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Über dieses Buch:

Am Königshof von Toledo wird im Jahre 566 ein wichtiges Bündnis ausgehandelt – und das Schicksal der jungen westgotischen Prinzessin Brunichild unausweichlich besiegelt. Aus politischem Kalkül wird sie an einen Mann verheiratet, dem sie noch nie begegnet ist: Sigibert, den König der Ostfranken. Doch schon vor der Hochzeitsnacht muss Brunichild zu ihrem Entsetzen feststellen, dass ihr Ehemann ein Rohling ist – ganz im Gegensatz zu dessen Bruder Chilperich, dem sie sich bald auf verbotene Weise verbunden fühlt. Doch Brunichild muss sich in Acht nehmen, denn bei Hofe bleibt keine Gefühlsregung unbemerkt, kein Geheimnis verborgen … besonders nicht vor der machthungrigen Kammerfrau Fredegund, die alles tun würde, um selbst Königin zu werden.

Über die Autorin:

Eva Maaser, geboren 1948 in Reken (Westfalen), studierte Germanistik, Pädagogik, Theologie und Kunstgeschichte in Münster. Sie hat mehrere erfolgreiche Krimis, historische Romane und Kinderbücher veröffentlicht.

Bei dotbooks erschienen bereits Eva Maasers Kriminalromane »Der Clan der Giovese« sowie die Rohleff-Reihe mit »Das Puppenkind«, »Die Eisfrau«, »Das Schwanenmädchen« und »Der Purpurjunge«. Kommissar Rohleffs erster Fall »Das Puppenkind« ist auch im Sammelband »Tatort: Deutschland« erhältlich.

Eva Maaser veröffentlichte bei dotbooks außerdem ihre historischen Romane »Krone der Merowinger – Die Herrschaft der Königin«, »Der Moorkönig«, »Die Rückkehr des Moorkönigs«, »Der Paradiesgarten« und »Die Astronomin«.

Zudem erschienen bei dotbooks Eva Maasers Kinderbuchserien um Leon und Kim: »Leon und der falsche Abt«, »Leon und die Geisel«, »Leon und die Teufelsschmiede« und »Leon und der Schatz der Ranen«, »Kim und die Verschwörung am Königshof«, »Kim und die Seefahrt ins Ungewisse« und »Kim und das Rätsel der fünften Tulpe«

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe August 2021

Dieses Buch erschien bereits 2009 unter dem Titel »Die Fehde der Königinnen« im Piper Verlag und 2013 unter dem Titel »Der Geliebte der Königsbraut« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2009 Piper Verlag GmbH, München

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/ambarstudio und die Krone der Theodolinde

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-95520-227-9

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Eva Maaser

Krone der Merowinger
Das Schicksal der Königin

Historischer Roman

dotbooks.

Personenverzeichnis

Mit * gekennzeichnete Personen sind historisch verbürgt

Die Westgoten

Wittiges: junger Mann, achtzehn, Westgote mit fränkischer Mutter (Kriegsbeute)

Aletha, 14 jährige Magd Brunichilds

Aletheus, genannt Alexander oder Alex: Sklave, neunzehn Jahre alt

Cniva: Hofmeister des Frauenhauses (am Königshof in Toledo) und Eunuch

Rado: Stallmeister

Athanagild*: König der Westgoten

Goiswintha*: seine Ehefrau und Königin

Theodosia*: seine erste Ehefrau

Brunichild*: 16 Jahre alt, Tochter Athanagilds und Goiswinthas

Gailswintha*: hier Brunichilds jüngere Schwester (die historisch gesehen, wahrscheinlich älter als Brunichild war)

Leovigild*: Athanagilds Bruder und Erbe nach 567

Liuva*: Bruder Leovigilds und Athanagilds und 567 Erbe von Letzterem (erbte den kleineren Teil nördlich der Pyrenäen), starb bereist 572

Die Ostfranken

Sigibert*: König des ostfränkischen Teilreichs (Austrasien)

Nanthild: Ehrendame Brunichilds, Witwe, weitläufig verwandt mit den Merowingern

Sidonia: Ehrendame Brunichilds

Venantius Fortunatus*: in Italien aufgewachsener Dichter, Kleriker und Diplomat

Falco: fränkischer Edler, Angehöriger der königlichen Garde

Ingomer: Freund Falcos, gehört gleichfalls zur Garde des Königs

Chramm: kleiner Bruder Ingomers

Gogo*: Majordomus (Hausmeier) Sigiberts, geb. um 530?, Schüler seines Vorgängers Parthenius, der 548 ermordet wurde)

Priscus: ein vicarius, ein Verwaltungsbeamter (ein direkter Untergebener eines comes)

Conda*: alter treuer Diener Sigiberts, der bereits den Vorgängern des Königs gedient hat

Josephus: griechischer Händler, wohnt in Marseille, handelt mit Purpur und Weihrauch

Gundoin: Bischof von Toul

Placidia: seine Gattin

Pontus: der Brückenheilige und Gefährte Wittiges’

Die Westfranken

Chilperich*: König des westfränkischen Teilreichs (Neustrien) und Halbbruder Sigiberts

Fredegund*: seine (heimliche) Geliebte

Rigunth*: Tochter Fredegunds und Chilperichs

Die Burgunder

Guntram*: König Frankoburgunds, Bruder Sigiberts und Halbbruder Chilperichs

Austrechilde*: Ehefrau Guntrams

Marcatrude*: eine weitere Ehefrau Guntrams

Wittiges’ Leute auf seinem neuen Land:

Karl: der Schmied

Arne: ältester Sohn Karls

Otho: der zweite Sohn

die alte Hexe Barchild: Sklavin

Viola: etwa fünfjährige Enkelin Barchilds

Gozbert: der Vorbesitzer von Wittiges neuem Land

Theodo: Nachbar

Edwin: ein weiterer Nachbar

Teil I

Der Aufbruch, Toledo, Januar 566 n. Chr.

Kapitel 1

Wittiges lehnte an einem steinernen Pfosten und beobachtete die Stute. Sie lag auf der Seite, ihr gewölbter Leib wurde von Krämpfen geschüttelt. Der Kopf zuckte immer wieder hoch, die Augen traten vor Angst und Qual weit aus den Höhlen. Nicht mehr lange, und das Tier würde verenden. Die beiden jungen Stallburschen waren mit ihrem Latein anscheinend längst am Ende. Hilflos wischten sie mit Stroh über den zuckenden Leib, und einer versuchte, der Stute etwas Wasser einzuflößen. Das sollte er besser bleiben lassen. Kein Wasser!, befahl Wittiges in Gedanken. Das bringt sie erst recht um, das löst nur neue Krämpfe aus.

Merkwürdig, dass man die beiden Stümper mit dem Tier allein gelassen hatte, denn die Stute war durchaus jede Mühe wert. Ihr Fell schimmerte selbst nach diesem langen Kampf – Wittiges hatte sofort gesehen, dass sie sich seit Stunden quälte, – wie rauchgraue Seide, und ihr schmaler Kopf zeigte alle Merkmale edler Abstammung.

Ihre verzweifelten Schreie hatten Wittiges in den Stall gelockt. Er hatte hier nichts zu suchen, allerdings auch nirgendwo sonst am Hof. Vor vier Wochen hatte ihn sein älterer Bruder nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters aus dem Haus geworfen. Immerhin hatte er ihm etwas Geld und einen ganzen Sack von Ermahnungen samt einem Empfehlungsschreiben mit auf den Weg gegeben. Die Ermahnungen hatte Wittiges schon während der fünftägigen Reise an den königlichen Hof von Toledo in den Wind geschrieben, vom Geld waren nach den vier Wochen in der Residenz nur noch wenige Silbermünzen übrig. Am Hof hatte sich niemand um ihn gekümmert, auch das Empfehlungsschreiben hatte keinerlei Wirkung gezeigt. Es war mehr als zwanzig Jahre her, dass sein Vater, ein Landadliger aus dem Süden, am Hof eine eher bescheidene Stellung bekleidet hatte, die ihm am Ende seines Dienstes das Gut eingetragen hatte, auf dem die Familie seither lebte. Nun gehörte es dem Bruder, der Vater hatte ein klares Testament hinterlassen. Das war in Ordnung, das Gut warf nicht sonderlich viel ab.

Abermals schrie die Stute qualvoll auf.

»Sie schafft`s nicht«, murmelte einer der Stallburschen ratlos, »besser wir machen ein Ende mit ihr ...«

»Nein!«

Der Widerspruch kam von einer Person, die Wittiges bisher nicht beachtet hatte. Ja, richtig, da kauerte hinter der Stute in einem Winkel des Verschlags eine kleine Gestalt, die sich nun reckte.

Eine Frau!, stellte Wittiges erstaunt fest. Ein Mädchen, verbesserte er sich, als er das Gesicht sah. Was suchte die Magd hier? Sie trug einen hässlichen braunen Kittel, der sie ganz einhüllte und ein großes braunes Tuch um Kopf und Schultern. Vom Gesicht waren beinahe nur die Augen zu sehen, große blaue Augen, die sich voller Entsetzen auf den Stallburschen richteten.

»Ihr werdet Bella nicht töten, das lasse ich nicht zu!«, sagte das Mädchen scharf.

Der Knecht hob unbehaglich die Schultern.

»Wir können nichts mehr für sie tun. Beim ersten Mal ist es immer am schwersten, aber sie schafft es nicht«, erklärte er unglücklich.

Die Stute fohlte, und es überraschte Wittiges nicht, dass es ihr erstes Fohlen war. Sie erschien ihm viel zu jung, - da hatte es jemand eilig gehabt, von dem schönen Tier Nachwuchs zu bekommen. Verdammt!

»Wo ist der zuständige Stallmeister?«, knurrte er. »Ich glaube nicht, dass ihr ohne Erlaubnis der Stute die Kehle durchschneiden dürft.« Für die Abwesenheit des Stallmeisters gab es gute Gründe, wie er sehr wohl wusste. Seit fast drei Wochen befand sich der Hof in heller Aufregung. Eine große Gesandtschaft mit etwa hundert vornehmen Reitern und mehr als doppelt so vielen Knechten war eingetroffen, und seitdem herrschte in den Ställen drangvolle Enge. Ständig kam es zu Reibereien zwischen den Knechten, den fremden und den einheimischen. Die Stallmeister wussten kaum, wo sie zuerst eingreifen sollten.

»Das werdet ihr nicht tun. Niemand rührt das Pferd an!«, schrie das Mädchen. Es hatte sich halb aufgerichtet, und dabei war das braune Tuch ein Stück nach hinten gerutscht. Schimmernde blonde Locken ringelten sich in die Stirn.

Wo hatte er das Mädchen schon einmal gesehen?, fragte sich Wittiges verwirrt. Die Anwesenheit der seltsamen Magd störte ihn, denn er kämpfte schon seit einer Weile mit einem Entschluss. Als er vor vier Wochen bei einem der Untergebenen des Haushofmeisters vorgesprochen hatte, war ihm eine bescheidene Unterkunft zugewiesen worden, aber dann hatte man ihn vollkommen sich selbst überlassen. Vielleicht hatte man ihn wegen der vielen Fremden am Hof vergessen, vielleicht hoffte man, dass er von selbst verschwand. Und wenn er versuchte, irgendwo Fuß zu fassen, war er noch überall beiseitegeschoben oder gar weggescheucht worden. Es gab keine Aufgabe für ihn.

Bis jetzt.

»Niemand schneidet ihr die Kehle durch«, sagte das Mädchen mit bebender Stimme. Hinter ihr erschien ein magerer Arm und zupfte sie am Kittel.

»Wir müssen gehen«, flüsterte ein ängstliches Stimmchen.

Da war noch ein Mädchen! Ungläubig schüttelte Wittiges den Kopf.

»Lass mich!« Die ältere Magd rutschte weiter nach vorn und bettete den Kopf der Stute in ihren Schoß. Kurz blitzte wie ein Irrlicht etwas leuchtend Farbiges durch einen Seitenschlitz ihres Kittels. Das Mädchen hob den Kopf und schien Wittiges jetzt erst wahrzunehmen.

»Du da! Was starrst du so? Warum tust du nichts? Stehst nur herum und glotzt. Hol du den Stallmeister, der hier die Aufsicht hat!«

»Er wird nicht kommen«, wandte der andere Stallbursche ein. »Wie die anderen auch ist er mit den fremden Pferden beschäftigt.«

Wut brannte in den Augen des Mädchens. »Sie haben euch zwei Hohlköpfe mit der Stute allein gelassen? Wer hat das angeordnet?«

Betreten sahen die Burschen beiseite.

Wittiges hielt den Blick auf den Leib der Stute gerichtet. Schon vorher hatte er einen Verdacht gehegt und jetzt war er sich seiner Sache sicher. Ohne Rücksicht auf die feine Tunika aus dunkelblauer Wolle, kniete er sich vor das Tier. Das Fruchtwasser war längst abgegangen und das Stroh durchweicht. Es stank betäubend. Aber durch den Gestank erreichte ihn der zarte Duft eines Parfüms. Wieder fragte er sich, wer das ältere Mädchen sei, schob aber den Gedanken beiseite und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf das leidende Tier. Behutsam glitten seine Hände über den Leib, bis sie schließlich an einer Stelle innehielten. In der Stille, die ihn umfing, war es ihm, als würde die Stute ihm über die Berührung seiner Hände den Grund für ihr Leiden mitteilen. Ja, einen Moment ging er in ihrem Bewusstsein auf, und eine heiße Welle des Mitleidens schwappte in ihm hoch. Er liebte Pferde. Dann wurde er sich der Augenpaare bewusst, die ihn teils misstrauisch, teils beklommen beobachteten. Er erhob sich, klopfte nachlässig das Stroh vom Gewand ab, stellte sich wieder an den Pfeiler und verschränkte die Arme.

»Und?«, schrie das Mädchen.

Unter dem schäbigen Kittel trug die angebliche Magd ein Gewand aus roter Seide. Jetzt hätte er fragen können, wer sie war. Stattdessen zuckte er die Schultern wie der Stallknecht. Gerade noch hatte ihn Erregung erfasst, jetzt fiel sie von ihm ab. Die Stute ging ihn nichts an, das Mädchen ging ihn nichts an.

»Das Fohlen liegt falsch. Da kann man nichts machen«, erklärte er kühl.

»Wir müssten längst ...«, wimmerte die andere helle Stimme.

»Das glaube ich nicht«, widersprach das Mädchen herrisch, ohne sich um das Flehen der Kleinen zu scheren. »Es muss eine Möglichkeit geben. Du weißt etwas, nicht wahr?« Brennend bohrte sich ihr Blick in seine Augen.

Die Gleichgültigkeit, auf die er sich gerade noch versteift hatte, bröckelte. »Unser Stallmeister daheim hat ...«, er brach ab.

»Was?«

»Nun gut«, antwortete Wittiges seufzend und krempelte die Ärmel auf. »Holt Wasser - viel Wasser. Und Salbe, Butter, Öl, irgendetwas, womit ich mir die Arme einreiben kann«, befahl er den Knechten. Geradezu erleichtert stoben sie davon.

»Was hast du vor, und kann ich selbst etwas tun?«, flüsterte das Mädchen.

Wittiges wusste immer noch nicht, wen er vor sich hatte. Keine Magd, so viel war längst klar. Eine Magd war höchstens die Kleine, die sich immer noch im Schatten befand und wieder am Gewand ihrer Herrin zupfte. »Sie werden mich schlagen, wenn wir ...«, schluchzte sie.

»Halt den Mund!«, fuhr sie das ältere Mädchen an. »Also noch einmal: Was hast du vor, und was kann ich tun?«

Die Bewegungen der Stute wurden schwächer, ihre Augen verschleierten sich. Vielleicht kam wirklich jede Hilfe zu spät. Als der erste Stallbursche mit einem Krüglein erschien, riss Wittiges es ihm aus der Hand und goss sich eilig das Öl über die entblößten Arme, verteilte es, rieb sich die Hände ein und kniete sich hinter die Stute.

»Halt ihren Kopf fest, rede mit ihr, lenk sie ab! Wenn sie dir gehört, hilft es ihr, wenn sie deine Stimme hört«, wies er das Mädchen an und wandte sich an die kleine Magd: »Du da! Komm hervor und halt mir den Schweif aus dem Gesicht.« Er wartete nicht ab, bis die Magd seinem Befehl nachkam, sondern wies die Stallburschen an - der zweite hatte inzwischen einen Eimer Wasser gebracht, – die Hinterbeine der Stute zu spreizen. Eigentlich wäre es besser gewesen, das Tier auf die Hufe zu stellen, aber dafür war keine Zeit mehr.

Vor dem nächsten Augenblick hatte er sich gefürchtet, seit ihm das ungeheure Vorhaben eingefallen war. Er versuchte, ruhig zu bleiben und sich ins Gedächtnis zu rufen, was der alte Stallmeister seines Vaters in solch einem Fall getan hatte. Als er den Arm in den Leib der Stute schob, wurde ihm ein wenig übel, trotzdem gelang es ihm, alles rings um ihn herum und vor allem alle eigenen Empfindungen zu verdrängen. Wie sah es im Innern einer fohlenden Stute aus? Er hatte keine Ahnung, und doch glitten seine Hand und der Arm immer tiefer hinein. Er spürte ein Pulsieren, glitschige Nässe und ... etwas Hartes. Etwas Zuckendes. Etwas, das schwach um sich trat. Er packte zu und schloss die Finger um eine zarte Fessel des Fohlens. Ohne sich lange zu besinnen, zwängte er auch den anderen Arm hinein. Wo war die andere Fessel?

Etwas lenkte ihn ab, eine Stimme, die sich laut und herrisch in sein Gehör bohrte.

Unwillig schaute er auf. Unverkennbar war der Mann einer der Bevollmächtigten des königlichen Haushalts.

»Prinzessin Brunichild! Du kommst mit mir! Auf der Stelle. Der König wartet!«

Wittiges stöhnte auf. Er hatte ja gewusst, dass es falsch war, sich einzumischen. Der Mann war der Hofmeister des Frauenhauses, er kannte ihn zumindest vom Sehen. Ein Eunuch. Trotz seines schwabbeligen, unförmigen Körpers wirkte der Mann durchaus nicht weibisch. Sondern befehlsgewohnt. Er ließ keinen Zweifel daran, wie ungehörig die Anwesenheit der Prinzessin im Stall war. Bei einer fohlenden Stute. Jeder, der Zeuge war, hatte sich damit Strafe verdient. Wahrscheinlich würden sie ihn, Wittiges, endlich wegjagen, sobald ...

Ausgerechnet jetzt ergoss sich ein Blutschwall aus dem Leib des Pferdes, und es wieherte in Todesangst.

»Sie stirbt!«, schrie Brunichild. »Du hast versagt!« Sie meinte Wittiges, den Hofmeister beachtete sie überhaupt nicht. Diesmal funkelten ihre blauen Augen wie Eis.

In höchster Anspannung schüttelte Wittiges den Kopf. Die Schultern schmerzten ihn vor Anstrengung, Schweiß lief ihm in die Brauen. Auf einmal tupfte ihm jemand mit einem Stück Stoff die Stirn ab. Brauner Stoff von einem braunen Kittel. Nur einen Augenblick starrte er in die blauen Augen Brunichilds. Unverhofft spürte er neuen Antrieb, er gab die Stute noch nicht auf. Vorsichtig zog er an den winzigen Hufen. Plötzlich schlangen sich von hinten Arme um ihn.

»Ich helfe dir, lass nicht los, zieh weiter!« Brunichild stützte ihn, er hatte gar nicht gemerkt, dass er zitterte.

Hinter ihnen richtete der Hofmeister abermals laut und deutlich seine Aufforderung an die Prinzessin, dass sie ihm unverzüglich folgen solle, aber wieder achtete sie nicht darauf. Tief beleidigt stapfte er hinaus. Vielleicht um Hilfe zu holen, Bewaffnete, denen sich die Prinzessin nicht widersetzen konnte.

Die Hufe erschienen, und danach dauerte es nur noch einen Augenblick, bis das Fohlen als blutiges Bündel ins Stroh fiel. Jetzt mischten sich die Stallburschen ein. Sie schoben Wittiges beiseite, rieben das Fohlen mit angefeuchtetem Stroh sauber und kümmerten sich auch um die Stute. Es war, als sei ein Bann gebrochen worden. Das Fohlen lebte, es war schwach, aber es lebte. Wittiges sah es mit unverhohlener Freude. Selbst die Stute Bella gab Zeichen von sich, die hoffen ließen, dass auch sie die Strapazen der Geburt überstehen würde. Sie schnaubte und wandte den Kopf nach ihrem strampelnden Fohlen.

»Ich glaube, es ist wirklich geschafft«, murmelte Wittiges und merkte verblüfft, dass er ins Leere sprach. Die Stallburschen waren viel zu beschäftigt, um ihm zuzuhören, und Prinzessin Brunichild war mit ihrer Magd verschwunden. Enttäuscht und erschöpft, hockte sich Wittiges auf die Fersen. Seine Tunika würde sich vermutlich kaum noch reinigen lassen. Sein einziges wirklich gutes Gewand.

Als er die Stimme des Hofmeisters hörte, der sich mit Bewaffneten oder vielleicht auch nur Knechten erneut näherte, erhob sich Wittiges und verließ rasch den Stall. Von einer weiteren Begegnung erwartete er nichts Gutes. Prinzessin Brunichild hatte es nicht einmal für nötig befunden, auch nur den leisesten Dank zu äußern oder sich höflicherweise nach seinem Namen zu erkundigen.

Kapitel 2

Mit äußerster Anstrengung unterdrückte Dux Gogo seine Ungeduld. Wenn er erst einmal die Haltung verlor, würden es ihm die anderen sofort nachmachen. Vor allem die Jungen. Schon jetzt hielten sie sich kaum noch in Zaum. Dass niemand seinem Ärger lauthals Luft machte, lag wohl daran, dass gerade die Höflinge König Athanagilds leise plaudernd in den Thronsaal schlenderten. Im Nachhinein erschien es Gogo beleidigend, dass er und sein Gefolge als erste hier gewesen waren. Schon viel zu lange warteten sie darauf, dass ihnen die königliche Braut vorgestellt und offiziell übergeben wurde: König Athanagilds sechzehnjährige Tochter Brunichild.

Gogo hatte sich zunächst weigern wollen, die Mission zu übernehmen, die ihn an den Hof von Toledo führen sollte. Er war der Hausmeier König Sigiberts von Austrasien, des westfränkischen Königs, und solche diplomatischen Reisen gehörten eigentlich nicht zu seinen Aufgaben, die hauptsächlich darin bestanden, für den reibungslosen Ablauf des königlichen Haushalts zu sorgen und die Aufsicht über ein zahlreiches Gesinde auszuüben. Aber dann hatte er erkannt, dass die Reise eine Möglichkeit bot, seine Machtbefugnisse auszudehnen. Nun war er also hier und hatte sich der Laune einer sechzehnjährigen Göre zu beugen. Denn er wusste, dass die ganze Gesellschaft ringsum nur auf das Mädchen wartete. Ebenso wie ihr Vater Athanagild, die Mutter Goiswintha und die älteren Brüder. Gogo hatte umsichtigerweise zwei seiner Männer als Späher postiert. Sie hatten ihn davon unterrichtet, dass sich die königliche Familie schon eine ganze Weile in einem angrenzenden Raum aufhielt. Nur Brunichild fehlte.

Allmählich machte sich Gogo Gedanken über das Mädchen, das seine zukünftige Königin werden sollte, nein -, rechtlich gesehen bereits war. Einen Tag zuvor hatte man in einem feierlichen Akt die Verträge unterzeichnet, die das Bündnis zwischen den Westgoten und den Franken Sigiberts besiegelten. Die Heirat galt als Garantie dafür.

War sie vielleicht hässlich? Einer der Gründe, warum Sigibert ausgerechnet ihn geschickt hatte, war das Vertrauen in seine, Gogos, Urteilskraft, ein unschätzbarer Vorteil, den er nicht gefährden wollte. Sigibert hatte ihm Anweisungen gegeben, die er niemals schriftlich hätte niederlegen lassen.

»Wenn sie hässlich ist oder strohdumm, finde einen Ausweg, um sie bei ihrer Familie zu lassen. Und schau dich um, ob es nicht eine geeignetere ältere oder jüngere Schwester, Nichte oder Cousine gibt«, hatte Sigibert eindringlich geäußert. Gogo wusste, worauf sich die geheime Furcht seines Herrn bezog, und dieser erklärte es ihm sogar ausführlich, auch das war ein Vertrauensbeweis. Sigibert wollte eine Königin wie Audovera, die Frau seines Bruders Chilperich. Audovera hatte prächtige Söhne geboren und war schon deshalb eine Königin, wie man sie sich nur wünschen konnte. Außerdem war sie so eindrucksvoll in ihrer vornehmen Haltung, dass sich jeder ganz selbstverständlich ehrfürchtig vor ihr verneigte. Sie verlieh dem Haus ihres Gemahls Glanz, und das seit beinahe zwanzig Jahren. Dagegen hatte es Sigibert bisher nicht geschafft, sich eine Gattin zu suchen, die dem Vergleich mit Audovera standhielt. Mit über dreißig war er noch immer Junggeselle und hatte keinen Erben vorzuweisen, zumindest keinen offiziellen. Würde er plötzlich sterben, würde sein Land zerrissen und unter seine drei Brüder aufgeteilt.

Die westgotischen Höflinge beäugten die Franken mit unverhohlener Neugier. Selbstverständlich trugen alle Franken ihre heimische Tracht, und das hieß: enge Hosen und Tuniken, die nur bis zu den Oberschenkel reichten. Die fränkischen Wollweberinnen waren berühmt für ihr Können und ihren Einfallsreichtum, und das Ergebnis ihrer Kunst war anscheinend zuviel für die Westgoten. Ihre Blicke grenzten an Unverschämtheit. Hundert Männer in bunt gemusterten Hosen und ebenso farbenfreudigen Tuniken waren sie nicht gewohnt. Zwei fränkische Krieger neben Gogo machten sich einen Spaß daraus, ihre Hosen regelrecht zur Schau zu stellen, in dem sie eine Hand in die Hüfte stemmten und ein Bein vorstreckten.

Wo blieb dieses Mädchen? Um einen Rest von Selbstbeherrschung ringend, starrte Gogo zur gewölbten Decke des Thronsaals hinauf. Auf Prunk verstanden sich die Westgoten. Die gesamte Decke war mit schimmerndem Goldmosaik ausgekleidet. Schwungvolle Ranken begrenzten Szenen, in denen anscheinend Heilige dargestellt waren oder Vorfahren des Königs, und wechselten ab mit schmalen Bildfeldern, in denen exotisches Getier durch blumige Auen sprang. Die Kreatur über ihm war eindeutig ein Löwe. Der ganze Saal wirkte wie der Innenraum einer Basilika. Weihrauchduft, der aus silbernen Räuchergefäßen aufstieg, verbreitete sakrale Weihe. Die Seitenwände waren mit farbigem Marmor verkleidet, und durch die Rundbogenfenster hoch oben fiel mildes goldfarbenes Licht. So ähnlich wie dieser mussten die Säle in den Palästen des oströmischen Kaisers in Byzanz aussehen. Der Kaiser von Ostrom gab noch immer das Maß aller Dinge vor, ihm eiferte Athanagild eindeutig nach.

Am Räuspern und Füßescharren merkte Gogo, dass sich etwas tat. Eine Seitentür neben der erhöhten Thronempore hatte sich geöffnet und die königliche Familie hielt endlich Einzug. Gogos Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf eine einzige Person.

Da war sie! Athanagild und Goiswintha hatten ihre Tochter in die Mitte genommen und hielten sie an der Hand. Eine Goldjungfrau, war Gogos erster Gedanke. Es bestand kein Zweifel daran, das Athanagild seinen neuen Verbündeten etwas sehr Kostbares, sehr Erlesenes überantwortete.

Das Mädchen trug ein weißes Unterkleid mit besticktem Saum und darüber ein goldenes Gewand, das unterhalb der hoch angesetzten Taille raffiniert in schrägen Bahnen angeordnet war. Es funkelte und glitzerte nur so vor aufgenähten Juwelen und Perlen. Ein breites Collier bedeckte den Ausschnitt, lange Ohrgehänge aus Perlen und Edelsteinen bildeten einen weiteren Blickfang. Das lockige blonde Haar war hoch aufgetürmt und wurde oben von einem Krönchen zusammengehalten. Das Mädchen war ein einziges Schmuckstück. Eine Ikone. Gogo hatte erhebliche Mühe, hinter dem aufgebotenen Prunk einen Menschen zu erkennen. War die Kleine hübsch? Während er auf ein Knie sank, fragte er sich, ob die überladene Aufmachung von einem Gebrechen ablenken sollte. Unauffällig hielt er nach einem Klumpfuß oder einem Buckel Ausschau. Aber vielleicht schielte sie ja nur.

Als das Begrüßungszeremoniell mit den vorgeschriebenen Verneigungen und kurzen Ansprachen überstanden war, durfte Gogo die Stufe zur Empore hinaufsteigen. Athanagild hatte sich auf seinem Thron niedergelassen, seine Königin und die Söhne hatten auf bereitgestellten Stühlen Platz genommen, nur das Mädchen stand noch. Ein näselnder Höfling betete die Vorzüge und Tugenden der Prinzessin herunter. Von Schönheit war in dem Gefasel nicht die Rede, aber vielleicht war ein Hinweis auf Schönheit für das überaus vornehme westgotische Herrscherhaus vulgär.

Nach der Lobrede durfte sich Gogo endlich Brunichild nähern. Er hielt den Blick noch gesenkt, denn er war damit beschäftigt, ein Emailkästchen aufzuklappen und ihm einen Siegelring zu entnehmen, der ihm auf einmal geradezu schäbig vorkam. Ein roter Stein mit einem eingeschnittenen Stierkopf, dem symbolträchtigen Emblem der Ahnen Sigiberts, in einer groben Fassung. Dem Protokoll entsprechend, über das ihn ein Zeremonienmeister unterrichtet hatte, durfte er der Prinzessin ohnehin nicht direkt ins Gesicht sehen.

Als Sperre gegen frevelhafte Blicke bedeckte ein hauchfeiner, beinahe durchsichtiger Schleier Brunichilds Haupt. Auf einmal reizte Gogo das Getue, das den hohen Rang dieser Sechzehnjährigen auch dem Begriffsstutzigsten demonstrieren sollte, zu offenem Widerstand. Alle Vorschriften in den Wind schlagend, starrte er Brunichild an, während er seine Ansprache hielt und sie im Namen Sigiberts als Königin anerkannte.

Er stockte kurz.

Das Mädchen sagte kein Wort.

Stattdessen schnarrte der Höfling eine Antwort.

Dann versicherte Gogo die Prinzessin beinahe schon grimmig seiner Ergebenheit und seines Schutzes. In diesem Augenblick meinte er trotz des Schleiers in den blauen Augen einen flüchtigen Ausdruck von Erschrecken wahrzunehmen. Und ein eigenartiger Geruch streifte ihn. Wahrscheinlich eine Sinnestäuschung. Es konnte doch nicht sein, dass dieses goldene Mädchen nach Stall roch. Wortreicher als notwendig versprach er Brunichild, dass er während der baldigen Reise in ihr neues Heimatland persönlich über sie wachen werde. Jetzt kam Panik im Blick des Mädchens auf. Was hatte er denn bloß gesagt, das sie derart erschreckte? Als er ihr schließlich zur Besiegelung ihrer Verbindung mit ihrem zukünftigen Gemahl den Ring an den Finger steckte, unterdrückte sie nur mühsam ein Zittern.

Was würde Sigibert sagen, wenn er entdeckte, dass er eine ängstliche Gans eingekauft hatte?

Brunichild sagte auch jetzt nichts.

Eine Stumme!

Die Audienz war beendet, gemessenen Schrittes verließ die königliche Familie den Saal.

Als Gogo zu seinem Gefolge zurückkehrte, hörte er, wie einer der beiden, die ihre Hosen so auffällig zur Schau gestellt hatten, zum anderen sagte: »Wie soll man denn so was besteigen? Das ist eine bemalte Statue.«

»Aber sie hat richtig gute Dinger vorn«, brummte der andere.

»Das weißt du erst, wenn du sie in der Hand hältst«, zischte sein Freund.

Falco und Ingomer, - gerade waren Gogo die Namen der beiden eingefallen. Zwei notorische Unruhestifter. Aber er konnte ihnen ihr Gerede nach der zermürbenden Warterei nicht einmal übelnehmen.

»Auf alle Fälle ist sie hübsch«, stellte Falco abschließend fest und pfiff leise.

Dass Brunichild hübsch war, konnte Gogo beim besten Willen nicht bestätigen, darauf hatte er nicht geachtet, als er vor ihr gestanden hatte. Und eigentlich kümmerte ihn das auch nicht mehr. Das Mädchen, das war ihm nun klar geworden, passte nicht ins fränkische Königreich. Nur fiel ihm nicht ein, wie er die getroffenen Vereinbarungen rückgängig machen sollte. Wohl oder übel musste sich Sigibert mit der bemalten Statue abfinden. Sorgenvoll verließ Gogo als einer der Letzten der fränkischen Gesandtschaft den Saal. Sein Gefolge hatte sich längst zerstreut.

Athanagild hatte es eilig, seine Gemächer aufzusuchen. Die von den Franken eingeforderte Zeremonie im Thronsaal hatte ihn verdrossen und die Art, wie Herzog Gogo Brunichild angestarrt hatte, empörte ihn noch im Nachhinein. Es war nur allzu deutlich, dass die Franken die Katze nicht im Sack kaufen wollten. Noch zwei Wochen und die Gesandtschaft würde abreisen. Diese Gäste belasteten das Hofleben. In der kurzen Zeit war es zwischen den ungehobelten fränkischen Gefolgsleuten und seinen jungen Kriegern wiederholt zu Händeln gekommen, wie ihm sein Hausmeier berichtet hatte. Am Ende überschatteten womöglich noch ein Totschlag und die unausweichlichen Wergeldverhandlungen das fragile Einvernehmen zwischen Westgoten und Franken. Er brauchte dieses Bündnis als Vorsichtsmaßnahme gegen Guntram, Sigiberts älteren Bruder, den König von Frankoburgund, dessen Reich an das seine grenzte. Es war noch nicht so lange her, dass die Franken unter Chlodwig das westgotische Königreich von Toulouse erobert und die Westgoten zum Rückzug nach Spanien gezwungen hatten. Diese verlustreiche Vergangenheit haftete als ewige Schande im Gedächtnis der westgotischen Könige und mahnte, dass die Gier der Franken auf weitere Eroberungen nicht gestillt war. Sie ruhte nur gerade.

Mit einer höflichen Verneigung wollte sich Athanagild von Goiswintha verabschieden, als jemand hinter ihnen herrief. Unwillig wandte er sich um. Brunichild hatte sich den Schleier heruntergerissen und hetzte ihnen nach.

»Vater, Vater! Kann ich mit dir reden?«

Athanagild sah seine Tochter nicht oft. Leider hatte ihm seine zweite Gemahlin Goiswintha nur Töchter geboren. Aber da er von seiner ersten, längst verstorbenen Ehefrau zwei Söhne hatte, spielte das keine große Rolle. Und auch Töchter hatten einen gewissen Wert. Dennoch durften sie ihm nicht lästig fallen. Er wartete, bis Brunichild ihn erreicht hatte, und entließ mit einer Handbewegung das kleine Gefolge, das ihn und Goiswintha noch begleitete.

»Du willst dich entschuldigen?«, begann er, sobald sich die Leute zurückgezogen hatten. »Du wirst trotzdem für deine Verspätung vorhin Prügel erhalten, das lasse ich deinen Erziehern ausrichten. Du hast es uns und unseren Gäste gegenüber an Achtung fehlen lassen. Ich bin zornig auf dich.«

Unmerklich zuckte Brunichild zusammen. »Das tut mir leid.« Ihre Stimme schwankte. »Aber deswegen wollte ich dich nicht sprechen. Stimmt es, dass die Franken schon so bald aufbrechen? In zwei Wochen?«

»Warum fragst du? Ist es von Belang, wann du abreist? Seit einem Jahr verhandeln wir mit den Franken. Es wird Zeit, dass die Sache zu einem Ende kommt. Ich denke, man hat dir alles für dich Wichtige mitgeteilt.« Ganz selbstverständlich hatte Athanagild angenommen, dass Goiswintha mit ihrer Tochter geredet hatte oder zumindest Hofmeister Cniva. Er wandte sich an seine Gattin. »Hast du es ihr nicht gesagt?«

»Sie ist seit Monaten vorbereitet. Auch ihre Ausstattung und die Dienerschaft, die sie begleiten wird, sind reisefertig. Seit Wochen warten wir nur noch«, antwortete Goiswintha würdevoll und leicht gekränkt. »Ich bin mir keiner Versäumnisse bewusst.«

Brunichild wischte sich verstohlen über die Augen und straffte sich. »Das ist richtig. Es ist nur einfach so: Gerade hat meine Stute Bella ihr erstes Fohlen bekommen und ich will die beiden mitnehmen. Aber das Fohlen wird in zwei Wochen ...«

Ungehalten fiel ihr Athanagild ins Wort: »Du glaubst doch nicht etwa, dass die Abreise wegen einer Stute und ihres Fohlens verschoben wird? Um die Sache gleich zu klären: Die Pferde bleiben hier.« Er schnupperte. »Du riechst nach Stall. Du hast uns also warten lassen, weil deine Stute fohlte? Geh, bevor ich die Beherrschung verliere und selbst die Hand gegen dich erhebe!« Als ob er sich nur noch mühsam beherrschen könne, ließ er seine Tochter stehen und entfernte sich mit raschen Schritten. Goiswintha folgte ihm.

»Was kommt jetzt?«, wandte er sich müde an sie, nachdem er auf sie gewartet hatte. »Willst du mir Vorwürfe machen?«

Sein Blick fiel durch eines der kleinen Fenster, die den langen Flur säumten. Unten im Hof spielten Kinder. Wahrscheinlich waren ein oder zwei seiner Bastarde darunter. Sie flitzten um ein junges Mädchen herum, eine kleine Magd.

»Aber nein«, entgegnete Goiswintha ruhig. »Ich habe mich genau wie du über sie geärgert. Aber ...«, sie zögerte einen Augenblick. »Brunichild hängt an der Stute. Übrigens hast du sie ihr vor zwei Jahren geschenkt und sie damit sehr glücklich gemacht. Versteh sie doch.« Goiswinthas Stimme war weicher und leiser geworden.

Athanagild verstand durchaus. Er war keineswegs ein Unmensch, wenn auch kein besonders aufmerksamer Vater. Natürlich litt seine Tochter darunter, Familie und Heimat verlassen zu müssen, in der sicheren Gewissheit, niemals zurückzukehren. Das war das vorbestimmte Schicksal von Königstöchtern, das auch ihr nicht erspart blieb. Dafür hatte sie eine sorglose und unbeschwerte Kindheit erlebt, die nun endgültig zu Ende ging. Aber das schien sie nicht zu begreifen. Er hatte sie für klüger und reifer gehalten. Sie hatte nicht begriffen, dass sie das Unterpfand für den Frieden zwischen den Franken Sigiberts und den Westgoten ihres Vaters war. Mehr und mehr zweifelte er daran, dass sie die ihr zugedachte Aufgabe als Königin der Franken meistern würde.

Sie war ungeeignet.

»Ein zwei Wochen altes Füllen kann die Reise nicht überstehen, und dass die Abreise wegen der Pferde verschoben wird, wäre unseren Gästen kaum begreiflich zu machen«, erklärte er frostig. »Im Übrigen werde ich froh sein, wenn die fränkischen Raufbolde verschwunden sind, ohne dass sich ein ernster Zwischenfall ereignet hat.«

»Ich rede mit Brunichild«, versprach Goiswintha bedrückt.

»Ja, bitte. Vielleicht findet sich ein anderes Spielzeug, das sie mitnehmen kann«, spöttelte Athanagild und sah seiner Gattin hinterher, als sie ihren Weg zu den Frauengemächern fortsetzte.

Die Kinder spielten immer noch im Hof. Das junge Mädchen war ein nettes Ding. Die Bewegungen waren anmutig und leicht, und langsam keimte ein verlockender Gedanke in Athanagild. Er winkte einen Diener herbei und trug ihm auf, Cniva zu holen. Es dauerte nicht lange, bis der beleibte Eunuch herankeuchte.

Athanagild deutete in den Hof hinunter.

»Wer ist das Mädchen? Kennst du es?«

»Selbstverständlich«, antwortete Cniva kurz angebunden. »Ich habe die Kleine erst kürzlich deinen Töchtern zugeteilt. Sie ist recht anstellig, aber noch ein bisschen scheu. Sie hat sich heute ...«

Scheu, stellte Athanagild fest, gefiel ihm. Er schmunzelte und strich sich in leichter Vorfreude über die Oberlippe. »Wie alt?« unterbrach er Cniva.

»Gerade vierzehn.« Cniva schwante nichts Gutes. Er warf seinem König einen forschenden Seitenblick zu, während er überlegte, wie er Athanagild von der Kleinen ablenken könnte.

»Alt genug. Eine Sklavin?« In Athanagilds Augen trat ein begehrliches Funkeln.

Widerwillig nickte Cniva. Eine der Palasthuren musste her, er wusste auch schon welche, aber nicht, wie er sie dem König schmackhaft machen sollte, ohne dass er den Braten roch. Leider kam Athanagild seinem Vorschlag zuvor.

»Bring sie mir. Sofort!«

Jetzt noch einen Einwand oder gar Widerrede zu wagen, wusste Cniva, war völlig zwecklos und außerdem gefährlich.

Kapitel 3

Wittiges hatte sein Pferd aus dem schäbigen Stallgebäude geholt, in dem außer Esel und Maultieren nur Klepper für die niedrigste Dienerschaft untergebracht waren. Seine winzige Kammer befand sich oberhalb des Stalles, er hatte also nur die Leiter hinabzusteigen brauchen, nachdem er sich umgezogen hatte.

Er hatte einige Mühe darauf verwandt, wenigstens etwas frischeres Stroh für sein Pferd zu ergattern. Bauto war ein stämmiger Hengst mit falbem Fell, ausdauernd und gutartig, wenn auch etwas klein geraten. Wittiges lange Beine reichten fast bis zum Boden, sobald er aufgesessen war. Das Missverhältnis hatte ihm schon zu Hause Spott eingetragen. Bauto schnaubte freudig, als er ihn sattelte, und folgte ihm willig aus dem düsteren, streng nach Pferdeurin stinkenden Stall. Wittiges wollte sich und dem Pferd Bewegung verschaffen und dabei die Erinnerung an Brunichild loswerden. Er mochte sich nicht eingestehen, dass ihm das Bild der Prinzessin weiterhin durch den Kopf geisterte. Und dann dachte er auch gleich wieder an ihre kränkende Undankbarkeit. Selbst wenn sie ihn für einen Knecht gehalten hatte, was er eigentlich ausschloss, hätte sie wenigstens ein anerkennendes Wort über seine geglückte Geburtshilfe äußern können. Auf dem Weg durch die Stallhöfe schaute er noch einmal nach der Stute Bella und stellte erleichtert fest, dass das Fohlen auf die Beine gekommen war und kräftig bei ihr trank. Ein Fohlen mit rabenschwarzem Fell, ein bildschöner kleiner Hengst.

Der Anblick der beiden machte ihn glücklich. Es war sein Werk, dass der Kleine lebend auf die Welt gekommen war, diese Freude konnte ihm niemand nehmen. So durchquerte er in guter Stimmung mit seinem Bauto die ausgedehnte Palastanlage mit den vielen Höfen und Einzelgebäuden, ritt an dem prunkvollen Bau mit dem Thronsaal und den Privatgemächern der königlichen Familie vorbei und passierte schließlich eines der Tore, die aus dem Palastbezirk hinausführten. Toledo lag auf einer Hochebene über dem Tajo, der die Stadt an drei Seiten umfloss. Die steilen Abhänge zum Flussufer bildeten einen natürlichen Schutz für die Königsstadt.

Wittiges ließ sich wie so oft schon treiben. In Ermangelung einer sinnvolleren Beschäftigung hatte er Toledo in den vergangenen vier Wochen immer wieder erkundet. Er erwog, der Pferderennbahn, die noch aus der Zeit der Römer stammte, einen Besuch abzustatten, in der Hoffnung, Bauto dort ordentlich traben lassen zu können. Aber da die Tore zur Rennbahn verschlossen waren, und laute Stimmen herausdrangen, lenkte Wittiges Bauto weiter. Vielleicht wurde ein Rennen für die fränkischen Gäste vorbereitet.

Wittiges wollte jetzt raus aus der Stadt, um sich ein ruhiges Fleckchen zu suchen, wo er ungestört über sein Schicksal nachdenken konnte. So wie bisher durfte sein Leben nicht weitergehen. In Kürze würde er Schulden machen müssen, ohne zu wissen, wie er sie jemals begleichen sollte. Zwar brauchte er weder für seine Unterkunft noch für das Essen aus der Palastküche zu zahlen, aber für Bautos Futter musste er aufkommen. Und jedermann erwartete ein Geschenk von ihm: Der Küchenbengel, der ihm das Essen herausbrachte, der Pferdeknecht, der Bauto ungebeten mit Wasser versorgte, und die Magd, die er überredet hatte, seine gute Tunika so weit wie möglich zu reinigen. Ein Herr, und das war er für die Bediensteten, hatte sich stets großzügig zu zeigen, oder er hörte auf, ein Herr zu sein.

Unausweichlich würde er auf die Stufe der Knechte hinabsinken. Wie konnte er das verhindern?

Auf dem kurvigen Weg hinunter zum Fluss ließ er Bauto im Schritt gehen. Unten saß er ab, damit das Pferd grasen konnte. Allerdings wuchs das Gras nur äußerst spärlich. Es war Ende Januar und von Frühling keine Spur. Aber die Sonne wärmte sogar jetzt, am Spätnachmittag, noch ein wenig. Ein schöner, friedlicher Tag alles in allem. Weitab vom quirligen Getriebe des Hofes atmete Wittiges auf. Eine Weile folgte er dem Fluss, der Hochwasser führte und mächtig rauschend durch das steinige Bett floss. Hoch oben leuchtete die Stadtmauer in der Sonne, und irgendwann tauchte der Königspalast auf, der mit seinen höchsten Gebäuden von sechs oder sieben Stockwerken die Mauer überragte. Hier wurde die Uferzone besonders schmal. Büsche und krüppelige Eichen krallten sich in den felsigen Untergrund.

Die Königsburg im Rücken, hockte sich Wittiges hin und ließ Steinchen über das Wasser schnellen, bis sie in den Springwellen verschwanden. Wie viel Zeit er mit dem kindischen Spiel verbrachte hatte, konnte er nicht sagen, als er Stimmen vernahm. Jemand schrie.

Wittiges lauschte. War ein Kind in den Fluss gefallen? Ohne sich umzusehen, pfiff er nach Bauto. Der Hengst würde ihm folgen, während er sich auf den Weg über die schlüpfrigen Steine machte. Reiten empfahl sich hier nicht. Noch versperrte ihm das Gebüsch die Sicht. Wieder war ein Schrei zu hören, eindeutig ein Schmerzensschrei. Noch ehe Wittiges jemanden sehen konnte, bückte er sich und hob einen Stock auf. Einen langen Stock aus festem Holz.

Bauto hatte ihn eingeholt, und Wittiges warf seine Zügel über einen Ast. Das Tier würde zurückbleiben, denn es verstand immer, was sein Herr von ihm wollte. Wittiges ließ den Mantel von den Schultern gleiten und trat, den Stock in der Hand, hinter dem Gebüsch hervor.

Zwei junge Männer in bunten Hosen - eindeutig Franken – hatten einen Halbwüchsigen am Wickel. Einer der Franken hielt ihn fest, das hieß, er kniete fast auf ihm. Wittiges schätzte den Jungen auf etwa fünfzehn, drei Jahre jünger als er selbst, während seine beiden Peiniger bestimmt schon die zwanzig überschritten hatten. Der Junge war ihnen hoffnungslos unterlegen. Er hatte sich gewehrt, dafür sprachen das zerrissene Gewand und die tiefe Schramme im Gesicht.

»Zeig uns deine Eier!«, forderte der zweite Franke, hob mit dem Schwert die Tunika des Jungen an und lachte gehässig. »Wusste ich’s doch: Er hat keine mehr!«

Schlagartig wurde Wittiges einiges klar. Der Junge trug eine lange Tunika aus ungefärbtem Stoff wie viele der Bediensteten des königlichen Haushalts. Wahrscheinlich war er ein Sklave, der ein wenig Erholung am Fluss gesucht hatte und dabei den Franken in die Hände gefallen war.

»Lasst ihn in Ruhe!«, rief Wittiges in umgangssprachlichem Latein, das außer Gotisch recht verbreitet war und von vielen Franken verstanden wurde.

»Was?«, fragte der Mann mit dem Schwert in der Hand auf Fränkisch. »Hast du ihn verstanden, Falco?«, fügte er für seinen Kumpanen hinzu.

Wittiges blieb beim Latein. »Verschwindet!«, schrie er und fasste den Stock quer.

»Bürschchen«, knurrte Falco und grinste Wittiges frech an, »du verschwindest!« Er hatte mühelos ins Lateinische gewechselt, das hieß, zumindest einer der beiden beherrschte diese Sprache. Wer am Hof etwas werden wollte, gleichgültig, ob am fränkischen oder westgotischen, musste Latein sprechen können.

Falco versetzte dem Sklaven einen Stoss ins Kreuz, sodass dieser nach vorn fiel, stieg über ihn hinweg und zog sein Schwert. Mit einer Hand winkte er Wittiges heran.

»Komm nur, komm Bürschchen, zeig auch du uns deine Eier. Hast du sie noch? Dann bist du sie gleich los.«

Dann setzte er leise auf Fränkisch an seinen Gefährten gewandt hinzu: »Ich lenke ihn ab, erledige du ihn von der Seite.«

Zwei gegen einen nur mit einem Stock bewaffneten Mann. Wittiges besaß gar kein Schwert. Aber die Schaf- und Rinderhirten seines Vaters hatten ihn so allerlei gelehrt. Diese beiden da, dachte er kühl, sind einfach zwei wild gewordene Kühe mit spitzen Hörnern.

Der Sklavenjunge winselte. Er kauerte am Boden, genau zwischen Wittiges und seinen Gegnern. Er war im Weg. Einer der Franken hob sein Schwert, um es auf den gebeugten Nacken des Jungen herabsausen zu lassen. Wittiges parierte den Schlag mit dem Stock, merkte aber zu spät, dass er dabei den anderen Franken aus den Augen verloren hatte. Genau wie seine Gegner es wollten. Er fuhr auf einer Ferse herum, wehrte gerade noch das Schwert ab, das ihn von der Seite treffen sollte, und sprang zurück. Der Stock hatte eine größere Reichweite als die Kurzschwerter der Franken, und diesen Vorteil galt es auszunutzen.

»Verschwinde!«, zischte er den Sklaven an. Zum Glück verstand ihn das Häuflein Elend und kroch zum Flussufer. Jetzt war das Feld frei. Im Stillen segnete Wittiges jeden blauen Fleck, den er sich bei den Kampfübungen mit den Hirten eingehandelt hatte. Wenn allerdings dieser Kampf nur mit blauen Flecken für ihn endete, konnte er heilfroh sein.

»Was ist?«, rief er seinen Gegnern höhnisch zu. »Habt ihr Angst vor mir und meinem Stock? Solltet ihr auch! Ich haue euch nämlich grün und blau.«

Aufgestachelt umkreisten ihn die Franken und versuchten mehrfach, seine Deckung zu unterlaufen. Von den Hirten hatte Wittiges gelernt, an einem Aufblitzen der Augen, einem Seitwärtsblick und anderen kleinen Zeichen den nächsten Zug des Gegners zu erraten, aber die Bärte und das lange, wallende Haar der Franken verwehrte ihm größtenteils die Sicht auf ihr Mienenspiel.

So dauerte es nicht lange, bis ein besonders harter Schwerthieb den Stock glatt durchschlug. Mit der verkürzten Waffe wurde das Scharmützel für Wittiges um einiges gefährlicher. Zum Glück begriffen die Franken nicht, dass er verstand, was sie sich gelegentlich zuriefen. Sie verabredeten ihre Angriffe. Vorgewarnt, konnte er ihnen zuvorkommen und Treffer landen, mit denen sie nicht gerechnet hatten. Immer wieder schlug er nach ihren Beinen, um sie zu Fall zu bringen. Leider erwiesen sich die Franken als überaus standfeste, erprobte Krieger. Und dann war Wittiges einmal nicht schnell genug, und ein siedender Schmerz durchzuckte sein Bein. Er merkte, wie er in die Knie ging, schaffte es aber doch, auf den Füßen zu bleiben und Ingomer den Stock so in die Seite zu rammen, dass der Mann zurücktaumelte.

Blut lief Wittiges die Wade hinunter. Den Schmerz spürte er kaum noch, aber er wusste, dass die Verletzung mehr und mehr eine Behinderung darstellte. Es wurde Zeit, dass er angriff statt sich nur zu verteidigen! Todesmutig sprang er auf Falco zu und schlug ihm mit einem gewaltigen Hieb auf den Arm. Klirrend fiel das Schwert auf die Steine. Wittiges wich zur Seite und schlug noch einmal zu, diesmal auf die Schulter, während er selbst spürte, wie Ingomers Klinge seine Rippen streifte. Der andere Franke war zu nahe. Der nächste Schwerthieb musste ...

Der nächste Hieb kam nicht.

Wittiges drehte sich halb um. Ingomer hielt das Schwert angriffsbereit, war aber in der Bewegung erstarrt.

»Was geht hier vor?« Eine tiefe, grollende Stimme drang in Wittiges Bewusstsein, während er sich hastig von seinen Gegnern zurückzog. Erst dann schaute er sich nach dem Sprecher um.

Der Mann saß auf einem riesigen schwarzen Ross. Er hatte die üblichen langen Zottelhaare, dazu buschige Augenbrauen und einen gewaltiger Bart, so dass vom Gesicht noch weniger zu sehen war als bei den anderen Franken. Der Grimm des Mannes war trotzdem unverkennbar und richtete sich gegen seine Landsleute.

»Wird’s bald?«, schnauzte der Reiter.

Falco hob sein Schwert auf, steckte es zurück in die Scheide und umklammerte, die Schultern auffällig gekrümmt, den geprellten Arm, um zu zeigen, dass er Schmerzen litt.