cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Erinnerungen

11. Februar 1463 NGZ

6:18 Uhr

6.50 Uhr

7.38 Uhr

11:08 Uhr

13:12 Uhr

13:53 Uhr

15:28 Uhr

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2542

 

Shandas Visionen

 

Brennpunkt Stardust-System – das Unheimliche erscheint

 

Hubert Haensel

 

img2.jpg

 

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Als die Terraner die Transport-Technologie sogenannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt allerdings die Frequenz-Monarchie auf den Plan; sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof.

Mit roten, kristallähnlichen Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox und ihre Darturka vor, und es bedarf großer Anstrengungen, sie aufzuhalten – denn der eigene Tod scheint für den Gegner keine Bedeutung zu haben. Die Darturka sind Klonsoldaten und die Vatrox verfügen über Wege der »Wiedergeburt« auf den sogenannten Hibernationswelten, von denen die meisten sich in der Galaxis Andromeda befinden. Daher schmieden Perry Rhodan und Atlan ein Bündnis mit den Völkern dieser Galaxis gegen die Frequenz-Monarchie.

Auch das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System, auf dessen Welten eine selbstständige terranische Kolonie heranwächst, wird von der Frequenz-Monarchie bedroht. Neben den Vatrox und Darturka sind auch die Jaranoc dort aktiv, die dem Erzfeind der Frequenz-Monarchie dienen. Werden die Terraner zwischen diesen beiden Gefahren aufgerieben? Mehr darüber verraten womöglich SHANDAS VISIONEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Shanda Sarmotte – Eine junge Frau versucht, sich in der Gemeinschaft der Stardust-Terraner durchzuschlagen.

Vorremar Corma – Der Siganese und ehemalige Administrator folgt einer neuen Spur.

Huslik Valting – Der Archäologe begleitet seinen siganesischen Freund.

Erinnerungen

 

Die schroffe Felskante sprang ihr entgegen. Shanda setzte sich im Sessel des Copiloten steif auf; ihre Finger krampften um die Armlehnen, als wolle sie jäh in die Höhe springen.

Sie lachte hell.

»Ja – weiter so! Noch schneller!«

Der Gleiter fegte dicht über die scharfen Grate hinweg und wirbelte eine gigantische Wolke aus Pulverschnee auf. Für Shanda wirkte es, als müsse ganz Oramon in der aufstiebenden weißen Pracht versinken.

Der Gipfelkamm war längst nicht mehr zu sehen. Shanda Sarmotte ließ sich wieder zurücksinken. Hastig klatschte sie in die Hände. Sekunden vergingen, Zeit für ein bebendes Atemholen, dann huschte ihr Blick unruhig suchend durch die schroffe Bergwildnis.

»Dort!«

Aufgeregt deutete die junge Frau zu den schneebedeckten Fünftausendern, die soeben in Sicht kamen.

Der Himmel war wolkenlos. Grell brannte die Sonne Stardust nahezu aus dem Zenit herab. Die aufgerissenen Gletscherzungen am Rand der Steilhänge erschienen wie riesige Tropfen.

Überhaupt: Alles ringsum wirkte mit einem Mal leblos. Tot. Wie konserviert. Sogar die Zeit schien in der klirrenden Kälte gefroren zu sein.

Shanda schlug die Hände vors Gesicht und schloss die Augen, spürte der Bewegung des Gleiters nach. Wie ein sanftes Wiegen erschien ihr der Flug jetzt, nicht viel anders, als treibe sie daheim in der sanften Dünung der Alango-Bay. Aber dort am Strand tobten die Leute aus halb Stardust City: zu laut, zu wild, zu hektisch. Wie herrlich war dagegen die Ruhe hier auf Katarakt.

Der Gleiter stieg weiter in die Höhe und beschleunigte.

Obwohl jede Bewegung von den Geräten gedämpft wurde, von ... vom ... Ihr fiel das richtige Wort nicht ein, der Name dieses armlangen Aggregats, das angeblich verhinderte, dass ihr übel wurde.

Dieses Ding aus Metall mit den kantigen Stummelfortsätzen, das wusste sie genau, war auch tatsächlich so lang wie ihr ausgestreckter Arm. Sie hätte seine Form beschreiben können, das schon. Aber sie schaffte es nicht, den Namen aus ihrem Gedächtnis heraufzubeschwören. Shanda verdrehte sich fast die Zunge bei dem Versuch, das Wort trotzdem auszusprechen. Ein eigenartiges Stöhnen wurde daraus.

»Ist dir nicht gut, Kleines?«, fragte Miranda hinter ihr. »Soll Vater zurückfliegen? Sag bitte rechtzeitig, sobald es dir zu viel wird! Wir ...«

Shanda schüttelte heftig den Kopf. Ihre Mutter hatte sich von Anfang an gegen diesen Ausflug gesträubt. »Du solltest dich stattdessen anstrengen, Shanda. Versuche wenigstens, das Meiste von dem zu verstehen, was du lernen musst. Wenn du das nicht schaffst, wirst du es eines Tages schwer haben. Wir leben im Stardust-System keineswegs im Paradies ...«

Ich lerne. Ich weiß, wie dieses ... dieses Ding aussehen muss, das mich hier im Gleiter schützt.

Shanda wimmerte leise. Weil sie sich über sich selbst ärgerte. Je mehr sie sich bemühte, desto fremder erschien ihr das Wort. Es lief vor ihr davon, versteckte sich geradezu in ihren Gedanken. Hier bin ich!, rief es lockend. Du musst mich suchen! Warum tust du das nicht?

»Wenn dir der Flug keinen Spaß mehr macht, Kind ...« Vaters Stimme erklang plötzlich neben ihr.

»Doch, doch ...!«, stieß die Siebzehnjährige bebend hervor. »Flieg weiter! Bitte!«

Sie musterte Jason von der Seite und war enttäuscht, dass er nicht zu ihr schaute. Immerhin lächelte er. Shanda sah die feinen Falten um seine Augenwinkel, das lustige Zucken seiner Lippen – und irgendwie glaubte sie zu spüren, dass Jason der Flug über das Hochgebirge nicht weniger Spaß bereitete als ihr.

Schroffe Felswände ragten vor dem Gleiter auf. Goldfarben flammten sie im Widerschein der Sonne, das Spiel von Licht und Schatten hauchte ihnen pulsierendes Leben ein.

Übergangslos fiel der Gleiter in die Tiefe.

Shanda schnappte erst nach Luft, dann jauchzte sie vergnügt. Es war wie früher, vor zehn, zwölf Jahren, als ihre Eltern beinahe jedes Wochenende mit ihr in einem der Freizeitparks auf Avateg verbracht hatten. Sie hatte von der schnellen Abwechslung nie genug bekommen – das war vielleicht die einzige wirkungsvolle Ablenkung.

Damals wie heute.

Aber davon wusste nur sie selbst, weil das niemanden etwas anging.

 

*

 

Der Gleiter fiel immer noch. Hinter Shanda erklang das furchtsame Stöhnen ihrer Mutter. Ein hörbar mühsames Atemholen wurde daraus, als Jason ruckartig die Maschine nach oben zog.

Runter, rauf, runter ... Wie ein Vogel fliegen. Danach fühlte sich Shanda immer herrlich leicht und unbeschwert, weil alles andere bedeutungslos wurde. Aber wenn jetzt nicht bald der Absorber einsetzte ...

Sie stutzte. Genau das war das Wort: Absorber.

»Ich weiß es doch«, murmelte sie triumphierend. »Ich kann's nicht einfach vergessen haben ...«

»Was?« Ihr Vater warf ihr einen kurzen Blick zu.

»Ab-sor-ber«, sagte Shanda betont deutlich und stolz auf sich selbst.

»Was ist mit dem Absorber?«

»Nichts. Gar nichts. Einfach nur so.«

Sie spürte Jasons Unruhe. Ebenso seine Enttäuschung. Er fragte sich, was er in all den Jahren falsch gemacht hatte, und seine Empfindungen wurden erschreckend stark. Am schlimmsten empfand Shanda sein Selbstmitleid.

»Schluss damit!«, wollte sie aufbegehren. »Du tust mir weh.«

Mehr als ein Seufzen brachte sie nicht hervor. Sie fror plötzlich, zog die Arme überkreuzt an den Oberkörper und grub die Fingerspitzen in ihre Schultern. Als ein Handgelenk an ihr Kinn drückte, biss sich Shanda in den Unterarm. Der feine Schmerz ließ ihre Benommenheit nicht mehr weiter anschwellen. Sie biss fester zu, bis sie schon glaubte, ihr Blut zwischen den Zähnen zu schmecken.

Mutters Hand griff von hinten nach ihr.

»Hör auf damit, Shanda! Deine Tagträumereien sind das eine, aber wenn du dich selbst verletzt ...«

Shanda spürte die Verzweiflung wie eine Springflut, in der sie ertrank.

»Ich werde nicht länger zusehen! Jason und ich konsultieren einen Psychotherapeuten. Das hätten wir schon vor Jahren tun sollen. Er muss uns helfen, dass du deine Schwierigkeiten endlich in den Griff bekommst.«

Shanda schaffte es nicht, sich den heftigen Emotionen ihrer Mutter zu entziehen. Zudem spürte sie die Enttäuschung ihres Vaters. Alles in ihr verkrampfte. Es war immer so: erst diese schrecklichen Empfindungen, gegen die sie keine Abwehr besaß, dann das dröhnende Summen in den Ohren, das den ganzen Körper erfasste, bis er zitternd versteifte.

Der Gleiter stieg nicht weiter in die Höhe. Shanda starrte aus weit aufgerissenen Augen nach draußen. Doch das Panorama der schneebedeckten Gipfel verwischte für sie in trübem Dunst. Sie nahm schon nicht mehr wahr, was sie sah, weil die Unsicherheit ihrer Eltern intensiver als jemals zuvor spürbar wurde.

Obwohl Shanda erbärmlich fror, brach ihr der Schweiß aus allen Poren. Zitternd krümmte sie sich zusammen.

»Sie kollabiert!«

Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme ihres Vaters. Seine Besorgnis, die sie für einen Moment zu erkennen glaubte, schlug um in distanzierte Sachlichkeit. Enttäuschte Hoffnung und eine Ablehnung, die ihr Angst machte.

»Sie hat sich den Arm aufgebissen!«, rief Miranda zornig. »Es wird immer schlimmer, Jason. Warum tut sie das?«

Shanda bemerkte einen Schatten über sich, spürte Zorn und Verzweiflung und riss abwehrend die Arme hoch. Und sie schrie, als zwei kräftige Hände ihre Handgelenke umklammerten.

»Sei still!«, herrschte ihre Mutter sie an. »Führ dich nicht so auf; es gibt keinen Grund dafür!«

Shanda schrie noch lauter, entsetzt von den Bildern, die über sie hereinbrachen. Sie glaubte, Roboter zu sehen. Maschinen, an die sie angeschlossen wurde. Alles um sie herum wirkte fürchterlich steril ...

»Ich ... bin nicht ... krank!« Jedes Wort würgte Shanda hervor. »Ich will keine Untersuchungen!«

Jason musterte sie ungläubig. Sein Gesicht war bleich, beinahe eine abstoßende Grimasse. Shanda ertrug seinen bohrenden Blick kaum. Sie warf den Kopf von einer Seite zur anderen und schaffte es nicht, innezuhalten.

»Niemand hat gesagt, du wärst krank, Kind.«

»Du ...!«, keuchte sie. »Du fühlst es doch, du ...«

Der Magnetgurt straffte sich über ihren Körper, Miranda hatte den Mechanismus betätigt. Shanda spürte, dass ihre Mutter aufatmete.

»Kannst du Gedanken lesen? – Es ist so, oder? Hast du noch andere Kräfte?« Jason sträubte sich, ihren Namen auszusprechen. Als sei sie ihm unheimlich. »Natürlich hast du besondere Kräfte. Wenn nicht ... wäre alles umsonst gewesen.«

Nachdem der Gurt sie hielt, ließ Miranda ihre Arme wieder los. Mit beiden Händen griff sie nach Shandas Kopf, streichelte ihre Schläfen, die Wangen. Mirandas plötzliche Zärtlichkeit hatte etwas völlig Unerwartetes. Sie hauchte ihrer Tochter einen Kuss aufs Haar.

»Es kann gar nicht anders sein, Kind. Du bist etwas Besonderes – und ich glaube, du weißt das selbst.«

Shanda reagierte nicht darauf. Sie bemühte sich, wieder ruhiger zu atmen und den Aufruhr in ihrem Körper zurückzudrängen.

»Unsere Tochter kann nicht einfach ›naiv‹ oder ›einfältig‹ sein.« Jasons Stimme klang so rau, wie seine Empfindungen in dem Moment waren. Er wehrte sich gegen eine Erkenntnis, die nicht in seine Welt passte und die er längst tief in sich begraben hatte. »Das wäre unlogisch, darüber waren wir uns von Anfang an ...«

»Sei still!«, fauchte Miranda. »So kannst du nicht reden. Sie muss nicht unbedingt begreifen, warum wir zusammen ...«

Shanda spürte, dass ihre Mutter verkrampfte.

»Kannst du besser mit ihrer Einfältigkeit umgehen?«, fuhr Jason auf. »Wir hätten längst dagegen einschreiten müssen. Aber deine ewige Hinhaltetaktik ...«

»Wieso der Funkenregen ausgerechnet dich getroffen hat, war mir stets ein Rätsel. Kümmere dich um den Gleiter, Jason, und lass mich in Ruhe mit unserer Tochter reden.«

Miranda stützte sich auf die Rückenlehne des Copilotensessels auf. Ein Hauch mühsam erzwungener Ruhe umgab sie. Shanda zwang sich, den Kopf in den Nacken zu legen und aufzusehen. Völlig verwirrt begegnete sie dem Blick ihrer Mutter.

Sie waren einander sehr ähnlich. Dasselbe schmale Gesicht, die grünbraunen Augen, das glatte dunkelbraune Haar. Nur war Shanda ganze sechs Zentimeter größer als ihre Mutter.

Ein Meter vierundsiebzig, entsann sie sich. Ich war immer groß für mein Alter, aber inzwischen bin ich es nicht mehr.

Sekundenlang blickten sie einander an. Shanda schaute unbewegt in die Höhe – und war überrascht, als ihre Mutter unvermittelt auswich. Als hätte Miranda nicht die Kraft, dem Blick standzuhalten.

»Deine Geburt kam drei Wochen nach dem Termin ...«, sagte sie leise und so zögernd, beinahe widerwillig. »Auch später lief deine Entwicklung verzögert ab. Erst mit achtzehn Monaten hast du angefangen, die ersten unverständlichen Worte zu sprechen; noch mit drei Jahren konntest du keinen vollständigen Satz bilden. Als hättest du nie das Bedürfnis verspürt, dich zu verständigen.«

Shanda schwieg, und Miranda sah weg.

»Andererseits konntest du schon mit sieben Monaten allein laufen.«

Aus Shandas Unterbewusstsein stiegen Erinnerungsfetzen auf. Sie hatte stets gespürt, was die Menschen in ihrer Nähe beeindruckte. Das Staunen und die Zustimmung, sobald sie sich schwankend aufrichtete, hatten sie angespornt. Alles um sie herum war dann von einer guten Stimmung erfüllt gewesen.

»Deine Pubertät hat sehr spät eingesetzt. Und ich glaube, der Entwicklungsschub hat dich weiter verändert. So ist es doch, oder?«

Shanda konnte ihr zögerndes Nicken nicht unterdrücken, während sie die Worte sorgfältig wegschloss, die in ihre Gedanken drängten. Ja, in den letzten Jahren war alles schlimmer geworden. Sie spürte Dinge, die andere nicht wahrnehmen konnten, und diese Vorfälle quälten sie. Aber sie machten zugleich neugierig. Deshalb redete Shanda nicht darüber. Ihr Leben ging niemanden etwas an.

»Dein Vater und ich haben nie versucht, deine Entwicklung zu beeinflussen. Weil wir immer sicher waren, dass du hochbegabt sein musst.«

»Vielleicht war das ein böser Fehler!«, sagte Jason heftig.

Die Lippen zusammengepresst, starrte Shanda nach draußen. Die Einsamkeit der Berge war idyllisch, nicht im Geringsten vergleichbar mit dem emotionalen Chaos auf Aveda. Stardust City wirkte seit jeher beklemmend auf sie.

 

*

 

»Wie lange willst du eigentlich schweigen?«, fragte Jason heftig.

Shanda sah auf die Berge hinaus. In Gedanken summte sie eine Melodie, die sie erst vor Kurzem gehört hatte.

Winzige Schatten am Horizont entpuppten sich schnell als ein Schwarm großer vogelähnlicher Geschöpfe. Shanda mochte Tiere. Aufmerksam schaute das Mädchen den Wesen mit den lederhäutigen Schwingen entgegen. Sie schienen geschickte Flugkünstler zu sein. Offensichtlich neugierig kamen sie in großer Zahl näher und umkreisten den Gleiter.

Jason stieß eine Verwünschung aus.

»Das Leben ist härter, als du es dir vorstellen kannst, Kind. Miranda und ich müssen endlich wissen, was mit dir los ist. Streng dich an, verdammt – und spiel nicht immer die Einfältige!«

»Jason!«, rief Miranda empört. »So machst du alles viel schlimmer!«

»Ach, das geht?« Er lachte heiser. »Unsere Tochter wird nie begreifen, dass das Leben eine Herausforderung ist. Womöglich ist sie gar nicht in der Lage, solche Feinheiten überhaupt zu verstehen ...«

Shanda ertrug es nicht mehr. Mit beiden Fäusten schlug sie auf die Armlehnen.

»Hört auf!«, schrie sie. »Hört endlich auf damit ... ich mag das nicht!«

»Glaubst du, mir ergeht es besser?«, erwiderte Jason frostig.

Dumpf klatschte etwas gegen die Frontscheibe. Shanda sah die zuckenden Fänge eines der großen Flugwesen über das Glassit schrammen. Die ausgebreiteten Schwingen wurden zusammengestaucht und zerfetzten geradezu.

Weitere Tiere griffen an. Shanda zuckte heftig zusammen, als ein kantiger Schnabel neben ihr auf den Ausstieg einhackte.

Der Gleiter sackte ab.

»Ich gehe runter!«, kommentierte Jason. »Jedes dieser Biester hat eine Spannweite halb so groß wie unsere Maschine. Keine Ahnung, weshalb sie uns attackieren. Vielleicht sind wir ihren Nestern zu nahe gekommen.«

Der Gleiter zog sehr nahe an den schroffen Felsen vorbei. Über einer Steilwand kreisten unzählige der Tiere.

Eine heftige Erschütterung durchlief das Fahrzeug.

Shanda hörte ihren Vater eine Verwünschung ausstoßen. Er war aufgeregt. Ungehalten. Irgendetwas geriet außer Kontrolle.

Im nächsten Moment neigte sich der Gleiter zur Seite, die zerklüfteten Vorsprünge kamen bedrohlich nahe. Dann schrammte die Maschine mit ohrenbetäubendem Kreischen über den Fels.

Shanda presste beide Hände auf die Ohren, doch davon wurde nichts besser.

Der Gleiter taumelte wie ein Blatt im Herbststurm.

Sekunden später schlug er auf.

Shanda wurde gegen den Magnetgurt gepresst, ihr Kopf flog nach vorn und krachte einen Moment später zurück an die Lehne. Sie fühlte Benommenheit, der Lärm rückte in weite Ferne.

War das der Tod?

Sie spürte keine Angst, nur Neugierde.

Nichts in unserer Welt kann verloren gehen, alles verändert nur seine Form. Energie stabilisiert sich zu Materie; Materie zerfällt zu Energie. Aber jedes Quant bleibt erhalten.

Wenn sie sich auch längst nicht alles merken konnte, diese Sätze hatte sie behalten. Möglich, dass sie den Sinn falsch verstand, dass die Aussage völlig anders gemeint war. Aber dann war das ihre eigene Wirklichkeit, eine beruhigende, versöhnlich erscheinende Welt.