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Alfred Bekker, Albert Baeumer

Rügen Krimi - Rügen, Ranen, Rachedurst

Cassiopeiapress Krimi





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Über das Buch

 

Albert Baeumer & Alfred Bekker

Rügen, Ranen, Rachedurst

 

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Biographie(n):

 

Albert Baeumer

geboren 1952 in Gangelt, Internatsschüler am Franziskanerkolleg in Sittard (NL), Volontariat und Ausbildung bei einem Zeitungsverlag, nebenberuflicher Redakteur, Kaufmann, Direktmarketing-Fachwirt und Videojournalist, lebt mit seiner Familie in Geilenkirchen, direkt vor den Toren des Selfkants, des westlichsten Zipfels der Bundesrepublik. Er ist Co-Autor und Mitherausgeber zweier Heimatbücher über Gangelt und der Selfkant-Tourismuskrimis „Mercator, Mord und Möhren“ und „Kaffee, Kunst und Kaviar“.

 

 

Alfred Bekker

wurde 1964 geboren und veröffentlichte zahlreiche Spannungsromane, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Unter anderem ist er Mitautor der Krimi-Serie „Jerry Cotton“ sowie einer Reihe von Thrillern und Science-Fiction-Romanen. In letzter Zeit wandte er sich verstärkt dem Kinder- und Jugendbuch zu. Hier gelang es ihm, zugkräftige Buchserien wie „Tatort Mittelalter“ zu etablieren. Außerdem verfasste er den Fantasy-Bestseller „Das Reich der Elben“, der mit den Bänden „Die Könige der Elben“ und „Der Krieg der Elben“ fortgesetzt wird.

 

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Rügen,Ranen,Rachedurst

© der Digitalausgabe 2012 AlfredBekker/CassiopeiaPress

Ein CassiopeiaPress E-Book.

Www.AlfredBekker.de

Copyright 2010 by Selfkant-Verlag Ltd., Geilenkirchen

Umschlaggestaltung: Lothar Schiebel, Geilenkirchen

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

 

FAKTEN UND TATSACHEN

Die Handlungen in diesem Roman sind rein fiktiv. Zahlreiche agierende Personen sind jedoch nicht frei erfunden, haben aber ihr schriftliches Einverständnis gegeben und dazu beigetragen, dieses Buch zu veröffentlichen und die touristische Attraktivität der Insel Rügen darzustellen.






Prolog

Vier Männer in den besten Jahren.

Alle sogenannte Entscheider.

Vier, die weiter gekommen waren, als die meisten Menschen es sich je erträumt hätten.

Den Zenit hatten sie in jeder Hinsicht überschritten. Jetzt ging es darum, sich dort oben in den lichten Höhen noch eine Weile zu halten und den Treibsatz, der sie dort hinaufgeschossen hatte, noch möglichst lange brennen zu lassen. Aber zurzeit hatten sie die grauen Anzüge, die Uniform für Alpha-Wölfe, mit Jeans und T-Shirts vertauscht und leerten sich unbekümmert den Dünensand aus ihren Turnschuhen.

Sie atmeten tief durch. Wind streifte von der nahen Ostsee über die Dünen und bog Gras und Sträucher landeinwärts.

„Jetzt ‘ne Flasche Bier!“, seufzte einer der Männer sehnsüchtig, und die drei anderen stimmten ihm kopfnickend zu.

„Aber siehst du hier irgendwo eine Kneipe?“

„Wir sind hier am einsamsten Stück Ostseestrand auf Rügen. Nicht in der Düsseldorfer Altstadt oder in Köln“, sagte der Ältere der Männer.

„Eine Bude mit Mineralwasser wäre ja auch schon in Ordnung. Nach dem Gewaltmarsch!“, entgegnete daraufhin der blonde Mann, der mit den Jahren ein wenig zur Fülligkeit neigte.

„Nichts mehr gewohnt, was?“, fragte schmunzelnd der für sein Alter immer noch sportlich, ja beinahe schlaksig Wirkende der vier Strandläufer.

„Ja, mach dich nur lustig!“, antwortete der Blonde ein wenig beleidigt.

„Hey, da hinten ist ein Haus!“, rief der Schlaksige plötzlich.

„Tja, ein Haus, aber keine Bude!“

„Lies doch, was da steht: Ranen-Met vom Fass!“

„Und was soll das sein?“

„Met nach Art der Ranen, schätze ich.“

„Runen oder Ranen?“, wollte es der Vierte der Männer nun genau wissen.

„Ranen!“, dozierte der Ältere und rückte sich dabei seine Brille zurecht. „Ein Slawenstamm, der sich zu Beginn des 7. Jahrhunderts n. Chr. im Ostseeraum ansiedelte. Man erkennt ihre Siedlungen noch heute an Ortsnamen, die auf -ow, -itz oder -in enden. Die Ranen errichteten ringförmige Erdwälle, in deren Innerem sie Paläste, Verwaltungszentren und Tempel anlegten. Ab Mitte des 11. Jahrhunderts war die Jaromarsburg am Kap Arkona mit dem Standbild des Gottes Svantevit das zentrale Heiligtum der slawischen Ranen auf Rügen.“

Er räusperte sich, aber bevor er mit seinem geschichtlichen Exkurs fortfahren konnte, unterbrach ihn der Blonde: „Klingt ja sehr interessant, aber kannst du uns die Fortsetzung nicht bei einem leckeren kühlen Ranenbier erzählen? Im Moment habe ich so einen Durst, ich würde das Zeug sogar trinken, wenn man darin noch die Gerstenkörner knacken hört.“

Seine Freunde stimmten ihm begeistert zu und steuerten geradewegs auf die Gaststätte zu. Keiner von ihnen ahnte in diesem Augenblick, dass sich mit einem Glas Ranen-Met alles von Grund auf ändern sollte.


***


Zartgliedrige Hände, leicht zitternd, den Stiel einer Axt umfassend …

Mit einem einzigen Schlag fuhr das Beil durch den Hals in den Holzblock und blieb dort drei Zentimeter tief stecken. Der Körper rutschte langsam seitlich weg und das Blut ergoss sich ins Stroh, während der abgetrennte Kopf ein Stück weiter über den Boden rollte.

Die Hände waren jetzt ganz ruhig. Da zitterte nichts mehr. Stattdessen war da nur noch ein einziger, alles beherrschender Gedanke voller Genugtuung: Jetzt bist du das Opfer!




***


Eine dunkle Gestalt, in eine Kutte gekleidet und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass weder der fahle Vollmond noch die emporzüngelnden Flammen den Schatten darunter erhellen konnten, bewegte sich schwerfällig durch die Nacht. Die Flammen loderten empor. Unzählige Arme reckten sich in den Nachthimmel. Ein dumpfer Singsang vermischte sich mit dem leichten Meeresrauschen der nahen Ostsee.

Dann erhob sich eine volltönende Stimme.

„Svantevit, du vierköpfiger Gott der Ranen! Wir rufen dich! Wir sehnen deine Macht herbei, und dein Zorn komme auf diejenigen herab, die deine Rache herausgefordert haben.“

Zwei Hände umfassten einen bleichen Totenschädel, dessen Konturen im weichen Schein des Feuers deutlich erschienen. Die Hände hielten diesen Schädel so hoch empor, wie es die Länge der Arme erlaubte. „Blut und Leben für Svantevit! Deine Kraft für uns!“, rief die Stimme, die sich nun fast überschlug.

Ein einfacher, stampfender Rhythmus bahnte sich dumpf seinen Weg in die Nacht und dröhnte schon bald in den Körpern der hier zu später Stunde Versammelten. Dazu erhoben sich viele Stimmen, die wie in Trance immer wieder dieselben Worte wiederholten:

„Blut!“

„Leben!“

„Svantevit!“

Die Gestalt in der Kutte trat auf das Feuer zu und hielt den Totenschädel über die Flammen.

„Zerstört wurde dein Standbild, geschändet dein vierfaches Antlitz, zerbrochen dein Trinkhorn und vergessen deine Feste des Honigs und des Weins! Aber der Tag deiner Rückkehr ist nahe! Ein Tag der Rache und des Blutes, an dem sich erweisen wird, dass du ein Gott des Krieges bist.“

Lautlos stellte sich eine andere Gestalt eng neben den Kuttenträger. Im Schein der Flammen waren die Konturen als dunkler Schattenriss zu sehen. Es war eine Frau. Ihre Haare wehten in dem auffrischenden Wind, der auch die Flammen von Neuem entfachte und seitwärts lodern ließ.

Die Frau kniete nieder.

Der Kuttenträger drehte sich zu ihr um und hielt den Totenschädel über ihren gesenkten Kopf.

„Die Kraft Svantevits sei mit dir und erhalte deine Hexenkräfte!“, ertönte seine Stimme in der plötzlich eintretenden Stille. „Zum Guten und zum Bösen. Zum Leben und zum Tod. Zur Aussaat und zur Ernte. Svantevit, du bist der Gebieter der Urflut, aus der alle Kraft kommt. Die Urflut ist die Quelle allen Lebens und allen Schreckens, aller Schöpfung und aller Zerstörung, aller Ordnung und allen Chaos’, und nur du, Svantevit, vermagst ihrer Macht eine Richtung, ihrer Zerstörungswut Einhalt und ihrem Drang zu töten das richtige Ziel zu geben …“

Die Frau öffnete die Arme und rief etwas, das wie Worte aus einer längst vergessenen Sprache klang. Ihre Stimme überschlug sich dabei, während der Kuttenträger den Totenschädel auf ihren Kopf herabsenkte.

„Geist zu Geist“, rief er, ihre fremdartigen Worte übertönend. „Die Hexe kündigt Svantevit das Opfer an!“

Die Frau nahm jetzt den Schädel mit beiden Händen und begann wie in ekstatischer Verzückung wirre Silben vor sich hinzumurmeln. Manchmal waren es nur Zischlaute, dann wiederum ein Röhren und Würgen, das sicherlich keiner noch so alten Sprache entstammte.

Der Kuttenträger streckte die rechte Hand aus.

Jemand lief herbei. Im Flammenschein war auch er nur ein huschender Schatten. Er reichte dem Kuttenträger ein Horn, das dieser den Versammelten zeigte mit den Worten:

„Dies ist das Horn Svantevits, des Gottes der Urflut und des Krieges, des Vielgesichtigen, der die Stärke vieler Götter hat und dessen acht Augen bis in die schwärzesten Winkel der Seele sehen! Das Horn mit dem Ranen-Met, gemischt mit Blut! Trinkt es! Denn erst danach dürft ihr den Wein kosten und den geweihten Honigkuchen essen!“