Hanne Egghardt
Skandalöse Amouren im Hause Habsburg

Hanne Egghardt

Skandalöse Amouren
im Hause Habsburg

ISBN 978-3-218-00874-7
Copyright © 2013 by Verlag Kremayr & Scheriau KG, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien
Lektorat: Katharina J. Schneider
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

Inhaltsverzeichnis

Allerliebster Esel: Isabella und Marie Christine

(31. Dezember 1741 – 27. November 1763, 13. Mai 1742 – 24. Juni 1798)

Das leicht entzündbare Herz: Marie-Louise

(12. Dezember 1791 – 17. Dezember 1847)

Erzherzog Johann und Anna Plochl

(20. Januar 1782 – 11. Mai 1859, 6. Januar 1804 – 4. August 1885)

Erzherzog Heinrich und die Sängerin Leopoldine Hofmann

(9. Mai 1828 – 30. November 1891, 29. November 1842 – 29. November 1891)

»Enfant terrible« Johann Orth und die Tänzerin Milli Stubel

(25. November 1852 – Juli 1890, 11. September 1852 – Juli 1890)

Herr Wölfling und die Damen

(2. Dezember 1868 – 4. Juli 1935)

Anmerkungen

Allerliebster Esel:
Isabella und Marie Christine

(31. Dezember 1741 – 27. November 1763,
13. Mai 1742 – 24. Juni 1798)

Es war die Mutter, Maria Theresia, die für den Sohn die Frau aussuchte. Aus rein politischem Kalkül und entschieden gegen seinen Willen. Und dann kam doch alles ganz anders: Joseph betete seine junge Frau an, und der gesamte Hof lag ihr zu Füßen. Die schöne Isabella von Parma aber entbrannte für ihre Schwägerin Marie Christine. In schwärmerischer Liebe und glühender Leidenschaft. Hunderte von Briefen und Billet doux erzählen davon.

Eine Braut für Joseph

»Es ist wahr, daß es sehr süß wäre, aber noch mehr könnte ich Sie nicht lieben. Lassen Sie mich denn leben, um Sie ewig anzubeten …« Zeilen wie diese, in aller Früh rasch und flüchtig auf einen Zettel hingeworfen und oft sogar mit orthografischen Fehlern gespickt, wurden zur Alltäglichkeit, nachdem die schöne und geheimnisvolle Isabella von Parma in der Wiener Hofburg Einzug gehalten hatte. Außergewöhnlich daran war nur eines: Die glühenden Liebesschwüre galten nicht Isabellas Ehemann, dem späteren Joseph II., sondern ihrer Schwägerin Marie Christine, der Lieblingstochter von Maria Theresia.

Dass Isabella von Parma an den Wiener Hof gekommen war, hatte sie Maria Theresia zu verdanken. Die »Über-Mutter« sah in ihrer Kinderschar, die sie über alles liebte und an deren Entwicklung sie regen Anteil nahm, ein Kapital, mit dem sich wunderbar Politik machen ließ. Sie plante die Ehen der meisten ihrer Töchter nach rein dynastischen Gesichtspunkten. Dass sie viele ihrer Kinder auf diese Weise in Ehen zwang, die sie todunglücklich machten, war Nebensache. Einer der stärksten Trümpfe in der Heiratspolitik von Maria Theresia war ihr 1741 geborener Sohn Joseph. Er war noch keine zehn Jahre alt, ein mit Vorliebe »I wüll net« raunzendes Kind, als sie sich schon nach einer geeigneten Braut für ihn umsah.

Bis die Wahl auf die Infantin Isabella von Parma fiel, sollten noch einige Jahre vergehen. Dann aber nahmen die Pläne rasch konkrete Formen an. Österreich segelte zu jener Zeit auf Kollisionskurs gegen Preußen, der später als der »Siebenjährige« bezeichnete Krieg war entbrannt. In dieser Situation bemühte sich Maria Theresia darum, ein starkes Bündnis gegen Preußenkönig Friedrich II. zustande zu bringen, sie suchte nach einer engen Verbindung mit dem Haus Bourbon. Dafür schien Isabella von Parma bestens geeignet, schließlich war ihre Mutter die Lieblingstochter des französischen Königs Ludwig XV. Dass Isabella überdies in höchsten Kreisen als ganz außergewöhnliche Schönheit gerühmt wurde, war nicht ausschlaggebend, es wurde aber als zusätzliches Plus gewertet. Und tatsächlich: Fürst Joseph Wenzel Liechtenstein, den Maria Theresia in delikater Mission nach Parma entsandt hatte, wusste nur Erfreuliches zu berichten: Die Infantin habe seine Erwartungen bei weitem übertroffen, berichtete er nach Wien, Isabella strahle eine mit Anmut und Bescheidenheit gepaarte Würde aus.

Der einzige, den diese Nachrichten überhaupt nicht freuten, war Joseph. Er war mittlerweile zu einem attraktiven jungen Mann mit hoher Stirn, sanft geschwungener Nase und geistvollem Blick herangewachsen. Zu Ernsthaftigkeit erzogen und von seinen Lehrern jahrelang gedrillt und mit aufklärerischem Gedankengut versorgt, waren ihm aufwändige Feste und Vergnügungen ein Gräuel und Leichtlebigkeit fremd. Ein Porträt Isabellas hatte er zwar bereits erhalten, er war auch beeindruckt von der Schönheit seiner gleichaltrigen Braut, dass sie bald in Wien eintreffen würde, versetzte ihn aber geradezu in Panik. »… je mehr der Moment heranrückt, desto aufgeregter bin ich«, schrieb er später an seinen Obersthofmeister Graf Salm, »nicht aus Vergnügen, sondern aus Furcht, nicht glücklich zu werden. Ich fühle mir [sic] sehr jung und kaum imstande, mich selbst zu leiten – wie soll ich eine Frau lenken? Ich habe noch niemals die Reize der Liebe erfahren, Gott weiß, wie es mir ergehen wird …«1

An seinen Ängsten änderte sich auch nichts, nachdem ihm sein Vater Franz Stephan von Lothringen in einem aufklärenden Gespräch vor Augen geführt hatte, was ihn in der Ehe erwartete. Im Gegenteil. Jetzt wurde er erst recht von Ängsten geschüttelt.»Ich fürchte mich mehr davor, mich zu vermählen, als ob ich in eine Schlacht zöge«, schrieb er an Graf Salm. »… besonders, seit ich die Instruktionen empfangen habe, die mich erschreckt und aufs Äußerste überrascht haben … schon der Gedanke an das, was mir bevorsteht, fällt mir schwer und erregt meinen Ekel …Wäre ich ein Privatmann, ich würde alles rückgängig machen und mich niemals entschließen zu heiraten. Aber als Opfer des Staates gebe ich mich eben hin.«2

Joseph war kein Privatmann. Er hatte sich zu beugen und in sein Los zu fügen. Ob er nun wollte oder nicht. Dass es Isabella in Parma möglicherweise auch nicht viel anders ergangen sein mag, kam ihm nicht in den Sinn. Und doch: Das, was sie in ihrem kurzen Leben über die Ehe und die ehelichen Pflichten erfahren hatte, war alles andere als dazu angetan, ihr die Zukunft in rosigem Licht erscheinen zu lassen.

Isabellas Kindheit in Parma

Isabellas Mutter Louise Elisabeth von Frankreich, die älteste Tochter von König Ludwig XV., war bereits im Alter von zwölf Jahren mit dem spanischen Infanten Philipp, dem späteren Herzog von Bourbon-Parma, verheiratet worden. Aus rein dynastischen Gründen. Sie kam praktisch noch als Kind an den spanischen Hof, an dem überdies auch noch das strenge spanische Hofzeremoniell praktiziert wurde, und fühlte sich dort nie wohl – wie denn auch.

Louise Elisabeth sah sich als Marionette, die sich den Befehlen des Königs zu unterwerfen hatte. Zu ihrem Ehemann Philipp, der sich bald lieber bei Soldaten aufhielt als bei seiner vermutlich auf Grund eines ererbten Drüsenleidens rasch fettleibig gewordenen Gemahlin, entwickelte sie keine Gefühle. Später gestand sie sogar einmal, sie erstarre jedes Mal zu Eis, wenn sie in seinen Armen liege. Dass sie lieber mit Puppen spielte, als mit ihrem Gemahl das Ehebett zu teilen, war unübersehbar. Der spanische Hof nahm darauf aber keine Rücksicht. Louise hatte ihre Pflichten zu erfüllen, und die bestanden in erster Linie darin, für Nachwuchs zu sorgen. Tatsächlich brachte sie am 31. Dezember 1741 im Palast Buen Retiro in Madrid ihr erstes Kind zur Welt, Isabella. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst 14 Jahre alt.

Selbst noch ein Kind, entwickelte Louise Elisabeth zu ihrer kleinen Tochter ein besonders inniges Verhältnis. Isabella wurde in den ersten sieben Jahren ihres Lebens, die sie am spanischen Hof verbrachte, allerdings auch immer wieder damit konfrontiert, dass sich ihre Eltern so gut wie überhaupt nicht verstanden und für ihre Mutter die Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten eine lästige, ja nahezu unerträgliche Last bedeutete. Daran änderte sich auch nichts, als Philipp zum Herzog von Parma ernannt wurde und die Familie in sein neues Herrschaftsgebiet übersiedelte.

Die zwischen ihren Eltern herrschende Kälte und Abneigung mögen Isabella geprägt haben. Sie führte aber auch dazu, dass sich zwischen Mutter und Tochter, die zehn Jahre lang ein Einzelkind blieb, ein besonders enges Naheverhältnis entwickelte. Umso verwunderlicher ist es, dass Louise Elisabeth bereits im Jahre 1750, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Isabella erst neun Jahre alt war, Überlegungen über eine Verbindung ihrer Tochter mit dem Sohn Maria Theresias anstellte.

Am Hof von Parma genoss Isabella eine umfassende Bildung. Sie war sehr musikalisch, erhielt Violin-Unterricht und brachte es auf diesem Instrument schon früh zu einer Perfektion. Wissbegierig und vielfach interessiert las sie die Schriften italienischer und französischer Philosophen, zeigte Verständnis für Mathematik und militärische Dinge, zeichnete und malte und begann bald auch selbst zu schreiben. Schon in früher Jugend zeigte sich bei der zu einer großen Schönheit heranwachsenden Isabella aber auch ein Hang zu Schwermut und Melancholie. Immer wieder äußerte sie den Wunsch, ins Kloster zu gehen.

Die Politik aber hatte andere Pläne mit Isabella. Im August 1759 wandten sich Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen in aller Form mit der Bitte an König Ludwig XV., er möge beim Herzogpaar von Parma um die Hand seiner Enkelin für ihren ältesten Sohn werben. Ihr Ansuchen war von Erfolg gekrönt. Bald liefen an den Höfen in Versailles, Parma und Wien die Vorbereitungen zu der »Jahrhundertverbindung« eines Habsburgers mit einer Bourbonin an. Die Stimmung war umso euphorischer, als es gerade zu jener Zeit Maria Theresias Feldherrn Gideon Ernst Laudon gelungen war, mit den vereinten österreichischen und russischen Kräften Siege über die Preußen zu erringen. Es wurde noch eifrig an den Details für die Hochzeit gefeilt, die Louise Elisabeth als ihr Lebenswerk betrachtete, da erkrankte diese plötzlich im Dezember 1759 an den Blattern und starb innerhalb weniger Tage.

Hochzeitsvorbereitungen und die Reise nach Wien

Für Isabella änderte der Tod der geliebten Mutter nichts an den Hochzeitsplänen. Knapp vor ihrem 18. Geburtstag plötzlich völlig auf sich allein gestellt, sah sie sich mit der Tatsache konfrontiert, dass sich ihr Leben in wenigen Monaten von Grund auf verändern würde. Und doch: Fast scheint es, als habe sie sich bald an den Gedanken gewöhnt, nach Wien zu gehen. Sie begann jedenfalls, intensiv Deutsch zu studieren. Und sie begann, an »Madame, meine liebe Schwester«, ihre zukünftige Schwägerin Marie Christine, Briefe zu schreiben. Die beiden Prinzessinnen waren sich nie zuvor begegnet, schon diese ersten Briefe waren aber ausgesprochen herzlich und innig. In fünf Wochen werde sie das Glück haben, sie zu sehen, schrieb Isabella Ende August des folgenden Jahres nach Wien. Sie könne nicht beschreiben, mit welchem Vergnügen sie diesen Moment erwarte.

Anfang September 1760 nahmen die Formalitäten für die Eheschließung ihren Lauf. Nach der unter größtem Pomp erfolgten offiziellen Brautwerbung in Parma ging am 5. September in der Kathedrale von Padua die Trauung per procurationem über die Bühne, bei der Fürst Liechtenstein den Bräutigam vertrat. Isabella ertrug die Feierlichkeiten und Zeremonien mit Geduld. Zwischendurch aber fand sie Zeit, ihre Gedanken und ihren Kummer zu Papier zu bringen. Das Schicksal einer großen Fürstentochter sei das unglücklichste, formulierte sie. Und beklagte sinngemäß, sie werde zu nichts anderem geboren, als dem Plunder von Ehre und Etikette ausgesetzt zu sein. Sie habe keine Hilfe, nicht einmal von der Familie, niemanden, mit dem sie reden könne.

In Wien sah Joseph indes der Ankunft seiner Braut mit größter Bangigkeit entgegen. Es sei gegen seine Natur, den Angenehmen und den Liebhaber zu spielen, schrieb er noch an Salm. Er habe die Reize der Liebe, die ihm vielleicht den Kopf verdrehen würden, noch nie empfunden. Einige Tage später schien sich seine Stimmung zu wandeln. Er habe die Mitteilung mit großer Freude gehört, dass Isabella die Aufrichtigkeit liebe und einen Gemahl haben wolle, der zugleich auch ihr Freund sei, schrieb er an Salm. Sein Herz, bisher steinern und unempfindlich gegenüber den Reizen der Liebe, ließe sich in ihre Netze ziehen. Ein Grund, sich zu schönen Worten und Zärtlichkeiten hinreißen zu lassen, war das aber noch lange nicht. »Bitte … sagen Sie ihr etwas Hübsches und Galantes, denn ich bin zu schlicht in meiner Art, um mir solche Dinge auszudenken«, bat er seinen Vertrauten.

Wenige Tage nach der von zahlreichen Feierlichkeiten und Empfängen begleiteten Hochzeit in Padua brach der Brautzug Isabellas von Parma aus auf. Es war ein gigantischer Zug, der sich Richtung Norden in Bewegung setzte: Isabella reiste in einer von acht Apfelschimmeln gezogenen Kutsche, sie wurde von ihrer Leibgarde und den Wagen zahlreicher Kavaliere und Hofdamen begleitet, mit im Zug war ein Heer von Hartschierern, einer Art Leibgardisten, Edelknaben, Stallmeistern, Reitknechten, Kammerdienerinnen und Lakaien. In Casalmaggiore fand am 13. September die offizielle »Übergabe« der Prinzessin statt. Nach der feierlichen Zeremonie verlas Fürst Auersperg, der Botschafter des Kaiserpaares in Wien, in einer persönlichen Audienz Briefe der Majestäten. Maria Theresia hatte besonders liebevolle Worte gefunden. Sie freue sich, Isabella den süßen Namen Tochter geben zu können, hatte sie geschrieben, sie werde ihr eine gute Mutter sein, ihr ganzes Leben lang. Joseph war nichts Vergleichbares eingefallen.

Während Joseph weiterhin Graf Salm sein Herz ausschüttete und ihm immer von seinen Ängsten, nicht glücklich zu werden, berichtete, kam der Brautzug nur langsam voran. Wo immer er Station machte, standen Feierlichkeiten, Audienzen, Festmahle und kirchliche Hochämter auf dem Programm. Sobald Isabella ein paar Minuten Ruhe fand, richtete sie herzliche und innige Zeilen an Marie Christine. Sie schrieb von der Reise, von den Festlichkeiten, die ihr zu Ehren veranstaltet wurden, von Theateraufführungen, die sie besuchte, und vom Wetter. Wie sehr sie sich ihrer zukünftigen Schwägerin, die ihr zwar auch geschrieben hat, deren Briefe aber nicht erhalten sind, schon damals verbunden fühlte, lässt der Brief vermuten, den sie am 24. September in Klagenfurt verfasste. Ihn schloss sie mit den Worten »Adieu, meine liebe Schwester, ich lege mich jetzt hin und ende wie stets nicht ohne Sie fest zu umarmen. Ich liebe Sie und bin in Wahrheit Ihre getreue Schwester Isabella Marie Louise.«3

Das letzte Barockfest der Geschichte

Am 2. Oktober endlich langte der Brautzug in Laxenburg ein. Jetzt stand sich das Brautpaar zum ersten Mal gegenüber. Joseph fiel aus allen Wolken. Er hatte zwar Porträts seiner Braut erhalten, und ihre Schönheit war ihm immer wieder geschildert worden, wirklich vorstellen konnte er sie sich aber nicht. Und jetzt stand eine richtige Märchenprinzessin vor ihm. Klein, zierlich, mit großen Augen im ovalen Gesicht, einer hohen, reinen Stirn, dunklem Haar und einem kleinen, wohlgeformten Mund. Er war auf Anhieb hingerissen.

Richtig märchenhaft liefen auch die folgenden Tage ab. Ungeachtet der Tatsache, dass der Krieg noch immer in vollem Gang war, hatte Kaiser Franz I. von Lothringen tief in seine Privatschatulle gegriffen. Ganz im überschwänglichen Stil des Barock hatte er ein Hochzeitsfest ausgerichtet, das an Pomp und Prunk nicht zu überbieten war, es war wahrscheinlich das größte Fest, das Wien je erlebt hatte, und wahrscheinlich das letzte Barockfest der Geschichte.

Für ein paar Stunden waren Krieg und Elend vergessen, ganz Wien war auf den Beinen, um den Einzug der Prinzessin vom Belvedere aus mitzuerleben, wo sie die letzte Nacht verbracht hatte. In den Straßen standen die Menschen in doppeltem Spalier, als den Zug zwei kaiserliche Einspänner eröffneten, gefolgt von Trompetern und Paukern. Als nächstes kamen die 94 Gala-Equipagen der Landstände, Kammerherren und geheimen Räte, alles aufwändig geschmückte, mit sechs Pferden bespannte Prunkkarossen, eskortiert von Reitern und Lakaien in Paradeuniformen. Eine der ersten Prunkkarossen war die von Fürst Joseph Wenzel von Liechtenstein, der Joseph bei der Trauung per procurationem in Padua vertreten hatte. Neben dem Galawagen schritten die Pagen, Hausoffiziere und Lakaien des Fürsten, alle ebenfalls in nagelneuen Paradeuniformen. Die größte Aufmerksamkeit erregte einmal mehr der »Hausmohr« des Fürsten, der in seinen bunten Gewändern stolz einherschreitende Angelo Soliman. Isabella saß mit ihrer Obersthofmeisterin Gräfin Antonia Erdödy in einem Prunkwagen des Fürsten Liechtenstein. Er war mangels eines geeigneten Wagens im kaiserlichen Fuhrpark zum Brautwagen umfunktioniert worden, außen in himmelblau-silberner Bemalung und innen ausgeschlagen mit himmelblauem, silberbesticktem Samt. Begleitet wurde der Wagen von der Schweizer Garde in Parade-Kleidern und klingendem Spiel.

Der Zug führte durch das Kärntnertor in die innere Stadt. Durch dichte Spaliere von Bürgern mit Fahnen und Feldmusik ging es zum Stock-im-Eisen-Platz, an dem ein riesiger, aufwändigst gestalteter Triumphbogen errichtet worden war, und dann über Graben und Kohlmarkt zum Michaelerplatz, wo der zweite ebenso prachtvolle Triumphbogen stand. Das in Prachtgewänder aus Silberstoff gekleidete Traumpaar wurde in der festlich mit niederländischen Tapisserien dekorierten und mit hunderten Kerzen erleuchteten Augustinerkirche getraut. Abends erstrahlten die Hofburg und die Straßen um den Stephansdom in einer Illumination, wie sie Wien noch nie erlebt hatte. 3000 Lampions tauchten die Stadt in ein zauberhaftes Licht. Allein im Inneren Burghof brannten zwei Reihen von 3000 Wachskerzen und dazu unzählige Fackeln. Die ganze Nacht donnerten von der Bastion Kanonenschüsse und im Schein Tausender Lampions tanzten und sangen die Menschen in den Straßen. Für die künstlerische Umrahmung der Feierlichkeiten waren unter anderen Johann Adolf Hasse und Christoph Willibald Gluck mit neuen Kompositionen beauftragt worden. Die Opern- und Musikaufführungen und sonstigen Festlichkeiten bei Hof dauerten noch Wochen an.

Das Wienerische Diarium widmete dem großen Ereignis eine Sonderbeilage: »Es war nicht nur die K.K. Burg mit weissen Waxs-fackeln, sondern auch die 2 Triumpfpforten mit vielen tausend Lampen diese und 2 folgende Nächte hindurch beleuchtet. Es kann mit keiner Feder genugsam ausgedruckt werden, mit was Pracht und Herrlichkeit dieser feyerliche und höchst vergnügte Tag begangen worden, da selbst die angenehmste Witterung hierzu mit eingestimmet … Die Wägen, Pferdegeschirr, und Livree waren von dem auserläsensten Geschmack, und mit unglaublicher Kostbarkeit vereiniget … All diese Vortrefflichkeiten übertraf aber bey weiten der rührend-lieblichste Anblick, und das so ausnehmend gnädigst leutseelige Bezeigen der Durchl. Prinzessin Braut gegen jedermänniglich … welche aller Herzen an sich zog.«4

Eine glückliche Ehe?

Die so pompös und prachtvoll begonnene Ehe zwischen Joseph und Isabella entwickelte sich bald höchst merkwürdig. Der junge Thronfolger betete seine aparte und geistreiche Frau regelrecht an. Er bewunderte und verehrte sie und erlebte mit ihr stimmungsvolle, romantische Abende. Er sah in ihr auch seine engste Vertraute und Freundin, lebte in der Gewissheit, mit ihr eine Zeit inniger Zweisamkeit und schönster Harmonie zu verbringen, und entdeckte immer neue Vorzüge an ihr. Was in der komplizierten Gefühlswelt seiner schönen Frau vorging, die wie viel, viel später auch die unglückliche Sisi die Zwänge des Zeremoniells und des Hoflebens zutiefst verabscheute, blieb ihm verborgen. Er fragte auch nicht nach. Schließlich hatte er immer nur gelernt, sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Als bereits sieben Monate vergangen waren und keine Anzeichen auf baldigen Nachwuchs des Paares hinwiesen, unternahmen Joseph und Isabella Ende Mai 1761 eine Wallfahrt nach Mariazell. Man reiste in bescheidenem Rahmen und betete wie 25 Jahre zuvor Maria Theresia und Franz Stephan andächtig vor dem Gnadenaltar der Magna Mater Austriae. Die Mühen der Pilgerfahrt lohnten sich. Im Frühherbst 1861 durfte sich der Wiener Hof, der sich natürlich nichts sehnlicher wünschte als einen männlichen Thronfolger, darüber freuen, dass Isabella guter Hoffnung war. Die werdende Mutter selbst erlebte in den folgenden Monaten schwere Zeiten. Sie litt unter Stimmungsschwankungen und Unpässlichkeiten, war oft nahezu unansprechbar und geriet aus dem seelischen Gleichgewicht.

Als am 19. März 1762 die Wehen einsetzten, versammelte sich der gesamte Hochadel in der Hofburg, das schrieb das Hofzeremoniell vor. Gerard van Swieten, der aus Leyden stammende Leibarzt Maria Theresias, hatte allerdings mit der bisher praktizierten Gewohnheit aufgeräumt, dass sich Scharen von Menschen im Zimmer der Gebärenden drängten. Die Herren hatten sich in die Ratsstube zu verfügen und die Damen in das Spiegelzimmer. Bei Isabella hielten sich außer dem über alle Maßen nervösen Joseph nur van Swieten selbst auf und die Hebamme. Das änderte nichts an der Tatsache, dass die Geburt überaus dramatisch verlief. Die heftigen Wehen hielten den ganzen Tag und die ganze Nacht an. Schließlich erreichten sie ein derart qualvolles und bedrohliches Ausmaß, dass die kaiserliche Familie in mehreren Kirchen Wiens das Allerheiligste aussetzen und um eine glückliche Entbindung beten ließ. Das Kaiserpaar selbst lag in der Hofkapelle auf den Knien und betete Rosenkranz um Rosenkranz. Die Gebete wurden erhört. Isabella schenkte am 20. März 1762 gegen sieben Uhr abends einem gesunden Mädchen das Leben. Es wurde nach seiner Großmutter Maria Theresia genannt. Das Glück der jungen Familie war perfekt.

Genau diese Familienidylle drückt ein Bild aus, das Marie Christine, die begabte Zeichnerin, wenige Tage nach der Niederkunft anfertigte. Es zeigt die Wöchnerin Isabella, ruhend in ihrem Bett, neben ihr, den Kopf liebevoll seiner Gattin zugeneigt, Joseph im Morgenrock, in der Mitte die Amme mit dem Säugling und hinter ihr Marie Christine selbst. So sehr das Bild Zuneigung und Harmonie ausstrahlt, so wenig entsprach es der Realität.

Tatsache war, dass Joseph seine Isabella abgöttisch liebte. Tatsache war aber auch, dass er bei seiner angebeteten »Tia-Tia« kaum Gegenliebe fand. Isabella empfand für ihn Gleichgültigkeit, sie fand sich von seinen unbeholfenen Liebesbezeugungen möglicherweise sogar abgestoßen. Anmerken ließ sie sich das aber nie. Und mehr noch, es gelang ihr das Kunststück, Joseph das Gefühl zu geben, dass er von ihr geliebt werde und sie das Zusammensein mit ihm als reinstes Glück empfinde. Dass Isabella in ihrer Rolle als Ehefrau des Thronfolgers zutiefst unglücklich war, steht dennoch außer Zweifel. Verliebt war sie aber trotzdem. Allerdings nicht in ihren Gemahl, sondern in dessen Schwester, in Marie Christine.

Bezaubernde Mimi

Die leidenschaftliche Beziehung zwischen den beiden Frauen ließ sich nicht lange geheim halten. Isabella und die »Mimi« genannte Marie Christine waren ständig von einer Vielzahl von Hofdamen, Lakaien und Bediensteten umgeben. Und diese beobachteten sie immer und überall, sie registrierten jeden noch so verstohlenen Händedruck und jeden liebevollen Blick. Klatsch und Tratsch blühten bald. Hinter Josephs Rücken wurde bald getuschelt, Isabella schenke Mimi mehr Aufmerksamkeit als ihrem Gemahl. So kam es, dass Joseph bald der einzige am Wiener Hof war, der nicht wusste, dass seine Frau lesbisch war.

Isabella brachte – auch das eine Parallele zu Sisi – zu Papier, was sie empfand. Wie diese schrieb sie unaufhörlich. Gedichte und Briefe, philosophische Betrachtungen und Essays. Dabei machte sie auch ihrer Abneigung gegen das männliche Geschlecht Luft. Männer seien die unnützesten Geschöpfe der Welt, schrieb sie in ihrem Aufsatz »Traité sur les hommes«. Darin nannte sie den Mann ein »unnützes Tier«, er sei nur auf der Welt, um Böses zu tun, und bestehe hauptsächlich aus Eitelkeit und Egozentrik. Obwohl mit Vernunft ausgestattet, benehme er sich unvernünftiger als die unvernünftigen Tiere. Das Bewusstsein seiner Minderwertigkeit veranlasse ihn, Frauen zu knechten, und diese müssten ihm bei seinen Torheiten Gesellschaft leisten. Frauen könnten ohne Männer leben, aber kein Mann ohne eine Frau. Außer zu »einer Sache« seien die Männer im Grunde zu gar nichts gut … und so weiter und so weiter. Der Aufsatz geriet zu einer regelrechten Abrechnung mit dem »starken Geschlecht«, er lässt Isabella geradezu als »Männerhasserin« erscheinen.

Auch Marie Christine hatte am Wiener Hof eine ganz besondere Stellung. Am Geburtstag ihrer Mutter geboren, war sie von Anfang an der erklärte Liebling von Maria Theresia. Sie wuchs zu einem ausnehmend hübschen und klugen Kind heran und fiel schon als Fünfjährige positiv auf. Christoph Graf Podewils, der preußische Gesandte am Wiener Hof, beschrieb sie im März 1747: »Die Erzherzogin Marie Christine ist von sehr hübscher Gestalt und zeigt viel Geist. Sie spricht ebenso gern französisch, wie ihr Bruder es haßt, und sie will nicht, daß man mit ihr in einer anderen Sprache spricht.«5

Maria Theresia war in diese Tochter regelrecht vernarrt. Sie nannte sie liebevoll Mimi oder Mimerl, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und hätte sie am liebsten den ganzen Tag in ihrer Nähe gehabt. Sie schickte ihr innerhalb der Hofburg liebevolle Botschaften, »Wischerl«, und gab ihr ganz offensichtlich den Vorzug vor allen anderen ihrer Kinder. Auch Franz I. von Lothringen erlag dem Charme des wissbegierigen, vielseitig interessierten Kindes, das nicht nur gut lernte, sondern auch bald ein ausgeprägtes Talent zum Zeichnen und Malen zeigte. Er liebte die kleine »Madame Marie«, wie er sie nannte, zärtlich und zeigte das auch.

Den anderen Geschwistern entging die offensichtliche Bevorzugung Mimis keineswegs. Sie reagierten mit blanker Eifersucht. Und nicht nur das: Sie schlossen sie oft demonstrativ aus, weihten sie nicht in ihre Geheimnisse ein und ließen sie auch nicht an ihren Spielen teilhaben. So wurde Mimi in ihren Kindertagen innerhalb der kaiserlichen Familie zu einer kleinen Außenseiterin. Es sollte später noch schlimmer kommen. Als Maria Theresia Mimi als einziger ihrer Töchter gestattete, den Mann ihres Herzens zu heiraten, statt sie aus dynastischen Überlegungen an irgendeinen entlegenen Königshof zu »verschaukeln«, schlug die Eifersucht in bitteren Hass um. Der eifersüchtige Bruder Leopold formulierte später, als er längst Großherzog der Toskana war, wie es Marie Christine geschafft hatte, das Schoßkind ihrer Mutter zu werden. Sie sei talentiert und wisse Maria Theresia bei ihren Schwächen zu nehmen, notierte er. »Immer bedauert sie sie, gibt ihr Recht, ist immer bei ihr zu allen Stunden und zu allen Zeiten, immer schreibt sie ihr, und auf diese Weise hat sie sie völlig gewonnen und macht mir ihr, was sie will.«6

Im Januar 1760 waren in Wien zwei sächsische Prinzen eingetroffen, der 22-jährige Prinz Albert und sein um ein Jahr jüngerer Bruder Clemens. In Albert hatte sich Mimi verliebt und sie hatte es ihrer Mutter gestanden. Maria Theresia war Albert von Sachsen sympathisch, das erwies sich als Vorteil. Mehr als fraglich war allerdings, ob ihr Gemahl Franz einer Heirat mit dem mittellosen Sohn eines zwar angesehenen, aber doch zweitrangigen Herrscherhauses zustimmen würde. Sie sagte ihrer Lieblingstochter jedoch zu, sie unterstützen zu wollen – und hatte dabei den Hintergedanken, dass sie so ihren Liebling noch lange in ihrer Nähe behalten könne.

»Amitié amoureuse«

Das Leben am Wiener Hof war zu jener Zeit ausgesprochen kurzweilig und lustig. Solange Kaiser Franz I. von Lothringen lebte, standen außer den zahlreichen kirchlichen Festen, die vom Kaiserhaus im Laufe des Jahres mit größtem Pomp und Aufwand begangen wurden, auch Familienfeiern und Vergnügungen auf dem Programm. Die Namens- und Geburtstage sämtlicher Familienmitglieder wurden intensiv gefeiert, dazu gab es oft Theateraufführungen und Konzerte. In der Hofburg wurde fröhlich gesungen, getanzt und gespielt, daran hatte auch die lebenslustige Maria Theresia ihre Freude.

Isabellas Einzug verstärkte die Hochstimmung noch. Die junge Schönheit eroberte die Herzen im Sturm, bald drehte sich alles um sie. Joseph lag ihr zu Füßen, der Kaiser war bezaubert von ihrem hinreißenden Violinspiel, Karl, der zu diesem Zeitpunkt im 16. Lebensjahr stehende Lieblingssohn Maria Theresias, schwärmte heftig für seine schöne Schwägerin und wünschte sich nichts sehnlicher als eine ähnliche »Märchenprinzessin« zur Braut, und die anderen bewunderten ihre Intelligenz und ihre aparte Schönheit. Dass Isabella zu Schwermut und Melancholie neigte, ja dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt erste Anzeichen von Todessehnsucht zeigte, fiel niemandem auf. Nicht einmal, als sie ihrem neugeborenen Kind prophezeite: »Sie wird keine sieben Jahre alt.«

Zu Marie Christine hatte sich Isabella schon lange hingezogen gefühlt, bevor sie ihr persönlich gegenüberstand. Schon ihre ersten, noch vor und während der Brautfahrt geschriebenen Briefe, lassen Sympathie erkennen. Mit Mimi verband Isabella ein intensives Interesse an Musik und Kunst. Aber nicht nur das: Isabella notierte später in ihrer autobiographischen Skizze, sie habe sich an Marie Christine in dem Augenblick angeschlossen, als sie sie sah.

Zwischen den beiden jungen Frauen entspann sich eine enge Bindung, eine Freundschaft, oder noch mehr, eine »Amitié amoureuse«. Beziehungen dieser Art waren in jener Zeit nichts Ungewöhnliches. An den europäischen Höfen waren schwärmerische, romantische Freundschaften zwischen Frauen durchaus üblich. Man wechselte jeden Morgen Briefe, las sich Gedichte vor und amüsierte sich über den neuesten Hofklatsch. In Zeiten, da solche Ehen nur in seltenen Ausnahmefällen aus echter Zuneigung geschlossen wurden und die meisten Paare aus Gründen der Staatsräson zusammenkamen, ohne gemeinsame Interessen zu haben oder etwas füreinander zu empfinden, waren solche Freundschaften oft die einzige Art, wie Frauen ihre Gefühle ausleben, und vielleicht auch, wie sie Zärtlichkeit und Verständnis erleben konnten.

Wie weit die »Amitié amoureuse« zwischen Isabella und Marie Christine ging, lassen die Briefe, Zetteln, Notizen und Billet doux erahnen, die bald nach Isabellas Eintreffen in Wien zwischen den beiden Schwägerinnen nur so hin- und herflogen. 200 dieser meist in französischer, gelegentlich aber auch in deutscher Sprache verfassten und oft sogar flüchtig während eines Gottesdienstes odereiner Andacht hingeworfenen Schreiben von Isabella sind erhalten und lassen kaum Zweifel an einem engen, zutiefst erotischen Verhältnis aufkommen. Marie Christine hingegen hat die von ihr geschriebenen Briefe nach dem Tod Isabellas vermutlich vernichtet. Der Nachwelt ist lediglich eine von ihr selbst verfasste Charakteristik Isabellas erhalten: »Sie hat das gewinnendste Äußere, reizvolle Augen und Haare, einen hübschen Mund, eine ungemein harmonisch geformte Büste. Nur ihre Hautfarbe ist etwas zu braun und die Hände sind weniger gut gebildet als die übrige Gestalt. Der Ausdruck ihres Gesichtes ist sprechend, kapriziös, geistreich und ihr Grundzug als Gattin ist unermeßliche Güte«.7

Obwohl sie ihre eigenen Briefe vernichtete, bewahrte Mimi jene ihrer Seelenfreundin ihr Leben lang auf. Nach dem Tod Marie Christines verwahrte ihr Gatte Albert von Sachsen-Teschen diese in seinem Palais auf der Augustinerbastei, der heutigen Albertina. Als das Albertina-Archiv 1918 nach Ungarisch Altenburg verbracht wurde, waren auch Isabellas Briefe dabei. Das einst von Herzog Albert in Papier eingeschlagene und verschnürte Paket landete schließlich im Ungarischen Nationalarchiv in Budapest.

Im Laufe der Zeit wurden über die Beziehung zwischen Isabella und Marie Christine die unterschiedlichsten und zum Teil auch aberwitzigsten Spekulationen und Mutmaßungen angestellt, und Isabellas Briefe immer wieder neu interpretiert. Der Historiker Helmut Neuhold fasst zusammen: »Generationen von Habsburger-Biographen waren seither bemüht, dieses ›Ärgernis‹ zu beschönigen, umzudeuten, zu verniedlichen. Dabei kann der Inhalt der Briefe, die sich die beiden jungen Frauen schrieben, eigentlich nur in einem Sinn erklärt werden: hier handelte es sich um eine eindeutige lesbische Liebesbeziehung.«8

Schon allein die Anreden, die Isabella in ihren Briefen an Mimi wählte, verraten außer Phantasie und Raffinesse, dass die Schreiberin, wie sie selbst sagte, »à la rage«, »wie ein Narr«, verliebt war. Sie reichen von »Liebe Schwester« über »Liebes Herz«, »Mein Trost« oder »Mein Engel« bis zu »Anbetungswürdige Schwester« oder »Anbetungswürdigste aller Kreaturen«. Später folgten dann Neckereien wie »Allerliebster Esel«, »O du Eserl«, »Liebe Alte« oder »Geliebter Badwaschl« – dieses Wort hatte sie besonders erheitert. Bei allem Einfallsreichtum ist eines erstaunlich: Ihren Gemahl nannte Isabella immer nur den Erzherzog, ihn erwähnte sie nicht einmal mit seinem Namen.