cover
Karl Glanz

Der Weg zum Erfolg





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorwort


Ein Hunger wächst aus meiner Schönheit: wehtun möchte ich denen, welchen ich leuchte, berauben möchte ich meine Beschenkten, - also hungere ich nach Bosheit.

Die Hand zurückziehend, wenn sich schon ihr die Hand entgegenstreckt; dem Wasserfall gleich, der noch im Sturze zögert: also hungere ich nach Bosheit.

Solche Rache sinnt meine Fülle aus, solche Tücke quillt aus meiner Einsamkeit.

Mein Glück im Schenken erstarb im Schenken, meine Tugend wurde ihrer selber müde an ihrem Überflusse!

Wer immer schenkt, dessen Gefahr ist, dass er die Scham verliere; wer immer austeilt, dessen Hand und Herz hat Schwielen vor lauter Austeilen.

Mein Auge quillt nicht mehr über vor der Scham der Bittenden; meine Hand wurde zu hart für das Zittern gefüllter Hände.

Wohin kam die Träne meinem Auge und der Flaum meinem Herzen? Oh Einsamkeit aller Schenkenden! Oh Schweigsamkeit aller Leuchtenden!

Viel Sonnen kreisen im öden Raume: zu Allem, was dunkel ist, reden sie mit ihrem Lichte - mir schweigen sie.

Oh dies ist die Feindschaft des Lichts gegen Leuchtendes: erbarmungslos wandelt es seine Bahnen.

Unbillig gegen Leuchtendes im tiefsten Herzen, kalt gegen Sonnen - also wandelt jede Sonne.

Einem Sturme gleich wandeln die Sonnen ihre Bahnen, ihrem unerbittlichen Willen folgen sie, das ist ihre Kälte.

Oh ihr erst seid es, ihr Dunklen, ihr Nächtigen, die ihr Wärme schafft aus Leuchtendem! Oh ihr erst trinkt euch Milch und Labsal aus des Lichtes Eutern!

Ach, Eis ist um mich, meine Hand verbrennt sich an Eisigem! Ach, Durst ist in mir, der schmachtet nach eurem Durste.

Nacht ist es: ach dass ich Licht sein muss! Und Durst nach Nächtigem! Und Einsamkeit!

Nacht ist es: nun bricht wie ein Born aus mir mein Verlangen, - nach Rede verlangt mich.

Nacht ist es: nun reden lauter alle springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen.

Nacht ist es: nun erwachen alle Lieder der Liebenden. Und auch meine Seele ist das Lied eines Liebenden.

Friedrich Nietzsche

 

 

 

So wie die Fledermäuse sich lösen vom Felsen und flattern, dicht aneinandergedrängt, also schwirren die Seelen die Pfade des Moders hinunter.


1

In Voraussicht, dass ich über Kurzem mit der schwersten Forderung an die Menschheit herantreten muss, die je an sie gestellt wurde, scheint es mir unerlässlich, zu sagen, wer ich bin. Im Grunde dürfte man es wissen. Das Missverhältnis aber zwischen der Größe meiner Aufgabe und der Kleinheit meiner Zeitgenossen ist darin zum Ausdruck gekommen, dass man mich gehört und gesehen hat. Unter diesen Umständen gibt es eine Pflicht, gegen die im Grunde meine Gewohnheit, noch mehr der Stolz meiner Instinkte revoltiert, nämlich zu sagen: Hört mich!, denn ich bin der und der. Verwechselt mich vor allem nicht.

Charlie Georg Kappel, mein Vater, zog sich, nachdem er eine Reihe von Jahren die Waffe getragen hatte, nach seinem Geburtsort zurück. Dort heiratete er ein ehrenhaftes Mädchen, keine Bürgerliche, keine Reiche, ganz einfach eine Köchin, die etwas jünger als er war, und zehn Monate später erblickte ich das Licht der Welt. Gefragt hatte mich niemand, ob ich dieses Licht sehen wollte, was ich heute meinen Eltern schon vorhalten möchte.

Später, einige Jahre, verlegten meine Eltern ihren Wohnsitz aus Brigittenau nach Floridsdorf, wo sie sich in die Notwendigkeit versetzt sahen, eine Arbeit aufzunehmen. Meine Mutter nahm eine Stelle als Köchin an, mein Vater begann in der Gemeinde Wien zu arbeiten. Da sie außer ihren Lohn nichts hatten, würde es mit meiner Erziehung recht übel ausgesehen haben, wenn ich nicht einen Onkel gehabt hätte, der ein Priester war. Er hieß Franz Schwarz und war von meiner Großmutter ein Verwandter und zugleich mein Pate. Er war nicht besonders groß. Eher klein, gedungen und mit einem Kopf bestückt der, so schien es, direkt auf den Schultern saß. Er hatte auch einen dicken Bauch, den er vor sich hertrug, wie einen kleinen Bauchladen. Er war ein Geistlicher, dessen einzige Sorge es war, gut zu leben, das heißt gut zu futtern, wenn ihm seine nicht üblen Pfründe ihm die Möglichkeit dazu in die Hände gab. Dieser Geistliche sorgte sich um meine Erziehung. Ich schien ihm so munter und aufgeweckt, dass er nicht anders konnte und er beschloss deshalb, sich mit der Ausbildung meines Geistes zu befassen. Er kaufte ein Buch und so brachte er mir das Lesen bei, was, und dass muss hier gesagt werden, ihm genauso zugute kam wie mir; denn indem er mich mit den Buchstaben vertraut machte, kam er selbst wieder zum Lesen, das er stets vernachlässigt hatte, durch anhaltenden Fleiß gelang es ihm, bald wieder flüssig zu lesen, wozu er zuvor nicht imstande war. Er hatte mir auch noch Lateinisch beigebracht, aber das war doch zu mühsam für ihn der selbst diese Sprache kaum beherrschte.

Ich möchte es nicht mit vollständiger Sicherheit behaupten, aber er war der allwissende Priester den ich je zu Gesicht bekommen habe. Und davon habe ich einige kennengelernt. Auch soll er seine Priesterwürde nicht seiner Gelehrsamkeit, sondern einzig und alleine der Erkenntlichkeit einer frommen Dame gesetzten Alters zu verdanken gehabt haben, für die er gewisse diskrete Vermittlungen getätigt hatte, wie sie in der besseren Gesellschaft vorkommen, und dadurch deren Einfluss er ohne Prüfung zur Priesterwürde gelangt war. Auch das dürfte in der besseren Gesellschaft nichts Ungewöhnliches sein.

Ich musste, aber trotzdem zur Schule gehen, etwas anderes war nicht möglich und auch nicht denkbar.

Das war 1950 und ich muss meinem Lehrer alles nur erdenkliche wünschen, für dass was er für mich getan hatte. In den Jahren in denen er mich unter seine Fittiche genommen hatte, da hatte er mir alles gelernt, gezeigt, geprüft, eingetrichtert, was ich wissen musste um in dieser Welt zu bestehen zu können. Alles andere, das er mir nicht lernen konnte, da er es für ihn viel zu unwichtig war, das lernte ich in der Schule. Wie immer hatte er auch dabei Recht behalten, die Schule war und ist eine verlorene Zeit. Es geht auch anders und für diese Erkenntnis muss ich mich tief vor meinem Lehrer verneigen. Ohne ihn wäre ich nicht geworden, was ich heute bin. Von der Schule bekam ich ein Zeugnis, ein Stück Papier, mit Noten, die keinen interessierten, vielleicht nur meine Eltern, aber auch die hielten sich zurück. Es ist nur ein Blatt Papier, sonst nichts. Die Schule hatte mich auf das Leben nicht vorbereitet, das war mein lieber Lehrer der Priester, der mir alles, aber auch wirklich alles beigebracht hatte.

Die Schule lehrte mich einiges und dafür bin ich auch dankbar, obwohl ich mit meinen Lernerfolgen nicht wirklich etwas anfangen konnte. Nach vier oder fünf Jahren konnte ich die griechischen Autoren ein wenig und die lateinischen Dichter ziemlich gut verstehen. Ich befasste mich auch mit der Logik, damit konnte ich meinen Geist mit scharfem Denken üben. Ich diskutierte gerne und ich nahm auch jede nur erdenkliche Möglichkeit wahr um in einen Diskurs zu kommen. Meine Augen blitzten nur so vor Freude und mein Mund schäumte nur so von klugen Sprüchen. Man hätte mich vielleicht mehr für einen Besessenen als einen Philosophen halten können. Allerdings erwarb ich mir in der Stadt den Ruf eines Gelehrten. Der Priester, mein Onkel, freute sich darüber mehr, hielt er doch das alles für seinen eigenen Verdienst. Teilweise war er das auch. Ich war achtzehn Jahre geworden, also noch sehr jung, und wie der Priester sagte, auch ein geschickter junger Mann geworden, der jetzt an seine Zukunft denken musste. So sollte ich an die Universität gehen, denn ich war tüchtig und ich könnte mir recht bald eine geeignete Stellung erwerben, davon war ich überzeugt. Weg von zuhause war immer schon mein Wunsch gewesen und so war die Aussicht an der Universität zu studieren mir doch sehr willkommen. Ich hätte von zuhause nicht fortgehen müssen, denn die Universität befand sich in derselben Stadt in der ich bei meinen Eltern wohnte. Nur, wie schon erwähnt, der Verdienst meiner Eltern war nicht so groß, dass ich von ihnen etwas nehmen wollen oder auch können. Mein Onkel Schwarz, der Priester, hatte mich die letzten Jahre unterstützt, so dass ich kein Leid zu tragen hatte. Jetzt war die Zeit gekommen, dass ich begann auf eigenen Beinen zu stehen, deshalb musste ich unbedingt von der elterlichen Wohnung weg, hinaus in die Welt, in die Freiheit, endlich alles tun zu können, was mir in den Sinn kam.

Ich suchte mir also ein kleines Zimmer, womit ich es bezahlen sollte, wusste ich nicht, aber, kommt Zeit, kommt Rat.

Zum letzten Mal ging ich zu meinem Onkel und erklärte ihm die ganze Situation. Ich sagte ihm auch, wie dankbar ich ihm sei, für alles was er für mich getan hatte. Zum Abschied steckte er mir noch einige Scheine zu. Ich nahm sie, dafür umarmte ich ihn, da war er so gerührt, dass seine Augen feucht wurden und er nochmals zu seinem Portmonee griff und mir nachmals einige Scheine zusteckte. So verließ ich meinen Onkel Schwarz.

Meine Eltern waren nicht so freigiebig wie Onkel Schwarz es gewesen war, sie konnten es auch nicht sein, dafür besaßen sie zu wenig. Sie gaben mir was sie konnten und auch das nahm ich. Ich dachte mir nur, besser einen Spatzen in der Hand als eine Taube auf dem Dach. Ich hatte das Gefühl, dass sie recht froh waren mich los zu sein. Und dann kam der Tag an dem ich die Eltern verließ und in meine eigene kleine Studentenwohnung zog.

Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, es war Spätsommer und es war warm. Ich verabschiedete mich von meinen Eltern, Mutter weinte, Vater machte ein besorgtes Gesicht, ich ließ mir meine Freude nicht anmerken. Wir umarmten uns, dann ging ich durch die Tür, hinaus in das Licht, in die Freiheit, zum Abenteuer, hinaus zum Leben.

Ich glaube nicht, dass meine Eltern lang getrauert haben, es war nur eine Show, ein kleines Theaterstück, produziert und aufgeführt nur für die Nachbarn, die sicherlich diese ganze Abschiedsszene beobachtet hatten. In dieser Stadt ist niemand sicher.



2

Mein Onkel war nicht ganz sauber zu seiner Priesterwürde gekommen, wie schon erwähnt wurde. Er hatte auch nie darüber gesprochen, er war und ist ein Geheimnis, das er mit in sein Grab genommen hat.

Zeit seines Lebens war mein Onkel Schwarz kein Kostverächter gewesen, ob er nun Priester war oder nicht, das war völlig gleichgültig. Er hatte viele Liebschaften, obwohl Liebschaften dafür das falsche Wort ist, er hatte Abenteuer, Seitensprünge – aber sicher keine Liebschaften. Er ging mit den Frauen ins Bett, das war sein Verlangen, von Liebe kann nicht die Rede gewesen sein. Er liebte diese Frauen nicht, er benutzte sie, und wie ich es auch sehe, dann wussten sie es auch, haben auch nie etwas anderes von ihm erwartet. Eine Nacht mit einer Frau, dann schickte er sie weg. Es war ihm zuwider noch eine Nacht mit derselben Frau zuzubringen. Vielleicht war die Dame, die ihm zu seiner Priesterwürde verholfen hatte auch eine von ihnen? Wie schon gesagt, wir wissen es nicht.

Manchmal nahm er sich auch eine Prostituierte, aber nur dann, wenn er Geld hatte. Mit Geld konnte er nicht umgehen, mit den Huren schon. Kaum das seine Taschen gefüllt waren, da hatte er es auch schon wieder ausgegeben. „Es ist nur Geld“, sagte er zu mir und da hatte er wohl Recht. An erster Stelle standen die Prostituierten. Er suchte sie nicht, er ließ sie kommen. Und sie kamen. Sie mochten ihn, er war freizügig. Er warf sein Geld mit vollen Händen hinaus und er gab den Prostituierten reichlich Trinkgeld. Wenn ein seiner Liebesdienerinnen in Schwierigkeiten geriet, sprang er ein, half soweit er konnte, das machte ihm nichts aus. Er war ein großzügiger Mensch. Er behandelte sie gut, fast zuvorkommend. Wenn sie kamen, bewirtete er sie mit einer Flasche guten Weines und einer Mahlzeit, auch da machte er keinerlei Unterschiede, was für ihn gut war, das war auch für seine Liebesdienerin gut genug, das gefiel den Damen. Sie fühlten sich akzeptiert. Wenn er mit ihnen sprach, dann redete er sie immer als „Fräulein“ und ihren Vornahmen an. Er war ein richtiger Gentleman. Sie kamen auch zur Beichte, schön ordentlich angezogen, sie verhielten sich gesittet, fast gläubig, freundlich gegenüber den „anständigen“ Bürgern gegenüber. Die Männer, viele von ihnen kannten die eine oder andere Dame, sahen meist weg, wollten sie in der Kirche nicht sehen, wenn sie als Biedermänner mit ihren Familien zur Andacht kamen. Die Ehefrauen waren meist unwissend und das belustigte meinem Onkel sehr.

Mit sechzehn Jahren gab er mir einen guten Rat. Dieser Rat war wirklich gut. Er meinte, wenn ich einmal eine Frau besitzen möchte, dann sollte ich doch – wenn irgendwie möglich -, zu einer Prostituierten gehen, da gebe es keinerlei Probleme. Der Zweck meines Besuches bei einer Dame dieses Gewerbes, ist schließlich uns beiden klar und dass wir keine gemeinsame Zukunft anstreben, das wird auch nicht erwartet. Eine Verbindung mit einer Frau einzugehen, führt, so mein Onkel, unweigerlich zu Problemen, und vor allem zu einem finanziellen Desaster. Wenn man zu lange bei einer Frau verweilt, dann werden schließlich beide alt, bei den Prostituierten sei es nicht so, die bleiben immer jung und schön, immer neue kommen nach, füllen die frei gewordenen Plätze auf.

Dann hatte er mir noch angeboten, mir bei der Suche nach dem richtigen Mädel zu helfen, denn schließlich sei ich erst sechzehn Jahre alt und wüsste noch nicht viel vom Leben, er wisse zwar auch nicht alles, dafür sei ein Leben nicht lang genug, aber doch entsprechend mehr. „Es ist dein erstes Mal, da brauchst du die richtige Führung, dass kann nicht eine jede, da müssen wir die richtige für dich ausmachen, das braucht Gefühl und Geduld.“ Nach einer kleinen Nachdenkpause begannen seine Augen zu strahlen wie Leuchtfeuer auf Helgoland. „Ich habe gerade die richtige für dich gefunden“, verlautete er und er schlug sich mit seinen Händen auf die Schenkel. Dabei lachte er auch noch fröhlich.

Einige Tage später war es dann soweit. Mein lieber Onkel Schwarz überreichte mir ein Stück Papier auf dem eine Adresse geschrieben stand.

Er schmunzelte. „Das ist die Adresse. Ich habe einen Termin für dich gemacht.“

Ich wusste im ersten Moment nicht von was er da redete. Er hatte es gemerkt und erklärte: „Das ist die Kleine, die ich für dich ausgesucht habe.“ Er schmunzelte noch immer. Mir war ganz plötzlich heiß geworden, irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sei ein Hochofen. Zweifel kamen mir und das nicht ohne Grund. „Du hast sie doch nicht … wie soll ich sagen … geprüft?“, fragte ich kleinlaut.

„Nein, nein, dass nicht. Das hätte sich auch nicht gehört. Ich habe sie mir empfehlen lassen, von Emma, einer meiner Bekannten.“

„Auch eine vom horizontalen Gewerbe?“, fragte ich, aber das hätte ich nicht fragen sollen.

Mein Onkel wurde richtig zornig. „Du sollst nicht so abfällig von diesen Mädchen und Frauen reden! Sie tun alles überleben zu können…“

Ich war zerstört. Er hatte mich an meinem wunden Punkt erwischt. Ich wollte mich entschuldigen, da redete er weiter. „Ihr Name ist …, jetzt habe ich ihn doch vergessen …, nein, Michelle. Wenn du zu ihr gehst, dann sei gefälligst höflich, Michelle hat dir nichts getan, noch nichts, also sei höflich, wenn es dir irgendwie gelingen sollte.“

„Ich werde dir keine Schande machen“, sagte ich.

Der Termin war vereinbart, die Adresse hatte ich, ich musste nur noch hingehen.



Michelle wohnte in einem gut bürgerlichen Haus, in der Stadtmitte. Ich läutete an der Tür. Mir war nicht ganz wohl, mein Magen rotierte und meine Knie schlotterten. Ängstlich wartete ich darauf, wer mir die Tür öffnen würde. Nach einiger Zeit, ich wollte schon wieder läuten, hörte ich hinter der Tür Geräusche und dann wurde die Tür geöffnet. Michelle stand vor mir. Ich war sechzehn Jahre alt, ich hatte mir schon die Mädchen angesehen, beobachtet und ich war der Meinung, dass es schon viele schöne und anmutige Mädchen gibt, ganz besonders in dieser Stadt, aber Michelle fegte mich von den Füßen. So eine Schönheit hatte ich noch nie gesehen. Sie war etwas kleiner wie ich, hatte schwarzes Haar, schwarze Augen, die aussahen als spiegelte sich das Mondlicht in Olivenöl, die mich anstrahlten, einen süßen kleinen Mund, sie war schlank und hatte ein schwarzes Negligé an.

Bevor ich noch etwas sagen konnte, was mir schwergefallen wäre, denn mein Mund war plötzlich ganz trocken, wie die Wüste, fragte sie: „Du musst Charlie sein?“

Aus meinem Mund kam nur ein unartikulierter Ton. Sie lächelte ein breites, schönes Lächeln. „Komm rein.“

Ich trat ein. Es war eine kleine Wohnung, exquisit eingerichtet, für den Gebrauch hergerichtet. Es war alles da was gebraucht wurde, nichts fehlte, es war auch nichts zu viel in der Wohnung.

Michelle setzte sich auf das Bett, das beim Fenster stand und fast den ganzen Raum einnahm. Als sie sich setzte, rutschte ihr kleines und recht niedliches Negligé über ihre Knie hoch und da wurde mir noch heißer. Ich konnte meine Augen nicht von ihren schönen und schlanken Beinen wenden. Sie dürfte es gesehen haben, sie begann zu strahlen wie die Mittagssonne im Hochsommer.

„Gefallen sie dir?“, fragte sie mich und ich konnte nicht antworten, ich konnte nur schlucken. Sie sah mich lächelnd an. „Ich habe es schon gehört“, sagte sie noch, beugte sich etwas vor, so dass ich in ihren Ausschnitt sehen konnte. Da wurden mir die Beine weich, wie Butter die auf einem Herd liegt. Schnell sagte sie: „Komm und setz dich.“ Es blieb mir nichts anderes über, als mich zu ihr zu setzen.

„Was hast du schon gehört?“, fragte ich Michelle mit heißer Stimme, denn das hatte ich nicht verstanden.

Sie sah mir direkt in die Augen. Ich fühlte diesen Blick, der mir wie ein Messer in die Eingeweide drang.

„Emma hat es mir erklärt, dass du noch unschuldig bist.“

Ich weiß, dass ich ganz rot geworden bin, mein Gesicht muss ausgesehen haben wie die Rücklichter einer Eisenbahn. Sie lachte und das brachte mich vollends außer Fassung. Ich wollte was erwidern, kam aber nicht dazu. Sie sagte: „Emma hat es von einem ihrer Kunden … ein Priester.“

Ich war entsetzt. „Ich weiß“, krächzte ich. „Das ist mein Onkel.“

„Das ist dein Onkel? Wirklich ein guter Mann und so vorausschauend.“

„Was soll denn das heißen?“ Meine Stimme nahm an Volumen wieder zu, ich fühlte mich nicht mehr so verloren wie einige Minuten vorher.

„Es ist besser, du weißt was zu tun ist und hast später keine Probleme. Verstehst du?“

„Nicht ganz.“

„Es ist besser, es zeigt dir jemand, so wie ich, wie man es macht und wenn du einmal die richtige Frau getroffen hast, weißt du, wie du agieren musst um sie und natürlich auch dich, glücklich zu machen. Das ist richtig und vorausschauend.“

Da hatte Michelle wohl Recht und mein Onkel war sicher ein vorausschauender Mann.

Wir saßen einige Sekunden ruhig nebeneinander. Ich konnte ihren Duft riechen, er stieg mir in die Nase, benebelte mein Hirn. Sie legte schließlich ihre kleine, zarte und warme Hand auf meinen Oberschenkel. Das war wie ein Stromstoß durch meinen Körper. Ich zuckte zusammen.

„Machen wir es uns gemütlich?“, fragte Michelle.

Antworten konnte ich nicht, ich konnte nur nicken. Jedes Wort wäre nur ein Röcheln gewesen. Michelle stand auf und sie streifte die Träger ihres schwarzen Negligés ab. Sie ließ es gekonnt auf den Boden gleiten. Erschreckend langsam glitt es von ihrem Körper. Was ich da sah, das hatte ich noch nie gesehen. Solche Brüste, solche Hüften, einen solchen Körper, so schön, so ebenmäßig, wie die Venus von Milo stand sie vor mir, wie Kleopatra vor Caesar. Sie reichte mir die Hand und ich stand vom Bett auf.

„Zieh dich aus“, verlangte sie von mir.

Ich begann mich auszuziehen. Ich war allerdings nicht so langsam wie Michelle, bei mir ging es viel rascher, was mich verwundete, denn ich hatte schließlich viel mehr Gewand am Körper als sie. Schließlich stand ich ganz nackt vor ihr. Sie sah mich an, ganz intensiv, so als würde sie mich einer Untersuchung unterziehen, als sie fertig war, streifte sie ihr Höschen ab, das sie bisher nicht abgelegt hatte. Von da an weiß ich nichts mehr, ich dürfte ohnmächtig geworden sein.



Mein Onkel grinste, eines dieses Grinsens, die mir durch Mark und Bein gingen. Das Blut stieg mir wieder in den Kopf, der Schweiß stand auf der Stirn. Ich war zu ihm gekommen um ihn zu berichten, welche Abenteuer ich mit Michelle erlebt hatte. Das hatte er so haben wollen. Vielleicht wollte er auch erfahren, was ich alles von Michelle gelernt, erfahren hatte. Nun, viel konnte ich da nicht berichten, auch nicht, dass ich ein wahrer Casanova gewesen sei. Es viel mir schwer etwas zu erzählen, aber ich nahm an, dass Michelle Emma schon unterrichtet hatte und diese dann wiederum meinem Onkel Bescheid gesagt hatte. Und das war auch so, denn sonst hätte er nicht so gegrinst, wie er es jetzt tat. Ich versuchte also einige Ausflüchte, ich wollte ihm nicht von meinem kompletten Misserfolg erzählen, so pries ich die Schönheit von Michelle, ihre schönen und festen Brüste, ihre langen Beine, ihre Augen, ihr Haar. So redete ich um den heißen Brei herum. Er hörte gelassen zu. Irgendwann unterbrach er mich dann: „Du brauchst nicht so viel zu reden, Charlie, ich habe schon alles erfahren.“ Und dann lachte er schallend. Da wurde mir wieder heiß, fast schwindelig. „Mach dir nichts draus“, sagte mein Onkel, „dass kann einem jeden passieren. Ist auch ganz normal.“

„Warum lachst du dann so?“, fragte ich zornig.

„Weil ich mir die Szene recht gut vorstellen kann. Sie vor dir, nackt und überirdisch schön, und du zu ihren Füßen, am Boden, ohnmächtig!“ Und wieder begann er zu lachen, es schüttelte ihn, wie einem Apfelbaum im Sturm.

„Das ist nicht lustig!“, schrie ich.

„Das ist es nicht. Entschuldige.“ Er versuchte das Lachen zu unterdrücken. Schließlich beruhigte er sich. „Das nächste Mal wird es besser sein. Davon kannst du ausgehen.“

„Ich gehe da nicht noch einmal hin!“, rief ich entsetzt aus.

„Brauchst du auch nicht, wenn du nicht möchtest“, beruhigte er mich.





3


Ich war nun an der Universität. Ein großes graues Haus nicht weit vom Rathaus entfernt. Ich hatte eine große Ehrfurcht vor diesem Haus, seinen Studenten, Professoren, Doktoren und Assistenten. Die ersten Tage verbrachte ich staunend in diesem Haus, indem schon Sigmund Freud gelernt und geforscht hatte. Jeden Tag betrat ich dieses Haus mit einer gro0en Erwartung.

Die Universität ist nicht nur ein Platz zum Lernen, sich zu profilieren, weiterbilden, ein Gelehrter zu werden, es ist auch ein Platz um Freund und Bekanntschaften zu finden. Das wurde mir recht rasch bewusst. Schon nach einigen Tagen, kam ich mit einigen Studenten ins Gespräch. Nachdem wir einige Zeit miteinander gesprochen hatten, fand ich heraus, dass ein Erfolg an der Universität auch dann gewährleistet ist, wenn sich der Student einer Gruppe anschließt, denn diese Gruppen haben Einfluss auf das Lehrpersonal, dieser Einfluss kommt über die Politik. Es ist ganz klar und es wurde mir auch gesagt, wer weiterkommen möchte, und nicht nur im universitären Bereich, der muss sich einer dieser Gruppen anschließen. Ich brauchte nicht lange nachzudenken, ich schloss mich einer Gruppe an, der erstbesten die an mich herantrat.

Sie fragen, welcher Gruppe ich mich anschloss? Ist doch unwichtig, dass einzige was zählt ist der Erfolg und wenn der Erfolg mit diesen Mitteln erreicht werden kann, warum sollte ich es nicht versuchen? So viele machen es und haben kein schlechtes Gewissen. In unseren Reihen sind viele Politiker, die so groß geworden sind. Protektion ist alles. Arschkriecherei ist alles. Man muss es nur verkaufen können und das kann ich. Wer Protektion hat, dem geht es gut. Protektion ist das Mittel zu Zweck. Es macht den Weg frei. Aus mir sollte etwas werden und das wollte ich mit den möglichst kleinen Mitteln werden.

Und das habe ich.

Wenige Tage später traten dann die Leute an mich heran und baten mich eine Rede zu halten.

„Warum?“, fragte ich.

„Das müssen alle Neuen machen.“

„Was für ein Thema?“

„Das steht dir frei.“

„Gut“, gab ich zur Antwort.

Also bereitete ich meine Rede vor.


Der Raum war nicht besonders groß, es waren nur einige Stühle aufgestellt, auf denen die Studenten saßen. Viele Studenten waren nicht gekommen, was mich freute, denn ich wusste nicht wie sie auf meinen Vortrag oder Rede reagieren würden. Ich hatte mir ein Thema ausgesucht, dass, so dachte ich, dieser Gruppe gefallen könnte.

Einige Studenten kannte ich, es waren diese Studenten die mit mir gesprochen hatten. Die anderen Studenten, waren mir unbekannt, es waren meist weibliche Studenten, da fühlte ich mich etwas unbehaglich, denn ich musste an Michelle denken und was damals geschehen war.

Ein Student stand auf, stellte sich vor die Stühle, die in einer wirren Anordnung im Raum aufgestellt waren, bittet um Ruhe, dann sagte er mich an. Ich stand auf und ging auf den Platz auf dem gerade noch der Moderator gestanden hatte.

Ich begann meinen Vortrag.

„Ich darf Sie alle ganz herzlich begrüßen zu meinem Vortrag. Einen Titel habe ich ihm nicht gegeben, das wäre zu viel des Guten gewesen. Ich möchte zu Euch sprechen über die Situation von Staat und Kirche und ich hoffe, dass der oder die mir zustimmen werden.“

Hier legte ich eine kurze Pause ein. Dann redete ich weiter. Ich hatte mein Manuskript in der Hand, ich brauchte es nur abzulesen, was ich nicht tat, ich brauchte solche Eselsbrücken nicht. Also legte ich los.

„Ich muss und ich werde von Krankheiten sprechen, die unserem Staat und die Gesetze befallen haben. Zuerst aber muss ich auf die Situation der Menschen in unserem Land zu sprechen kommen.

Zehntausende werden getäuscht und betrogen, in jedem Mensch, auch jetzt, da ich hier stehe und zu Euch spreche. Uns alle vereint der törichte Wunsch, die Gebote der Religion zu befolgen und sich ihr zu unterwerfen. Wir sind nicht tot, noch nicht, aber ihr Leben fällt der Vergangenheit anheim.

Es ist eine Tatsache, dass die Kirchen Prunkbauten sind, dass sie wie Schlösser in den Himmel wachsen und dass sie eine Menge an Zahlungsmittel verschlingen. Dieses Geld, das da verbraucht wird, könnten wir sinnvoller einsetzen. Es gibt dafür viele Beispiele. Zum Spenden werden wir angehalten, obwohl die Kirche ein großes Immobilienimperium ist und vor Gold nur so strotzt. Menschen, die versuchen dem Leben Christi zu folgen, um in den Himmel zu gelangen, werden dazu aufgerufen, die christliche Gemeinde mit Spenden zu unterstützen, damit ihre Einkünfte zunehmen und so zu ihrem Fortbestand beitragen. Die Kirche hat einen unersättlichen Wunsch nach Luxus, der fast grenzenlos ist.

Das alles hat nicht mit magischen Kräften zu tun, die die Kirche immer für sich in Anspruch nimmt. Es gibt allerdings Kirchenfürsten die uns das Glauben machen wollen.

Der Mensch ist auf dieser Erde nur eine begrenzte Zeit vergönnt. Die Opfer aber, die dem Menschen abverlangt werden sind dafür aber grenzenlos. Zwar unterliegen auch die Reichen diesem religiösen Wahn, aber es sind meist die Armen, die ihre letzten Mittel und Möglichkeiten, diesen Wahn unterstützen. Und dennoch gelingt es nicht, die grenzenlose Gier der Kirche zu befriedigen.“

Hier machte ich wieder eine Pause, ich musste Schlucken, der Mund war vom vielen Reden trocken geworden. Eine Studentin stand auf, goss es Glas Wasser ein und reichte es mir. „Entschuldige“, flüsterte sie mir zu. Offenbar hatte sie vergessen, ein Glas Wasser in meine Nähe zu stellen.

Ich fuhr fort.

„Seht euch einmal um, in dieser Stadt, geht durch die Straßen, durch die Gassen, es ist doch eine herrliche Stadt. Und wenn ihr durch die Stadt wandert, werdet ihr die Paläste sehen, die im Namen Gottes gebaut und errichtet worden sind. Dies führt uns zu einer ganz entscheidenden Frage: Was ist mit dem Gemeindewohl, denn es wird dem Volk viel nützliches Eigentum entzogen, dass der Schaden kaum abschätzbar ist.

Und da gibt es noch ein Problem. Was ist mit den Priestern, die nicht arbeiten, nichts erwirtschaften, nicht Hand im Aufbau anlegen, sondern ihren Lebensunterhalt auf Kosten anderer bestreiten? Wie könnte das definiert werden? Als Betrug? Wir müssen sie erhalten, ihnen ein wunderbares Leben gewährleisten, dennoch zahlen sie nichts in die Staatskasse ein. Und was ist mit ihnen, die wesentlich reicher sind als die einfachen Leute, die sie berauben, ihnen falsche Hoffnungen machen und etwas versprechen, das sie nicht halten können.

Dieses Land ist in einer Krise und versinkt langsam aber sicher in der Finsternis.

Es besteht kaum Aussicht auf Besserung der Lage. Der Klerus regiert durch die Politik. Das ist der Lauf der Welt. Sein Elend, seine Sorgen und sein Leid sind grenzenlos und seine Nöte unerträglich.

Eines sollte uns doch ganz gewiss sein, wer den Reichtum seines Landes schützt, bewahrt sein Volk vor Verderben. Es ist die Zeit gekommen den richtigen Samen zusähen. Wenn wir das nicht tun, werden unsere Nachkommen nur Hunger ernten. Wir dürfen die Arbeit nicht für nichtige Zwecke missbrauchen, denn dann wird das Land die unheilbaren Folgen zu spüren bekommen. Wir müssen aufbauen, der Krieg liegt noch nicht lange zurück, noch gibt es zerstörte Wohnhäuser. Wir müssen an der Wirtschaftsleistung arbeiten und nicht an Kirchen. Unser Brot gibt uns nicht die Kirche, die Fabrik ernährt uns. Jetzt müssen wir handeln, wenn wir es nicht tun, dann könnte es zu spät sein. Niemand soll von einem verlorenen Ruhm der Vergangenheit sprechen, denn das ist es nicht.“

Hier war mein Vortrag zu Ende. Applaus brandete auf. Ich war wirklich überrascht, aber bis zu diesem Tag hatte ich nicht gewusst, dass ich Reden konnte, das ich meine Zuhörer in meinen Bann ziehen konnte, war schon bemerkenswert. Ich hatte es nicht bemerkt. Wie ich bald merken musste, waren nicht alle Anwesenden mit meinem Vortrag einverstanden. Wenn sie applaudierten, dann nicht weil sie derselben Meinung mit mir waren, sondern weil der Vortag gut vorbereitet und gut – wenn nicht sehr gut – vorgetragen war.

Als ich mich verabschieden wollte, trat ein etwa dreißigjähriger Mann auf mich zu. Was ich sofort bemerkte war, dass dieser Mann etwas zu sagen hatte.

„Darf ich dich einmal sprechen?“, redete er mich an. Dann stellte er sich vor. „Mein Name ist Werner, ich bin der Obmann dieser Gruppe, aber das wirst du schon wissen.“

Ich habe nicht gesagt, dass ich das nicht gewusst habe, das hätte einen schlechten Eindruck bei ihm hinterlassen und wenn einer redet, so soll man ihm reden lassen. Ich nickte nur. „Diese Rede war gut. Gut ausgearbeitet und noch besser vorgetragen.“

„Danke.“

„Einen Einwand hätte ich schon. Das war zu viel aufgetragen, dass mit der Finsternis. Offiziell sind wir keine Freunde der Kirche und ihren Geistlichen. Wir kooperieren mit ihnen, denn sie ist eine Macht und diese Macht nützen wir. Wir reden hier alle von Sozialismus, Freiheit, Gerechtigkeit, aber das sind nur Schlagwörter. Die Wähler glauben uns das und das ist auch so gewollt.

Du kannst gut reden, alle haben dir zugehört, das ist gut. Du hast ein großes Talent, daraus können wir etwas machen. Ich habe mir gedacht, dass wir dich gut einsetzen können. Du sollst eine gehobene Funktion in der Partei haben. Wenn du dich bewährst, steht einem Aufstieg in der Hierarchie nichts im Weg.“

Hier machte er eine kleine Pause.

„Magst du?“

„Natürlich!“