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Michael Hesemann

Papst Franziskus

Das Vermächtnis Benedikts XVI. und die Zukunft der Kirche

Mit 16 Abbildungen

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Herbig

Abbildungsnachweis:

L’Osservatore Romano, Vatikanstadt: 1-4, 7, 10-11, 14–16

Picture alliance/dpa: 5

Mark Gatt, Malta/O.R.: 6

Michael Hesemann: 8-9

Yuliya Tkachova: 12

Rabbi Abraham Skorka: 13

Dem Papst der Demut, Benedikt XVI., in Dankbarkeit

www.herbig-verlag.net

© für die Originalausgabe und das eBook: 2013 LangenMüller in der

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: dpa picture-alliance, Frankfurt

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-7766-8179-6

Inhalt

Einleitung

I. »Habemus Papam!«

II. Ein Jesuit namens Franziskus

III. Ein römischer Frühling

IV. Der Mann, der nie Papst werden wollte

V. Der Paulus-Papst

VI. Das Pontifikat der Versöhnung

VII. Reformer Ratzinger: Der unverstandene Papst

VIII. Das Erbe Benedikts XVI.

IX. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel

Intermezzo I.: Interview mit HH Prälat Dr. Georg Ratzinger

X. Vom Ende der Welt

XI. Die Zukunft der Kirche

Intermezzo II.: Gespräch mit Maria Elena Bergoglio

XII. Das Zeichen des Franziskus

Bildteil

Dank

Literatur

Einleitung

Die Ereignisse des »römischen Frühlings« von 2013 haben die Kirche verändert. Es war bereits von einer »stillen Revolution« die Rede. Seitdem blicken 1,2 Milliarden Katholiken und mit ihnen die ganze Welt auf den Mann, der jetzt seit fast einem Vierteljahr als Nachfolger Petri waltet – und sich lieber »Bischof von Rom« als »Papst« nennt. Mit seiner spontanen Herzlichkeit und demonstrativen Bescheidenheit hat Franziskus die Herzen der Menschen erobert, und das ist gut so. Denn seine Vision einer entweltlichten Kirche, eher nach dem Vorbild der frühen Christen als in der Tradition der mächtigen Herrscher über den Kirchenstaat, fasziniert. Und viele glauben, dass es genau das ist, was im dritten Jahrtausend gebraucht wird: neue Glaubwürdigkeit nach den Skandalen der letzten Jahrzehnte, Nähe zu den Menschen, konsequente, kompromisslose Nachfolge Christi.

Doch wer ist dieser geheimnisvolle Mann vom »Ende der Welt«, der jetzt die Kirche führt und dabei sein Hirtenamt so ernst nimmt? Das gute Dutzend von Biografien, das in den letzten zwei Monaten auf den Markt geschwemmt wurde, gibt oft nur widersprüchliche Antworten. Wie können sie auch ein tieferes Bild bieten, wurden sie doch zu einem großen Teil gleich in der Woche nach seiner Wahl geschrieben, als Gerüchte kursierten, überzogene Hoffnungen vieler und unbegründete Sorgen weniger die Diskussion bestimmten? Praktisch nur drei der ersten Titel haben dauerhaften Wert: die Chronik der Papstwahl des Radio Vatikan-Redakteurs Stefan von Kempis, Sergio Rubins Interviewband El Jesuita (dt.: Papst Franziskus. Mein Leben, mein Weg) und Über Himmel und Erde, das, ein kleine Sensation für sich, der heutige Papst zusammen mit einem Rabbi aus Buenos Aires schrieb. Doch auch sie sind nicht in der Lage, die zentrale Frage zu beantworten, die uns alle bewegt: Wohin wird Franziskus die Kirche führen? Das können, das wollen diese drei Titel auch gar nicht; das erste Buch versteht sich als Bildchronik, die beiden anderen entstanden Jahre vor der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst.

Insofern erhebt das vorliegende Buch einen bislang einmaligen Anspruch. Es basiert nicht nur auf einer Analyse der ersten 60 Tage seines Pontifikats, sondern vor allem auf meinen Begegnungen mit vieren seiner engsten Freunde und Wegbegleiter, die ich in Rom und Buenos Aires interviewen konnte: seine Schwester Maria Elena Bergoglio, seinen Mitbruder Pater Peter Gumpel S.J., seinen vielleicht wichtigsten Freund, Rabbi Abraham Skorka, und seinen ehemaligen Pressesprecher Pater Guillermo Marcó. Auch auf diesem Wege möchte ich diesen vieren für ihre bewegenden Zeugnisse danken.

Als Historiker weiß ich, dass nur prognostizieren kann, wer die Vergangenheit kennt. »It is difficult to prophecy, especially the future« (»Es ist schwierig, etwas zu prophezeien, insbesondere die Zukunft«) lautet ein altes chinesisches Sprichwort. Trotzdem trägt dieses Buch dazu bei, die Zukunft zu erahnen, indem wir die Vergangenheit verstehen. Dazu aber haben wir drei Schlüssel: die gewiss turbulenten Ereignisse der letzten Monate, alles, was wir über Jorge Mario Bergoglio wissen, und das Pontifikat seines großen Vorgängers. Um eben diese drei Themen geht es auf den nächsten Seiten. Dabei gilt es auch, das Erbe Benedikts XVI. neu zu entdecken, das einen Franziskus erst möglich gemacht hat. Genau hier aber begegnen wir dem größten Missverständnis des neuen Pontifikats: dem Irrtum, es habe ein Bruch stattgefunden.

Wer Papst Franziskus für einen Revolutionär hält, der hat Benedikt XVI. nicht verstanden. Vielleicht ist es eine Revolution der Zeichen, die der Argentinier gezielt setzt, um seine Botschaft zu vermitteln, aber das ist alles. Inhaltlich setzt der Jesuit auf Kontinuität. Er ist der »Testamentsvollstrecker« des bayerischen Papstes, und das ist positiv gemeint. Populärer ausgedrückt: Benedikt war der Denker, Franziskus ist der Macher. Doch inhaltlich wollen sie das Gleiche: eine von Skandalen gereinigte, entweltlichte Kirche, die sich ganz auf Christus hin zentriert.

Zu den wichtigsten Hinterlassenschaften des Ratzinger-Papstes gehört seine Deutung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Er, der als einer seiner wichtigsten Theologen und Vordenker gilt, wehrt sich gegen eine »Hermeneutik des Bruchs«, eine Deutung also, die besagt, das Konzil sei ein Bruch mit der Vergangenheit und ein völliger Neuanfang der Kirche gewesen. Stattdessen bevorzugt er eine »Hermeneutik der Kontinuität«, die Deutung, dass das Zweite Vatikanum in der ungebrochenen Tradition der Kirche steht. Es gibt keinen ernstzunehmenden Konzilsinsider, der anderer Ansicht ist. Doch trotzdem wurde es nach außen hin als Revolution wahrgenommen. Das reale Konzil war ein anderes als das »Konzil der Medien«, seine Darstellung in der Öffentlichkeit.

Gleiches kann man vom Pontifikat Benedikts XVI. sagen. Krampfhaft hatten die Gegner seiner Reformen versucht, ihn als Papst der »Pleiten, Pech und Pannen« zu diskreditieren, ihn bewusst missverstanden, um ja das Große zu verschleiern, das sich mit ihm ankündigte. Auch davon berichtet dieses Buch, um aufzuzeigen, dass nicht erst mit Franziskus, sondern bereits mit Benedikt XVI. eine neue Ära der Kirche begonnen hat. So gilt es umso mehr, das Erbe des Ratzinger-Papstes neu zu entdecken, das die geistige Grundlage seines Nachfolgers ist. Es könnte sich als letztes großes Licht des sterbenden Europas erweisen.

Denn unbestreitbar signalisiert die Wahl des ersten Papstes aus der Neuen Welt einen Dammbruch, ja eine Zeitenwende. Die Zeit der eurozentrischen Kirche geht zu Ende. Europa steckt nicht nur wirtschaftlich in der Krise, auch geistig steht es vor dem Bankrott, weil es sich selbst von seinen Wurzeln abschneidet, der griechischen Philosophie ebenso wie dem christlich-jüdischen Menschenbild. So kann es durchaus sein, dass Ratzinger eines Tages als der letzte große Mahner des christlichen Abendlandes in die Geschichte eingeht, der freilich den Untergang nicht aufhalten konnte, schon weil der Prophet in seinem Vaterland so wenig gilt.

Die aufstrebenden, jungen und noch nicht an ihrer eigenen behäbigen Etabliertheit erstickenden Kirchen der »Dritten Welt« haben jedenfalls immer weniger Vertrauen darin, dass ihnen dieses Europa noch etwas geben kann. Daher kommen sie jetzt, um selbst im letzten Moment das Ruder zu übernehmen und das Schiff Petri wieder auf Kurs zu bringen. Insofern ist Franziskus wirklich ein »Petrus Romanus«, ein neuer Petrus, der aus der Ferne, über das große Meer, kam, um auch uns das Evangelium neu zu verkündigen und, vor allem, vorzuleben. Mit ihm kehrt das Papsttum zu seinen Anfängen zurück. Was danach kommt, das weiß nur Gott allein.

An dem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe, genau zwei Monate nach seiner Wahl, weihte Franziskus sein Pontifikat der Gottesmutter von Fatima, der großen Warnerin aus dem Kriegsjahr 1917, die in ihrer Botschaft die Ereignisse des 20. Jahrhunderts bis hin zur Bekehrung Russlands so präzise beschrieb. Das ist ein gutes Zeichen, das hoffnungsvoll stimmt. Aber es zeigt auch, wie ernst der 265. Nachfolger Petri[1] seine Aufgabe nimmt. In einer mehr als schwierigen Zeit setzt er sein Vertrauen darauf, dass der Herr, der diese Kirche vor fast 2000 Jahren begründet hat, sie auch in Zukunft nicht im Stich lassen wird.

»Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben«, dichtete Hermann Hesse. Das gilt ganz besonders für ein neues Pontifikat. Papst Franziskus ist die Zukunft der Kirche. Hoffen wir, dass Gott ihm die Kraft und die Weisheit schenkt, die er in diesen Tagen mehr denn je brauchen wird.

Düsseldorf, am 13. Mai 2013

Michael Hesemann

Anmerkung

[1] Franziskus ist nach offizieller Zählung im Annuario Pontificio (Ausgabe 2012) der 266. legitime Papst der katholischen Kirche (diverse Gegenpäpste werden nicht mitgerechnet), aber eben der 265. Nachfolger des hl. Petrus, der als erster Papst gilt.