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Fabian von Poser

Reportage Namibia

Fabian von Poser

Reportage Namibia

Durch die Augen des Geparden

Picus Verlag Wien

Copyright © 2010 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
3., überarbeitete Aufage 2017
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
Umschlagabbildung: © Fabian von Poser
ISBN 978-3-85452-975-0
eISBN 978-3-7117-5040-2

Informationen über das aktuelle Programm
des Picus Verlags und Veranstaltungen unter
www.picus.at

Fabian von Poser, geboren 1969 in Hamburg, wuchs in München auf. Während des Studiums der Geschichte und der spanischen Sprachwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität arbeitete er bei der »Süddeutschen Zeitung«. Heute schreibt er als freier Autor für zahlreiche nationale und internationale Tageszeitungen und Magazine. Schon früh entdeckte er seine Liebe zu Afrika. Für seine Reportagen bereiste er Namibia fast drei Dutzend Mal. Im Picus-Verlag erschienen bereits seine Bände zu Argentinien, Abu Dhabi und aktuell zu Kamerun.
www.fabianvonposer.com

Inhalt

Kaiser Wilhelms vergessene Schlachtrösser

In der Dürre der Namib-Wüste leben die einzigen Wildpferde Afrikas – sie stammen von Tieren ab, die vor mehr als hundert Jahren von der deutschen Schutztruppe zurückgelassen wurden

Die große Welt der kleinen Fünf

Eine Reise zu den winzigen Bewohnern der Namib-Wüste zwischen Swakopmund und Walfish Bay

Bismarck, Jugendstil und Apfelkuchen

Swakopmund gilt als deutscheste Stadt südlich des Äquators. Doch viele Bewohner wollen aufräumen mit dem kolonialen Image

Der Widerspenstigen Zähmung

Eine Trekkingtour mit Maultieren durch den Fish River Canyon gibt nicht nur Einblicke in beeindruckende Landschaften, sondern auch in das unergründliche Seelenleben der Tiere

Namibias neue Gaumenfreuden

Noch vor wenigen Jahren galt Namibias Küche als nicht sehr einfallsreich. Doch das hat sich geändert, denn derzeit erfinden sich Namibias Köche neu. Ein Streifzug durch den Hort des guten Geschmacks

Die Wüste brüllt

Im Nordwesten Namibias leben die letzten Wüstenlöwen der Namib. Noch vor zehn Jahren waren sie vom Aussterben bedroht. Neuerdings nimmt ihre Zahl wieder zu

Zwischen Himmel und Erde

Sechs Tage, sechzehn Autos und sechshundert Kilometer Sand: Eine abenteuerliche Reise von Lüderitz nach Walfish Bay, einmal quer durch das Diamantensperrgebiet und zu den röhrenden Dünen der Namib

Bilderbuch der Steinzeit

Der Brandberg ist ein Spiegel der Evolutionsgeschichte. Und er birgt einen unermesslichen Kulturschatz – Zehntausende prähistorische Felsmalereien

Die Hüter des heiligen Feuers

Die Himba sind die letzten Nomaden Namibias. Ihr Vermächtnis sind jahrhundertealte Rituale, ihr Leben der Kontakt zu den Ahnen. Doch ihr Lebensraum ist in Gefahr

Am Himmel über der Wüste

Mit dem Kleinflugzeug an die windumtoste Skelettküste im unzugänglichen Nordwesten Namibias und ins Grenzland zu Angola

Eine Kaffeetasse für die Helden

In Namibias Hauptstadt Windhoek hat man sich von Nordkoreanern ein pompöses Museum bauen lassen, das Namibias Weg zur Unabhängigkeit beleuchten soll. Doch nicht alle finden das gut

Mugabes Schatten

In Namibia sollen weiße Farmer enteignet werden – zugunsten der schwarzen Bevölkerung. Wird Namibia ein zweites Simbabwe?

Kaiser Wilhelms vergessene Schlachtrösser

In der Dürre der Namib-Wüste leben die einzigen Wildpferde Afrikas – sie stammen von Tieren ab, die vor mehr als hundert Jahren von der deutschen Schutztruppe zurückgelassen wurden

Wenn der Morgen noch jung ist, die Sonnenstrahlen noch Farbe tragen, die Stille der Nacht sich mit den Geräuschen des anbrechenden Tages vermengt, wenn die Luft noch nicht verbrannt riecht, sich die Wüste, eben noch dunkel, erst in einen purpurroten, dann in einen rosafarbenen, später in einen zimtfarbenen und schließlich in einen honiggelben Teppich aus Sand verwandelt: In jener zauberhaften Stunde, da sich das Tageslicht wie Gold über die Dünen wirft, sich alle Farben, die die Wüste tragen kann, für Momente übereinanderlegen, und Ocker und Bernstein und Gelb und Gold sich zu einem warmen Farbton vermischen, ist es Zeit für Piet Swiegers, aus dem kleinen Unterstand herauszutreten und in die Namib hinauszuspazieren.

Dann schnürt der Zweiundfünfzigjährige seine Stiefel, greift sein Fernglas und schreitet hinaus ins Nichts. Es ist ein Nichts, das endlos zu sein scheint und weit, ein Nichts, das durch nichts begrenzt ist, außer durch sich selbst. Hin und wieder späht Swiegers durch sein Fernglas, durchfurcht die Ebene mit den Augen wie mit einem Rechen, sucht sie ab, die leicht gewellten Hügel und die Flanken des Dikken Willem, dessen gewölbte Rundung sich wie ein aufgeplusterter Bauch über die Ebene erhebt. Und immer, fast immer, wird Swiegers zu dieser Stunde fündig. »Da sind sie«, haucht er dann so sanft wie der Wind im Wüstensand.

Piet Swiegers kennt diesen Ort seit seiner Kindheit. Seit 1983 genauer gesagt, als sein Vater eine Farm nahe dem unweit gelegenen Örtchen Aus kaufte. Seitdem ist er immer wieder hierhergekommen, hat Stunden, Tage, ja Wochen hier verbracht. Wahrscheinlich hat er mehrere Monate in der Wüste gewartet und gespäht. Waren, wie so oft um diese Uhrzeit, noch keine Touristen unterwegs, war er mit sich und der Wüste und den Tieren ganz allein, dann ist er mit dem Fernglas hinausgegangen in die Namib, um ihre Ankunft abzupassen. Den Zauber dieser frühen Stunde, wenn die Pferde nach ihren nächtlichen Wanderungen an die Tränke kommen, wenn sie durstig, ausgemergelt und gierig nach Wasser zurückkehren zu ihrem Lebensspender, fühlt Swiegers heute noch wie am ersten Tag. »Wunderschön, was?«, sagt er mit leiser Stimme, so als wollte er die Ruhe der Wüste nicht stören. »Als Kinder«, sagt Swiegers, »sahen wir im Vorbeifahren oft nur ihre Schatten im Wüstensand. Damals nannten wir sie nur Geisterpferde.«

Wer den Moment ihrer Ankunft erlebt, diesen erhabenen Augenblick, in dem die Pferde quasi aus dem Nichts auftauchen und sich mit schabenden Schritten an die Tränke bewegen, der kann es bestätigen. Wenn die Sonne golden über dem Horizont hängt, die Mähnen der Tiere auf- und abwogen. Swiegers nimmt erneut sein Fernglas und bekräftigt es noch einmal: »Sie kommen.« Die ersten Tiere sind jetzt mit bloßem Auge zu erkennen. Erst sind es nur wenige, dann, ganz langsam, werden es immer mehr. Ein Dutzend, vielleicht fünfzehn Pferde setzen behäbig Huf vor Huf. Träge trotten sie durch das Nichts. Kein Geräusch, kein Mensch, kein anderes Tier stört die Ruhe.

Bis sich zwei Hengste wie Scherenschnitte aus der Gruppe schälen. Mit bedächtigen Schritten bewegen sie sich aufeinander zu. Ihre Mähnen schimmern im Sonnenlicht, die Hufe knirschen im Sand. Nur noch wenige Meter sind sie voneinander entfernt. Erst sieht es so aus, als würden sie sich friedlich begegnen. Dann steigt plötzlich eines der beiden Tiere hoch, stellt sich drohend auf die Hinterläufe und tritt mit voller Wucht zu. Ein gequältes Wiehern, ein kurzer Schlagabtausch. Zwei, drei Tritte mit den Vorderhufen. Dann zieht der schwächere der beiden Hengste ab und es wird wieder still in der Namib. Das kleine Scharmützel ist ein Machtkampf, eine Auseinandersetzung um Rang oder Status in der Herde, vielleicht um die Aufmerksamkeit einer Stute. Ein Kampf, der stellvertretend ist für das Leben dieser Tiere. Und für ihren Überlebenswillen.

Seit mehr als hundert Jahren überleben die Pferde von Garub im äußersten Süden Namibias unter der glühenden Wüstensonne. Über die Frage, woher die Tiere kommen, wer sie hierher in diesen abgelegenen Winkel Namibias gebracht hat, ist viel spekuliert worden. Bis heute ist ihre Herkunft nicht ganz geklärt. Einig ist man sich nur in einem Punkt: Heimisch sind die Tiere hier nicht. Im südlichen Afrika hat es nie Pferde gegeben. Erst im 17. Jahrhundert sollen die ersten Tiere von europäischen Einwanderern auf dem Seeweg nach Afrika gebracht worden sein. Ihre Vorfahren könnten englische Vollblüter oder deutsche Trakehner gewesen sein, vermuteten Experten lange Zeit.

Viele Thesen wurden aufgestellt. So erzählte man sich zum Beispiel, dass ein Frachter, der während des Ersten Weltkriegs Pferde von Europa nach Australien transportieren sollte, nahe der Küstenstadt Oranjemund gestrandet sein soll. Zweihundert Kilometer durch das glühend heiße Sandmeer hätten die Pferde zurückgelegt, bevor sie bei Garub eine neue Heimat fanden. Andere vermuteten, dass die Pferde von Arbeitstieren abstammen, die beim Bau der Eisenbahnstrecke zwischen Keetmanshoop und Lüderitz eingesetzt wurden. Eine dritte Theorie besagt, die Tiere entstammten der Pferdezucht des Schutztruppen-Hauptmanns Hansheinrich von Wolf. Der Deutsche hatte vor etwas mehr als hundert Jahren mitten in der Namib mit einer amerikanischen Millionärin ein Schloss gebaut und wollte in der Einsamkeit der Wüste eine neue afrikanische Reitpferderasse züchten. Dazu brachte er Trakehner, Hackneys, Englische Vollblüter und südafrikanische Kap-Pferde in sein unweit von Garub gelegenes Schloss Duwisib. Als von Wolf 1914 unterwegs nach England war, um neue Tiere zu kaufen, brach der Krieg aus. Der Hauptmann ging nach Deutschland, um in die Armee einzutreten. 1916 fiel er in Frankreich. Aus Schmerz über seinen Tod, so erzählt man sich, habe seine Frau über Nacht die Tore der Koppeln geöffnet und die etwa dreihundert Pferde freigelassen.

»Doch das ist alles Humbug«, sagt Piet Swiegers. Denn Wissenschaftler haben vor einigen Jahren die wahre Herkunft der Pferde geklärt. Sie haben herausgefunden, dass sich ein Großteil der Herde aus versprengten Tieren der südafrikanischen Armee und der deutschen Schutztruppe zusammensetzt. Von 1884 bis 1915 war das heutige Namibia Kolonie des Deutschen Kaiserreichs. Nachdem im August 1914 in Europa der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, beschloss die mit den Briten liierte Südafrikanische Union, in den Krieg einzutreten. Im September 1914 marschierten südafrikanische Truppen in das vom Deutschen Kaiserreich besetzte Südwestafrika ein und eroberten weite Teile des Landes.

Die Soldaten beider Seiten lieferten sich im Süden Namibias heftige Gefechte, bei denen die Südafrikaner die Oberhand behielten. Die deutschen Verbände mussten fliehen. Einen Großteil ihrer Ausrüstung sowie einige Dutzend der etwa zweitausend bei Aus stationierten Pferde ließen sie zurück. Womit keiner gerechnet hatte: Am Bohrloch von Garub fanden die Tiere ausreichend Wasser, um Tagestemperaturen von fünfundvierzig Grad und mehr überleben zu können. Dort vermischten sie sich mit ein paar Dutzend bei einem deutschen Bombenangriff versprengten Tieren der Südafrikaner, die bei Garub ihr Lager aufgeschlagen hatten, und mit entlaufenen Tieren einer Pferdezucht im nahe gelegenen Kubub. In den Kriegswirren flüchteten auch sie sich in die Wüste und blieben am Bohrloch von Garub hängen, wo sie sich mit den südafrikanischen und den deutschen Tieren kreuzten. In seiner Nähe haben sie bis heute überlebt.

Der Wind bläst kleine Staubhosen über den Sand. Honiggelb schimmert er an diesem Wintermorgen. Immer mehr Tiere trotten an die Tränke. Die ersten Touristen haben sich mittlerweile in dem flachen Unterstand eingefunden und zücken ihre Kameras. Neben dem wildreichen Etosha-Nationalpark im Norden Namibias, den mächtigen Dünen von Sossusvlei und den Küstenstädten Lüderitz und Swakopmund mit ihrem Kolonialcharme entwickeln sich die Wüstenpferde immer mehr zu einer Touristenattraktion. »Die Tiere symbolisieren die Freiheit, die der Mensch verloren hat. Deswegen sind viele Leute von ihnen so fasziniert«, sagt Piet Swiegers. Streng genommen seien es jedoch gar keine Wildpferde. Ähnlich wie die Mustangs Nordamerikas seien sie Nachkommen domestizierter Pferde, die verwildert sind. Physisch unterscheiden sie sich deshalb auch kaum von gewöhnlichen Pferden. »Nur ihre Anpassungsfähigkeit ist größer.«

Dass die Tiere so lange unter den extremen Bedingungen überleben konnten, haben sie einem glücklichen Umstand zu verdanken: Nur eine einzige Quelle hält sie am Leben, eine Quelle, die von Menschenhand geschaffen ist. Die Quelle von Garub wurde 1905 entdeckt. Nach Fertigstellung des Bohrlochs wurde eine Pumpstation errichtet und eine Eisenbahnlinie gebaut, die Lüderitz am Atlantik mit dem dreihundertfünfzig Kilometer entfernten Keetmanshoop verbindet. Mit der Eisenbahn transportierten die deutschen Besatzer einst Trinkwasser von Garub an die Küste. Noch heute sieht man die Draisinen-Schienen, die zum Bahnhof von Garub führten. »Früher gab es hier jeden Tag einen Zug nach Lüderitz. Heute steht die Bahn still«, sagt Swiegers.

Doch allein mit dem Wasser hätten die Pferde nicht überlebt. Auch ein zweiter glücklicher Umstand sicherte ihr Fortbestehen: 1908 wurden bei Kolmanskuppe nahe Lüderitz Diamanten gefunden. Hunderte, ja Tausende Diamantensucher strömten damals an die Küste, um ihr Glück zu versuchen. Nur wenige Wochen später richtete die deutsche Kolonialverwaltung zwei riesige Sperrgebiete ein, die sich bis hundert Kilometer ins Landesinnere erstreckten. Die Claims waren schnell abgesteckt. Als am 9. Juli 1915, fast genau ein Jahr nach Beginn des Ersten Weltkriegs, das deutsche Südwestafrika vor der südafrikanischen Macht unter General Louis Botha kapitulierte, wurden beide Sperrgebiete von den Südafrikanern übernommen.

Jahrzehntelang hatte niemand Zugang zu diesem Gebiet. Fast achtzig Jahre blieben die Tiere im Schutz der Namib ungestört. »In dieser Zeit passten sie sich hervorragend an ihre Umwelt an«, sagt Swiegers. Bis heute nutzen die Pferde neben dem Gras jede auch noch so spärliche Nahrungsquelle. Die salzhaltigen Rückstände von getrocknetem Schweiß zum Beispiel, den sie sich gegenseitig vom Fell ablecken. Und getrockneten Pferdemist. Beides bietet eine nährstoffhaltige Ergänzung zum kargen Gras. Allein der Kot enthält drei Mal so viel Fett wie das Gras und doppelt so viel Eiweiß. Untersuchungen haben auch einen bislang unbekannten Blutfaktor bei den Tieren nachgewiesen, den Biologen für eine Mutation infolge der Anpassung an die Wüste halten. Einige Wissenschaftler sehen die Pferde deswegen schon als eine neue Rasse an und nennen sie »Namibs«.

Seit der ersten Zählung im Jahr 1985 schwankte die Zahl zwischen weniger als hundert und fast dreihundert Tieren. Heute zählt die Herde hundertsiebzig Tiere. Doch die Tiere sind in Gefahr. Vor allem während der Dürreperioden 1991/92 und 1998/99 war die Sterblichkeitsrate extrem hoch. Und seit fünf Jahren herrscht in der Namib wieder extreme Trockenheit. Seit 2012 liegt der jährliche Niederschlag weit unter dem Durchschnitt. 2015 fielen in Garub gerade einmal fünfzehn Millimeter Regen. 2016 war es nicht mehr. Und das wird für die Pferde schnell zum Problem, denn bis heute haben sie keinen Zugang zu weniger kargen Regionen. Nach Süden versperrt der hundertsechzig Kilometer lange Fish River Canyon den Zugang, nach Osten der Zaun des Nationalparks. Während sich Oryx-Antilopen, mit ihrer Fähigkeit, tagelang ohne Flüssigkeit auszukommen, in Dürreperioden auf große Wanderungen innerhalb des Parks begeben können, müssen Pferde alle zwei Tage zurück ans Wasser.

Dazu kommen völlig neue Gefahren: Immer öfter werden Fohlen und Stuten zur Beute von Tüpfelhyänen. In den achtziger Jahren gab es am Rande der Namib so gut wie keine Hyänen, weil die Farmer sie jagten, um ihre Schafe und Kühe zu schützen. Seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 und dem wachsenden »Schutz der natürlichen Ressourcen unseres Landes«, der sogar in der namibischen Verfassung verankert ist, nimmt ihre Zahl im ganzen Land kontinuierlich zu. In den vergangenen vier Jahren hat kein einziges Fohlen in der Namib überlebt. »Ein natürlicher Prozess«, findet die südafrikanische Biologin Telané Greyling, die das Leben der Tiere 2005 in ihrer Doktorarbeit für die Universität in Potchefstroom in Südafrika untersuchte. »Die Pferde haben sich nahtlos in das Ökosystem eingefügt.«

Um in Dürrejahren das Überleben der Pferde zu sichern, hat Greyling gemeinsam mit Piet Swiegers, der die nahe gelegene Klein-Aus Vista Lodge betreibt, schon 2012 die »Namibia Wild Horses Foundation« gegründet. Menschliche Eingriffe sollten auch in Dürrejahren auf ein Minimum beschränkt werden, sind sich Greyling und Swiegers einig. Dennoch haben die Wissenschaftlerin und der Lodge-Besitzer seit Oktober 2015 an verschiedenen Orten immer wieder Luzerne, Mineralienlecksteine und Proteinpulver ausgelegt, um die Pferde mit dem zu versorgen, was sie vom kargen Boden nicht mehr bekommen. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war groß: Dreihundertfünfzigtausend Namibia-Dollar, umgerechnet zweiundzwanzigtausend Euro, rekrutierte die Stiftung dafür an Spendengeldern für die erste Phase der Zufütterung. Achtunddreißigtausend Euro waren es in der zweiten Phase..

Doch die Tiere waren in der Namib nicht immer von allen gerne gesehen. Die Diskussionen begannen, als ihr Lebensraum 1986 in den Namib-Naukluft-Park eingegliedert wurde. Das sicherte zwar vorerst ihre Existenz, aber sollte man die Pferde tatsächlich in einem Nationalpark dulden? Pferdegegner waren der Auffassung, die Tiere hätten kein Recht, dort zu leben, da sie als importierte Spezies einheimische Tierarten und Pflanzen verdrängen würden. Die Umgebung von Aus gilt aus biologischer Sicht als einzigartig: Am Schnittpunkt dreier Wüstenvegetationen, im Dreieck zwischen Sukkulenten-Karoo, Wüsten-Karoo und Nama-Karoo gelegen, wachsen in den Dünen um Garub mehr als fünfhundert verschiedene, teils endemische Pflanzenarten. Diese sahen die Pferdegegner durch die Tiere in Gefahr. Pferdefreunde dagegen waren so fasziniert von ihrer Überlebensfähigkeit, dass sie sie auf keinen Fall vertreiben wollten. Erst auf massiven Druck der Öffentlichkeit und des Umweltministeriums wurde beschlossen: Die Tiere dürfen bleiben. Kurze Zeit später brachte Telané Greyling in ihrer Doktorarbeit den Beweis: Sie fand in ihren zehnjährigen Studien keinen Hinweis darauf, dass es im Gebiet der Pferde weniger Pflanzen gibt als außerhalb.