreht sich im Schloss, ein Klacken, dann schwingt die Tür auf und das Gesicht eines Knaben kommt zum Vorschein. Ich schätze den Jungen nicht älter als zehn, er hat auffällig ebenmäßige, blasse Züge, lockiges Haar und große, dunkelbraune Augen. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, nur auf seinen Turnschuhen sind weiße Streifen, die mich auf den ersten Blick an kleine Flügel erinnern.

Er blickt mich an, ohne etwas zu sagen.

„Hallo“, sagt Dr. Gahl freundlich. „Mein Name ist Johannes Gahl … ich bin Arzt. Ist Herr Imnusom zu sprechen? Ich habe mich telefonisch angemeldet.“

Der Knabe mustert ihn stumm, dann nickt er und zeigt auf einen kleinen Steinpfad in den verwilderten Garten hinein.

„Ist er dort?“, fragte Dr. Gahl. Der Junge nickt.

„Gut. Vielen Dank.“

Ich setze ebenfalls ein Lächeln auf, nicke dem Knaben zu und folge dem Doktor, der sich bereits abgewendet hat. Bevor ich um die Ecke biege, drehe ich mich noch einmal um. Der Junge steht immer noch in der Tür und sieht mich an, als sehe er einen Geist.

Das dichte Gestrüpp verliert sich im Garten hinter dem Haus. Hier stehen vereinzelt ein paar Obstbäume, eine Blautanne und Holundersträuche. Kniehohes Gras bedeckt die freien Flächen dazwischen und mitten darin steht ein älterer Herr in tonfarbenem Anzug und hebt eine tiefe Grube aus.

„Herr Imnusom?“