Sämtliche Kinder - und Hausmärchen Voll Illustriert (Vollständige 7. Ausgabe letzter Hand mit 210 Sagen + 441 Federzeichnungen von Otto Ubbelohde)

Jacob Grimm, Wilhelm Grimm

Inhalt

An die Frau Bettina von Arnim
Vorrede
1. Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
2. Katze und Maus in Gesellschaft
3. Marienkind
4. Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
5. Der Wolf und die sieben jungen Geislein
6. Der treue Johannes
7. Der gute Handel
8. Der wunderliche Spielmann
9. Die zwölf Brüder
10. Das Lumpengesindel
11. Brüderchen und Schwesterchen
12. Rapunzel
13. Die drei Männlein im Walde
14. Die drei Spinnerinnen
15. Hänsel und Grethel
16. Die drei Schlangenblätter
17. Die weiße Schlange
18. Strohhalm, Kohle und Bohne
19. Von dem Fischer un syner Fru
20. Das tapfere Schneiderlein
21. Aschenbuttel
22. Das Räthsel
23. Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst
24. Frau Holle
25. Die sieben Raben
26. Rothkäppchen
27. Die Bremer Stadtmusikanten
28. Der singende Knochen
29. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
30. Läuschen und Flöhchen
31. Das Mädchen ohne Hände
32. Der gescheidte Hans
33. Die drei Sprachen
34. Die kluge Else
35. Der Schneider im Himmel
36. Tischchen deck dich, Goldesel, und Knüppel aus dem Sack
37. Daumesdick
38. Die Hochzeit der Frau Füchsin
39. Die Wichtelmänner
40. Der Räuberbräutigam
41. Herr Korbes
42. Der Herr Gevatter
43. Frau Trude
44. Der Gevatter Tod
45. Daumerlings Wanderschaft
46. Fitchers Vogel
47. Von dem Machandelboom
48. Der alte Sultan
49. Die sechs Schwäne
50. Dornröschen
51. Fundevogel
52. König Drosselbart
53. Sneewittchen
54. Der Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein
55. Rumpelstilzchen
56. Der Liebste Roland
57. Der goldene Vogel
58. Der Hund und der Sperling
59. Der Frieder und das Catherlieschen
60. Die zwei Brüder
61. Das Bürle
62. Die Bienenkönigin
63. Die drei Federn
64. Die goldene Gans
65. Allerleirauh
66. Häsichenbraut
67. Die zwölf Jäger
68. De Gaudeif un sien Meester
69. Jorinde und Joringel
70. Die drei Glückskinder
71. Sechse kommen durch die ganze Welt
72. Der Wolf und der Mensch
73. Der Wolf und der Fuchs
74. Der Fuchs und die Frau Gevatterin
75. Der Fuchs und die Katze
76. Die Nelke
77. Das kluge Grethel
78. Der alte Großvater und der Enkel
79. Die Wassernixe
80. Von dem Tode des Hühnchens
81. Bruder Lustig
82. De Spielhansl
83. Hans im Glück
84. Hans heirathet
85. Die Goldkinder
86. Der Fuchs und die Gänse
87. Der Arme und der Reiche
88. Das singende springende Löweneckerchen
89. Die Gänsemagd
90. Der junge Riese
91. Dat Erdmänneken
92. Der König vom goldenen Berg
93. Die Rabe
94. Die kluge Bauerntochter
95. Der alte Hildebrand
96. De drei Vügelkens
97. Das Wasser des Lebens
98. Doctor Allwissend
99. Der Geist im Glas
100. Des Teufels rußiger Bruder
101. Der Bärenhäuter
102. Der Zaunkönig und der Bär
103. Der süße Brei
104. Die klugen Leute
105. Märchen von der Unke
106. Der arme Müllerbursch und das Kätzchen
107. Die beiden Wanderer
108. Hans mein Igel
109. Das Todtenhemdchen
110. Der Jude im Dorn
111. Der gelernte Jäger
112. Der Dreschflegel vom Himmel
113. De beiden Künigeskinner
114. Vom klugen Schneiderlein
115. Die klare Sonne bringts an den Tag
116. Das blaue Licht
117. Das eigensinnige Kind
118. Die drei Feldscherer
119. Die sieben Schwaben
120. Die drei Handwerksburschen
121. Der Königssohn der sich vor nichts fürchtet
122. Der Krautesel
123. Die Alte im Wald
124. Die drei Brüder
125. Der Teufel und seine Großmutter
126. Ferenand getrü und Ferenand ungetrü
127. Der Eisenofen
128. Die faule Spinnerin
129. Die vier kunstreichen Brüder
130. Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein
131. Die schöne Katrinelje und Pif Paf Poltrie
132. Der Fuchs und das Pferd
133. Die zertanzten Schuhe
134. Die sechs Diener
135. Die weiße und die schwarze Braut
136. Der Eisenhans
137. De drei schwatten Princessinnen
138. Knoist un sine dre Sühne
139. Dat Mäken von Brakel
140. Das Hausgesinde
141. Das Lämmchen und Fischchen
142. Simeliberg
143. Up Reisen gohn
144. Das Eselein
145. Der undankbare Sohn
146. Die Rübe
147. Das junggeglühte Männlein
148. Des Herrn und des Teufels Gethier
149. Der Hahnenbalken
150. Die alte Bettelfrau
151. Die drei Faulen
151*. Die zwölf faulen Knechte
152. Das Hirtenbüblein
153. Die Sternthaler
154. Der gestohlene Heller
155. Die Brautschau
156. Die Schlickerlinge
157. Der Sperling und seine vier Kinder
158. Das Märchen vom Schlauraffenland.
159. Das Dietmarsische Lügenmärchen
160. Räthselmärchen
161. Schneeweißchen und Rosenroth
162. Der kluge Knecht
163. Der gläserne Sarg
164. Der faule Heinz
165. Der Vogel Greif
166. Der starke Hans
167. Das Bürle im Himmel
168. Die hagere Liese.
169. Das Waldhaus
170. Lieb und Leid theilen
171. Der Zaunkönig
172. Die Scholle
173. Rohrdommel und Wiedehopf
174. Die Eule
175. Der Mond
176. Die Lebenszeit
177. Die Boten des Todes
178. Meister Pfriem
179. Die Gänsehirtin am Brunnen
180. Die ungleichen Kinder Evas
181. Die Nixe im Teich
182. Die Geschenke des kleinen Volkes
183. Der Riese und der Schneider
184. Der Nagel
185. Der arme Junge im Grab
186. Die wahre Braut
187. Der Hase und der Igel
188. Spindel, Weberschiffchen und Nadel
189. Der Bauer und der Teufel
190. Die Brosamen auf dem Tisch
191. Das Meerhäschen
192. Der Meisterdieb
193. Der Trommler
194. Die Kornähre
195. Der Grabhügel
196. Oll Rinkrank
197. Die Krystallkugel
198. Jungfrau Maleen
199. Der Stiefel von Büffelleder
200. Der goldene Schlüssel
Kinderlegenden
1. Der heilige Joseph im Walde
2. Die zwölf Apostel
3. Die Rose
4. Armuth und Demuth führen zum Himmel
5. Gottes Speise
6. Die drei grünen Zweige
7. Muttergottesgläschen
8. Das alte Mütterchen
9. Die himmlische Hochzeit
10. Die Haselruthe

Sage vergeht nie ganz, die verbreitete, welche der Völker
redende Lippe umschwebt: denn sie ist unsterbliche Göttin. Hesiod 763.


An die Frau Bettina von Arnim

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Liebe Bettine, dieses Buch kehrt abermals bei Ihnen ein, wie eine ausgeflogene Taube die Heimat wieder sucht und sich da friedlich sonnt. Vor fünf und zwanzig Jahren hat es Ihnen Arnim zuerst, grün eingebunden mit goldenem Schnitt, unter die Weihnachtsgeschenke gelegt. Uns freute daß er es so werth hielt, und er konnte uns einen schönern Dank nicht sagen. Er war es, der uns, als er in jener Zeit einige Wochen bei uns in Cassel zubrachte, zur Herausgabe angetrieben hatte. Wie nahm er an allem Theil, was eigenthümliches Leben zeigte: auch das kleinste beachtete er, wie er ein grünes Blatt, eine Feldblume mit besonderem Geschick anzufassen und sinnvoll zu betrachten wußte. Von unsern Sammlungen gefielen ihm diese Märchen am besten. Er meinte wir sollten nicht zu lange damit zurückhalten, weil bei dem Streben nach Vollständigkeit die Sache am Ende liegen bliebe. „Es ist alles schon so reinlich und sauber geschrieben“ fügte er mit gutmüthiger Ironie hinzu, denn bei den kühnen, nicht sehr lesbaren Zügen seiner Hand schien er selbst nicht viel auf deutliche Schrift zu halten. Im Zimmer auf und abgehend las er die einzelnen Blätter, während ein zahmer Kanarienvogel, in zierlicher Bewegung mit den Flügeln sich im Gleichgewicht haltend, auf seinem Kopfe saß, in dessen vollen Locken es ihm sehr behaglich zu sein schien. Dies edle Haupt ruht nun schon seit Jahren im Grab, aber noch heute bewegt mich die Erinnerung daran, als hätte ich ihn erst gestern zum letztenmal gesehen, als stände er noch auf grüner Erde wie ein Baum, der seine Krone in der Morgensonne schüttelt.

Ihre Kinder sind groß geworden und bedürfen der Märchen nicht mehr: Sie selbst haben schwerlich Veranlassung sie wieder zu lesen, aber die unversiegbare Jugend Ihres Herzens nimmt doch das Geschenk treuer Freundschaft und Liebe gerne von uns an.

Mit diesen Worten sendete ich Ihnen das Buch vor drei Jahren aus Göttingen, heute sende ich es Ihnen wieder aus meinem Geburtslande, wie das erstemal. Ich konnte in Göttingen aus meinem Arbeitszimmer nur ein paar über die Dächer hinausragende Linden sehen, die Heyne hinter seinem Hause gepflanzt hatte, und die mit dem Ruhm der Universität aufgewachsen waren: ihre Blätter waren gelb und wollten abfallen, als ich am 3ten October 1838 meine Wohnung verließ; ich glaube nicht daß ich sie je wieder im Frühlingsschmuck erblicke. Ich mußte noch einige Wochen dort verweilen und brachte sie in dem Hause eines Freundes zu, im Umgange mit denen, welche mir lieb geworden und lieb geblieben waren. Als ich abreiste wurde mein Wagen von einem Zug aufgehalten: es war die Universität, die einer Leiche folgte. Ich langte in der Dunkelheit hier an und trat in dasselbe Haus, das ich vor acht Jahren in bitterer Kälte verlassen hatte: wie war ich überrascht als ich Sie, liebe Bettine, fand neben den Meinigen sitzend, Beistand und Hilfe meiner kranken Frau leistend. Seit jener verhängnisvollen Zeit, die unser ruhiges Leben zerstörte, haben Sie mit warmer Treue an unserm Geschick Theil genommen, und ich empfinde diese Theilnahme ebenso wohlthätig als die Wärme des blauen Himmels, der jetzt in mein Zimmer herein blickt, wo ich die Sonne wieder am Morgen aufsteigen und ihre Bahn über die Berge vollenden sehe, unter welchen der Fluß glänzend herzieht: die Düfte der Orangen und Linden dringen aus dem Park herauf, und ich fühle mich in Liebe und Haß jugendlich erfrischt. Kann ich eine bessere Zeit wünschen um mit diesen Märchen mich wieder zu beschäftigen? hatte ich doch auch im Jahre 1813 an dem zweiten Band geschrieben, als wir Geschwister von der Einquartierung bedrängt waren und russische Soldaten neben in dem Zimmer lärmten, aber damals war das Gefühl der Befreiung der Frühlingshauch, der die Brust erweiterte und jede Sorge aufzehrte.

Diesmal kann ich Ihnen, liebe Bettine, das Buch, das sonst aus der Ferne kam, selbst in die Hand geben. Sie haben uns ein Haus außerhalb der Mauern ausgesucht, wo am Rande des Waldes eine neue Stadt heranwächst, von den Bäumen geschützt, von grünendem Rasen, Rosenhügeln und Blumengewinden umgeben, von dem rasselnden Lärm noch nicht erreicht. Als ich in dem heißen Sommer des vorigen Jahres während der Morgenfrühe in dem Schatten der Eichen auf und ab wandelte, und die kühlende Luft allmälig den Druck löste, der von einer schweren Krankheit auf mir lastete, so empfand ich dankbar wie gut Sie auch darin für uns gesorgt hatten. Ich bringe Ihnen nicht eins von den prächtigen Gewächsen, die hier im Thiergarten gepflegt werden, auch keine Goldfische aus dem dunkeln Wasser, über dem das griechische Götterbild lächelnd steht: warum aber sollte ich Ihnen diese unschuldigen Blüthen, die immer wieder frisch aus der Erde dringen, nicht nochmals darreichen? Habe ich doch selbst gesehen daß Sie vor einer einfachen Blume still standen und mit der Lust der ersten Jugend in ihren Kelch schauten.

Berlin im Frühjahr 1843.

Wilhelm Grimm.



7.
Der gute Handel

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Ein Bauer, der hatte seine Kuh auf den Markt getrieben und für sieben Thaler verkauft. Auf dem Heimweg mußte er an einem Teich vorbei, und da hörte er schon von weitem wie die Frösche riefen „ak, ak, ak, ak.“ „Ja,“ sprach er für sich, „die schreien auch ins Haberfeld hinein: sieben sinds, die ich gelöst habe, keine acht.“ Als er zu dem Wasser heran kam, rief er ihnen zu „dummes Vieh, das ihr seid! wißt ihrs nicht besser? sieben Thaler sinds und keine acht.“ Die Frösche blieben aber bei ihrem „ak, ak, ak, ak.“ „Nun, wenn ihrs nicht glauben wollt, ich kanns euch vorzählen,“ holte das Geld aus der Tasche und zählte die sieben Thaler ab, immer vierundzwanzig Groschen auf einen. Die Frösche kehrten sich aber nicht an seine Rechnung und riefen abermals „ak, ak, ak, ak.“ „Ei,“ rief der Bauer ganz bös, „wollt ihrs besser wissen als ich, so zählt selber,“ und warf ihnen das Geld miteinander ins Wasser hinein. Er blieb stehen und wollte warten bis sie fertig wären und ihm das Seinige wieder brächten, aber die Frösche beharrten auf ihrem Sinn, schrien immerfort „ak, ak, ak, ak“, und warfen auch das Geld nicht wieder heraus. Er wartete noch eine gute Weile, bis der Abend anbrach, und er nach Haus mußte, da schimpfte er die Frösche aus und rief „ihr Wasserpatscher, ihr Dickköpfe, ihr Klotzaugen, ein groß Maul habt ihr und könnt schreien daß einem die Ohren weh thun, aber sieben Thaler könnt ihr nicht zählen: meint ihr, ich wollte da stehen bis ihr fertig wärt?“ Damit gieng er fort, aber die Frösche riefen noch „ak, ak, ak, ak“ hinter ihm her, daß er ganz verdrießlich heim kam. Über eine Zeit erhandelte er sich wieder eine Kuh, die schlachtete er, und machte die Rechnung, wenn er das Fleisch gut verkaufte, könnte er so viel lösen, als die beiden Kühe werth wären, und das Fell hätte er obendrein. Als er nun mit dem Fleisch zu der Stadt kam, war vor dem Thore ein ganzes Rudel Hunde zusammengelaufen, voran ein großer Windhund: der sprang um das Fleisch, schnupperte und bellte „was, was, was, was.“ Als er gar nicht aufhören wollte, sprach der Bauer zu ihm „ja, ich merke wohl, du sagst „was, was,“ weil du etwas von dem Fleisch verlangst, da sollt ich aber schön ankommen, wenn ich dirs geben wollte.“ Der Hund antwortete nichts als „was, was.“ „Willst dus auch nicht wegfressen und für deine Kameraden da gut stehen?“ „Was, was“ sprach der Hund. „Nun, wenn du dabei beharrst, so will ich dirs lassen, ich kenne dich wohl und weiß bei wem du dienst: aber das sage ich dir, in drei Tagen muß ich mein Geld haben, sonst geht dirs schlimm: du kannst mirs nur hinausbringen.“ Darauf lud er das Fleisch ab und kehrte wieder um: die Hunde machten sich darüber her und bellten laut „was, was.“ Der Bauer, der es von weitem hörte, sprach zu sich „horch, jetzt verlangen sie alle was, aber der große muß mir einstehen.“

Als drei Tage herum waren, dachte der Bauer „heute Abend hast du dein Geld in der Tasche“ und war ganz vergnügt. Aber es wollte niemand kommen und auszahlen. „Es ist kein Verlaß mehr auf jemand,“ sprach er, und endlich riß ihm die Geduld, daß er in die Stadt zu dem Fleischer gieng und sein Geld forderte. Der Fleischer meinte, es wäre ein Spaß, aber der Bauer sagte „Spaß beiseite, ich will mein Geld: hat der große Hund euch nicht die ganze geschlachtete Kuh vor drei Tagen heim gebracht?“ Da ward der Fleischer zornig, griff nach einem Besenstiel und jagte ihn hinaus. „Wart,“ sprach der Bauer, „es gibt noch Gerechtigkeit auf der Welt!“ und gieng in das königliche Schloß und bat sich Gehör aus. Er ward vor den König geführt, der da saß mit seiner Tochter und fragte was ihm für ein Leid wiederfahren wäre? „Ach,“ sagte er, „die Frösche und die Hunde haben mir das Meinige genommen, und der Metzger hat mich dafür mit dem Stock bezahlt,“ und erzählte weitläufig wie es zugegangen war. Darüber fieng die Königstochter laut an zu lachen, und der König sprach zu ihm „Recht kann ich dir hier nicht geben, aber dafür sollst du meine Tochter zur Frau haben: ihr Lebtag hat sie noch nicht gelacht, als eben über dich, und ich habe sie dem versprochen, der sie zum Lachen brächte. Du kannst Gott für dein Glück danken.“ „O,“ antwortete der Bauer, „ich will sie gar nicht: ich habe daheim nur eine einzige Frau, und die ist mir schon zuviel: wenn ich nach Haus komme, so ist mir nicht anders als ob in jedem Winkel eine stände.“ Da ward der König zornig und sagte „du bist ein Grobian.“ „Ach, Herr König,“ antwortete der Bauer, „was könnt Ihr von einem Ochsen anders erwarten, als Rindfleisch!“ „Warte,“ erwiederte der König, „du sollst einen andern Lohn haben. Jetzt pack dich fort, aber in drei Tagen komm wieder, so sollen dir fünfhundert vollgezählt werden.“




Wie der Bauer hinaus vor die Tür kam, sprach die Schildwache „du hast die Königstochter zum Lachen gebracht, da wirst du was rechtes bekommen haben.“ „Ja, das mein ich,“ antwortete der Bauer, „fünfhundert werden mir ausgezahlt.“ „Hör,“ sprach der Soldat, „gib mir etwas davon: was willst du mit all dem Geld anfangen!“ „Weil dus bist,“ sprach der Bauer, „so sollst du zweihundert haben, melde dich in drei Tagen beim König, und laß dirs aufzählen.“ Ein Jude, der in der Nähe gestanden und das Gespräch mit angehört hatte, lief dem Bauer nach, hielt ihn beim Rock und sprach „Gotteswunder, was seid ihr ein Glückskind! ich wills euch wechseln, ich wills euch umsetzen in Scheidemünz, was wollt ihr mit den harten Thalern?“ „Mauschel,“ sagte der Bauer, „dreihundert kannst du noch haben, gib mirs gleich in Münze, heut über drei Tage wirst du dafür beim König bezahlt werden.“ Der Jude freute sich über das Profitchen und brachte die Summe in schlechten Groschen, wo drei so viel werth sind als zwei gute. Nach Verlauf der drei Tage gieng der Bauer, dem Befehl des Königs gemäß, vor den König. „Zieht ihm den Rock aus,“ sprach dieser, „er soll seine fünfhundert haben.“ „Ach,“ sagte der Bauer, „sie gehören nicht mehr mein, zweihundert habe ich an die Schildwache verschenkt, und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt, von Rechtswegen gebührt mir gar nichts.“ Indem kam der Soldat und der Jude herein, verlangten das Ihrige, das sie dem Bauer abgewonnen hätten, und erhielten die Schläge richtig zugemessen. Der Soldat ertrugs geduldig und wußte schon wies schmeckte: der Jude aber that jämmerlich, „au weih geschrien! sind das die harten Thaler?“ Der König mußte über den Bauer lachen, und da aller Zorn verschwunden war, sprach er, „weil du deinen Lohn schon verloren hast, bevor er dir zu Theil ward, so will ich dir einen Ersatz geben: geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld, so viel du willst.“ Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen, und füllte in seine weiten Taschen was nur hinein wollte. Danach gieng er ins Wirthshaus und überzählte sein Geld. Der Jude war ihm nachgeschlichen und hörte wie er mit sich allein brummte „nun hat mich der Spitzbube von König doch hinters Licht geführt! hätte er mir nicht selbst das Geld geben können, so wüßte ich was ich hätte, wie kann ich nun wissen ob das richtig ist was ich so auf gut Glück eingesteckt habe!“ „Gott bewahre,“ sprach der Jude für sich, „der spricht despectirlich von unserm Herrn, ich lauf und gebs an, da krieg ich eine Belohnung, und er wird obendrein noch bestraft.“ Als der König von den Reden des Bauern hörte, gerieth er in Zorn und hieß den Juden hingehen und den Sünder herbeiholen. Der Jude lief zum Bauer, „ihr sollt gleich zum Herrn König kommen, wie ihr geht und steht.“ „Ich weiß besser, was sich schickt,“ antwortete der Bauer, „erst laß ich mir einen neuen Rock machen; meinst du ein Mann, der so viel Geld in der Tasche hat, sollte in dem alten Lumpenrock hingehen?“ Der Jude, als er sah daß der Bauer ohne einen andern Rock nicht wegzubringen war, und weil er fürchtete wenn der Zorn des Königs verraucht wäre, so käme er um seine Belohnung und der Bauer um seine Strafe, so sprach er „ich will euch für die kurze Zeit einen schönen Rock leihen aus bloßer Freundschaft; was thut der Mensch nicht alles aus Liebe!“ Der Bauer ließ sich das gefallen, zog den Rock vom Juden an und gieng mit ihm fort. Der König hielt dem Bauer die bösen Reden vor, die der Jude hinterbracht hatte. „Ach,“ sprach der Bauer, „was ein Jude sagt ist immer gelogen, dem geht kein wahres Wort aus dem Munde; der Kerl da ist im Stand und behauptet ich hätte seinen Rock an.“ „Was soll mir das?“ schrie der Jude, „ist der Rock nicht mein? hab ich ihn euch nicht aus bloßer Freundschaft geborgt, damit ihr vor den Herrn König treten konntet?“ Wie der König das hörte, sprach er „einen hat der Jude gewiß betrogen, mich oder den Bauer,“ und ließ ihm noch etwas in harten Thalern nachzahlen. Der Bauer aber gieng in dem guten Rock und mit dem guten Geld in der Tasche heim und sprach „diesmal hab ichs getroffen.“

97.
Das Wasser des Lebens

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Es war einmal ein König, der war krank, und niemand glaubte daß er mit dem Leben davon käme. Er hatte aber drei Söhne, die waren darüber betrübt, giengen hinunter in den Schloßgarten und weinten. Da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte sie nach ihrem Kummer. Sie sagten ihm ihr Vater wäre so krank, daß er wohl sterben würde, denn es wollte ihm nichts helfen. Da sprach der Alte „ich weiß noch ein Mittel, das ist das Wasser des Lebens, wenn er davon trinkt, so wird er wieder gesund: es ist aber schwer zu finden.“ Der älteste sagte „ich will es schon finden,“ gieng zum kranken König und bat ihn er möchte ihm erlauben auszuziehen um das Wasser des Lebens zu suchen, denn das könnte ihn allein heilen. „Nein,“ sprach der König, „die Gefahr dabei ist zu groß, lieber will ich sterben.“ Er bat aber so lange, bis der König einwilligte. Der Prinz dachte in seinem Herzen „bringe ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der liebste und erbe das Reich.“




Also machte er sich auf, und als er eine Zeitlang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf dem Wege, der rief ihn an und sprach „wo hinaus so geschwind?“ „Dummer Knirps,“ sagte der Prinz ganz stolz, „das brauchst du nicht zu wissen“ und ritt weiter. Das kleine Männchen aber war zornig geworden und hatte einen bösen Wunsch gethan. Der Prinz gerieth bald hernach in eine Bergschlucht, und je weiter er ritt, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt weiter konnte; es war nicht möglich das Pferd zu wenden oder aus dem Sattel zu steigen, und er saß da wie eingesperrt. Der kranke König wartete lange Zeit auf ihn, aber er kam nicht. Da sagte der zweite Sohn „Vater, laßt mich ausziehen und das Wasser suchen,“ und dachte bei sich „ist mein Bruder todt, so fällt das Reich mir zu.“ Der König wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen, endlich gab er nach. Der Prinz zog also auf demselben Weg fort, den sein Bruder eingeschlagen hatte, und begegnete auch dem Zwerg, der ihn anhielt und fragte wohin er so eilig wollte. „Kleiner Knirps,“ sagte der Prinz, „das brauchst du nicht zu wissen“ und ritt fort ohne sich weiter umzusehen. Aber der Zwerg verwünschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht und konnte nicht vorwärts und rückwärts. So gehts aber den Hochmüthigen.

Als auch der zweite Sohn ausblieb, so erbot sich der jüngste auszuziehen und das Wasser zu holen, und der König mußte ihn endlich ziehen lassen. Als er dem Zwerg begegnete, und dieser fragte wohin er so eilig wolle, so hielt er an, gab ihm Rede und Antwort und sagte „ich suche das Wasser des Lebens, denn mein Vater ist sterbenskrank.“ „Weißt du auch wo das zu finden ist?“ „Nein“ sagte der Prinz. „Weil du dich betragen hast, wie sichs geziemt, nicht übermüthig wie deine falschen Brüder, so will ich dir Auskunft geben und dir sagen wie du zu dem Wasser des Lebens gelangst. Es quillt aus einem Brunnen in dem Hofe eines verwünschten Schlosses, aber du dringst nicht hinein, wenn ich dir nicht eine eiserne Ruthe gebe und zwei Laiberchen Brot. Mit der Ruthe schlag dreimal an das eiserne Thor des Schlosses, so wird es aufspringen: inwendig liegen zwei Löwen, die den Rachen aufsperren, wenn du aber jedem ein Brot hinein wirfst, so werden sie still und dann eile dich und hol von dem Wasser des Lebens bevor es zwölf schlägt, sonst schlägt das Thor wieder zu und du bist eingesperrt.“ Der Prinz dankte ihm, nahm die Ruthe und das Brot, und machte sich auf den Weg. Und als er anlangte, war alles so, wie der Zwerg gesagt hatte. Das Thor sprang beim dritten Ruthenschlag auf, und als er die Löwen mit dem Brot gesänftigt hatte, trat er in das Schloß und kam in einen großen schönen Saal: darin saßen verwünschte Prinzen, denen zog er die Ringe vom Finger, dann lag da ein Schwert und ein Brot, das nahm er weg. Und weiter kam er in ein Zimmer, darin stand eine schöne Jungfrau, die freute sich, als sie ihn sah, küßte ihn und sagte er hätte sie erlöst, und sollte ihr ganzes Reich haben, und wenn er in einem Jahr wieder käme, so sollte ihre Hochzeit gefeiert werden. Dann sagte sie ihm auch, wo der Brunnen wäre mit dem Lebenswasser, er müßte sich aber eilen und daraus schöpfen eh es zwölf schlüge. Da gieng er weiter und kam endlich in ein Zimmer, wo ein schönes frischgedecktes Bett stand, und weil er müde war, wollt er erst ein wenig ausruhen. Also legte er sich und schlief ein: als er erwachte, schlug es drei Viertel auf zwölf. Da sprang er ganz erschrocken auf, lief zu dem Brunnen und schöpfte daraus mit einem Becher, der daneben stand, und eilte daß er fortkam. Wie er eben zum eisernen Thor hinaus gieng, da schlugs zwölf, und das Thor schlug so heftig zu, daß es ihm noch ein Stück von der Ferse wegnahm.




Er aber war froh daß er das Wasser des Lebens erlangt hatte, gieng heimwärts und kam wieder an dem Zwerg vorbei. Als dieser das Schwert und das Brot sah, sprach er „damit hast du großes Gut gewonnen, mit dem Schwert kannst du ganze Heere schlagen, das Brot aber wird niemals all.“ Der Prinz wollte ohne seine Brüder nicht zu dem Vater nach Haus kommen und sprach „lieber Zwerg, kannst du mir nicht sagen, wo meine zwei Brüder sind? sie sind früher als ich nach dem Wasser des Lebens ausgezogen und sind nicht wiedergekommen.“ „Zwischen zwei Bergen stecken sie eingeschlossen,“ sprach der Zwerg, „dahin habe ich sie verwünscht, weil sie so übermüthig waren.“ Da bat der Prinz so lange, bis der Zwerg sie wieder los ließ, aber er warnte ihn und sprach „hüte dich vor ihnen, sie haben ein böses Herz.“

Als seine Brüder kamen, freute er sich und erzählte ihnen wie es ihm ergangen wäre, daß er das Wasser des Lebens gefunden und einen Becher voll mitgenommen und eine schöne Prinzessin erlöst hätte, die wollte ein Jahr lang auf ihn warten, dann sollte Hochzeit gehalten werden, und er bekäme ein großes Reich. Danach ritten sie zusammen fort und geriethen in ein Land, wo Hunger und Krieg war, und der König glaubte schon er müßte verderben, so groß war die Noth. Da gieng der Prinz zu ihm und gab ihm das Brot, womit er sein ganzes Reich speiste und sättigte: und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert, damit schlug er die Heere seiner Feinde und konnte nun in Ruhe und Frieden leben. Da nahm der Prinz sein Brot und Schwert wieder zurück, und die drei Brüder ritten weiter. Sie kamen aber noch in zwei Länder, wo Hunger und Krieg herrschten, und da gab der Prinz den Königen jedesmal sein Brot und Schwert, und hatte nun drei Reiche gerettet. Und danach setzten sie sich auf ein Schiff, und fuhren übers Meer. Während der Fahrt da sprachen die beiden ältesten unter sich „der jüngste hat das Wasser des Lebens gefunden und wir nicht, dafür wird ihm unser Vater das Reich geben, das uns gebührt, und er wird unser Glück wegnehmen.“ Da wurden sie rachsüchtig und verabredeten mit einander daß sie ihn verderben wollten. Sie warteten bis er einmal fest eingeschlafen war, da gossen sie das Wasser des Lebens aus dem Becher und nahmen es für sich, ihm aber gossen sie bitteres Meerwasser hinein.




Als sie nun daheim ankamen, brachte der jüngste dem kranken König seinen Becher, damit er daraus trinken und gesund werden sollte. Kaum aber hatte er ein wenig von dem bitteren Meerwasser getrunken, so ward er noch kränker als zuvor. Und wie er darüber jammerte, kamen die beiden ältesten Söhne und klagten den jüngsten an er hätte ihn vergiften wollen, sie brächten ihm das rechte Wasser des Lebens, und reichten es ihm. Kaum hatte er davon getrunken, so fühlte er seine Krankheit verschwinden, und ward stark und gesund wie in seinen jungen Tagen. Danach giengen die beiden zu dem jüngsten, verspotteten ihn und sagten „du hast zwar das Wasser des Lebens gefunden, aber du hast die Mühe gehabt und wir den Lohn; du hättest klüger sein und die Augen aufbehalten sollen, wir haben dirs genommen während du auf dem Meere eingeschlafen warst, und übers Jahr da holt sich einer von uns die schöne Königstochter. Aber hüte dich daß du nichts davon verräthst, der Vater glaubt dir doch nicht, und wenn du ein einziges Wort sagst, so sollst du noch obendrein dein Leben verlieren, schweigst du aber, so soll dirs geschenkt sein.“

Der alte König war zornig über seinen jüngsten Sohn und glaubte er hätte ihm nach dem Leben getrachtet. Also ließ er den Hof versammeln und das Urtheil über ihn sprechen daß er heimlich sollte erschossen werden. Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt und nichts Böses vermuthete, mußte des Königs Jäger mitgehen. Draußen, als sie ganz allein im Wald waren, und der Jäger so traurig aussah, sagte der Prinz zu ihm „lieber Jäger, was fehlt dir?“ Der Jäger sprach „ich kanns nicht sagen und soll es doch.“ Da sprach der Prinz „sage heraus was es ist, ich will dirs verzeihen.“ „Ach,“ sagte der Jäger, „ich soll euch todtschießen, der König hat mirs befohlen.“ Da erschrack der Prinz, und sprach „lieber Jäger, laß mich leben, da geb ich dir mein königliches Kleid, gib mir dafür dein schlechtes.“ Der Jäger sagte „das will ich gerne thun, ich hätte doch nicht nach euch schießen können.“ Da tauschten sie die Kleider, und der Jäger gieng heim, der Prinz aber gieng weiter in den Wald hinein.

Über eine Zeit, da kamen zu dem alten König drei Wagen mit Gold und Edelsteinen für seinen jüngsten Sohn: sie waren aber von den drei Königen geschickt, die mit des Prinzen Schwert die Feinde geschlagen und mit seinem Brot ihr Land ernährt hatten, und die sich dankbar bezeigen wollten. Da dachte der alte König „sollte mein Sohn unschuldig gewesen sein?“ und sprach zu seinen Leuten „wäre er noch am Leben, wie thut mirs so leid, daß ich ihn habe tödten lassen.“ „Er lebt noch,“ sprach der Jäger, „ich konnte es nicht übers Herz bringen euern Befehl auszuführen,“ und sagte dem König wie es zugegangen war. Da fiel dem König ein Stein von dem Herzen, und er ließ in allen Reichen verkündigen, sein Sohn dürfte wiederkommen und sollte in Gnaden aufgenommen werden.

Die Königstochter aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen, die war ganz golden und glänzend, und sagte ihren Leuten wer darauf geradeswegs zu ihr geritten käme, das wäre der rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben käme, der wäre der rechte nicht, und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der älteste er wollte sich eilen, zur Königstochter gehen und sich für ihren Erlöser ausgeben, da bekäme er sie zur Gemahlin und das Reich daneben. Also ritt er fort, und als er vor das Schloß kam und die schöne goldene Straße sah, dachte er „das wäre jammerschade, wenn du darauf rittest,“ lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor das Thor kam, sagten die Leute zu ihm er wäre der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, und wie der zur goldenen Straße kam, und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er „es wäre jammerschade, das könnte etwas abtreten,“ lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor das Thor kam, sagten die Leute er wäre der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid vergessen. Also machte er sich auf, und dachte immer an sie und wäre gerne schon bei ihr gewesen, und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten darüber hin, und als er vor das Thor kam, ward es aufgethan, und die Königstochter empfieng ihn mit Freuden und sagte er wär ihr Erlöser und der Herr des Königreichs, und ward die Hochzeit gehalten mit großer Glückseligkeit. Und als sie vorbei war, erzählte sie ihm daß sein Vater ihn zu sich entboten und ihm verziehen hätte. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Brüder ihn betrogen und er doch dazu geschwiegen hätte. Der alte König wollte sie strafen, aber sie hatten sich aufs Meer gesetzt und waren fortgeschifft und kamen ihr Lebtag nicht wieder.

98.
Doctor Allwissend

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Es war einmal ein armer Bauer Namens Krebs, der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es für zwei Thaler an einen Doctor. Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde, saß der Doctor gerade zu Tisch: da sah der Bauer wie er schön aß und trank, und das Herz gieng ihm danach auf und er wäre auch gern ein Doctor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen und fragte endlich ob er nicht auch könnte ein Doctor werden.




„O ja,“ sagte der Doctor, „das ist bald geschehen.“ „Was muß ich thun?“ fragte der Baur. „Erstlich kauf dir ein Abcbuch, so ist eins, wo vorn ein Göckelhahn drin ist; zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaff dir damit Kleider an, und was sonst zur Doctorei gehört; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten „ich bin der Doctor Allwissend,“ und laß das oben über deine Hausthür nageln.“ Der Bauer that alles, wies ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoctert hatte, aber noch nicht viel, ward einem reichen großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doctor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wissen müßte wo das Geld hingekommen wäre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hinaus ins Dorf und fragte bei ihm an ob er der Doctor Allwissend wäre? „Ja, der wär er.“ „So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wieder schaffen.“ „O ja, aber die Grethe, seine Frau, müßte auch mit.“ Der Herr war das zufrieden, und ließ sie beide in den Wagen sitzen, und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adlichen Hof kamen, war der Tisch gedeckt, da sollte er erst mitessen. „Ja, aber seine Frau, die Grethe, auch“ sagte er und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schüssel schönem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte „Grethe, das war der erste,“ und meinte es wäre derjenige, welcher das erste Essen brächte. Der Bediente aber meinte er hätte damit sagen wollen „das ist der erste Dieb,“ und weil ers nun wirklich war, ward ihm angst, und er sagte draußen zu seinen Kameraden „der Doctor weiß alles, wir kommen übel an: er hat gesagt ich wäre der erste.“ Der zweite wollte gar nicht herein, er mußte aber doch. Wie er nun mit seiner Schüssel herein kam, stieß der Baur seine Frau an, „Grethe, das ist der zweite.“ Dem Bedienten ward ebenfalls angst, und er machte daß er hinaus kam. Dem dritten giengs nicht besser, der Bauer sagte wieder „Grethe, das ist der dritte.“ Der vierte mußte eine verdeckte Schüssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doctor er sollte seine Kunst zeigen und rathen was darunter läge; es waren aber Krebse. Der Bauer sah die Schüssel an, wußte nicht wie er sich helfen sollte und sprach „ach, ich armer Krebs!“ Wie der Herr das hörte, rief er „da, er weiß es, nun weiß er auch wer das Geld hat.“




Dem Bedienten aber ward gewaltig angst und er blinzelte den Doctor an, er möchte einmal heraus kommen. Wie er nun hinaus kam, gestanden sie ihm alle viere sie hätten das Geld gestohlen: sie wolltens ja gerne heraus geben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verrathen wollte: es ginge ihnen sonst an den Hals. Sie führten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doctor zufrieden, gieng wieder hinein, setzte sich an den Tisch, und sprach „Herr, nun will ich in meinem Buch suchen wo das Geld steckt.“ Der fünfte Bediente aber kroch in den Ofen und wollte hören ob der Doctor noch mehr wüßte. Der saß aber und schlug sein Abcbuch auf, blätterte hin und her und suchte den Göckelhahn. Weil er ihn nicht gleich finden konnte, sprach er „du bist doch darin und mußt auch heraus.“ Da glaubte der im Ofen er wäre gemeint, sprang voller Schrecken heraus und rief „der Mann weiß alles.“ Nun zeigte der Doctor Allwissend dem Herrn wo das Geld lag, sagte aber nicht wers gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung, und ward ein berühmter Mann.

99.
Der Geist im Glas

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Es war einmal ein armer Holzhacker, der arbeitete vom Morgen bis in die späte Nacht. Als er sich endlich etwas Geld zusammengespart hatte, sprach er zu seinem Jungen „du bist mein einziges Kind, ich will das Geld, das ich mit saurem Schweiß erworben habe, zu deinem Unterricht anwenden; lernst du etwas rechtschaffenes, so kannst du mich im Alter ernähren, wenn meine Glieder steif geworden sind, und ich daheim sitzen muß.“ Da gieng der Junge auf eine hohe Schule und lernte fleißig, so daß ihn seine Lehrer rühmten, und blieb eine Zeit lang dort. Als er ein paar Schulen durchgelernt hatte, doch aber noch nicht in allem vollkommen war, so war das bischen Armuth, das der Vater erworben hatte, drauf gegangen, und er mußte wieder zu ihm heim kehren. „Ach,“ sprach der Vater betrübt, „ich kann dir nichts mehr geben und kann in der theuern Zeit auch keinen Heller mehr verdienen als das tägliche Brot.“ „Lieber Vater,“ antwortete der Sohn, „macht euch darüber keine Gedanken, wenns Gottes Wille also ist, so wirds zu meinem Besten ausschlagen; ich will mich schon drein schicken.“ Als der Vater hinaus in den Wald wollte, um etwas am Malterholz (am Zuhauen und Aufrichten) zu verdienen, so sprach der Sohn „ich will mit euch gehen und euch helfen.“ „Ja, mein Sohn,“ sagte der Vater, „das sollte dir beschwerlich an kommen, du bist an harte Arbeit nicht gewöhnt, du hältst das nicht aus; ich habe auch nur eine Axt und kein Geld übrig, um noch eine zu kaufen.“ „Geht nur zum Nachbar,“ antwortete der Sohn, „der leiht euch seine Axt so lange, bis ich mir selbst eine verdient habe.“




Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt, und am andern Morgen, bei Anbruch des Tags, giengen sie zusammen hinaus in den Wald. Der Sohn half dem Vater und war ganz munter und frisch dabei. Als nun die Sonne über ihnen stand, sprach der Vater „wir wollen rasten und Mittag halten, hernach gehts noch einmal so gut.“ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand und sprach „ruht euch nur aus, Vater, ich bin nicht müde, ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen und Vogelnester suchen.“ „O du Geck,“ sprach der Vater, „was willst du da herum laufen, hernach bist du müde und kannst den Arm nicht mehr aufheben; bleib hier und setze dich zu mir.“

Der Sohn aber gieng in den Wald, aß sein Brot, war ganz fröhlich und sah in die grünen Zweige hinein, ob er etwa ein Nest entdeckte. So gieng er hin und her, bis er endlich zu einer großen gefährlichen Eiche kam, die gewiß schon viele hundert Jahre alt war und die keine fünf Menschen umspannt hätten. Er blieb stehen und sah sie an und dachte „es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben.“ Da däuchte ihn auf einmal als hörte er eine Stimme. Er horchte und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief „laß mich heraus, laß mich heraus.“ Er sah sich rings um, konnte aber nichts entdecken, doch es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervor käme. Da rief er „wo bist du?“ Die Stimme antwortete „ich stecke da unten bei den Eichwurzeln. Laß mich heraus, laß mich heraus.“ Der Schüler fieng an unter dem Baum aufzuräumen und bei den Wurzeln zu suchen, bis er endlich in einer kleinen Höhlung eine Glasflasche entdeckte. Er hob sie in die Höhe und hielt sie gegen das Licht, da sah er ein Ding, gleich einem Frosch gestaltet, das sprang darin auf und nieder. „Laß mich heraus, laß mich heraus,“ riefs von neuem, und der Schüler, der an nichts Böses dachte, nahm den Pfropfen von der Flasche ab. Alsbald stieg ein Geist heraus und fieng an zu wachsen, und wuchs so schnell, daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl, so groß wie der halbe Baum, vor dem Schüler stand. „Weißt du,“ rief er mit einer fürchterlichen Stimme, „was dein Lohn dafür ist, daß du mich heraus gelassen hast?“ „Nein,“ antwortete der Schüler ohne Furcht, „wie soll ich das wissen?“ „So will ich dirs sagen,“ rief der Geist, „den Hals muß ich dir dafür brechen.“ „Das hättest du mir früher sagen sollen,“ antwortete der Schüler, „so hätte ich dich stecken lassen; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen, da müssen mehr Leute gefragt werden.“ „Mehr Leute hin, mehr Leute her,“ rief der Geist, „deinen verdienten Lohn den sollst du haben. Denkst du, ich wäre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden, nein, es war zu meiner Strafe; ich bin der großmächtige Merkurius, wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.“ „Sachte,“ antwortete der Schüler, „so geschwind geht das nicht, erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast und daß du der rechte Geist bist: kannst du auch wieder hinein, so will ichs glauben, und dann magst du mit mir anfangen was du willst.“ Der Geist sprach voll Hochmuth „das ist eine geringe Kunst,“ zog sich zusammen und machte sich so dünn und klein, wie er anfangs gewesen war, also daß er durch dieselbe Öffnung und durch den Hals der Flasche wieder hinein kroch. Kaum aber war er darin, so drückte der Schüler den abgezogenen Pfropfen wieder auf und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz, und der Geist war betrogen.




Nun wollte der Schüler zu seinem Vater zurückgehen, aber der Geist rief ganz kläglich „ach, laß mich doch heraus, laß mich doch heraus.“ „Nein,“ antwortete der Schüler, „zum zweitenmale nicht: wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat, den laß ich nicht los, wenn ich ihn wieder eingefangen habe.“ „Wenn du mich frei machst,“ rief der Geist, „so will ich dir so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.“ „Nein,“ antwortete der Schüler, „du würdest mich betriegen wie das erstemal.“ „Du verscherzest dein Glück,“ sprach der Geist, „ich will dir nichts thun, sondern dich reichlich belohnen.“ Der Schüler dachte „ich wills wagen, vielleicht hält er Wort, und anhaben soll er mir doch nichts.“ Da nahm er den Pfropfen ab, und der Geist stieg wie das vorigemal heraus, dehnte sich auseinander, und ward groß wie ein Riese. „Nun sollst du deinen Lohn haben,“ sprach er, und reichte dem Schüler einen kleinen Lappen, ganz wie ein Pflaster, und sagte „wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst, so heilt sie: und wenn du mit dem andern Ende Stahl und Eisen bestreichst, so wird es in Silber verwandelt.“ „Das muß ich erst versuchen,“ sprach der Schüler, gieng an einen Baum, ritzte die Rinde mit seiner Axt und bestrich sie mit dem einen Ende des Pflasters: alsbald schloß sie sich wieder zusammen und war geheilt. „Nun, es hat seine Richtigkeit,“ sprach er zum Geist, „jetzt können wir uns trennen.“ Der Geist dankte ihm für seine Erlösung, und der Schüler dankte dem Geist für sein Geschenk und gieng zurück zu seinem Vater.

„Wo bist du herum gelaufen?“ sprach der Vater, „warum hast du die Arbeit vergessen? Ich habe es ja gleich gesagt daß du nichts zu Stande bringen würdest.“ „Gebt euch zufrieden, Vater, ich wills nachholen.“ „Ja, nachholen,“ sprach der Vater zornig, „das hat keine Art.“ „Habt acht, Vater, den Baum da will ich gleich umhauen, daß er krachen soll.“ Da nahm er sein Pflaster, bestrich die Axt damit und that einen gewaltigen Hieb: aber weil das Eisen in Silber verwandelt war, so legte sich die Schneide um. „Ei, Vater, seht einmal, was habt ihr mir für eine schlechte Axt gegeben, die ist ganz schief geworden.“ Da erschrack der Vater und sprach „ach, was hast du gemacht! nun muß ich die Axt bezahlen und weiß nicht womit; das ist der Nutzen, den ich von deiner Arbeit habe.“ „Werdet nicht bös,“ antwortete der Sohn, „die Axt will ich schon bezahlen.“ „O, du Dummbart,“ rief der Vater, „wovon willst du sie bezahlen? du hast nichts als was ich dir gebe; das sind Studentenkniffe, die dir im Kopf stecken, aber vom Holzhacken hast du keinen Verstand.“