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Über dieses Buch:

Ende des 19. Jahrhunderts: Bereits vor langer Zeit hat die schöne Virginia ihr Herz Steve Morgan geschenkt – doch ihre Liebe scheint unmöglich: Er ist ein einfacher Armeeoffizier, sie eine Adlige, die in den Palästen Europas zuhause ist. Während Steve in den Wirren der kubanischen Unabhängigkeitskriege um sein Leben kämpft, muss Virginia mit einem schweren Schicksalsschlag ringen: Sie droht ihr Augenlicht zu verlieren, die Schönheit der Welt erlischt in einem einzigen Moment. Einen schwachen Hoffnungsschimmer schenkt ihr schließlich der geheimnisvolle Richard Avery, der ihr Heilung verspricht. Dafür nimmt er sie mit ins Herz des Osmanischen Reiches, wo er als Leibarzt des Sultans dient. Inmitten der exotischen Düfte und sinnlichen Erlebnisse lernt Virginia Schritt für Schritt ins Leben zurückzufinden – stets das Gesicht ihres geliebten Steve vor Augen. Werden sie einander jemals wiedersehen?

Über die Autorin:

Rosemary Rogers (1932–2019) kann mit Fug und Recht als Legende gefeiert werden: Wie kaum eine andere hat sie das Genre der Liebesromane geprägt. Geboren in Ceylon, schrieb sie mit acht Jahren ihre erste längere Geschichte, der schon in ihrer Teenagerzeit erste Liebesromane folgten. Mit 22 Jahren wurde sie gegen den Willen ihrer Eltern Reporterin und zog nach London. Viele Jahre später zog es sie jedoch zurück nach Kalifornien, in das »Land der Mandelblüten«. Ihre zahlreichen Bücher haben sich weltweit über 50 Millionen Mal verkauft.

Bei dotbooks veröffentlichte Rosemary Rogers auch ihre Romane:

»Das Flüstern der Orangenblumen – Die große Morgan-Saga 1«

»Im Land der Pelikane – Die große Morgan-Saga 2«

»Das Leuchten der Kaktusblüte – Die große Morgan-Saga 4«

»Das Land der Mandelblüten«

»Der Himmel über der Zimtinsel«

Außerdem erschienen bei dotbooks ihre Dark-Romance-Romane:

»Royal Player«

»Bad Boy Player«

»Hollywood Player«

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe Mai 2021

Dieses Buch erschien bereits 2014 unter dem Titel »Die Gespielin des Sultans« bei dotbooks und 1981 unter »Letzte Liebe« bei der Schweizer Verlagshaus AG.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1980 unter dem Titel »Lost Love, Last Love« bei Avon Books, New York.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1980 by Rosemary Rogers

Published by Arrangement with Rosemary Rogers.

Copyright © der deutschsprachigen Erstausgabe 1981 by Schweizer Verlagshaus AG, Zürich

Copyright © der Neuausgabe 2014 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, Hannover 30161.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Piotr Braniewski / Dmytro Buianskyi / fotosaga / Attasit saentep / Florian Augustin / ppl

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95824-098-8

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Rosemary Rogers

Die Insel der Tabakblüten

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ursula von Wiese

dotbooks.

Erster Teil
Stoff für Klatschbasen

Kapitel 1

In der glänzenden Menge auf dem großen Opernball fielen sie auf, der große blauäugige Abenteurer-Millionär aus Kalifornien und seine schöne, kupferhaarige Frau. Freilich, sie waren ein ungewöhnlich gutaussehendes Paar, doch daran lag es nicht allein. Es war ihr plötzliches Erscheinen in New Orleans, das die Zungen der Klatschbasen in Bewegung setzte – und die Gerüchte.

Schließlich wußte jedermann, daß Virginia Brandon Morgan die Stieftochter von Sonja Beaudine war, die aus New Orleans stammte. Und fast jeder kannte das Gerede – beileibe nicht nur im Flüsterton – von Steve Morgans Liaison mit einer italienischen Opernsängerin und von den Eskapaden, die sich seine Frau vor nicht langer Zeit auf einer Europareise geleistet hatte.

»Stimmt es, daß sie nur wenige Monate, nachdem sie verwitwet war, geheiratet haben? Sagten die Zeitungen nicht, ihr erster Mann wäre ein russischer Fürst gewesen?«

»Ich hörte, sie hätte während ihres Aufenthalts in Europa ein Kind bekommen. Nimmt mich wunder, was sie mit dem armen Geschöpfchen angefangen hat. Glauben Sie, daß er es weiß?«

»Meine Liebe, ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, wenn das wahr ist und er dahinterkommt! Er sieht nicht gerade sanftmütig aus, finden Sie nicht auch?«

Die Dame, die gesprochen hatte, schauderte auf übertriebene Weise, während sie Steve Morgan nicht aus den Augen ließ. Unwillkürlich phantasierte sie darüber, wie es sein mochte, mit ihm verheiratet zu sein. Selbst wenn ihm nicht zu trauen war, spannend war es sicher …

»Ich glaube, man tuschelt wieder mal über uns, Liebste.« Ihre leicht schräggeschnittenen, grünen Augen von derselben Farbe wie die Smaragde, die sie trug, lächelten ebenso wie ihr Mund. Die Tanzschritte führten Ginny und Steve auseinander, dann wieder zusammen.

»Macht es dir etwas aus?« fragte er.

»Nein. Über uns wird wohl immer getratscht werden. Warum sollte es mir etwas ausmachen?«

»Bravo.« Seine Stimme klang ein wenig spöttisch, als ob er ihre gespielte Sorglosigkeit durchschaute.

»Es ist mir gleich!« sagte Ginny trotzig. Als sie seine hochgezogenen Brauen sah, ergab sie sich mit einem kleinen Lachen. »Also gut. Ich komme mir nicht gern wie ein Ausstellungsstück vor. Ich wette, manche dieser alten Klatschtanten hatten ihren Operngucker heute abend häufiger auf uns gerichtet als auf die Bühne. Ach, Steve, warum mußten wir herkommen?«

»Irgendwann mußten wir uns wieder einmal in der Öffentlichkeit sehen lassen, meine Süße. Und laß dir sagen, du siehst heute abend entzückend aus. Wenn man bedenkt, wie schnell Madame Elise das Kleid für dich genäht hat …« Während seine Finger ihre Hände fester umschlossen, schien er sie kritisch zu betrachten.

»Gefalle ich dir so besser?«

»Du bist ein aufreizendes kleines Luder, ob bekleidet oder unbekleidet, und das weißt du ganz genau.«

Durch seine zusammengekniffenen blauen Augen sah er sie sekundenlang, wie er sie während des letzten gemeinsam verbrachten Monats auf der Reise durch die Sümpfe gesehen hatte, mit wirren Haaren, halbnackt – eine grünäugige Amazone mit einer Pistolenhalfter an der einen Hüfte und einem Messer an der anderen.

Wie sie einander gehaßt, sich gegenseitig bekämpft und sich geliebt hatten! Auch jetzt noch – konnte einer des andern jemals sicher sein? Seit über vier Jahren waren sie verheiratet, waren aber weniger als die halbe Zeit zusammen gewesen.

Kennen wir einander überhaupt? fragte sich Ginny, die seinen Blick zurückgab und instinktiv wußte, daß er das gleiche dachte. Wie wird es heute in vier Jahren um uns stehen? Es gab Fragen, auf die sie gar keine Antwort wünschte, noch nicht, nicht jetzt Die Opernsängerin … hatte er sie geliebt? Wollte er sich Mätressen halten? War sie imstande, ihn an sich zu fesseln? Und daß sie Kinder hatten … das mußte ihre Beziehung beeinflussen.

»Die beiden scheinen wirklich aneinander gebunden zu sein. Es ist fast peinlich, mit anzusehen, wenn sich Verheiratete so anschauen! Meinen Sie nicht, all die Geschichten, der Klatsch. Das kann doch nicht wahr sein, nicht?«

»Natürlich ist es wahr!« Die Sprecherin, eine ältere Dame mit brillantenübersätem Busen, rümpfte die Nase. Im geheimen machte es Mrs. Pruett großen Spaß, zu beobachten, wie ihre jüngere Gefährtin den Atem anhielt und sich mit großen Augen vorlehnte, um sich nichts entgehen zu lassen.

»Ich kannte Sonja Beaudine«, fuhr Mrs. Pruett fort. »Ich erinnere mich noch gut …« Sie brach ab, als hätte sie zu sich selbst gesprochen und plötzlich gemerkt, daß sie in Gesellschaft war. »Je nun, sagen wir, ich erinnere mich an vieles. Aber was den Klatsch anbelangt … ja, meine Liebe, natürlich ist alles wahr. Vor knapp einem Jahr war er hier, um seine Geliebte, die Sängerin, zu hören. Sie löste stürmischen Beifall aus. Was für eine Stimme!«

»Aber … aber seine Frau? Sie scheinen so verliebt zu sein …«

»Sicher sind sie es auch«, fiel Mrs. Pruett ein. »Warum nicht? Wie ich hörte, hat er sie ein paar Monate nach dem Tod ihres ersten Mannes geheiratet. Ein russischer Fürst war er, nichts Geringeres. Sie sind eben ein sehr modernes junges Paar.«

Die beiden Damen aus New Orleans waren mit ihren geflüsterten Bemerkungen nicht allein. Einige Herren erklärten offen, von der schönen Halbfranzösin Madame Morgan entzückt zu sein.

»Schade, daß sie verheiratet ist. Was für bezaubernde Augen!«

»Auch eine wundervolle Figur. Ich könnte mir vorstellen, daß sie im Negligé unwiderstehlich ist«

»Nicht so laut, André. Ihr Mann soll ein gefährlicher Kerl sein. Es gehen Gerüchte um …«

»O ja, diese Gerüchte sind bekannt. Auch über sie. Ich war voriges Jahr in Paris und sah die hübsche Ginette bei einigen Anlässen. Jedesmal in anderer Begleitung. Sie machte Furore, und es hieß, Graf D’Arlingen sei im Begriff, ihretwegen seine junge Braut im Stich zu lassen; doch da ging sie mit einem englischen Herzog nach London. Ob ihr Mann das wohl weiß?«

Lucian Valette, an den diese ziemlich höhnische Frage gerichtet worden war, zuckte die Schultern. Er kannte die Neigung seines Freundes für hübsche Frauen, besonders für solche. die einem andern gehörten. Andre Delery war auch ein ausgezeichneter Schütze, ein Schüler des berühmten Pepe Llulla. Gesetzlich waren Duelle zwar verboten, aber hier in New Orleans ließ sich die Tradition des Code Duello nicht so leicht ausmerzen, und die Behörden drückten gewöhnlich ein Auge zu, wenn Ehrenhändel ausgetragen wurden.

»Wen kümmert das, mein Freund? Du siehst ja, sie sind beisammen und scheinen glücklich zu sein. Übrigens, Bernard Pruett macht auch ein zufriedenes Gesicht. Glaubst du, es kommt daher, daß ihm die liebliche Althea Pennington zugelächelt hat?«

André bewegte die Schultern unter seinem engsitzenden Rock. Sie waren breit und muskulös, und etliche weibliche Augenpaare wurden begehrlich, wenn sie in seine Richtung blickten. Er tat dann so, als ob er es nicht bemerkte.

»Sie sucht einen Mann, und Jung-Bernard hat mehr Geld als Verstand. Am besten würde sie mit ihm durchbrennen, bevor ihr Drache von einer Mutter Wind von der Sache bekommt.« Ein leicht grausames Lächeln umspielte Andrés schmale Lippen. Er zwirbelte seinen Schnurrbart. »Mama Pruett würde niemals ein Achtmonatskind als Erben der Pruett-Millionen akzeptieren, und wenn Althea meinen Rat befolgt, wird sie aller Sorgen enthoben sein.« Valette warf seinem Freund einen scharfen Blick zu, gab aber keine Antwort. Im stillen pfiff er vor sich hin. So standen also die Dinge? Vor knapp zwei Monaten hatte er in einer Weinlaune mit André gewettet, daß die einzige Frau, die er niemals in sein Bett ziehen könnte, Althea Pennington war, die verwöhnte, geliebte und wohlbehütete Tochter eines reizbaren Yankee-Bankiers. Er hatte es also doch geschafft, und Miß Pennington mußte nun wohl schleunigst einen Ehemann suchen. André prahlte nie mit Eroberungen; er hatte es nicht nötig, andern Männern etwas vorzuflunkern. Die Frauen flogen auf ihn, und nur sein Ruf als tödlicher Schütze hielt erzürnte Väter und Ehemänner davon ab, ihn zu fordern.

»Ich schulde dir also einen meiner beiden Braunen, was?« Valette zuckte ergeben die Schultern. »Ich hätte es mir eigentlich denken können. Du hast wirklich teuflisches Glück bei den Damen. Möchte wissen, ob es eine gibt, die du nicht kriegen kannst.«

»Wenn das wieder eine Wette ist, Lud an, nehme ich sie an. Um den anderen Braunen. Laß sehen, wer soll es diesmal sein? Vielleicht eine verheiratete Frau. Sie sind immer am schwersten zu kriegen, besonders, wenn der Mann noch nicht zu alt ist. Nenne sie, mein Freund. Aber bitte, ich muß darauf bestehen, daß sie hübsch ist. Du weißt, wie heikel ich bin.«

Das Tempo des Tanzes wechselte, und Steve Morgan führte seine Frau an ihren Platz zurück. Von der anderen Seite des Saales her beobachteten juwelenbehängte ältere Damen die beiden mit kritischen Augen.

»Nun ja, er ist wirklich aufmerksam, das muß man ihm lassen.«

»In der Öffentlichkeit, meine Liebe! Sind das nicht alle Männer? Aber er ist schön. Die dunkle Haut verleiht ihm etwas Dämonisches. Glaubst du, daß er den ganzen Abend mit seiner Frau tanzen wird?«

»Aber, Marie-Claire! Du hoffst doch wohl nicht, daß er deine Tochter auffordern wird. Er ist verheiratet.« Marie-Claire Valmont lächelte ihre beste Freundin richtig an. »Ganz recht, Agathe. Aber ist es nicht viel ungefährlicher, mit einem verheirateten Mann vor den Augen seiner Frau zu tanzen als mit einem notorischen Herzensbrecher wie André Delery?«

Ihre Stichelei wurde mit einer Blutwelle belohnt, die Agathes ohnehin geflecktes Gesicht noch mehr verunzierte.

»André Delery hat meiner Therese formell den Hof gemacht, wie du genau weißt! Mein Mann hat ihn abgewiesen …«

»Ach? Er schien nicht untröstlich zu sein, denn schon am nächsten Tag führte er Rose Thierry zu Antoine in ein Séparée aus, oder etwa nicht? Übrigens, wann kommt die liebe Therese aus Frankreich zurück? Das arme Kind muß sich in der Provence sehr langweilen. Sagtest du nicht, sie sei dort bei ihrer Großmutter?«

Eine reizvolle Blondine, wohl etwa Mitte Dreißig, tanzte mit ihrem Mann, einem vornehm aussehenden älteren Herrn, vorbei. Sie grüßte die Damen, die alle zurücklächelten.

»Die liebe Sonja! Sie sieht nicht viel älter aus als damals, als sie fortging. Ob ihr blondes Haar wohl immer noch echt ist?«

»Ich möchte wissen, wie ihr zumute war, als sie eine Stieftochter bekam, die sie prompt zur Großmutter machte. Die arme Sonja! Weißt du noch, wie wir alle uns den Kopf zerbrachen über den schmucken jungen Offizier aus den Nordstaaten, der während des Krieges immer neben ihrem Wagen hin und her ritt?«

»O ja, das war der Offizier, der sich wegen einer Viertelnegerin mit seinem Vorgesetzten duellierte – wurde er nicht exekutiert? Sonja behauptete, sie könne ihn nicht ausstehen wegen seiner Frechheit und wegen der Art, wie er sie ansah, aber ich …«

»Ja, ja, wir fanden alle, daß sie ihn ein bißchen zu heftig verunglimpfte. Da fällt mir ein, sieht ihr Schwiegersohn ihrem Yankee-Hauptmann nicht ähnlich? Das rabenschwarze Haar und diese Augen …«

»Mir will scheinen, Amelia, daß du den Yankee damals ziemlich genau betrachtet hast«, fiel Mrs. Pruett bissig ein. »Als Sonjas alte Bekannte sollten wir uns lieber überlegen, wie wir sie wieder in unseren gesellschaftlichen Kreis aufnehmen könnten, anstatt den alten Klatsch aufzuwärmen«

»Die hat es nötig, uns zu kritisieren«, flüsterte eine Dame hinter dem Fächer ihrer Nachbarin zu. Aber sie sprach sehr leise, denn Mrs. Pruett überschattete alle mit ihrem Geld und ihrem anmaßenden Benehmen.

»Manche der Frauen dort haben statt einer Zunge ein Messer im Mund«, sagte Sonja ärgerlich zu ihrem Mann, als sie das Spießrutenlaufen hinter sich hatten. »Ach, William, ich wünschte, wir wären nicht hergekommen! Ginny und Steve sind es gewöhnt, daß über sie geredet wird. Manchmal glaube ich sogar, sie fordern den abscheulichsten Tratsch absichtlich heraus. Aber New Orleans war meine Heimat, und ich kenne die meisten Leute hier. Ich kann nicht behaupten, daß es mir Freude macht …«

»Meine Liebe, du weißt recht gut, daß wir gerade deswegen hier sind. Weil du alle kennst und sie dich als eine der ihrigen betrachten.«

William Brandon lächelte seine Frau an und drückte beschwichtigend ihre Hand. Im stillen sorgte er sich. Es sah Sonja so gar nicht ähnlich, Schwierigkeiten zu machen, und es hatte ihn ein neues Brillantenarmband gekostet, sie zum Mitkommen zu bewegen. Er hatte gedacht, sie würde sich freuen, alle ihre alten Bekannten wiederzusehen; statt dessen hatte sie sich heftig aufgelehnt und ihn gezwungen, ungewöhnlich streng zu ihr zu sein. Warum waren Frauen so unberechenbar, sogar nach mehreren Ehejahren? Ihn hatte es nicht gerade gelockt, nach New Orleans zu gehen, wo ihn alles an seine erste Frau Geneviève erinnerte. An die liebliche, zarte Geneviève, die er mit der glühenden Leidenschaft der ersten Liebe verehrt, die ihn aber nicht wiedergeliebt hatte, obwohl sie anfänglich so fügsam gewesen war. Sie hatte jedesmal geweint, wenn er sie umarmte, ganz gleich, wie zartfühlend er vorgegangen war, bis er sie schließlich gar nicht mehr anrühren durfte.

Senator William Brandon schob die Vergangenheit energisch von sich. Mochte sie vergessen sein! Er war ein Pragmatiker, ein Mann mit beträchtlichem Ehrgeiz und politischer Begabung. Als er die in Shreveport aufgegebene Depesche seines Schwiegersohns erhalten hatte, war ihm sofort klar gewesen, daß es gute Politik sein würde, nach New Orleans zu fahren und seiner Tochter die Rückkehr in die gute Gesellschaft zu erleichtern, da ihre etwas hastige Reise nach Europa so viel Gerede verursacht hatte.

Der Senator preßte die Lippen zusammen. Er mußte bald mit Ginny sprechen. Gewisse Enthüllungen, die Sonja ihm nach ihrer Rückkehr aus Paris gemacht hatte, beunruhigten ihn. Und die Tatsache, daß Ginny in Texas aufgetaucht war, ohne ihn wissen zu lassen, daß sie wieder im Lande war. Er wunderte sich, daß Steve sich mit ihr ausgesöhnt hatte, aber das war natürlich Steves Angelegenheit

»William, ich bin müde. Laß uns bitte ausruhen.«

»Du fängst an, launenhaft zu werden, meine Liebe. Du schmollst doch nicht etwa?«

Seine Stimme war härter geworden, und Sonja rang sich ein Lächeln ab. »Natürlich nicht. Es ist wahr, ich wollte nicht herkommen, und ich fühle mich noch immer nicht wohl hier, aber nun sind wir da. Schau, sogar Ginny hat sich gesetzt. Sie ist bestimmt ebenso durstig wie ich.«

»Ein reizender Mann, der Senator. So gutaussehend! Er ist

aus Virginia, nicht wahr?

Der Senator gefiel den Damen, sogar Mrs. Pruett ließ sich dazu hinab, ihn mit einem Lächeln und einem Zunicken zu bedenken.

»Sie kann von Glück reden, einen Mann gefunden zu haben, der noch besser aussieht als ihr erster. Erinnert ihr euch an Raoul Beaudine? Er war ebenso schön wie ungebärdig.«

Sonja Brandon setzte sich neben ihre Stieftochter; keine von ihnen hatte der andern mehr viel zu sagen, nachdem sie höfliche Komplimente über ihre Kleider ausgetauscht hatten. Sonja hatte Altrosa gewählt; Ginnys enganliegendes Kleid mit gewagtem Dekolleté war aus blaugrüner Seide.

Sonja verübelte Ginny am meisten ihre fast anmaßende Haltung, die zu besagen schien, daß anderer Leute Meinungen oder Gefühle sie nichts angingen. Sie war immer selbstsüchtig und ist es geblieben, dachte Sonja. Ihr ist es egal, was die Leute reden. Und was ihn betrifft ...

Ginny hatte sich halb abgewandt und lachte einem jungen Mann ins Gesicht, der herbeigeschlendert war, um sich mit ihr zu unterhalten. Sonja erkannte in ihm Ludan Valette, den Sohn einer ehemaligen mütterlichen Freundin.

Waren sie einander förmlich vorgestellt worden? Es war wirklich unmöglich von Ginny, mit einem Fremden ein leises Gespräch zu führen, das offenbar mit Schmeicheleien gespickt war. Im Grunde ist es Steves Schuld. Hätte er sie nicht in Europa frei herumlaufen lassen, damit er selbst für seine Liebschaften frei war …

Steve selbst unterbrach ihre wirren Gedanken, aber zu ihrer Entrüstung betrachtete er das Schauspiel seiner unverhohlen flirtenden Frau nur mit belustigter Miene. »Schwiegermama …« Er beugte sich über Sonjas Hand. Wie konnte er sich unterstehen? Er wußte, wie sehr sie sich ärgerte, wenn er sie in der Öffentlichkeit mit Schwiegermutter anredete. Er wußte auch, wie sehr sie ihn haßte.

Hernach wurde es Sonja bewußt, daß schierer Zorn ihr die Kehle zuschnürte, so daß sie die hochmütig abweisenden Worte, die ihr durch den Kopf gingen, nicht hervorzubringen vermochte. Er forderte sie zum Tanz auf und zog die Widerstrebende auf die Füße und William der ihren fast verzweifelten Blick in seine Richtung mißverstand, nickte nur lächelnd.

Im stillen verfluchte sie Steve. Das letztemal hatten sie ebenfalls in New Orleans miteinander getanzt, und sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte das Erlebnis nicht vergessen. Die Gesellschaft fand in der Villa des Gouverneurs statt, und Steve war in Uniform. Auch damals hatte sie ihn gehaßt, sogar als er in ihrem Bett lag, sie streichelte und sie mit einschmeichelnder Stimme »meine süße Sonja« nannte. Warum zwang er sie, daran zurückzudenken?

Sie hoffte inbrünstig, daß sich niemand sonst daran erinnerte. Adeline Pruett hatte scharfe Augen und ein gutes Gedächtnis. Allzugut entsann sich Sonja, daß Adeline ihr damals zugeflüstert hatte, es sei gar nichts dabei, wenn Frauen sich auslebten, solange sie sich »diskret« verhielten – warum sollten Frauen das Dasein nicht ebenso genießen wie die Männer?

Jetzt kam es ihr unfaßbar vor, daß sie sich von diesem Mann, der durch die Ironie des Schicksals ihr Schwiegersohn geworden war, zu wilder Leidenschaft hatte hinreißen lassen können.

Sie rang um Haltung und sagte kalt: »Ich wünschte, du hättest mich nicht gezwungen, mit dir zu tanzen. Ich bin kein Heuchler wie du, Steve. Hast du denn kein Gewissen?«

»Das brauchst du nicht zu fragen, du weißt es selbst, süße Sonja. Oder ist es dir lieber, wenn ich ›Schwiegermama‹ sage?«

So scharf zog sie den Atem ein, daß es wie ein Zischen klang. Sie wollte sich ihm entwinden, aber seine Arme hielten sie fest »Es wäre mir lieber, diesen Tanz auszusetzen. Bitte sei so lieb und führe mich an meinen Platz zurück«

»Nein, ich bin nicht so lieb.« Er sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. Dann überraschte er sie, indem er sich entschuldigte. »Verzeih, Sonja. Ich wollte dich nicht reizen. Aber findest du nicht auch, wir sollten einen Waffenstillstand schließen, solange wir hier beisammen sind?«

»Ist das alles, was du mir sagen wolltest?«

Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. »Nein. eigentlich nicht. Ich möchte dir ein paar Fragen stellen.« Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß er mit seinem Lächeln, das wie eine Maske war, etwas verbarg. Sie spürte eine messerscharfe Spannung in ihm, die sie erschreckte. Sie schwieg, und er fuhr fort: »Du kennst die meisten Leute hier, nicht wahr?«

Diese Frage hatte sie nicht verstanden und sich nur gewundert, daß er sie wie von ungefähr, fast spielerisch, über die Leute ausfragte, unter denen sie sich befanden. Warum wollte er so viel wissen?

Kapitel 2

Später, als sie in ihrem Zimmer waren, machte William Brandon seiner Frau einen milden Vorwurf: »Meine Liebe, ich wünschte, du würdest deine Abneigung gegen Steve nicht so unverhohlen zeigen.«

Sonja bürstete sich weiter die Haare, bis sie knisterten, und erwiderte steif: »Tut mir leid, William, aber ich kann nicht heucheln. Er hätte mich nicht zum Tanz auffordern sollen. Er müßte wissen, daß ich ihm niemals verziehen habe, wie er uns hereingelegt und gedemütigt hat, auch wenn du es lieber vergißt.«

Manchmal trieb es sie, mit allem herauszuplatzen, vielleicht um sich von Schuld zu reinigen. Steve Morgans Anmaßung, die Art, wie er es für selbstverständlich gehalten hatte, daß sie ihm zu Willen sein und ihm alle gewünschten Auskünfte über ihre Bekannten liefern würde … Der Gedanke daran war unerträglich. Warum hatte er Ginny heiraten müssen? Und warum war er nach seinem geheimnisvollen Verschwinden vor einigen Monaten nun wieder aufgetaucht?

Als ihr Mann neben ihr bereits schlief, ruhig und gleichmäßig atmend, fiel es Sonja schwer, stillzuliegen. Unerträglich, daß sie hier war, wieder in ihrem alten Haus, in dem großen Himmelbett, das so viele Erinnerungen barg. Ich hätte darauf bestehen sollen, die Plantage zu verkaufen, dachte sie erregt. Und ich hätte nie, niemals hierher zurückkommen sollen! Sie ahnte, daß etwas Schlimmes geschehen würde, etwas Häßliches, das ihrer aller Lehen zerstören würde. Steve Morgan hatte immer Unglück gebracht, und sie wünschte jetzt, daß Ginny, Skandal hin oder her, in Europa geblieben wäre.

Zwei Türen weiter fand auch Ginny keinen Schlaf. Wo war Steve?

Er hatte sie geliebt und dann, nach einem leichten Kuß, ohne ein Wort der Erklärung das Zimmer verlassen. Wohin war er gegangen? Und, schlimmer, zu wem? Er ist schon eine Stunde fort, dachte sie unwillig. Aber ich mag mich nicht erniedrigen, indem ich ihn suche. Er denkt sonst, ich mißtraue ihm, und dann gibt es wieder Streit. War er böse auf sie, weil sie mit dem netten Lucian Valette geflirtet hatte? Er hatte darüber kein Wort verloren, obwohl sie ihm vorgeworfen hatte, die arme Sonja aufzubringen.

Er hatte, wie es seine Art war, die Brauen hochgezogen. »Wieso? Weil ich sie zum Tanz aufforderte? So ein eigensinniges Frauenzimmer – sie hat mir nämlich nicht verziehen.«

»Ich vielleicht auch nicht. Wenn ich zurückdenke …«

»Ich habe ebenfalls an vieles zurückzudenken, mein Liebes.«

Was hatte er damit gemeint? Das Übel lag daran, daß sie noch keine Zeit füreinander gehabt hatten, daß sie sich viel zu sehr zankten, um imstande zu sein, ganz offen über alles Vergangene miteinander zu sprechen. Sie liebten sich, aber genügte Liebe für eine lebenslängliche Ehe? Nach einer Weile zerbröselte die Liebe. Würden sie sich dann überhaben, einander vielleicht hassen?

Ginny hatte ein Fenster offen gelassen, und sie sah den dünnen Vorhang in einem Windstoß flattern. Sie stand auf, durchquerte das Zimmer und starrte durch die großen Fenster in die Nacht hinaus. Sogar der nächtliche Wind war warm. Sie hörte ihn durch die Bäume rauschen, die das Haus umgaben. Das Rauschen erinnerte sie an die Brecher, die der Ozean unter der Galerie des Hauses in Monterey unablässig anprallen ließ. In das Haus hatte Steve sie damals gebracht, nachdem er Iwan an Deck eines russischen Schiffes getötet hatte.

Noch jetzt ließ diese Erinnerung an Blut und Gewalttätigkeit Ginny schaudern, denn sie gemahnte sie an die dunkle Seite in Steves Wesen – die Seite, vor der Paco Davis sie vor langer Zeit gewarnt hatte. Wie verhaßt Steve ihr damals gewesen war! Wie hatte sie getobt, geweint und gedroht – und sich gleichzeitig vor ihm gefürchtet.

Sie hörte seine Stimme, die rau und unerbittlich klang. »Du bist süchtig. Weißt du, was das bedeutet? Nein, keine Pulver mehr, keine Schlafmittel. Du wirst sie von jetzt an nicht mehr brauchen. Das wirst du selbst merken.«

Das war der Anfang eines Alptraums gewesen, der nie zu enden schien. Warum mußte sie daran zurückdenken, gerade jetzt, da doch diese peinvolle Zeit weit hinter ihnen lag? Ginny schloß die Augen und versuchte, überhaupt nicht zu denken; aber die Nacht schien wie geschaffen für Erinnerungen. Der warme Wind strich wie leicht streichelnde Finger über ihre Haut, brauste wie das Meer und führte sie zurück …

Zurück in eine Zeit, wo ihr schweißgebadeter Körper von Schüttelfrost gequält wurde, abwechselnd eiskalt und glühendheiß. Die Haut juckte, als ob feine Nadeln ihr ins Fleisch getrieben würden. Sie wehrte sich gegen die Bettlaken, die sie einschnürten, und gegen die Hände, die sie niederdrückten. Ihr Kopf war wie geschwollen und wurde dann von einem Eisenband zusammengepreßt, langsam, ganz langsam. Sie wurde gequält, absichtlich, und er tat ihr das an.

»Du willst mich umbringen! Du willst mich vernichten, genau wie … Nein, rühr mich nicht an!«,

Die Haare hingen ihr glanzlos ums Gesicht und um die Schultern. Als sie sich das Haar büschelweise ausreißen wollte, band man ihr die Hände an den Bettpfosten fest.

Sie schrie, bis ihr die Stimme versagte und sie nur noch ein Wimmern hervorbrachte. »Rühr mich nicht an«, krächzte sie, sogar im Schlaf. »ich hasse dich – du willst auch mich umbringen!«

Sie hörte wie aus weiter Ferne leise Stimmen, konnte aber die Worte nicht verstehen. Sie fühlte Hände, die abwechselnd grausam und zart waren. Man wollte sie dazu bringen, zuzuhören, aber niemand hörte ihr zu, keinen kümmerte es, was sie durchmachte. Schließlich dämmerte sie träumend dahin, als sie so erschöpft war, daß sie sich nicht mehr zu wehren vermochte, und dann wurden die Stimmen deutlicher.

Mein Gott, ist das wirklich die einzige Möglichkeit? Sie ist nicht bei Bewußtsein, und offen gestanden, ich weiß nicht, wie lange ich es noch mit ansehen kann. Wenn ‘ich das gewußt hätte …«

»Sie ist stark genug, es auszuhalten, und Sie sind es auch. Sie müssen nur etwas essen und sich ausruhen. Sie wird nicht sterben, dafür kann ich mich verbürgen.«

»Nur dafür? Was soll das heißen? Ich warne Sie, Doktor, wenn ihr etwas zustößt …«

»Hinaus mit Ihnen! Wenn ich die Arbeit tun soll, für die Sie mich bezahlen, müssen Sie meine Anordnungen befolgen. Ich habe schon ähnliche Fälle behandelt: Wenn der Patient in Dämmerzustand fällt, muß er so ruhig wie möglich gehalten werden. Sie schreit jedesmal, wenn Sie ihr nahekommen. Also gehen Sie!«

Zwei Tage ließ er nichts von sich hören, er hatte das Haus verlassen. Am Abend des dritten Tages kehrte er mit einem Stoppelbart zurück, ohne ein Wort der Erklärung abzugeben. Diesmal begrüßte Dr. Matthews ihn mit einem dünnen Lächeln.

»Es geht ihr besser. Die Krämpfe haben aufgehört, und sie kann wieder Nahrung zu sich nehmen. Jetzt schläft sie. Warten Sie bis morgen.«

Ginny vernahm die leisen Stimmen. Sie fühlte sich so schwach, so ausgehöhlt. Wo war sie? Die Pflegerin hatte ihr gesagt, vor ihrem Zimmer sei eine schöne Terrasse, auf der sie später sitzen und auf das heranrauschende Meer blicken könne.

Am folgenden Morgen kam Steve und trug sie auf die Terrasse. Er war frischrasiert und benahm sich wie ein höflicher Fremder. Er fragte sie, ob sie bequem sitze, setzte sich jedoch nicht neben sie, sondern zog es vor, sich nachlässig an die Balustrade zu lehnen. Seine Augen, die er gegen die Morgensonne leicht zusammenkniff, hatten die Farbe des Meeres hinter den Brechern, und ihr Ausdruck war unergründlich. Sie wußte nicht, was sie zu ihm sagen und wie sie sich verhalten sollte. Sie verstand Steve nicht mehr, soweit sie ihn überhaupt jemals verstanden hatte. Er betrachtete sie unpersönlich, und auch seine Stimme klang hart und fremd, als er sprach.

»Freut mich, daß es dir besser geht. Vielleicht können wir jetzt miteinander reden.«

»Worüber?« gab sie, plötzlich trotzig geworden, zurück. »Bestimmt hast du alles längst beschlossen. Bin ich nicht genug bestraft worden?«

»Bestraft!« Sekundenlang blitzte es in seinen Augen auf, aber er beherrschte sich. »Ich hoffte, du hättest endlich begriffen, warum ich dich hierher gebracht habe.«

»Um mich zu quälen! Ich weiß, daß du dazu imstande bist, wenn du dich ärgerst. Was ich wirklich nicht begreife – warum du mich nicht gehen lassen konntest. Du …«

»Du bist nicht gequält worden«, antwortete er im selben sorgsam beherrschten Ton. »Du warst nahe daran, opiumsüchtig zu werden. Und das war die einzige Möglichkeit … Ginny, ich habe mit eigenen Augen gesehen, was aus Opiumsüchtigen wird. Die Kur ist schmerzhaft, und es tut mir leid, daß du leiden mußtest Doch jetzt bist du geheilt, wie der Arzt mir soeben sagte.«

»Du hättest mich umkommen lassen sollen! Wäre das nicht bequemer gewesen?«

»Du bist immer noch unvernünftig, Ginny.«

»Heißt das, ich muß nochmals geheilt werden? Willst du mich für immer gefangenhalten oder nur so lange, bis Gras über den Skandal gewachsen ist? Sei doch endlich einmal ehrlich zu mir! Was wird jetzt geschehen, Steve? Eine Scheidung nach taktvoller Wartezeit? Oder werde ich irgendwohin verschickt …«

»Es wird keine Scheidung geben, Ginny. Jedenfalls vorläufig nicht In ungefähr einem Monat werden wir nochmals getraut werden, damit in den Augen der Öffentlichkeit alles seine Ordnung hat In einer Kirche, mit deinem Vater als Brautführer. Und halb San Francisco wird zum Empfang eingeladen. Eine Weile werden die Leute noch tuscheln, wieso du, kaum verwitwet, gleich wieder geheiratet hast Es wird heißen, du wärst früher meine Geliebte gewesen. Aber ist das nicht besser, als eine Bigamistin genannt zu werden? Mit der Zeit werden sich die Gemüter beruhigen und nichts mehr daran finden.«

Damit alles seine Ordnung hattet Das sagte Steve, der kaum zivilisiert zu nennen war. Nur um einen Skandal zu verhindern, sollten sie nochmals heiraten.

»Ich habe deinem Freund Graf Tschernikow versprochen, dich einige Monate später nach Europa reisen zu lassen. Dann kannst du wegen einer Scheidung selbst deinen Entschluß fassen.«

»Und bis dahin?« fragte sie leise. Ihre Hände krallten sich um die Stuhllehnen, so daß die Knöchel weiß wurden und hervortraten.

»Bis dahin, schlage ich vor, versuchen wir den Schein zu wahren. Ich werde mich bemühen, möglichst oft zu verreisen. Das ist dir sicher recht Und du sollst genügend Geld bekommen, daß du unabhängig bist, einerlei, was du nachher tun willst«

Das hörte sich alles durchaus vernünftig und praktisch an, und er brachte es völlig sachlich vor. Blieb ihr überhaupt eine andere Wahl?

»Und was ist mit deinen Mätressen?« fragte sie nach einer Weile.

Er zog spöttisch die Brauen hoch. »Und was ist mit deinen Liebhabern?« Er ließ sich in einem Stuhl nieder und schlug die Beine übereinander. »Ich hoffe, meine Süße, daß wir beide so vernünftig sind, diskret vorzugehen. Wir haben den Klatschtanten schon genügend Stoff geliefert. Gönnen wir ihnen die Gelegenheit, einmal über etwas anderes zu tratschen.«

Sie sprachen miteinander wie zwei Geschäftspartner, die einen Plan aushecken. Noch vor einem Monat hätte er sie kurzerhand zum Bett getragen. Jetzt aber, wo sie sich darauf vorbereiteten, sich der Öffentlichkeit als Mann und Frau zu zeigen, lag zwischen ihnen eine Schranke, die keiner von ihnen überwinden konnte oder wollte.

Beide Zeitungen, sowohl die »Alta California« als auch die »Chronicle«, beschrieben die Hochzeit in allen Einzelheiten. Die Schlagzeile der »Chronicle« lautete: »Senator Brandons Tochter heiratet zum erstenmal nach kirchlichem Brauch.«

Die konservativere »Alta California« bezeichnete die Braut als die kürzlich verwitwete Fürstin Sahrkanow und erinnerte ihre Leser an den tragischen Unfall, der das Leben des Fürsten gefordert hatte. Aber beide Zeitungen stimmten darin überein, daß die Neuvermählten ein außergewöhnlich schönes Paar seien, und daß der Empfang, den der Brautvater gegeben hatte, sogar das glanzvolle Hochzeitsfest übertroffen hätte, mit der ein gewisser New Yorker Millionär die Hochzeit seiner Tochter mit einem englischen Peer gefeiert habe. Das Haus auf dem Rincon Hill erstrahlte im Lichterglanz, und dem Ball, der bis zum frühen Morgen dauerte, folgte als Überraschung ein Frühstück im Palace Hotel. Erst danach reisten die Neuvermählten in einer prachtvollen neuen Equipage ab, die eigens aus England bestellt worden war und von zwei gleichfarbigen Vollblutpferden gezogen wurde.

Ginny war von allzuviel Champagner und allzuviel Spannung so erschöpft, daß sie Kopfschmerzen hatte und während der Fahrt einschlief. Sie wachte erst auf, als der Wagen hielt und Steve sie eine gewundene Treppe hinauftrug.

Zuerst glaubte sie zu träumen. Wo war sie? Was war ihr widerfahren? Sie lag in einem Riesenbett mit geschnitztem Mahagoni-Kopfbrett und hatte ein hellgrünes Seidennachthemd an. Es mußte Abend sein; durch hohe Fenster sah sie den rötlichen Himmel. Im Kamin brannte ein Feuer, dessen Schein mit dem verblassenden Tageslicht kämpfte.

Dann kam die Erinnerung und damit ein unbehagliches, banges Gefühl.

Sie war wieder verheiratet – zum zweiten Mal mit Steve. Diese Hochzeit war noch unwirklicher gewesen als die erste: der Lichterglanz der Kerzen auf dem Altar, die lauten Stimmen des Chors, ihre eigene Stimme, die stammelnd die erforderlichen Antworten gab; Steves Stimme klang fester und gefühllos. So war auch sein leichter Kuß danach.

Beim Empfang hatte er ihr lächelnd zugeflüstert: »Ich weiß, wie gut du Theater spielen kannst, Ginny. Denk daran, daß wir so verliebt sein müssen, daß wir auf die Hochzeit nicht länger warten konnten.«

»Dabei fiel es dir schwer, dich von Concepción loszureißen. Das erinnert mich zu sehr an unsere erste Hochzeit.«

»Was für ein gutes Gedächtnis du hast, mein Herzchen. Du mußt mir einmal erzählen, wodurch sich diese Hochzeit von der mit dem russischen Fürsten unterscheidet.« Danach war er kaum mehr von ihrer Seite gewichen und hatte es verstanden, den treuergebenen, aufmerksamen Neuvermählten zu spielen.

Und doch … Ginny richtete sich auf und grübelte. Ja, sie war eingeschlafen sowie sie abgefahren waren, mit dem Kopf an seiner Schulter. Er hatte den Arm um sie gelegt …

Und dann? Er hatte sie eine Treppe hinaufgetragen … Leises Stimmengemurmel Eine Tür war ins Schloß gefallen. Wer hatte sie ausgezogen und ins Bettgelegt?

Plötzlich schoß ihr das Blut in den Kopf. Jetzt erinnerte sie sich an dieses Zimmer und an das Bett. Steve hatte sie schon einmal hierher gebracht und sie damals grob benutzt. Sie mußte sich gegen die Schwäche zur Wehr setzen, die sie fast übermannt hätte. Nur weil er diesmal zartfühlend gewesen war, durfte sie ihm nicht blind vertrauen. Er wußte, was er tat; augenblicklich paßte es ihm, sie zahm und zufrieden zu stimmen.

Ärgerlich, fast herrisch zog sie an dem samtenen Glockenstrang und streckte sich wieder aus. Welche Beweggründe Steve auch haben mochte, er hatte sie zu seiner Frau gemacht. Sie waren handelseinig geworden, und diesmal wollte sie sich nicht verletzen lassen. Nein, er sollte in ihr kein friedliches, gefügiges Frauchen finden! Um der Konvention willen hatte er auf der Hochzeit bestanden – vielleicht hatte ihr Vater etwas damit zu tun. Oh, sie wollte ihre Rolle ganz ausspielen und sehen, wie ihm das gefiel!

Auf einmal schauderte sie – sie fühlte sich durch die Vergangenheit wie in einer Falle gefangen. Gefangen durch die Heirat, durch die Leere zwischen ihm und ihr.

Diese Leere zwischen ihnen bewirkte, daß Ginny das Gefühl der Unwirklichkeit auch dann nicht abschütteln konnte, als sie von der Hochzeitsreise nach San Francisco zurückgekehrt waren. Konnte man einander so fremd bleiben, wenn man durch eine Eheschließung gebunden war? Gewiß, er sprach mit ihr über geschäftliche Dinge, lachte mit ihr, neckte sie sogar; aber Zurückhaltung und Verkrampftheit blieben. Ich langweile ihn schon, dachte Ginny, es war dumm von mir, zu erwarten … Was hatte sie eigentlich erwartet? Daß Steve sie doch bei sich behalten wollte, obwohl er selbst alle Vorbereitungen für ihre Europareise getroffen hatte? Er schläft mit mir, wenn es ihm paßt, aber nie sagt er mir, daß er mich liebt. Sie mußte oft an die kurze glückliche – längst vergangene Zeit in Mexico zurückdenken, die ihr jetzt wie ein Traum vorkam. Damals waren sie arm und obdachlos gewesen, doch er hatte sie geliebt Von Dauer war es nicht gewesen. Sie wollte nicht daran denken, wie er Iwan im Duell um sie getötet hatte. Das schien in einem Alptraum geschehen zu sein. Nicht aus Eifersucht hatte er es getan – Steve kannte längst keine Eifersucht mehr. Er hatte nur sein Eigentum zurückverlangt und nun, knapp ein Jahr nach ihrer Hochzeit, war er ihrer bereits überdrüssig, seit einer Woche hatte er ihr Schlafzimmer nicht mehr betreten. Aber sie schwor sich, ihn nicht merken zu lassen, wie sehr sie das quälte.

Sie hatte oft auf der Veranda an der Sonne gelegen, und ihre Haut nahm den goldenen Pfirsichglanz von früher wieder an.

Die schrägen grünen Augen hatten etwas Geheimnisvolles, während sie mit ihrem Weinglas spielte. Unvermittelt hob sie es an den Mund und trank es aus.

»Hast du im stillen auf etwas getrunken?« fragte Steve. »Auf Rußland? Oder auf Frankreich und alte Erinnerungen?«

»Warum sollte ich auf alte Erinnerungen trinken?« erwiderte sie. »Die Vergangenheit ist tot Ich trinke lieber auf die Zukunft.«

»Das hättest du mir sagen sollen«, bemerkte er trocken. »Dann hätte ich mitgemacht«

Einen gefährlichen Augenblick lang trieb es ihn, den Tisch zwischen ihnen beiseite zu stoßen, sie in seine Arme zu reißen und sie zu dem Eingeständnis zu zwingen … Was um Himmels willen sollte sie ihm gestehen? Daß sie eine Frau geworden war, die jedem Mann zu Willen war, wenn er sie hart genug bedrängte? Er konnte nicht vergessen, daß alles seine eigene Schuld war. Zu selbstsüchtig, an ihre Zukunft zu denken, hatte er sie den Wölfen vorgeworfen, in mancherlei Hinsicht. Hätte er sich nicht von seinem teuflischen Stolz und seiner Eifersucht blenden lassen, so hätte sie sich Carl Hoskins niemals hingegeben, auch Iwan Sahrkanow nicht Ebensowenig dem Opium, das sie vergessen ließ. Jetzt schob sie ihm die Schuld daran zu, und wenn er seine Vernunft sprechen ließ, konnte er sie verstehen.

Als sie in ihrem Verlangen nach Opium schier wahnsinnig gewesen war und ihm ihren Haß und ihr Mißtrauen entgegenschrie, hatte er sich gelobt, Geduld mit ihr zu haben. Er wollte sie zurückgewinnen, freiwillig, ohne Druck und Zwang.

Aber das war fehlgeschlagen.

Sie war wundervoll im Bett, aber nicht mehr dieselbe Frau, die sich ihm einst dargeboten und geschworen hatte, sie liebe ihn. Auch nicht mehr das halbzahme Geschöpf, das ein Messer benutzt hatte, um für ihn zu kämpfen.

Es war sicher gut, daß sie sich bald trennen würden. Sie brauchten beide eine Zeit des Alleinseins, um sich selbst zu finden.

Die Zeit … Plötzlich schien sie allzu schnell zu vergehen, ähnlich wie die Landschaft vor den Fenstern der neuen Eisenbahn, die zwei Küsten eines großen Erdteils miteinander verband, flog sie vorbei.

Sie besaßen beide Aktien der Central and Union Pacific-Eisenbahngesellschaft, und so reisten sie so angenehm im Luxuswagen quer durch Nordamerika, als ob sie zu einem Ferienaufenthalt unterwegs wären. Steve hatte Ginny kürzlich einige seiner Aktien geschenkt, und während sie Tag und Nacht durch die fortwährend wechselnde Landschaft fuhren, hatte Ginny das Gefühl, Steves Partnerin zu sein.

Doch nach der Ankunft in New York mußte sie, sofern sie nicht mit ihrem Vater und Sonja zusammen war, die meiste Zeit allein in der luxuriösen Droschke verbringen, die er ihr zur Verfügung gestellt hatte. Auch in der Eisenbahn war sie viel allein, denn Steve entdeckte im Zug Bekannte, mit denen er Poker spielte. Einmal, kurz vor der Ankunft in New York, hätte sie schwören können, daß er nach einem billigen Parfüm roch, als er ihr – ein wenig beschwipst – einen förmlichen Gutenachtkuß gab.

Ginny war noch wach, als er den schweren Samtvorhang beiseite zog, aber sie stellte sich schlafend, lag starr mit geschlossenen Augen da.

»Spielst du die sattsam bekannte gekränkte Ehefrau, Ginny? Das paßt nicht zu dir. Ich bin übrigens viel zu müde für Spielereien. Also – gute Nacht.« Seine warmen Lippen glitten von ihrer Schläfe zum Ohrläppchen. Es war teuflisch, welche Macht er hatte, sie körperlich zu erregen! Sie hätte ihn gern in ihrem breiten, bequemen Bett neben sich gehabt, wenn auch nur, um den Rest der Nacht mit ihm zu streiten. Aber er ging.

Sie hatten getrennte Abteile und wenn sie im Bett zusammenkamen, schien es sich immer nur zu ergeben, weil Steve keine andere Frau zur Verfügung hatte.

So war es auch in New York. Er kam in ihr Zimmer, wenn sie zufällig miteinander ausgegangen waren, und sagte, ohne sie anzusehen: »Ich will dich haben, Ginny.« Sobald er sich befriedigt hatte, verließ er sie.

Vielleicht war es ihre eigene Schuld. Sie hatte von Anfang an darauf bestanden, ihr eigenes Leben führen zu dürfen, und gesagt: »Unsere Vereinbarung muß für beide Teile gelten. Ich sehe nicht ein, warum du alle Vorteile genießen sollst Ich will mich auch vergnügen.«

Merkwürdigerweise vergnügte sie sich nicht, aber sie wäre lieber gestorben, als es zuzugeben. Wie immer, wenn sie niedergeschlagen war, strahlte sie nach außen hin, und sie eroberte die New Yorker Gesellschaft im Sturm.

Die Gerüchte über das junge Ehepaar waren von San Francisco bis nach New York durchgesickert, aber niemand wußte, was daran wahr sein mochte, nicht einmal die Journalisten, die die Klatschspalten der Zeitungen füllten und sich nicht zu fein waren, Hausangestellte zu bestechen, um Informationen zu erlangen.

Der schöne, gefährlich aussehende Steve Morgan mit dem Säbelschmiß über der Stirn (»Er soll mehrere Duelle ausgefochten haben, hier und in Europa, und es heißt, er hätte mit seiner Frau ein Verhältnis gehabt, bevor ihr erster Mann starb …«) hielt sich mit seinem Schwiegervater geschäftehalber in New York auf. Seine hübsche junge Frau sollte bald mit ihrer Stiefmutter nach Europa reisen. In der Öffentlichkeit machten sie den Eindruck eines glücklichen und harmonischen Paares. Privatim … aber wer konnte wissen, was sich in der Privatsphäre ihrer Hotelsuite abspielte?

Ginny sah ihren Mann nur bei gesellschaftlichen Anlässen. Tagsüber machte sie Besuche oder ging mit Sonia einkaufen. Wenn sie nicht vor anderen Leuten den Schein wahrten, benahm sich Steve so, als ob sie ihn schon verlassen hätte. Sein Verlangen nach ihrem Körper wurde immer schwächer, bis es ganz aufzuhören schien. Beim Frühstück war sie allein. Ginny hatte wieder ihre alte Zofe Delia, aber der Stolz hielt sie zurück, das Mädchen zu fragen, ob es wisse, wo sich Steve befinde. Wahrscheinlich hatte auch Delia Wind von all den alten Geschichten bekommen, und zudem schien sie sich vor Steve zu fürchten. Sie hatte gelernt, ein verschlossenes Gesicht zu machen.

Nicht einmal Sonja konnte sich Ginny anvertrauen und ihr ihre wahren Gefühle offenbaren. Sie war überzeugt, daß Steve ihre Trennung herbeiwünschte. Sie mußte nicht bei Trost gewesen sein, sich vorzustellen und zu hoffen, daß er plötzlich andern Sinnes werden und sie bitten würde, bei ihm zu bleiben.

Am Vorabend ihrer Abreise nach Paris wurde ihnen zu Ehren ein großes Abschiedsfest veranstaltet. Es fand im Ballsaal ihres Hotels statt, und über fünfhundert Geladene nahmen daran teil, von denen Ginny nur wenige kannte. Ihre Nerven waren bis zum äußersten gespannt, aber sie verbarg ihren Gemütszustand hinter Ausgelassenheit und flirtete mit all ihren Tanzpartnern. Die vorige Nacht hatten sie auf einem Privatball durchtanzt und waren erst nach dem Frühstück ins Hotel zurückgekehrt. Danach hatte sie Steve nicht mehr gesehen, bis er unerwartet in ihr Zimmer gekommen war, als sie gerade ihre Schmuckschatulle durchkramte, um zu sehen, welcher Schmuck am besten zu ihrem bronzefarbenen geflammten Seidenkleid paßte.