Fünf Jahre Zeugenschutzprogramm, fünf Jahre Einöde und Dauerüberwachung. Michael Forsythe braucht dringend Abwechslung. Doch was ein entspannter Strandurlaub werden sollte, endet schließlich im Knast. Dort wird er vor die Wahl gestellt: mexikanische Gefängnishölle oder Undercover-Agent in einer Splittergruppe der IRA. Die Entscheidung fällt Michael nicht schwer. Er schafft es, zum inneren Kreis der Gruppe vorzudringen. Doch der Einsatz entwickelt sich zu einem Alptraum. Schon bald hat er keine Verbündeten mehr, und ihm wird klar, dass er wieder vor einer Wahl steht: töten oder getötet werden!

Adrian McKinty, geboren 1968, wuchs in Carrickfergus in der Nähe von Belfast auf. An der Oxford University studierte er Philosophie, dann übersiedelte er nach New York. Sechs Jahre lebte und arbeitete er in Harlem, u. a. als Wachmann, Vertreter, Rugbytrainer, Buchhändler und Postbote. 2001 zog er nach Denver, seit 2008 wohnt er mit seiner Familie in Melbourne. Bisher ist von ihm im suhrkamp taschenbuch erschienen: Der sichere Tod (st 4159).

Kirsten Riesselmann arbeitet als Pop- und Kulturjournalistin und Übersetzerin in Berlin. Sie hat u. a. Kathryn Miller Haines, Elmore Leonard und DBC Pierre ins Deutsche übertragen. Ihre Artikel erscheinen u. a. in taz, Spex und Der Tagesspiegel.

Zuletzt sind im suhrkamp taschenbuch erschienen: Die verlorenen Schwestern (st 4595), Die Sirenen von Belfast (st 4612), Der katholische Bulle (st 4523), Ein letzter Job (st 4430), Todestag (st 4277) und Der sichere Tod (st 4159).

ADRIAN McKINTY

DER SCHNELLE TOD

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von
Kirsten Riesselmann

Suhrkamp

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel

The Dead Yard

bei Scribner, einem Imprint von Simon & Schuster, Inc.

Copyright © 2006 by A. G. McKinty

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Deutsche Erstausgabe

© der deutschsprachigen Ausgabe

Suhrkamp Verlag Berlin 2011

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Umschlag: HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich

Umschlagfoto: © plainpicture / Arcangel

eISBN 978-3-518-74700-1

www.suhrkamp.de

Schon fing meine teure Feindin an sich zu beruhigen über mein Liebesverlangen … Doch der Tod war neidisch auf mein Glück oder die Hoffnung darauf. Er trat auf halbem Wege mir entgegen als ein Feind in Waffen.

Francesco Petrarca, Sonett 315

1: RANDALE AUF TENERIFFA

Der Morgen dämmerte über der türkisblauen Küste von Afrika, als ich, gefällt wie eine vom Sturm entwurzelte Palme, im gebrochenen Licht einer Straßenlaterne aufwachte. Hinter mir der träge Ozean, um mich herum ein Meer aus Glasscherben, umgestürzten Wartehäuschen, ausgebrannten Autos und geplünderten Geschäften.

Durch die Straßen von Playa de las Américas flossen Ströme von Bier, dreckigem Abwasser und Blut. Über dem Strand hing Rauch, es roch nach brennenden Reifen und Heizöl, nach Verwüstung und Verfall. Die lärmenden Vögel, die Geräusche von Dieselmotoren, klagenden Sirenen und einem Hubschrauber, Lautsprecherdurchsagen auf Spanisch – all das war mehr als nur ein kleiner Hinweis auf die Auflösung des störungsanfälligen Gesellschaftsvertrags.

Ich setzte mich auf und versuchte, mich an das Licht und die zunehmende Hitze zu gewöhnen, als der Junge mich hastig in Deckung zog. Die Ausschreitungen flammten wieder auf.

Wegen eines »Freundschaftsspiels« zwischen den Shamrock Rovers aus Dublin und dem Londoner FC Millwall waren fünfhundert englische Fußballhooligans und dreihundertfünfzig irische Fans gleichzeitig auf der Insel.

Und jetzt eben Krawalle.

Ich würde nicht sagen, dass ich damit gerechnet hatte, aber wahnsinnig überrascht war ich auch nicht gerade.

Manche Menschen huschen durch ihr Leben wie eine Maus durchs Kornfeld. Als rechtschaffene Bürger bezahlen sie ihre Steuern, leisten ihren Beitrag zur Gesellschaft, bekommen Kinder und werden durch die Kinder zu verantwortungsbewussten Erwachsenen. Sie schlagen keine Wellen, machen keinen Ärger und hinterlassen keine Spuren. Sie gehen dem Chaos genauso aus dem Weg wie das Chaos ihnen. Wenn sie sterben, reden die Leute gut über sie, seufzen, zucken mit den Schultern und vergießen ein paar Tränen.

Vielleicht sind sogar die meisten Menschen so.

Ich nicht.

Ich würde sogar im Kornfeld auffallen. Ich würde auffallen, weil ich entweder das Kornfeld in Brand gesetzt hätte oder der Bauer mit dem Gewehr im Anschlag hinter mir her wäre.

In der Bibel steht, dass der Mensch zum Unglück geboren ist, wie Feuerfunken, die hochfliegen. Also, mich verfolgte das Unglück wie ein Haifisch ein Sklavenschiff. Sogar, wenn ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, blieb es an mir dran und kreiselte wie ein Strudel um mich herum.

Sogar, wenn ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen … Nach Spanien zum Beispiel. Nach Teneriffa, um genau zu sein. Von Chicago aus ein höllenlanger Flug, aber das FBI hatte mich partout nicht in Richtung Florida oder Karibik fahren lassen wollen. Immerhin hatte Seamus Duffy, der Chef der irischen Mafia in New York, über fünf Jahre lang einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt, weil ich seinen Vize Darkey White umgebracht und gegen Darkeys Organisation ausgesagt hatte.

Vor diesem Hintergrund kann man bei der Wahl seines Urlaubsorts gar nicht vorsichtig genug sein. Deswegen musste ich, um mal ein bisschen auszuspannen, von Chicago nach New York und dann weitere sieben Stunden nach Teneriffa fliegen – nur damit dann natürlich genau das hier passierte.

»Alles in Ordnung, Brian?«, fragte der junge Engländer. Er war bleich, hatte einen Sonnenbrand und trug eine weiße Jeans zu seinem Millwall-Trikot.

Ich starrte ihn an. Seitdem ich im Januar nach Chicago gezogen war, hieß ich Brian O’Nolan. Es fühlte sich immer noch nicht richtig an.

»Alles okay«, sagte ich. »Bin anscheinend eingeschlafen. Was zum Teufel ist denn los?«

»Es gibt wieder Randale. Die irischen Schweinehunde sind irgendwie alle an so Kugellager rangekommen.«

Ich bedachte ihn mit einem Blick.

Meinem Spezialblick.

»Oh, das mit den irischen Schweinehunden, ähm, das hab ich nicht so gemeint, übrigens«, stammelte er.

Dazu sagte ich nichts. Ich fühlte mich mittlerweile sowieso fast mehr als Amerikaner. Ich duckte mich, als Steine und Kugellager in die Schaufenster flogen. Von der englischen Seite kamen schwarze Lavabrocken und Molotowcocktails zurück.

Die Londoner waren betrunken, und die Dubliner hatten ihre T-Shirts ausgezogen und sahen aus wie Gespenster, die nervös hinter den Barrikaden herumhuschten.

Die Randale erreichte die nächste Stufe. Eine Schaufensterscheibe gab nach, als ein großer Gesteinsbrocken hineinkrachte, ein Dach stürzte ein, ein Auto ging in Flammen auf. Ein dicker englischer Schlägertyp schob eine Mülltonne voll mit Benzin vor sich her. Als sie halb den Hügel hinuntergerollt war, zündete er eine zusammengeknüllte Zeitung an und warf sie der fahrenden Tonne hinterher. Sie explodierte, und er fing Feuer. Er wälzte sich auf dem Boden, wo ihn die Bullen aufgriffen und zu einem Polizeiauto schleiften.

Himmel.

Die Farben flossen ineinander: grüne Bananenschalen, der tintenschwarze Rauch, purpurrotes Blut und das Blau des Atlantiks, der im Westen mit dem jodfarbenen Himmel verschmolz. Auf den Dünen fragten sich erstaunte Surfer, ob wohl die ganze Stadt brennen würde – wozu es erst später tatsächlich kam, als das Hotel in Flammen aufging und sich die Surfer und andere nicht an den Kampfhandlungen Beteiligte schon längst aus dem Staub gemacht hatten.

In der Abenddämmerung schaffte es die spanische Polizei schließlich, beide Fronten mit Wasserwerfern auseinanderzuhalten. Die Iren fingen an, ein uraltes Stadionlied zu singen: »Francisco Franco ist ein Manko«, was die englische Fraktion mit »Was ist bloß mit der Armada passiert?« überbot. Singen verband nun beide Seiten, jedem Lied folgte sofort ein Echo, und als die Nacht hereinbrach, hatten alle Tränen in den Augen und wurden von Schuldgefühlen geplagt. Plötzlich herrschte Waffenruhe, und die spontan erwählten Anführer kamen unter einer weißen Fahne auf einem der Hauptplätze zusammen.

Die Schatten wurden länger, es wurde angestoßen. Dann wurde verhandelt. Man kam darin überein, dass es hier – über zweitausend Kilometer von den britischen Inseln entfernt – trotz aller Unterschiede zwischen irischen und englischen Fußballfans nicht um Terrorismus, die große Hungersnot, die Bombe von Enniskillen oder den Bloody Sunday zu gehen habe. Immerhin hatten wir August 1997, es gab einen neuen britischen Premierminister und Gerüchte um einen neuen Waffenstillstand der IRA, was sich sogar unter Fußballhooligans bemerkbar machte. Aye, auf all das bekam man hier draußen eine ganz neue Perspektive. Hier unter dem schwarzen Himmel von Teneriffa, von wo Kolumbus aufgebrochen war, um die halbe Welt zu versklaven, wo Darwin auf die Beagle gegangen war, wo Nelson seinen Arm verloren hatte und wo man immer noch denselben dunklen Kanarenwein kelterte, den schon Falstaff und Sir Tobias Rülps getrunken hatten. So weit weg vom düsteren Albion konnte man sich gut mit dem Bild einer neuen Erde anfreunden, einer Welt voller Sonnenschein, billigem Essen und schwedischen Mädchen, in der nur Idioten einem Bruder Böses wollen konnten. Die betrunkenen Anführer beschlossen, dass auf ewig Frieden herrschen sollte zwischen Nachbarvölkern und dass die Randale zwischen Briten und Iren vorbei war; von nun an würde man sich auf die wahren Feinde konzentrieren: auf deutsche Touristen und die spanische Polizei.

Das war der Beginn der zweiten Phase.

Mit der wollte ich allerdings nichts mehr zu tun haben, vor allem nicht, als ich am Fuß der Klippen große Nato-Kampfhubschrauber landen sah, aus denen Hunderte Militärpolizisten aus Madrid quollen – harte Hunde mit Maschinenpistolen, Tränengas und Gummiknüppeln, die normalerweise gegen ETA-Kämpfer zum Einsatz gebracht werden. Im Schutz der Dunkelheit stahlen wir uns weg von den betrunkenen Aufständischen, ich und der Junge, eine Dumpfbacke namens Goosey. Wir gingen vorbei an verlassenen Ferienvillen, halbfertigen Vorort-Hotels und kleinen Pensionen mit rosa Markisen, wo sich britische Auswanderer im Dunkeln versteckten, Rentner, die nach Teneriffa gezogen waren, um dem schlechten Wetter und (ironischerweise) der überhandnehmenden Prollkultur in England zu entfliehen.

Wie sich herausstellte, war Goosey ein Schwachkopf, der einem Ostlondoner Drecksloch entstammte und mit mir gern ein paar Überfälle auf die Pensionen gemacht hätte – so à la Uhrwerk Orange: einfach ein paar Dinge mitgehen lassen, Leute verletzen und ganz allgemein ein bisschen die Kacke zum Dampfen bringen. Ohne mich. Die haben vielleicht bewaffnete Wachen, sagte ich zu Goosey, und Goosey hielt das für vollkommen plausibel und nahm entmutigt Abstand von seiner Idee.

Stattdessen schlugen wir uns dann bergauf durch die Lavafelder, liefen durch Mangroven- und Palmhaine und waren schließlich gut dreihundert Meter über der Stadt. In einer Scheune legten wir uns auf Guano und trockenem Heu schlafen. Dieses Nickerchen war mit Abstand das Beste seit dem Beginn der Krawalle vor zwei Tagen, als drei Millwall-Fans einen Typen aus Dublin angegriffen hatten, woraufhin sie auf der Polizeiwache angeblich fast zu Tode geprügelt worden waren. Da war es dann wie ein Tropensturm losgebrochen, Geschäfte wurden geplündert und Autos in Brand gesetzt. Der Höhepunkt war die Erstürmung des örtlichen Gefängnisses, bei der zusammen mit den Millwall-Jungs gleich eine ganze Rotte Teilzeitganoven befreit wurde, wobei ein Bulle jemandem in die Schulter schoss.

Die Stadt lag jetzt tausendfünfhundert Meter unter uns und sechs Kilometer westlich. Die Militärpolizei machte keine Gefangenen, sie setzte Hunde, Peitschen, CS-Gas und Wasserwerfer ein, um die Randalierer wie Schafe einzukesseln. Überall brannte es, die Hubschrauber kamen heran und flogen wieder weg, und es war klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte.

Wir baten einen Hirten um agua, und er zeigte uns einen Bach, dem wir noch einmal dreihundert Meter weit den Hügel hinauf folgten, wo er zusammen mit einer Steinmauer die Gemarkungsgrenze einer Hazienda bildete. Wir sprangen über die Mauer und kamen etwa vierhundert Meter weit, bis ein Mann im Anzug auf einem dreirädrigen Motorrad auftauchte und uns fragte, was zum Teufel wir vorhätten. Und weil ich nicht Goosey das Reden überlassen wollte, erklärte ich ihm, dass wir unschuldige Jungs seien, die vor den Ausschreitungen unten in Playa de las Américas Reißaus genommen hätten. Der Mann schob seine Sonnenbrille hoch und redete in ein Walkie-Talkie. Dann brachte er uns zu der Hazienda, wo uns eine schöne Frau um die vierzig an einem Eichentisch unter einer Zimmerdecke aus Pinienstämmen Platz nehmen ließ und uns mit Wasser und Brandy bewirtete.

»Muchas gracias, bella señorita«, sagte ich, was die Frau zum Lachen brachte. Sie raunte dem Mann mit der Sonnenbrille etwas zu, woraufhin er wieder nach draußen verschwand. Dann sagte sie auf Englisch zu mir, dass sie verheiratet und keine Señorita mehr sei, ja noch nicht einmal mehr schön. Ich widersprach im Brustton der Überzeugung, was sie wieder zum Lachen brachte. Sie fragte mich, was genau am Strand passiert sei, und ich berichtete, ließ allerdings unseren Anteil am Verlauf der Ereignisse unerwähnt.

Sie gab uns etwas zu essen mit und erklärte uns den Weg nach Guia de Isora.

Am Nachmittag hatten wir unseren Proviant aufgegessen und uns in einer Gegend verirrt, die auf unheimliche Art der Landschaft ähnelte, in der immer die Marsroboter der NASA landen. Felsen, Steine und feine rote Erde. Es wurde unerträglich heiß. Goosey fing an, ein bisschen zu schwanken, um uns herum nichts als Wüste, schwarze Lava und die sengende Sonne. Wir setzten uns in den Schatten eines Felsens und beschlossen, uns erst in der Nacht wieder auf den Weg zu machen. Die Sonne ging unter, es wurde kalt, und über uns sahen wir, was Gott vollbracht hatte, während er sich noch auf die Erschaffung der Erde vorbereitete: eine Million Sterne. Eine Milliarde. Blaue und rote, manche durch den Dopplereffekt ultraviolett.

Ich dachte kurz, wir wären geliefert, aber dann vertrauten wir uns dem Schutz der Nacht an, deren Zauber uns sicher durch die Wildnis geleitete. Als die Sonne am Morgen über den sandigen Hügeln aufging, standen wir vor einem Zaun, der eine Bananenplantage umgab. Wir brachen ein, kletterten aus lauter Jux auf einen Baum und schlugen uns mit den noch grünen Früchten die Bäuche voll. Die Natur übte einen zivilisierenden Einfluss auf uns aus: Goosey gab seine Uhrwerk-Orange-Amoklauf-Pläne auf und plädierte jetzt dafür, auf ewig in der freien Wildbahn zu bleiben. Wir könnten Kanus bauen, Handel mit Afrika treiben und in Sachen Fleisch, Obst und Kleidung autark sein. Wir könnten als Gesetzlose leben, angeln gehen und unseren Fang über Holzkohlefeuern braten. Am Strand wohnen und uns in unseren Kanus weit über den Ozean träumen. Das Steuer dem Wellengang, der Strömung und den Sternen überlassen, genau wie die Polynesier. Seine Vision hörte sich mehr nach Robinson Crusoe als nach Herr der Fliegen an. Ich sagte, ich würde der Times einen Brief schreiben, in dem ich davon berichtete, wie ein paar Camping-Nächte in der Wildnis von Teneriffa aus Bierrüpeln Pazifisten Byron’scher Größe machten. Plutarch hatte von den »Inseln der Seligen« gesprochen, Darwin war über Teneriffa ganz in Verzückung geraten, und vor zweihundert Jahren hatten auch Alexander von Humboldt ähnliche Gedanken beschlichen: »Kein Ort der Welt scheint mir geeigneter, die Schwermuth zu bannen und einem schmerzlich ergriffenen Gemüthe den Frieden wieder zu geben, als Teneriffa.« Das war der wahre Grund, warum ich hier war. Fünf Jahre im Fegefeuer des Zeugenschutzprogramms. Bei der kleinsten Bewegung immer gleich das FBI und die Bundespolizei auf den Fersen. Ich brauchte dringend eine Auszeit. Ich musste mal raus aus Nordamerika. Außerdem war ich früher schon auf Teneriffa gewesen, es hatte mir gefallen, so heiter und entspannt, und Spanisch sprach ich auch.

Gut gelaufen. Ich hatte mich zwischen Spanien und einem völlig absurden Ort entscheiden müssen, so was wie Peru. Ich hatte eine Münze geworfen. Kopf.

Eine ganze Reihe von Leuten würde wegen dieser Münze noch ganz schön die Arschkarte ziehen.

Allen voran ich selbst.

Man kann nicht mehr Bananen essen, als man essen kann. Vor der Plantage hielten wir ein Auto an, in dem dummerweise drei verdeckte Ermittler saßen. Unser Akzent und unsere Fußball-Trikots waren eine Spur zu verräterisch, und bevor ich noch sagen konnte: »Ich möchte den britischen Botschafter sprechen«, hatte man uns schon getrennt und in einen Zellentrakt in einem unterirdischen Bunker nahe des Flughafens verfrachtet.

Die Randale in Playa de las Américas war vorbei, die Krawallmacher saßen auf Grundlage der spanischen Antiterrorgesetze in Arrest. Ein Wärter sagte gutgelaunt zu mir, dass wir alle zehn Jahre kriegen würden.

Die Zelle lag tief unter der Erde, eine gelbe Glühbirne unter der Decke spendete ein bisschen Licht. Es war kalt und feucht. Ob es Tag oder Nacht war, ließ sich unmöglich feststellen. Aber ich hatte schon in übleren Lagen gesteckt. Sehr viel übleren. Drei Mal täglich gab es Essen, die Toilettenspülung funktionierte, und mit der Fauna-Situation ließ sich umgehen.

Ich saß auf meinem Feldbett und las gerade zum dritten Mal Männer sind die halbe Miete, als die Zellentür aufging.

Ich stand auf.

Ein Mann und eine Frau. Der Mann war groß und brachte einen Stuhl und eine Flasche Wasser. Er trug ein Leinensakko, ein weißes Hemd und eine Krawatte des Harrow-College. Es war in der Dunkelheit nicht einfach zu bestimmen, aber er sah nach fünfunddreißig, vierzig aus, strenges Gesicht, graublonde Haare. Er hielt sich wie ein hochrangiger Offizier: Wirbelsäule durchgedrückt, Schultern zurück, Bauch eingezogen. Er klappte den Stuhl auf und setzte sich. Unter seiner Achsel lugte ein Revolver hervor. Interessant. Die Frau hatte ebenfalls einen Stuhl dabei. Sie war eine Enddreißigerin, trug ein leichtes Sommerkleid zu Sandalen und hatte die roten Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Trotz ihrer Molligkeit war sie attraktiv – eher Rubens-rundlich als Motorradlesben-fett. Sie holte einen Notizblock heraus und setzte sich hinten in den Schatten. Er war der Chef, sie die Assistentin. Sie nahmen sofort ihre Rollen ein, was nicht sehr klug war, aber die Ausstrahlung der beiden gefiel mir so oder so nicht.

»Sie kommen aus England«, sagte ich zu dem Mann.

»Vollkommen richtig, alter Junge«, gab er mit vornehmer Privatschulenstimme zurück. Den Obere-Zehntausend-Akzent etwas abzumildern und sich mit der Alltagsaussprache des Englischen anzufreunden, war seine Sache nicht. Was mir eine Menge über ihn verriet: Er war arrogant und hochmütig und trug die Harrow-Krawatte nicht zum Scherz, sondern als Erinnerung an ein Geburtsrecht. Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit war er ein Wichser.

»Ich schätze, Sie kommen von der Botschaft«, sagte ich. »Sie müssen wissen: Ich bin vollkommen unschuldig. Ich war nicht beteiligt. Ich mache nur Urlaub. Den ersten scheiß Urlaub seit Jahren.«

»Ich bin mir sicher, es waren nur widrige Umstände. Aber die Spanier kümmert das nicht. Man wird Sie vor Gericht stellen, Sie werden schuldig gesprochen und schätzungsweise fünf bis zehn Jahre bekommen. Mr. Blair, der neue Premierminister, unterstützt voll und ganz den Vorsatz der spanischen Regierung, an den Fußballhooligans, die wieder einmal Englands guten Namen in den Schmutz gezogen haben, ein Exempel zu statuieren«, sagte er leichthin.

»Ich bin aber kein Engländer«, klärte ich ihn auf.

»Das spielt keine Rolle«, antwortete er schnell.

»Für mich aber schon.«

»Wie auch immer, in Ihrem Fall spielt es keine Rolle. Man wird Sie verurteilen«, sagte er.

»Hören Sie, Kollege, wenn Sie nur gekommen sind, um mir Vorträge zu halten, können Sie sich gleich wieder verpissen«, gab ich zurück, schob mein Hosenbein hoch und kratzte mich unter den Bändern, mit denen mein künstlicher Fuß an meiner Wade befestigt war. Den echten hatte ich vor fünf Jahren bei einer hübschen kleinen Operation im Dschungel von Mexiko eingebüßt. Der Eingriff hatte mir das Leben gerettet, und mittlerweile ging ich recht unbefangen mit meiner Behinderung um.

Der Mann lächelte, versuchte, eine Fluse von seinem Hemd zu entfernen, drehte sich zu seiner Sekretärin und räusperte sich.

»Brian, ich könnte mir vorstellen, dass Sie keinen großen Wert darauf legen, die nächsten zehn Jahre in einem grässlichen Gefängnis auf dem Festland zu verbringen«, sagte er leise.

»Natürlich nicht, verdammte Scheiße«, sagte ich, wobei ich versuchte, meine Überraschung mit Zorn zu kaschieren.

Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche.

»Rauchen Sie?«

Ich schüttelte den Kopf. Er zündete sich eine an, bot dann auch der Frau eine an, die ebenfalls ablehnte. Aber er hatte mich an der Angel. Die Situation war interessant, und ich musste mir eingestehen, neugierig zu sein. Die beiden Briten waren ohne Wärter gekommen. Sie machten weder einen nervösen noch einen genervten Eindruck. Und sie redeten kein Wichtigtuer-Zeug. Irgendwas war da im Busch. Wollte man mich freilassen? Vielleicht hatte Dan Connolly vom FBI von meiner Situation Wind bekommen und ein paar Hebel in Bewegung gesetzt.

»Sie leben seit längerem in Amerika?«, fragte der Mann.

»Wer sind Sie, verdammt noch mal?«

»Jeremy Barnes«, sagte er und blies den Rauch seiner Gauloises in meine Richtung.

»Ach, und ich bin Samantha Caudwell«, fügte die Frau hinzu, mit einem Akzent, der fast noch mehr nach Oberschicht klang als seiner. So ein herablassendes Oxford-Englisch, mit dem Olivia de Havilland in diesen Dreißiger-Jahre-Filmen Errol Flynn piesackt.

Der Zigarettenrauch zog zu mir herüber. Nur Pseudo-Intellektuelle und Poser rauchen Gauloises. Jeremy allerdings schien weder noch zu sein.

»Sie haben mal in Paris gelebt«, sagte ich und überraschte Jeremy mit diesem zufälligen Volltreffer. Es verschlug ihm fast die Sprache, aber er gewann die Fassung schnell zurück.

»Ja, in der Tat. Man sagte uns schon, dass Sie gut sind«, meinte er.

»Wer man?«

»Das FBI. Der U.S. Marshals Service. Wir haben Ihre Akte gelesen, Brian, oder sollte ich besser sagen: Michael. Wir wissen alles über Sie.«

»Aye?«, sagte ich und versuchte, ungerührt zu wirken.

»Ja. Soll ich Ihnen verraten, was wir wissen?«

»Vielleicht sollten Sie mir erstmal etwas über sich erzählen«, sagte ich.

»Nein, das denke ich nicht, mein lieber Freund. Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Jeremy und schlenzte einen Flachmann auf das Feldbett.

»Gern etwas Wasser.«

Jeremy warf mir die Wasserflasche zu.

»Gute Idee. Zuerst das Wasser, dann den Brandy«, sagte Jeremy.

»Okay.«

Ich trank den halben Liter Wasser leer, schraubte den Flachmann auf und nahm einen Schluck Brandy. Dann warf ich den Flachmann wieder zurück.

»Sie heißen nicht Brian O’Nolan. Ihr wirklicher Name lautet Michael Forsythe. Sie sind 1992 nach Amerika gegangen, um für Darkey White zu arbeiten. Aber letzten Endes haben Sie Darkey White umgebracht und seine gesamte Bande ausradiert. Sie wurden Kronzeuge, und die amerikanische Regierung hat Sie mit einer neuen Identität ausgestattet. Laut meinen Informationen haben Sie in letzter Zeit in Chicago gelebt«, sagte Jeremy in aller Seelenruhe.

Ich blieb still.

»Spanisch sprechen Sie fließend. Ausschließlich darin dürfte der Grund für Ihren Wunsch liegen, ausgerechnet auf den Kanarischen Inseln Urlaub machen zu wollen«, sagte Jeremy spöttisch.

»Ich frage Sie noch einmal: Wer zum Teufel sind Sie?«

»Mr. Forsythe, ich bin hier derjenige, der Sie aus dieser Zelle holen könnte, und zwar heute noch. Jetzt gleich sogar. Sie werden sich innerhalb der nächsten fünf Minuten entscheiden müssen. Sie können entweder mit mir gehen – oder hierbleiben. Dann haben Sie ein Verfahren am Hals, werden schuldig gesprochen und dürfen die nächsten Jahre im Hochsicherheitsgefängnis von Sevilla verbringen. Vielleicht werden Sie sich für das Gefängnis entscheiden wollen. Miguel de Cervantes hat im Columbaro Don Quixote begonnen. Ganz augenscheinlich ein inspirierender Ort also.«

»Für wen arbeiten Sie?«, hakte ich nach.

Jeremy zog ein letztes Mal an seiner Zigarette. Und zündete sich bedächtig gleich die nächste an.

»Was sehen Sie denn?«, fragte Samantha hinter Jeremys Rücken.

»Was ich sehe?«, wiederholte ich.

»Ja, erzählen Sie mal«, sagte Jeremy.

Ich seufzte. Lehnte mich zurück. Was für ein Spiel spielten die hier?

Ich musterte die beiden. Sie waren ruhig, selbstbewusst, eindeutig ernst zu nehmen. Das hier war ein Test.

»Okay, wenn Sie wollen, spiele ich mit. Auf Paris habe ich wegen Ihrer Kippen getippt – das war einfach«, sagte ich ein bisschen argwöhnisch zu Jeremy.

»Was noch?«, wollte er wissen.

»Sie sind aufs Harrow-College gegangen. Aber nicht mit einem Stipendium. Wahrscheinlich ist Ihr Vater schon dort gewesen und davor auch Ihr Großvater. Ihr Opa hat Ihnen bestimmt gern die Geschichte erzählt, wie Winston Churchill während seiner Schulzeit immer zum Nachhilfeunterricht musste.«

Jeremy lachte und musste wegen der Zigarette husten. Ich fuhr fort.

»Sie tragen ein Leinensakko, ein teures, aber darüber hinaus ist es für Sie auch eine Art Uniform. Sie haben gewusst, dass Sie nach Spanien fliegen müssen, um mich hier zu besuchen, haben sich aber noch die Zeit genommen, die Kleidung zu wechseln – die englischen Klamotten abzulegen und etwas Passenderes anzuziehen. Aber warum haben Sie sich nicht für kurze Hose und T-Shirt entschieden, oder für ein Polo-Shirt, oder ein Baumwollhemd und eine leichte Hose? Hmmm. Sie haben das Gefühl, ein Sakko tragen zu müssen, weil Sie im Dienst sind. Sie haben etwas von einem Offizier, aber Sie kommen in zivil. Vielleicht waren Sie mal bei der Armee, vielleicht auch bei der Luftwaffe, nach jemandem, der bei der Marine war, sehen Sie mir nicht aus … Also, warum sind Sie hier? Sie arbeiten für die Regierung. Sie und Ihre kleine Sekretärin hier sind den ganzen Weg nach Spanien geflogen. Sie sind nicht braun, noch nicht mal rot, Sie sind also vom Flughafen direkt hierher gekommen. Um mich zu treffen. Tja, warum? Es geht um einen Job. Sie sind hier, um mir einen Job anzubieten.«

Samantha flüsterte Jeremy etwas zu. Er nickte. Ich machte mit diesem Schwachsinn tatsächlich Eindruck auf sie.

»Für wen arbeite ich wohl?«, wollte Jeremy wissen.

»Keine Ahnung.«

»Denken Sie nach.«

»Warum sollte ich?«, gab ich bockig zurück.

»Gute Frage«, sagte Jeremy lächelnd.

»Also gut … Heiliger Strohsack, ich hab’s, Sie arbeiten für die Bullen.«

»Nein. Warum sollte die Polizei etwas von Ihnen wollen?«

Ich rückte nach vorne auf die Bettkante. Stimmt, für einen Polizisten war er viel zu sehr Patrizier. Er war ein Senkrechtstarter, er war vom …

»Britischen Drecksgeheimdienst«, sagte ich.

Jeremys Mund öffnete und schloss sich wieder. Samantha rückte ein wenig näher. Jeremy drehte sich um und sah sie an.

In diesem Moment wurde mir klar, dass man mich verarscht hatte. Samantha war die Ranghöhere. Jeremy war ihr Untergebener. Sie hatte uns beide beobachtet, wobei sie ihn als Schutzschild benutzte, um mich besser abschätzen zu können, um herauszufinden, ob ich der Richtige war für das, was sie von mir wollten.

Mir reichte es jetzt mit diesen Spielchen.

»Hey, Sammy, tu uns doch den Gefallen und schick den Jungen raus, damit wir endlich Klartext reden können«, sagte ich.

Jeremy schaute verdutzt aus der Wäsche. Samantha versuchte, nicht perplex zu wirken.

»Wir halten uns wohl für ganz besonders schlau, nicht wahr?«, sagte sie auf eine Art, wie man sie nur an den absoluten Eliteinternaten Englands beigebracht bekommt.

Ich sagte nichts dazu.

»Jeremy, Sie können gehen. Bitte warten Sie draußen auf mich«, ordnete sie an. Jeremy erhob sich, zwinkerte mir zu und klopfte an die Tür. Der Wärter öffnete und ließ ihn hinaus. Samantha zog auf Jeremys Stuhl um und nahm die Akte zur Hand, die er darauf liegen gelassen hatte.

Der britische Geheimdienst also. Interessant, interessant. Man konnte davon ausgehen, dass sie jemanden brauchten, der die Hintergründe der Unruhen in Belfast kannte. Wenn dieses Friedensabkommen, von dem alle redeten, tatsächlich zustande kommen sollte, würden sie sich darum kümmern müssen, dass die ganzen gelangweilten Paramilitärs in Ulster sich nicht auf organisiertes Verbrechen und Drogenhandel verlegten. Diesbezüglich könnte ich tatsächlich sehr hilfreich sein. Vielleicht suchten sie aber auch jemanden, der die Trainingsprogramme für die Undercover-Operationen auf Vordermann brachte. Auch diese Aufgabe würde ich wahrscheinlich meistern. Ich war bei der Armee gewesen und hatte schon einige Leute windelweich verhört. Wenn ich meine Karten jetzt richtig spielte, könnte sicher ein hübsches kleines Zubrot herausspringen. Das FBI kümmerte sich zwar um meine Sicherheit, allerdings nicht gerade um die finanzielle.

Samantha blätterte flüchtig den Ordner durch und tat so, als würde ihr manches zum allerersten Mal auffallen.

»Hören Sie, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ich muss dringend weiterlesen, ich will doch erfahren, ob Stella es hinkriegt, sich wieder selbst zu lieben«, sagte ich und hielt meinen Roman hoch.

Samantha lächelte und blätterte weiter durch meine Akte.

»Sie waren ein ziemlich ungezogener Junge, oder, Michael?«, sagte sie in einem derart herablassenden Tonfall, als sei sie eine viktorianische Missionarin und ich ein rückfällig gewordener Kannibalenhäuptling, den sie in einer Hütte voller Menschenschädel erwischt hatte.

»Kommt drauf an, was Sie mit ungezogen meinen.«

»Eine ganze Reihe unbewaffneter Menschen kaltblütig zu ermorden.«

»Wollen Sie mir jetzt meine ganze Lebensgeschichte erzählen oder lieber weitermachen?«, fragte ich gereizt.

»Jetzt seien Sie doch nicht gleich eingeschnappt. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen«, sagte sie.

»Genau, Sie sind hier, um mit mir zusammen aus diesem Loch hier auszubrechen«, grinste ich spöttisch.

»Richtig«, sagte sie und schlug die Beine übereinander, wobei ihr Rock ganz zufällig ein paar Zentimeter hochrutschte.

Wirklich keine schlecht aussehende chiquita – gesetzt den Fall, man mag solche Frauen, und ich, da bin ich ehrlich, mag sie genau so. Man konnte spüren, dass unter ihrer spröden, verklemmten, überkorrekten Alles-für-König-und-Vaterland-Schale … Der Rest dieses Satzes ist Klischee, aber ich würde wetten, dass ich nicht sehr weit danebenlag.

»Zunächst einmal denke ich, Michael, dass es sehr wichtig ist, ehrlich zu Ihnen zu sein. Sie sind eindeutig zu clever, um mir auf den Leim zu gehen, deswegen sage ich Ihnen schlicht, was Sache ist. Auch wenn es so aussieht, als hätten wir die Trümpfe in der Hand – im Grunde habe ich eine schlechte Verhandlungsposition. Wenn Zeit hierbei keine Rolle spielen würde, würden Sie uns dringender brauchen als wir Sie. Aber leider spielt Zeit eine Rolle«, sagte sie auf ihre umständliche Diplomatinnenart.

»Süße, wenn Zeit eine Rolle spielt, dann sollten Sie vielleicht lieber etwas weniger herumschwurbeln«, sagte ich, lehnte mich auf dem Feldbett zurück und bemerkte, dass man aus diesem Winkel bis zu ihrer Unterhose sehen konnte, einem weißen Baumwollschlüpfer, der vollgesogen war mit Schweiß.

»Entschuldigen Sie. Sie haben natürlich recht. Lassen Sie es mich Ihnen erklären, Michael. Jeremy und ich arbeiten für den MI6, den britischen Auslandsgeheimdienst, der – für den Fall, dass Sie das nicht wissen – das Pendant zur CIA ist und …«

»Ich weiß, was der MI6 ist«, unterbrach ich sie.

»Gut. Also, ich bin die Leiterin einer Abteilung innerhalb des MI6 namens SUU, die Special Ulster Unit. Der MI5 kümmert sich als Inlandsgeheimdienst um den irischen Terrorismus in Großbritannien, aber die SUU beschäftigt sich mit dem irischen Terrorismus in Europa und Amerika. Wir sind dem Innenminister direkt unterstellt. Wir dürfen den bürokratischen Apparat des MI6 weitgehend außer Acht lassen. Wir haben große Erfolge zu verzeichnen gehabt. Nun ja, zumindest einigen Erfolg …«

»Okay. An welcher Stelle soll ich jetzt ins Spiel kommen?«, fragte ich.

»Während der letzten sechs Monate ungefähr hat die Regierung Ihrer Majestät nicht allzu geheim mit der IRA über die Erneuerung eines Waffenstillstandsabkommens verhandelt. Die Wahl von Mr. Blair hat daran nicht viel geändert, außer dass jetzt alles etwas beschleunigt werden soll. Die Verhandlungen sind bislang ganz gut vorangekommen. Der IRA-Armeerat ist zunehmend davon überzeugt, einen richtigen Schritt zur richtigen Zeit zu tun. Auch die Clinton-Administration hat Hilfestellung geleistet. Alles geht gerade sehr schnell, und die IRA scheint kurz davor, die Wiederaufnahme des Waffenstillstands und die vollständige Einstellung der Feindseligkeiten zu verkünden.«

»Auch ich lese Zeitung«, sagte ich.

»Schon gut, stimmt, das ist nun wirklich nicht das bestgehütete Geheimnis der Welt. Aber wir hoffen inständig, dass es auch tatsächlich dazu kommt. Das Problem ist, dass der IRA-Armeerat befürchtet, eine Spaltung innerhalb der IRA herbeizuführen. IRA-Splittergruppen sind ja nichts Ungewöhnliches. Der Rat möchte deshalb die Elemente, die weiter an der harten Linie festhalten wollen, noch vor der Bekanntgabe des Waffenstillstands eliminieren. Wir glauben, dass diese Bekanntgabe Ende des Monats erfolgen soll, vielleicht sogar schon in den nächsten Tagen. In Nordirland sowie in der Republik werden die britische und die irische Regierung eine Säuberungsaktion innerhalb des extremistischen IRA-Flügels wissentlich ignorieren und stillschweigend dulden. In Amerika wird das nicht der Fall sein. Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass die IRA einige gut organisierte Zellen in den USA hat. Die meisten werden sich an die Entscheidung des Armeerats halten. Sie werden sich auflösen, ihre Waffen abgeben, sich zur Ruhe setzen. Aber wir wissen von einer, die das nicht tun wird. Deswegen möchte die IRA die extremistischen SDC auslöschen, die Söhne des Cuchulainn. Das FBI und die amerikanische Regierung aber wollen eine solche Säuberungsaktion nicht zulassen und dafür lieber den legalen Weg gehen: Beweisaufnahme und Strafverfolgung.«

»Cuchulainn, meine Liebe, spricht man Kuck-Kulann aus, nicht Kaschkulain«, sagte ich mit einem selbstgefälligen Grinsen. Samantha schenkte mir keine Beachtung und redete unermüdlich weiter.

»Es ist eine sehr kleine Gruppierung, eigentlich noch nicht mal eine richtige Zelle, aber dafür, wie wir glauben, außerordentlich gefährlich. Zudem finanziell potent. Weder wir noch das FBI haben Agenten bei den Söhnen des Cuchulainn. Keinen einzigen. Wir haben einen fürchterlichen Personalnotstand. Und aus Gründen, die ich Ihnen gleich darlegen werde, drängt die Zeit. Wir haben Agenten in der IRA, in der INLA und in der UVF. Aber wir brauchen dringend einen weiteren Agenten, jemanden, der in Amerika Mitglied der Söhne des Cuchulainn wird oder sie zumindest ausspioniert, jemanden, der Beweismaterial sammelt und bei der Strafverfolgung behilflich ist – gesetzt den Fall natürlich, dass sie wirklich in illegale Umtriebe verstrickt sind.«

»Ich habe eine unheilvolle Ahnung, worauf das hier hinausläuft. Dieser Jemand, dieses arme Schwein – lassen Sie mich raten, an wen Sie da gedacht haben.«

»Michael, Ihre Akte ist erst vorgestern auf meinem Schreibtisch gelandet. Jemand aus dem Außenministerium hat sie mir zukommen lassen. Aber ich muss sagen, ich war durchaus beeindruckt.«

Ich hörte nicht mehr richtig zu. Welches Finanzpaket sie mir auch immer schnüren würden – es wäre das Risiko nicht wert. Eine IRA-Zelle. Die hatten doch den Arsch offen. Samantha sprach weiter, während ich ihr unter den Rock starrte und mir Gedanken über ihre seltsam verführerische Stimme machte.

»Ja, Michael, die für Sie verantwortlichen Kontaktbeamten loben Sie in den höchsten Tönen, außerdem waren Sie bei der britischen Armee, was ebenfalls gut ist. Und auch wenn Sie bedauerlicherweise darum gebeten wurden, ähm, vorzeitig aus den Diensten Ihrer Majestät auszuscheiden, haben Sie doch einen Aufklärungskurs absolviert und sind für Spezialeinsätze ausgebildet worden.«

»Bei diesem Aufklärungskurs bin ich durchgerasselt, und die Spezialausbildung hat für mich im Knast geendet, weil ich einen Zivilisten attackiert habe«, gab ich fröhlich zurück.

Samantha ließ sich nicht schrecken.

»Das ist völlig unerheblich. Tatsache ist, dass Sie bei der Armee waren, was gut ist, und dass Sie außerdem ein kleiner Gangster in Belfast waren, was sogar noch besser ist. Und in Amerika haben Sie für die irische Mafia gearbeitet, was das Beste von allem ist. Sie könnten der ideale Kandidat sein, um die Söhne des Cuchulainn zu unterwandern. Dan Connolly vom FBI sagt, dass Sie einer der Besten sind, die er jemals hatte. Erfahren, erbarmungslos, dreist und überraschend diszipliniert.«

»Sie haben mit Dan gesprochen? Nett von ihm, mich derart zu verraten und zu verkaufen.«

»Nein, nein, Dan hat sich ausschließlich schmeichelhaft über Sie geäußert … Ich muss gestehen, Michael, ich befinde mich hier in einer etwas prekären Situation. Ich habe alles stehen und liegen lassen und bin nach Spanien geflogen, um mit Ihnen zu sprechen. Jetzt, nachdem ich Sie kennengelernt habe, bin ich der ehrlichen Überzeugung, dass Sie der Richtige für diesen Job sein könnten. Diese Zelle zu unterwandern, Informationen zu beschaffen und dabei behilflich zu sein, diese Leute wegzusperren, bevor sie alles ruinieren. Wenn denen in Amerika ein Bombenattentat gelingt, werden die protestantischen Terroristen darauf reagieren müssen, worauf die IRA wieder antworten muss – dann wären, Gott bewahre, der Waffenstillstand und all unsere harte Arbeit ganz schön im Eimer.«

»Ganz schön schade«, sagte ich geradezu aggressiv, so genervt, wie ich war.

»Natürlich würden wir in dem Fall, dass Sie das für uns erledigen, die spanische Regierung davon überzeugen, alle Anklagepunkte gegen Sie fallen zu lassen«, sagte Samantha mit einem zufriedenen kleinen Lächeln. Sie rutschte auf ihrem Stuhl zurück, schlug die Beine übereinander und nahm mir die Sicht in ihren Schritt.

Ich lächelte ebenfalls. Was glaubten die, mit wem sie es zu tun hatten? Bildeten sie sich ein, ich wäre ein gerade frisch ausgewanderter Idiot von einem Iren?

»Warum schleust denn das FBI niemanden in Ihre Gruppe ein? Ist doch deren Land«, bemerkte ich vorweg, bevor ich mich an den Hauptgang machte.

»Das FBI will diese Sache nicht mal mit der Kneifzange anfassen«, gab Samantha zur Antwort, und ihre Augen wurden schmal.

»Warum nicht?«

»Unser Plan sieht vor, so schnell wie möglich einen Agenten einzuschleusen. Noch bevor den Söhnen des Cuchulainn der erste Anschlag gelingt, was nach unserer festen Überzeugung in dem Augenblick passiert, in dem der Waffenstillstand verkündet wird. Anders gesagt: Wir müssen innerhalb der nächsten Wochen einen Agenten in ihren Reihen haben. Das FBI findet den Versuch, in dieser Situation derart hastig einen Agenten einzuschleusen, übereilt und viel zu gefährlich«, sagte Samantha ruhig.

»Anders gesagt: Das FBI glaubt, es könnte ein bisschen so was wie ein Himmelfahrtskommando werden«, sagte ich mit breiter werdendem Lächeln.

»Ähm, ja«, brummelte sie peinlich berührt.

»Und nur um das noch mal klar zu haben – mal abgesehen davon, dass diese Operation schon dämlich genug ist: Sie wollen, dass ausgerechnet ich – jemand, über den die irische Mafia in New York ein Todesurteil verhängt hat – eine IRA-Splittergruppe infiltriere«, sagte ich und lachte ihr ins Gesicht.

»Mr. Forsythe, ich glaube nicht ...«

»Lassen Sie bloß den Mr. Forsythe sein, Samantha. Danke, dass Sie an mich gedacht haben, danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, hierher zu fliegen, aber ich glaube, ich habe genug gehört. Machen Sie sich bloß wieder auf den Weg. Ich werde in aller Ruhe meine Strafe in Sevilla absitzen. Da war ich schon an sehr viel schlimmeren Orten. Nett, Sie kennengelernt zu haben«, sagte ich.

Ich lehnte mich auf dem Feldbett zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Schloss die Augen. Ließ sie ein bisschen schwitzen. Verschaffte mir Zeit zum Nachdenken.

»Vielleicht habe ich die Probleme überzeichnet. Wir wollen nichts weiter, als dass Sie Beweismaterial sammeln, das für eine Strafverfolgung taugt. Die Tatsache, dass Sie aus Belfast stammen, aber schon eine Zeit in Amerika sind, die Tatsache, dass Sie bei der britischen Armee waren, die Tatsache, dass das FBI Sie wärmstens empfohlen hat – das alles gereicht Ihnen doch nur zum Vorteil.«

»Meine liebe Samantha«, sagte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme, »ich glaube, Sie sind gründlich auf dem Holzweg. Ich habe Ihnen mit aller Engelsgeduld erklärt, dass ich von der irischen Community in Amerika gesucht werde. Seamus Duffy hat eine Million Dollar Kopfgeld auf mich ausgesetzt.«

»Ich bin darüber vollkommen im Bilde, Michael. Aber Sie sollten begreifen, dass die Söhne des Cuchulainn mit der Bostoner Irenmafia nichts zu tun haben. Die Mafia misstraut jedem, dessen Motive politisch sind und nicht profitorientiert. Für Fanatiker haben die einfach keine Zeit. Außerdem operiert die Bostoner Mafia in Konkurrenz zu der Organisation in New York, zwischen beiden bestehen nur sehr lose Verbindungen. Es liegen also mindestens zwei Trennungsebenen zwischen Ihnen und Ihren früheren Kollegen. Sie werden sich recht isoliert von Seamus Duffy und seinen Erfüllungsgehilfen in New York bewegen. Dan Connolly hat mir übrigens erzählt, dass Duffy gerade sowieso eher mit internen Problemen beschäftigt ist als mit der Begleichung offener Rechnungen. Michael, Sie sind Schnee von gestern. Es ist mittlerweile fünf Jahre her. Niemand erinnert sich mehr an Sie. Das heißt natürlich nicht, dass Sie kein Risiko eingehen. Beileibe nicht. Nein, da sollten wir von Anfang an ehrlich sein. Es ist sogar ganz außerordentlich riskant. Auch wenn niemand herausfindet, dass Ihr wahrer Name Michael Forsythe ist – man würde Sie auch so ohne mit der Wimper zu zucken umbringen, wenn man Ihnen auch nur die geringste Verbindung zur Regierung Ihrer Majestät nachweisen sollte.«

Sie hielt inne und fuhr sich durch ihr tolles rotbraunes Haar. An keinem Finger ein Ring. Nicht verheiratet und nicht verlobt.

»Haben Sie mir zugehört, Michael?«

»Habe ich. Sie sind Ihrer Sache nicht gerade förderlich. Im Grunde sagen Sie ja nichts anderes, als dass es verrückt wäre, diesen Job anzunehmen, weil man dabei nämlich auf Dutzende von Arten draufgehen kann«, sagte ich, legte mich rücklings aufs Feldbett und verschränkte die Arme über den Augen.

»Nun, ich will es nicht beschwören, aber ja, auch ich würde sagen, dass bei einer in gebotener Geschwindigkeit verlaufenden Operation wie dieser sogar ein Profi-Agent mit jahrelanger Erfahrung ein Gefährdungsrisiko tragen würde, das höher als durchschnittlich ist«, sagte Samantha.

Ich gähnte ihrer Freimütigkeit ins Gesicht und sagte dann: »Und Gefährdung heißt Tod.«

»Es tut mir unendlich leid, aber ich muss offen mit Ihnen sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nur fair ist, wenn Ihnen die Risiken bewusst sind. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass McCaghan Sie bis in den innersten Kreis lässt. Wir brauchen aber auch nur kleinste Informationshäppchen, irgendetwas, das uns einen potentiellen Bombenanschlag zu verhindern hilft. Normalerweise würde ich an diesem Punkt etwas Dramatisches tun – rausgehen, Ihnen ein, zwei Tage Bedenkzeit geben, Sie vielleicht von den Spaniern aufmischen lassen, Sie ein bisschen einschüchtern, aber wie schon gesagt: Wir stehen unter Zeitdruck. Mein Plan kann überhaupt nur funktionieren, wenn Sie morgen in Revere sind, ohne Wenn und Aber.«

»In Revere Beach bei Boston? Sie machen Scherze, Süße. Das ist eine Irenstadt, wenn ich nur in deren Nähe komme, werde ich umgebracht.«

Sie schüttelte den Kopf und lächelte mich strahlend an.

»Nein, werden Sie nicht. Wenn ich davon ausgehen müsste, würde ich Sie nicht hinschicken. In irisch-amerikanischen Republikanerkreisen gelten die Söhne des Cuchulainn als völlig inakzeptabel, und nach dem IRA-Anschlag morgen werden sie noch mehr an Akzeptanz einbüßen. Man wird sie für Parias halten.«

»Was für ein IRA-Anschlag?«

»Bitte machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihrer Probleme von früher, Michael. Wir färben Ihre Haare schwarz und geben Ihnen dunkelgrüne Kontaktlinsen, so was in der Art. Das ist zwar nicht exakt mein Aufgabenbereich, aber wir bekommen Sie schon so aufgepeppt, dass nicht mal Ihre Mutter Sie wiedererkennen würde.«

»Sicher.«

»Sie werden sich nur einen Tag in Boston aufhalten müssen. Danach fliegen wir Sie zu einer FBI-Außenstelle an einem sicheren Ort. Offiziell beginnt Ihr Einsatz dann in etwa eine Woche später. Der Einstieg ist immer der schwierigste Teil einer Operation. Glauben Sie mir, ich habe das schon dutzendfach gemacht. Und was morgen passieren wird, ist der perfekte Einstieg für Sie. Eine Gelegenheit, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Anstatt monatelangen Vortastens können wir Ihnen an einem einzigen Abend eimerweise Glaubwürdigkeit verschaffen. Ich würde sogar sagen, für den Fall, dass wir das morgen gestemmt bekommen, verringert sich das Gefährdungsrisiko beträchtlich.«

»Was genau soll ich in Revere machen?«

»Einem Mädchen das Leben retten«, sagte Samantha und hustete.

»Was?«

»Die IRA wird versuchen, ihren Vater umzubringen, und Sie werden sie retten«, sagte sie und blickte zu Boden.

»Das klingt für den Anfang schon mal verdammt riskant.«

»Nicht wirklich. Hören Sie, Michael, wir brauchen Sie. Wir hatten noch an jemand anderen gedacht, aber …« Sie sprach nicht weiter.

»Lassen Sie mich raten: Er hat abgelehnt«, sagte ich.

»Nun ja, das stimmt. Weswegen diese ganze spanische Ermittlung auch ein besonders glücklicher Zufall für uns ist. Sie müssen wissen, nicht jeder ist in dieser Hinsicht einer Meinung mit mir. Ich bin ein gewisses Wagnis eingegangen, als ich hierher gekommen bin, um Sie zu treffen. Es gibt einige in der Abteilung, die nichts davon halten, Außenstehende zu rekrutieren. Vor allen Dingen keine derart unberechenbaren Typen wie Sie.«

Jetzt hatte ich die Schnauze voll, und nachgedacht hatte ich auch genug.

»Ich weiß das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen, wirklich zu schätzen, Samantha, vielen Dank. Aber nein danke. Ich finde, ich war bis jetzt ziemlich höflich zu Ihnen, vielleicht können Sie mir jetzt den Gefallen tun und Ihrem Kumpel im Außenministerium stecken, dass ich immer noch keinen Anwalt zu Gesicht bekommen habe. Wenn es sich einrichten ließe, dass das so bald wie möglich passiert, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«

Sie sah enttäuscht aus.

»Einen Anwalt?«

»Aye. Ich will vor Gericht aussagen und diese Scheiße hier hinter mich bringen.«

Samantha runzelte die Stirn, löste ihren Pferdeschwanz und ließ das Haar über den Rücken fallen. Dann band sie die Haare wieder zusammen und sah mich mit einem Blick an, den man jetzt mit mehr als bedauernd beschreiben könnte.

»Ich habe Ihnen offenkundig die Gesamtsituation nicht wirklich transparent dargestellt, Michael. Sie sind in einer Zwickmühle. Die spanische Regierung wird alles daransetzen, dass Sie ins Gefängnis wandern. Dazu kommt, dass die Spanier Sie, sobald Sie Ihre Strafe abgesessen haben, an Mexiko ausliefern werden, wo Sie, soweit ich weiß, ein flüchtiger Straftäter sind.«

Das also war ihr Trumpf. Den sie sich bis jetzt aufgespart hatte.

Völlig entsetzt richtete ich mich auf.

In Mexiko war ich wegen Drogenschmuggels verhaftet worden, konnte aber noch vor Prozessbeginn aus dem Untersuchungsgefängnis fliehen. Womöglich würde ich zwanzig Jahre für die Drogen bekommen, plus werweißwieviel für den scheiß Gefängnisausbruch.

Sun Daily Mirror