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Nr. 1462

 

Operation Brutwelt

 

Sie finden die Nachricht des Cantaro – und entwickeln einen tödlichen Plan

 

von Robert Feldhoff

 

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In der heimatlichen Galaxis, die Perry Rhodan und die übrigen Rückkehrer aus dem Universum Tarkan mit einer Verspätung von fast 700 Jahren erreichten, hat sich Erschreckendes getan. Jetzt, im Sommer 1144 NGZ, ist es jedenfalls nicht mehr möglich, der negativen Entwicklung noch Einhalt zu gebieten.

Die Zustände in der Galaxis sind geprägt von versteckter Diktatur, allgemeiner Verdummung, interstellarer Isolation, offenem Zwang, wirtschaftlicher Unterdrückung und vielen anderen Maßnahmen, die dazu geeignet sind, Sternenreiche erfolgreich im Griff zu halten.

Die Drahtzieher dieser Politik scheinen die Cantaro zu sein, so glaubt Perry Rhodan bald zu wissen, und der Terraner erkennt auch, dass die Kräfte der Opposition zu schwach sind, die neuen Machthaber zu stürzen. Rhodan resigniert trotzdem nicht, sondern kämpft unverdrossen weiter für die Befreiung der Galaktiker, obwohl ein unbekannter Feind ihm schwer zu schaffen macht.

Eine wertvolle Hilfe für den Terraner stellen die drei Anoree dar. Die Aktivitäten ihres sogenannten Friedenssprechers verursachen bald Unruhe im Lager des Gegners und führen gegen Ende des Jahres 1145 zur Einleitung der OPERATION BRUTWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner riskiert viel.

Harold Nyman – Ein Allroundgenie von der CASSIOPEIA.

Degruum – Schiffsführer der YALCANDU.

Nadja Hemata, Gulliver Smog und Tyly Chyunz – Teilnehmer an der Operation Brutwelt.

Gucky – Der Ilt wird als Joker eingesetzt.

1.

Der Friedenssprecher

 

Die Cantaro.

Unsere Artgenossen, die sich den Grundlagen der Rasse so weit entfremdet haben. Sollen wir glauben, dass sie zu Monstren ohne jeden Skrupel geworden sind? Wir sehen es, wir hören es. Aber wir glauben es nicht.

Wir Anoree können es nicht glauben.

Wir glauben an Schönheit, an Ästhetik, an die segensbringenden Seiten der Wissenschaft. So anders können die Cantaro nicht sein, das wissen wir genau. Etwas in ihnen muss sich erinnern – wenn es angesprochen wird.

Deshalb haben wir den Friedenssprecher ausgesetzt.

Man muss mit ihnen reden, man darf den Kontakt nicht abbrechen. Dann kann ein Pfad gefunden werden, sie in ein würdiges Leben zurückzuführen.

Der Friedenssprecher besteht aus zwölf Satelliten und einer zentralen Steuereinheit. Es sind primitive Geräte, aber sie werden ihren Dienst tun.

Mit der YALCANDU haben wir den Friedenssprecher an einem günstigen Ort ausgesetzt. Die Terraner nennen diesen Ort den Greenol-Sektor.

Die zwölf Satelliten kreisen auf der Oberfläche einer imaginären Kugelschale. Sie durchmisst 2000 Lichtjahre, denn so erreichen wir die größtmögliche Wirkung. Viele Cantaro werden unsere Worte empfangen; sie werden beginnen, nachzudenken. Das hoffen wir mit aller Macht.

Der Sprecher wird nur kurze Zeit in Tätigkeit bleiben, das wissen wir.

Dann wird man ihn anpeilen und vernichten.

Es schmerzt schon jetzt, weil jede Zerstörung uns Schmerzen bereitet. Dennoch werden wir es ertragen. Wäre es nicht ein schlechtes Zeichen, wären wir außerstande dazu? Dann hätten die Anoree als Rasse nur noch kurze Zeit vor sich. Denn der Kosmos ist ein feindseliger Ort – ab und an muss man Verluste hinzunehmen wissen. Man muss sich einrichten, anpassen, verständigen.

Man muss ein Geflecht weben, eine Synthese schaffen aus Notwendigkeit und Schönheit. Das ist ein Teil unserer Philosophie.

Aufzeichnung Degruum

Führer der YALCANDU

 

Nachtrag:

Dies las Gavval, unsere Gefährtin an Bord der YALCANDU, um deren Gunst ich genauso werbe wie Shyrbaat. Sie gibt eines zu bedenken: Vor beträchtlicher Zeit haben wir unsere Heimat Neyscuur verlassen. Wir sind mit den yuerheli gezogen, mit Perry Rhodan und seinen Freunden. Und seitdem haben wir wenig zu Gesicht bekommen, was unseren Sinn für Ästhetik befriedigt hätte.

Gavval sagt, wir schweben in Gefahr. Notwendigkeit diktiert unser Handeln.

Sie sagt, wir bekommen nur die eine Seite der Dinge zu Gesicht. Sie fürchtet die Hässlichkeit. Sie sieht die große Synthese kippen – sie sagt, dass in unseren Köpfen die Einheit zerbricht.

Ich hoffe, dass Gavval irrt.

2.

Die CASSIOPEIA

 

»Da kommt ja der Kommandant!«

Beifälliges Rufen der anderen erfüllte die Kantine.

»Schaut mal, wie selbstbewusst er sich bewegt! Welch ein Gang! Welche Autorität!«

Harold Nyman setzte ein selbstgefälliges Grinsen auf.

»Dank euch allen! Ihr habt übrigens Kompetenz vergessen. Kompetent bin ich nämlich auch.« Er hob die Hände und wehrte in plötzlicher Bescheidenheit ab. »Aber ich als Kommandant der BASIS bin psychologisch geschickt. Deshalb will ich gar nicht weiter darauf hinweisen.«

»Ach wirklich?«, rief jemand dazwischen. Nyman glaubte, dass es Tyly Chyunz war. Wo saß der Blue? Im Gedränge war es nicht erkennbar.

»Ja, genau so ist es! Ich bin friedlich heute.«

»Dann komm hier herüber, Harold!«

Er drehte den Kopf und erkannte ganz in der hintersten Ecke der Kantine, wo die Beleuchtung am schwächsten war, seine Freunde.

Nyman zwängte sich durch einen dichten Pulk ziemlich angetrunkener Techniker. Alle scherzten, einer verpasste ihm sogar einen Hieb in die Rippengegend. Und alles nur, weil Gundula Jamar, die Kommandantin der CASSIOPEIA, heute der halben Besatzung dienstfrei gegeben hatte.

Noch immer warteten sie auf Heleios, der neuen Basiswelt der Widder, untätig ab. Schon seit Wochen tat sich nichts. Das Schiff stand völlig ungefährdet am Ort.

Nyman rieb sich an der Stelle, wo er den Hieb erhalten hatte. Man sollte sich nicht mit Betrunkenen einlassen, dachte er. Aber was sonst? Er würde bestimmt nicht in die Zentrale gehen und Gundula Gesellschaft leisten. Nein, darauf konnte er verzichten.

Irgendwie fühlte er sich eingeschlossen – wie in einem Sarg aus Ynkenitblech, Kunststoff und Energie. Vielleicht war er urlaubsreif? Nyman dachte sehnsüchtig an die Erde, an warme Karibikstrände mit genau den Gerüchen und optischen Reizen, die er als Mensch nun einmal brauchte.

Aber die neuen Herrscher der Milchstraße hatten nicht nur die ganze Galaxis abgeriegelt, sondern auch Terra selbst.

Kinder. Ihm wurde bewusst, wie sehr er an Bord der CASSIOPEIA Kinder vermisste. Was zuerst ausgesehen hatte wie ein normaler Einsatz, wurde zur jahrelangen Reise.

Aber manchmal fühlte er sich auch ganz anders. Dann erwachte in ihm der Abenteurer.

Dann war die CASSIOPEIA ein perfektes Instrument, mit dem er auf große Fahrt gehen konnte.

»Harold! Du Träumer! Komm schon her zu uns! Erkennst du deine Freunde nicht mehr?«

Ach ja, dachte er. Da saßen sie: Nadja Hemata mit ihrem Puppengesicht und dem zierlichen Körper. Gulliver Smog, der schwergewichtige, hochgewachsene Kanonier mit seinem derben Gelächter. Außerdem noch Tyly Chyunz, der Blue.

Tyly schwärmte immer von den Wundern ESTARTUS, die er als Vironaut gesehen hatte. Manchmal hörte er überhaupt nicht wieder auf. Und das bei der schrillen Stimme.

»Na«, fragte nun Nadja fröhlich, »was ist denn los mit unserem Kommandanten? Kopfschmerzen? Angst vor den Cantaro? Oder was?«

»Harold braucht Ablenkung!«, rief Smog lauthals in den Lärm. »Er hat bestimmt seinen traurigen Tag. Wir müssen ihm helfen, was meint ihr?«

»Nicht so hastig, das ist ein Risiko«, zirpte der Blue. »Am besten nicht ansprechen. Seid bloß vorsichtig.« Sein langer Hals wackelte alarmierend. Vor seinem Platz stand eine halbe Karaffe voll terranischem Synthotee. Nyman hatte ihm tausendmal gesagt, er solle von dem Zeug die Finger lassen. Blues vertrugen nicht dasselbe wie Menschen.

»Da hat er nicht unrecht.« Nadja sah Harold misstrauisch an. »Erinnert ihr euch an den Tag, als er zuletzt diese Phase kriegte?«

»Klar doch!«, rief Smog. »Zuerst eine Zeitlang Trübsal. Dann plötzlich kam die Sache mit der BASIS dazwischen. Mit einem Mal war unser Harold der Kommandant über diesen Trümmerhaufen.«

»Blöder Scherz.« Nyman wollte die Geschichte nicht mehr hören. »Ich konnte doch nichts dafür.«

Er erinnerte sich, wie es gewesen war: In den Wirren nach dem DORIFER-Schock hatte die Hamiller-Tube den Verstand verloren. Sie hatte die BASIS zerlegt und gegen alle Plünderer von außen verteidigt. Und ausgerechnet er, Harold Nyman, war als erster Terraner danach an Bord gekommen.

Heute lagen die Dinge anders. Die Hamiller-Tube funktionierte wieder, die BASIS hatte man aus den Bruchstücken rekonstruiert. Trotzdem betrachtete die Tube ihn nach wie vor als Kommandanten.

»Was wohl dieses Mal passiert?«, fragte sich Nadja mit falscher Sorge.

Harold Nyman sah seine Freunde missmutig an. »Ihr seid ja nicht ganz klar«, warf er ihnen vor. »Ich kann euch nicht folgen. Was wollt ihr überhaupt?«

»Das ist im Grunde leicht«, gab Nadja zurück. »Jetzt hat uns Gundula schon mal frei gegeben. Zum ersten Mal seit Monaten! Klingelt bei dir nichts?«

Nyman dachte angestrengt nach. Am Ende mochte er nicht mehr widerstehen. Durst oder nicht, die Atmosphäre wirkte trotz aller Niedergeschlagenheit ansteckend. »Wenn ihr meint. Na gut.«

Gulliver Smog fischte zielsicher einen Stuhl aus dem Gewühl und setzte ihn vor Nyman ab. »Komm schon, Harold! Bevor sich Gundula etwas für dich einfallen lässt!«

Resigniert nahm Nyman Platz. Vielleicht sollte er die Dinge klaglos hinnehmen – so wie die anderen. Man fuhr einfach sehr viel besser damit.

 

*

 

Als er aufwachte, schien sich jedes Ding in der Kabine um Nyman zu drehen. Der ganze Raum war ein riesiger, brummender Kreisel.

Dann aber kam die Erinnerung.

»Verdammter Blue«, murmelte er. »Ich hätte seinen Tee lieber nehmen sollen.« Nyman ließ den Zimmerservo ein Kopfschmerzmittel bringen und schluckte es mit Wasser. Sekunden später war ihm besser. Er stand auf und warf einen Blick in den Spiegel.

Das Gesicht sah völlig verquollen aus.

Er kniff die Augen zusammen und fletschte die Zähne. Wenn das kein fürchterlicher Anblick war – Nyman wäre fast vor sich selbst erschrocken. Seufzend stellte er sich in die Nasszelle und wusch den getrockneten Schweiß vom Körper.

In zehn Minuten begann sein Dienst. Die Zeit reichte gerade noch für ein kleines Frühstück. Eilig bestellte er Vollkorntoast mit etwas, das wie Eiter aussah, aber hervorragend schmeckte. Schließlich gab es nicht nur Terraner in der ehemaligen Tarkan-Flotte; also gewöhnte man sich an einiges, was sonst nur Blues oder andere Extraterrestrier aßen.

In den Gängen begegnete ihm kaum ein Mitglied der Besatzung. Wer es sich erlauben konnte, war nach der kleinen Party vom Vortag sicher im Bett geblieben. Nun ja, der Bordalltag ging weiter, und so schnell würde es keine zweite Party geben.

Die CASSI-2 war eine kleine Space-Jet. Dort wollten sie sich treffen.

Im Hangar traf er Nadja, die mindestens ebenso schlimm aussah wie er selbst.

»Guten Morgen.«

»Gleichfalls.«

»Nicht sehr gesprächig heute?«

»Sollte ich?«, fragte er gequält zurück. »Nach dem Abend ...«

»Schon gut. Wir haben ja den ganzen Tag Gelegenheit, uns zu erholen. Im Dienst, versteht sich.«

Gulliver Smog war bereits anwesend. Dem Kanonier und Xenologen war nichts weiter anzusehen. Seine hundertzehn Kilo Lebendgewicht verdauten jede Anstrengung spielend leicht. Jedenfalls verhielt sich »der Ertruser« noch wie gewohnt, schweigsam nämlich.

Tyly Chyunz traf etwas später ein, während mit Norman Speck heute nicht zu rechnen war. Der Linguist tat in der Zentrale Dienst.

»Alle Stationen in Ordnung?«, fragte er.

Die Meldungen kamen routinemäßig. Ebenso routiniert meldete er an den Schiffssyntron Bereitschaft weiter. Sollte etwas geschehen, was auch immer, die CASSI-2 wäre einsatzfähig.

Sekunden später schrillte der Interkom.

»Was denn jetzt?«, murmelte Nyman böse. Er hatte sich gerade einen zweiten Sessel herangezogen und die Beine hochgelegt.

Ein zweites Schrillen. »Du musst dich schon melden, Harold«, sagte Nadja mit schrägem Lächeln.

»Na gut. – Hier CASSI-2, Kommandant Harold Nyman.«

Dann erkannte er, wer am anderen Ende der Leitung war, und bereute sogleich seine zögerliche Haltung.

»Hier Gundula!«, rief eine strenge Stimme. »Was hat das zu bedeuten, Harold? Ich sehe schon! Du warst auf dieser Festivität gestern, die ich dummerweise genehmigt habe. Wie konnte ich ahnen, dass mein wichtigster Beibootkommandant sich zu so etwas hergibt?«

»Aber Gundula ...«

»Geschenkt! Du solltest lieber daran denken, wie du dich in Form bringst. Ich will dich in fünf Minuten sprechen. Hier in der Zentrale!«

Plötzlich war die Verbindung unterbrochen.

Nyman sah in die Runde, doch sowohl Nadja Hemata als auch Gulliver Smog zuckte mit den Achseln. Niemand wusste Bescheid. Er hatte keine Wahl, als sich zu beeilen und die Kommandantin selbst zu fragen.

 

*

 

»Einen traurigen Anblick bietest du, Harold Nyman.«

Sie umkreiste ihn wie ein Haustier, das man ihr verkaufen wollte.

»Tut mir leid, Gundula. Zur Sache, was ist los?«

»Nicht so hastig.« Mit einem Mal war ihr Tonfall frostig. »Wie kommt es nur, dass er ausgerechnet dich will? Dich und die anderen ... Waren Tyly, Nadja und Gulliver etwa auch dabei?«

»Wovon sprichst du?«

»Kein Wort mehr! Ich kann es mir schon denken.«

Nyman setzte sich unaufgefordert und ließ ihren missbilligenden Blick an sich abprallen. »Gundula, wenn du mit mir reden willst, drücke dich bitte verständlich aus. Sonst hätte ich nicht extra herkommen müssen.«

Eine Sekunde lang schien die Kommandantin schockiert. Dann jedoch erschien ein dünnes Lächeln in ihrem kantigen, etwas maskulinen Gesicht. »Du hast recht, Harold. Aber erwarte bloß nicht, dass ich mich entschuldige.«

»Kein Gedanke, Gundula. Erzähle mir nur, weshalb du mich gerufen hast.«

»Das ist eine sonderbare Geschichte. Ich frage mich wirklich, wie sie zustande kommt. Vor einer Stunde haben wir einen Funkspruch erhalten. Er kommt von einem Asteroiden namens Campbell und ist mit Perry Rhodan unterzeichnet.«

»Ach! Was will er? Hat es mit mir zu tun? Soll ich jetzt das Kommando über die BASIS übernehmen?«

Gundula Jamar sah ihn an, als sei sie erschrocken über so viel Dreistigkeit. »Lächerlich«, sagte sie dann. »Im Augenblick bist du nicht mal fit genug, die CASSI-2 zu kommandieren.«

»Darum geht es also nicht.«

»Leider kann ich es nicht mit Sicherheit ausschließen, das gebe ich zu. Du scheinst bei Rhodan gut angeschrieben zu sein. Ich habe nämlich eine Anforderung erhalten. Die CASSIOPEIA soll sich auf den Weg nach Campbell machen; Campbell ist der Name eines Asteroiden. Deine Person ist gefragt. Rhodan will Nadja, Gulliver, Tyly und dich in einen Einsatz mitnehmen.«

»Mitnehmen? Er selbst ist auch dabei?«