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Daniela Leitner

Als das Licht
laufen lernte

Eine kleine Geschichte
des Universums

Mit einem Vorwort von Harald Lesch

1. Auflage

© 2013 by C. Bertelsmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Lektorat: Christina Riemann

Umschlaggestaltung: buxdesign, München / Daniela Leitner, Helmbrechts

Layout, Satz, Fotos und Grafiken: Daniela Leitner, Helmbrechts

ISBN 978-3-641-11245-5

www.cbertelsmann.de

Inhalt

Vorwort

Vorwort für ein großartiges Unterfangen

Wie die Physik zu mir kam

1 Wellenreiter
Das Licht und sein Doppelleben

1.1 Welle oder Teilchen?

Warum sich das Licht nicht in Schubladen stecken lässt

Wie Newton das Licht auseinandernahm

Der Streit beginnt

Die Eigenschaften von Wellen und Teilchen

Die Korpuskeltheorie

Das Huygens’sche Prinzip

Wer hatte recht?

Das Doppelspaltexperiment

Der Welle-Teilchen-Dualismus

Doppelspaltexperiment 2.0

1.2 Was die Welt im Innersten zusammenhält

Ein Einblick in das Reich der Quantenmechanik

Die große Revolution des ganz Kleinen

Die Erkenntnisse der Quantenrevolution

Die Heisenberg’sche Unschärferelation

Warum sehen wir überhaupt etwas?

Sockenversuch Nummer 1

Sockenversuch Nummer 2

Sockenversuch Nummer 3

Zurück beim Welle-Teilchen-Dualismus

Bilderverbot

Unwahrscheinlich unwahrscheinlich

1.3 Ein Photon kommt selten allein

Das Licht in seiner Rolle als Elementarteilchen

Die Suche nach den Zutaten des Universums

Die Eigenschaften der Elementarteilchen

Das Photon und sein Bekanntenkreis

Fermionen sind verfeindet

Bosonen lieben sich

Halb oder ganz? Die Sache mit dem Spin

Kommunismus pur

Das Kräftemessen der Bosonen

Das Photon

1.4 Das Licht zeigt sein Gesicht

Über eine Kraft namens Elektromagnetismus

Der elektromagnetische Dreiklang

Beinahe blind

Unterwegs auf kurzen Wellen

Unterwegs auf langen Wellen

Ins Rote verschoben

Licht ist Information

Licht wird geboren

Wie das Licht schwingt

1.5 Photon liebt Elektron

Wie das Licht Materie sichtbar macht

Der etwas andere Jo-Jo-Effekt

Vom Verschlucken und Wiederausspucken

Die Geburtshelfer des Lichts

Wenn das Photon mit dem Elektron …

Die Pigmentierung der Materie

2 Zurück in die Vergangenheit
Warum nichts schneller ist als das Licht

2.1 Scheitern an der Schnelligkeit

Wie das Licht der Wissenschaft lange Zeit davoneilte

Dem Licht auf der Spur

Das berühmteste misslungene Experiment aller Zeiten

2.2 Jonglieren mit Raum und Zeit

Warum die Lichtgeschwindigkeit schuld daran ist, wenn der Verstand seinen Dienst quittiert

Einstein und das Licht

Die Gedanken sind frei – Raum und Zeit sind es nicht

Kissenkonstellation, die erste

Kissenkonstellation, die zweite

Kissenkonstellation, die dritte

Die Sturheit des Lichts

Kistenkonstellation, die erste

Kistenkonstellation, die zweite, und die Dehnung der Zeit

Kistenkonstellation, die dritte, und das Stauchen der Länge

Kistenkonstellation, die vierte, und das Zunehmen der Masse

Aus Jahren Tage machen

Die anderstickende Welt

2.3 Das Ewiggestrige

Warum wir niemals sehen werden, was wirklich gerade passiert

Die Geschichte des Universums von hinten aufrollen

Unsere Reise in die Vergangenheit beginnt

3 Kalt, klein, allein
Die Sonne als unteres Mittelmaß

3.1 Rätselhaftes Dauerfeuer

Das große Grübeln über die Energiequelle der Sonne

Warum scheint eigentlich die Sonne?

3.2 Energie für Einsteiger

Eine kleine Vorstellungsrunde ihrer Erscheinungsformen

Ohne Energie geht gar nichts

Thermische Energie und Temperatur

Äquivalenzmasse und gravitative potenzielle Energie

3.3 Wie heiß, wie groß, wie schwer?

Eine Bestandsaufnahme unserer Sonne

Die Anarchie der geladenen Teilchen

Fakten, Fakten, Fakten

3.4 Schwindelnde Höhen

Eine Exkursion in die Sonnenatmosphäre

Weitab vom Schuss

Eine starke Brise

Die Schlechtwetterfront der Sonne

3.5 Das Sprungbrett des Lichts

An der Sonnenoberfläche geht es rund

Kein fester Boden unter den Füßen

Alles andere als makellos

Irrungen und Wirrungen

Der Wunsch der Sonne nach Veränderung

Eisige Zeiten

3.6 Das Licht als Kämpfernatur

Warum die Photonen in der Sonne nichts zu lachen haben

Eine Fahrkarte Richtung Ausgang, bitte!

Auf Zickzackkurs

Drückend heiß

3.7 Von einem Element zum nächsten

Warum sich Kernreaktionen lohnen

Grundkurs Kernphysik, Lektion 1: Die Kernladung

Grundkurs Kernphysik, Lektion 2: Fusion und Fission

Eigentlich zu kalt und klein, um ein echter Stern zu sein

Ominöses Durchtunneln

Die Sonne verbrennt ineffizient

3.8 Kochrezept für eine Portion Energie

Aus Wasserstoff wird Helium

Proton trifft Proton

1 plus 1 ist weniger als 2

3.9 Alles eine Frage der Balance

Die Sonne und ihr Gleichgewichtssinn

Ganz schön raffiniert

Die Sonne wächst und schrumpft zugleich

4 Wolkenbruch
Von kühlen Krümeln zum strahlenden Stern

4.1 Alles dreht sich um die Sonne

Eine Inventur des Sonnensystems

Ein strenges Regiment

Vor allem leerer Raum

In direkter Nachbarschaft – die terrestrischen Planeten

Der mickrige Merkur

Die rechtsdrehende Venus

Der Glücksfall Erde

Der massive Mond

Der rostige Mars

Der krümelige Asteroidengürtel

In weiter Ferne – die jovianischen Planeten

Der wuchtige Jupiter

Der extravagante Saturn

Der umgefallene Uranus

Der knallblaue Neptun

Der Sonderling Pluto im eisigen Kuipergürtel

Die chaotische Oort’sche Wolke

4.2 Kampf der Kräfte

Wie die Sonne sich in ihre Existenz stürzte

Die Nebulartheorie

Gravitation versus thermischer Druck

Vom Vorhauptreihenstern zum Hauptreihenstern

Vom Protostern zum Vorhauptreihenstern

Die Fülle der Hülle

Leise rieselt der Staub …

Wie die Sonne ihre Rotation loswurde

Lichtkeulen im Doppelpack

4.3 Die Reste vom Feste

Wie aus Krümeln Planeten entstanden

Die Überreste der Sternentstehung

Mond, wo kommst du denn her?

Auch Planeten fingen einmal klein an

Sternenpaare

4.4 Kleine Krümel, große Wirkung

Die ersten Gehversuche unseres werdenden Sterns

Viel Wirbel um die Sonne

Freier Fall

Lichte Dichte

4.5 Kühlende Moleküle und andere praktische Dinge

Wege zur klirrenden Kälte, damit ein heißer Stern entstehen kann

Vom Molekül zum Stern

Staub als praktisches Helferlein

Die Wolke schwitzt

Zappeln und Rotieren

Elektronen-Pingpong

Grüppchenbildung

Zwei Phänomene mit seltsamen Namen

Magnetfelder – Fluch und Segen für den Kollaps

Wie der Ball ins Rollen kam

5 Die dunklen Zeiten sind vorbei
Der erste Stern macht das Licht an

5.1 Startschuss für den Kollaps

Warum unsere Molekülwolke in sich zusammenbrach

Turbulente Teilchen

Eine rasende Blase

Ein platzender Stern

5.2 Die Sache mit dem Sternenstaub

Wiederverwertung im All

Ein Stern geht, der nächste kommt

92 Prozent Sternenstaub

5.3 Der erste Stern vergeht

Der Materiekreislauf beginnt

I, II oder III?

Die Egozentriker unter den Sternen

Andenken im All

5.4 Damit die Chemie stimmt

Wie die schweren Elemente entstehen

Nutzen und Aufwand

Heiße Protonenküche

Schnelle Neutronenküche

Gemütliche Neutronenküche

Sternenzwiebel

Untätiges Eisen

Das Silicium brennt!

Gefangenes Helium

Der Sauerstoff brennt!

Das Neon brennt!

Der Kohlenstoff brennt!

Das Helium brennt!

Der Wasserstoff brennt!

Ausgebrannt …

5.5 Mutation zur Zwiebel

Schichtarbeit in einem sterbenden Stern

Eine Schicht jagt die nächste

Da waren es nur noch vier …

Da waren es nur noch drei …

Da waren es nur noch zwei …

Rote Riesen auf Diät

Wasserstoff ist aus

Vom Unterriesen zum Roten Riesen

Die Ruhe vor dem Sturm

Übrigens …

5.6 Nichts als Schatten

Wenn selbst das Licht nicht mehr entkommen kann

Historische Überlegungen zu Schwarzen Löchern

Schwarz, schwer, singulär

Sturz ins Bodenlose

Informationsverweigerer

Vorsicht, bissig: Relativitätstheorie trifft Quantenmechanik

Hinterm Horizont …

Licht in der Linse

Wegen der Raumzeitkrümmung machen sich Schwarze Löcher durch den Gravitationslinseneffekt indirekt sichtbar, indem sie Photonen zusammenbündeln.

Knautschsonne

Zeitlos

5.7 Es werde Licht!

Der erste Stern wird geboren

Kurswechsel im Kosmos

Metallmangel

Erschwerte Startbedingungen

Das Licht geht an

Die Population-III-Sterne lassen noch auf sich warten

6 Vorhang auf
Das Licht lernt laufen

6.1 Lückenhaft

Das Zeitalter des Kontrasts

Die Ära der Galaxien

6.2 Nicht viel mehr als einfach nur schwer

Von Dunkler Materie und düsteren Zeiten

Schwer unsichtbar

Machos

Weicheier

Tiefe Töpfe

Die Ära der Atome

6.3 Unglaublich, unerhört und unverschämt

Das Universum hatte einen Anfang

Hubbles Glückstreffer

Gestern kleiner als heute

6.4 Hinter kosmischen Gardinen

Das Zeitalter der Helligkeit

Erst hell, dann dunkel

Taubenkot und andere merkwürdige Vorfälle

Hintergrundrauschen

Die Unabhängigkeitserklärung der Materie

Fast zu perfekt, um wahr zu sein

7 Der Tag ohne Gestern
Eine logische Katastrophe und ihre Folgen

7.1 Dunkel, dünn, kalt und alt

Vom heutigen Universum zur Urknalltheorie

Das Echo des Urknalls

7.2 Energie liegt in der Luft

Kernreaktionen unter freiem Himmel

Die Ära der Atomkerne

Die Nukleosynthese-Ära

Hallo, Helium!

Das Schicksal der Neutronen

7.3 Eins gegen eine Milliarde

Vom Schicksal des letzten Antiteilchens

Die Hadronen-Ära

7.4 Das letzte Zerwürfnis

Vom Ausflocken der Kräfte

Die elektroschwache Ära

7.5 Inflationär!

Alles wird GUT

Die Große Vereinheitlichte Theorie

Fragen über Fragen

Inflationäre Klümpchenbildung

Inflationärer Einheitsbrei

Inflationär platt gedrückt

Beweise, bitte!

7.6 Katastrophale Kausalität

Der Anfang ohne Anstoß

Die Planck-Ära

Der erste Symmetriebruch

Und was war davor?

7.7 Licht im Dunkel

Von zufälligen Absichten

Im Sternenwald

Danke, Licht!

Anhang

Nachwort

Index

Bibliografie

Vorwort

Vorwort für ein großartiges Unterfangen

von Harald Lesch

Wer wagt sich schon aus freien Stücken an dieses Thema der größten Geschichte aller Zeiten? Zugegeben, es gibt ein großes Interesse an astronomischen und sogar kosmologischen Fragen, aber so ganz genau wollen es nur die wenigsten wissen. Sobald nämlich klar wird, dass es sich um Physik des Allergrößten handelt, immer wieder vermischt mit der Physik des Allerkleinsten, bleibt zwar die Faszination, aber die Mühe, sich mit allen Einzelheiten zu beschäftigen, ist dann doch zu groß, und man versteckt sich gerne hinter dem Gedanken, dass man es so genau gar nicht wissen kann. Und dann das hier!

Da macht sich jemand auf und erkundet auf eigene Faust die Kosmologie und die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie und die Kernphysik und entwirft das Bild des Kosmos in allen Facetten und Nuancen. Diese unermüdliche Entdeckerin benutzt eine so bildhafte Sprache und so geniale, aus ihrer unmittelbaren Lebensumwelt gegriffene, anschauliche Beispiele, dass man als Profi einfach nur staunen kann. Und das Tollste ist, es ist alles richtig! Daniela Leitner legt hier ein Werk vor, das tatsächlich die gute alte, akademisch so traditionsreiche Bezeichnung des »Magnum Opus« verdient hat. »Als das Licht laufen lernte« ist eine höchst erquickliche, weil sehr vergnügliche und zugleich bemerkenswert geistreiche Reise durch das Land des expandierenden Kosmos, der sich verzehrenden Sterne, des Urknalls, der Auseinandersetzung von Licht und Materie und der Versuch, die Welt da draußen zu verstehen. Das alles in den Worten des »Normalverbrauchers«. Bei jeder Zeile hat man das Gefühl, direkt dabei zu sein. Das Universum wird hier zum Spielplatz, Sterne zu Spielbällen und selbst vor schwierigstem Gelände in der Quantenmechanik und Teilchenphysik wird nicht haltgemacht, sondern mit Bild und Wort ein Panoramagemälde gezeichnet, das vor Fabulierlust und Darstellungsliebe nur so strotzt. Der Autorin ist hier etwas ganz Großartiges gelungen, zu dem ich ihr nur voller Respekt gratulieren kann. Ich habe es schon gelesen und beneide alle, die es noch vor sich haben.

Wie die Physik zu mir kam

von Daniela Leitner

Was ist eigentlich Licht? Diese Frage sollte der Ausgangspunkt eines Projekts werden, das mich sehr lange in Atem hielt … Doch eines gleich vorweg: Ich bin weder Physikerin noch hatte ich bis zu dem Zeitpunkt, als ich mir die obige Frage, mehr aus einer Laune heraus, zu stellen begann, irgendetwas mit Physik zu tun noch die Ambitionen, mich jemals mit diesem Fach ernsthaft zu beschäftigen. In der Tat durchfuhr mich bereits in der Schulzeit das blanke Grausen, wenn ich einen Physiksaal auch nur betreten musste. Mehr schlecht als recht habe ich deshalb meine Physikkarriere mit Abwählen des verhassten Fachs am Ende der elften Jahrgangsstufe an den Nagel gehängt.

Doch dann, fast zehn Jahre später, sollte sich das Blatt wenden und meine Einstellung zur Physik eine mehr als dramatische Wendung erfahren. Schuld an dieser wirklich unwahrscheinlich unwahrscheinlichen Kehrtwende ist der Physiker Prof. Dr. Harald Lesch, der mir zum ersten Mal über den Weg lief, als ich, der Frage »Was ist Licht?« nachgehend, auf seine Fernsehsendung »alpha-Centauri« stieß. In dieser Sendung wird kurz und knackig innerhalb einer Viertelstunde ein Begriff aus der Astronomie derart unterhaltsam und anschaulich erklärt, dass selbst komplett ahnungslose Laien folgen können.

Und in der Tat schien das Konzept der Sendung auch bei mir zu fruchten: Irgendetwas Seltsames muss in den folgenden 15 Minuten mit meinem Gehirn passiert sein. Was es war, weiß ich selbst nicht, jedenfalls begann ich bereits während der ersten Minute der Sendung mit der Physik Freundschaft zu schließen – mehr noch: Ich hatte sogar das Gefühl, die Dinge, die Herr Lesch mir da durch den Bildschirm erklärte, wirklich zu verstehen!

Es folgte eine erste lange Phase des Recherchierens. Ich schrieb sämtliche »alpha-Centauri«-Sendungen, die mir für mein inzwischen zur Chefsache gewordenes Thema »Licht« relevant erschienen, per Hand mit. Am Ende sollten es fast 70 Sendungen werden, die ich mir angesehen und minutiös mitgeschrieben habe – und das vollkommen freiwillig und ohne, dass ich zunächst wusste, warum ich das überhaupt tat.

Es folgte die harte Recherchephase Nummer 2. Nun mussten Fachbücher gewälzt werden. Auch diese wurden fein säuberlich von mir von vorne bis hinten durchgeackert und exzerpiert. Irgendwann stand schließlich der Entschluss fest: Ich wollte ein eigenes Buch über die Physik des Lichts schreiben! Doch nicht nur schreiben – da ich Studentin im Fach Kommunikationsdesign war, sollte dieses Projekt meine Diplomarbeit werden. Die Gestaltung durfte deshalb alles andere als für ein populärwissenschaftliches Fachbuch üblich ausfallen.

Kommen wir also zum Konzept, das dieses etwas andere Physikbuch zu einer eher exotischen Spezies macht: Dieses Buch richtet sich nicht nur an bereits vorgebildete Fachleute, die es ohnehin schon gewohnt sind, sich erschreckend schwere Fachbücher einzuverleiben – obwohl auch diese Zielgruppe an der ungewohnt andersartigen Herangehensweise an die ansonsten meist eher trocken dargebotene Welt der Physik ihre helle Freude haben wird, denn auch an Tiefgang wird es hier definitiv nicht mangeln! Auch dem bis zu diesem Zeitpunkt völlig ahnungslosen Laien soll es ähnlich ergehen wie mir damals – Physik kann nämlich tatsächlich richtigen Spaß machen! Das klingt vielleicht komisch, aber so ist es! Und genau dieses Erweckungserlebnis möchte ich aus dem Leser herauskitzeln. Dieses Buch ist deshalb der mir sehr am Herzen liegende Versuch, andere mit demselben seltsamen Virus ganz hinterlistig zu infizieren, der mich bei meinem ersten Zusammentreffen mit Harald Lesch selbst überfiel.

Was also erwartet den Leser auf den kommenden rund 800 Seiten, auf denen ich die Physik auf eine etwas andere Art präsentieren werde? Erst einmal zur Beruhigung – gerade für die Lesergruppe, die wie ich bisher nur sehr schlechte Erfahrungen mit dem Schulfach Physik gemacht hat: Das Verhältnis von Text zu Bild ist mehr als ausgewogen. Es wird hier außerdem niemals ellenlange Abhandlungen geben, sondern es werden stets sehr mundgerechte Texthäppchen serviert, die mit zahlreichen zusammenfassenden, zum Schmunzeln anregenden oder einfach nur unglaublich interessanten Einschüben gesalzen sind. Denn die Geschichte dieser Naturwissenschaft ist mehr als fesselnd – sie birgt sogar einiges an humoriger Skurrilität in sich …

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Die zahlreichen Fotografien und Grafiken haben mit der für Fachbücher üblichen Bildsprache rein gar nichts zu tun. Stattdessen habe ich sämtliche Sachverhalte in diesem Buch anhand eines Tagesablaufs in meiner Wohnung, rückwärts vom Schlafengehen bis zum Aufstehen, inszeniert. Worum sich alles drehen wird, ist natürlich das Licht. Wir werden dieses wundersame physikalische Phänomen von heute bis zum Anbeginn der Zeit zurückverfolgen und dabei von Zimmer zu Zimmer wandern und jedes Thema mit den dort vorhandenen Gegenständen auf eine etwas unkonventionelle Art und Weise kennenlernen. Entsprechend wird auch die Zeit in der Wohnung verkehrt herum fließen. Auf unserer Reise in die Vergangenheit wird uns außerdem so einiges über die gesamte Welt der Physik über den Weg laufen, das über einige Umwege ebenfalls mit dem Phänomen Licht verwoben ist. In sieben Kapiteln werden wir dabei auf folgende Etappen stoßen:

Wir starten unsere Reise im Schlafzimmer und Bad, in denen wir das Licht grundsätzlich betrachten. Was ist Licht überhaupt? Ist es ein Teilchen? Eine Welle? Wie verhält es sich? Welche Freunde hat es? Und wie schafft es das Licht eigentlich, dass wir etwas sehen können?

Danach werden wir uns der Geschwindigkeit widmen, mit der sich das Licht umherbewegt. Wie schnell ist das Licht? Warum ist es überhaupt so schnell? Und was bedeutet das für unser Verständnis von Raum und Zeit? Als Versuchslabor wird uns dabei das Wohnzimmer dienen.

Vom Wohnzimmer wandern wir schließlich weiter in Küche und Esszimmer. Hier werden wir unsere Sonne genauestens unter die Lupe nehmen. Wie groß ist sie? Woraus besteht sie? Wie weit ist die Sonne von uns entfernt, und was bedeutet das für uns? Und wie kommt überhaupt das viele Licht zu uns, das unser Stern jeden Tag aussendet?

Nachdem wir all diese Fragen geklärt haben, drehen wir die Zeit weiter zurück und begutachten unser Sonnensystem als Ganzes. Wie ist es aufgebaut? Und vor allem: Wie ist es überhaupt entstanden? Dies und vieles mehr werden wir im Arbeitszimmer rekonstruieren.

Ebenfalls im Arbeitszimmer widmen wir uns schließlich den allerersten Sternen, die unser Universum jemals mit Licht versorgt haben. Wie lebten diese Sterne? Wie sahen sie aus? Wie sind sie entstanden? Und was hatte ihre Existenz für unser heutiges Universum zur Folge?

Im sechsten Kapitel werden wir schließlich an eine fiese Grenze stoßen: Am Frühstückstisch werden wir klären, seit wann das Licht überhaupt frei laufen kann, und warum wir nicht weiter als bis zu jener besagten Grenze blicken können. Was ist dieser »Lichtvorhang« überhaupt? Was passierte danach? Und warum gibt es seitdem eigentlich Sterne?

Zu guter Letzt landen wir schließlich wieder im Schlafzimmer und Bad. Hier wird uns der Anfang von allem, der Urknall, über den Weg laufen – der Moment, in dem alles Licht entstand, aus dem sich im Laufe von Milliarden von Jahren schließlich Leben entwickeln sollte. Was ist hier passiert? Warum sind die Vorgänge damals so prägend für unser gesamtes heutiges Universum gewesen? Und welche Rolle spielte das Licht dabei?

Wir haben also einiges vor! Legen wir deshalb gleich los und beginnen unsere Reise in die Vergangenheit, auf den Spuren des Lichts, und stürzen uns direkt ins Vergnügen …

Woraus besteht eigentlich das Licht? In diesem Kapitel werden wir ganz nah in das Reich des winzig Kleinen blicken, um dabei einem gewissen Photon auf die Schliche zu kommen. Wie und wo lebt jenes Lichtteilchen? Und wie gelingt es ihm, unserem Leben Farbe einzuhauchen und damit die Welt, in der wir leben, überhaupt für unsere Augen sichtbar zu machen?

1

Wellenreiter

Das Licht und sein Doppelleben

»Fünfzig Jahre intensiven Nachdenkens haben mich der Antwort auf die Frage ›Was sind Lichtquanten?‹ nicht näher gebracht.

Natürlich bildet sich heute jeder Wicht ein, er wisse die Antwort. Doch da täuscht er sich.«

Albert Einstein

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1.1 Welle oder Teilchen?

Warum sich das Licht nicht in Schubladen stecken lässt

Anfang des 18. Jahrhunderts entzündete sich an der Frage »Was ist Licht?« die wichtigste Debatte in der Geschichte der Wissenschaft: Verhält sich das Licht wie eine Welle oder wie ein Teilchen? Dieser Konflikt sollte erst ein ganzes Jahrhundert später ein äußerst überraschendes Ende finden …

Wie Newton das Licht auseinandernahm

Was ist Licht? Eine scheinbar einfache Frage – doch eine ebenfalls einfache Antwort darauf zu geben, fällt gar nicht so leicht. Versuchen wir deshalb, uns langsam an das Thema heranzutasten, und beginnen mit einer Eigenschaft des Lichts, die wir direkt wahrnehmen können: der Farbe.

Das Spektrum des sichtbaren Lichts, also der Farben, die wir mit unseren Augen sehen können, reicht von Rot, Orange, Gelb bis Grün, Blau und Violett. Der Eindruck von Weiß entsteht, wenn alle Farben des Regenbogens zu gleichen Teilen enthalten sind. Schwarz ist streng genommen keine Farbe – denn hier ist kein Farbanteil des Spektrums enthalten. Rot, Grün und Blau zählen zu den sogenannten Primärfarben, für die unsere Sehzellen empfindlich sind. Kombinationen aus diesen dreien lassen dabei die gesamte Bandbreite des sichtbaren Lichts entstehen.

Die Tatsache, dass weißes Licht, also beispielsweise das der Sonne oder das einer Glühbirne, alle Farben des Spektrums zu gleichen Teilen enthält, kann man ganz einfach selbst überprüfen, indem man es durch ein Prisma scheinen lässt. Das weiße Licht wird dabei in seine Bestandteile aufgefächert (siehe Fotografie 1).

Der erste Wissenschaftler, der sich mit dem Lichtspektrum beschäftigte, war der britische Physiker Sir Isaac Newton (1643–1727). Er teilte in den 1660er-Jahren Licht mittels eines Prismas in seine einzelnen Farbbestandteile auf und setzte ein zweites Prisma hinter eine der Farben. Dieses zweite Prisma zeigte wiederum kein Spektrum, sondern gab lediglich die eintretende Farbe wieder. Newton bewies damit, dass Farben nicht durch Prismen erzeugt werden, sondern eine Eigenschaft des Lichts sind.

Der Streit beginnt

Das Experiment mit den beiden Prismen zeigte zwar, dass Licht und Farbe direkt zusammenhängen, es lieferte jedoch keine Antwort auf die Frage, was Licht denn nun tatsächlich ist.

Newton hatte aber bereits eine Vermutung. Für ihn bestand das Licht aus vielen kleinen Teilchen, sogenannten Korpuskeln. Doch diese Meinung teilten nicht alle Wissenschaftler. Sein hartnäckigster Gegner war der niederländische Physiker, Astronom und Mathematiker Christiaan Huygens (1629–1695). Er war der Ansicht, Licht sei eine Art Welle, die sich durch den Raum ausbreite.

Anfang des 18. Jahrhunderts spaltete sich die Wissenschaft in zwei Lager, mit den Anhängern der Wellentheorie auf der einen und den Befürwortern der Teilchentheorie auf der anderen Seite. Es war der Beginn der wichtigsten Debatte in der Geschichte der Wissenschaft: Verhält sich das Licht wie eine Welle oder wie ein Teilchen?

Die Eigenschaften von Wellen und Teilchen

Um den Konflikt besser zu verstehen, muss man zunächst die genaue Definition von »Teilchen« beziehungsweise »Welle« kennen. Ein Teilchen ist einfach zu beschreiben. Eine Orange ist beispielsweise ein recht großes Teilchen, während eine Murmel schon etwas kleiner ist. Ein noch kleineres Teilchen wäre zum Beispiel ein Atom. Es handelt sich also um feste, greifbare Dinge. (Wobei sich die Greifbarkeit einzelner Atome als recht schwierig gestaltet, aber das soll an dieser Stelle ignoriert werden.) Teilchen können entweder ruhen oder sich von einem Ort zum anderen bewegen.

Doch wie sieht es mit Wellen aus? Eine Art von Wellen, die uns im täglichen Leben immer wieder begegnen, sind Wasserwellen. Lässt man zum Beispiel Wasser in die Badewanne laufen, breiten sich die Wellen vom Zentrum des Wasserstrahls kreisförmig nach außen aus.

Bringt man Teilchen und Welle nun zusammen, zum Beispiel indem man ein Quietscheentchen in die Badewanne legt, beginnt das Teilchen auf der Welle zu tanzen. Es bewegt sich auf und ab, jedoch nicht mit der Welle nach vorne. Während die Welle sich also ausbreitet, verharrt das Teilchen, in diesem Fall also unser Entchen, auf seiner Position. (Ebenso verhält es sich übrigens mit Wassermolekülen, die ja auch Teilchen sind. Sie bewegen sich auf und ab, jedoch nicht mit der Welle fort.)

Wellen sind daher ein Medium, das sich ausbreitet. Sie transportieren dabei jedoch keine Materie, sondern Energie. Lassen wir unser Entchen in die Badewanne fallen, wird es vom Wasser abgebremst und gibt dabei einen Teil seiner Bewegungsenergie an das Wasser weiter. Das Wasser transportiert diese Energie nun mit den Wellenbewegungen nach außen davon (siehe Grafik 1). Während Teilchen also fest und dinghaft sind und somit zur Materie zählen, sind Wellen eine Art Muster, das erst durch die Wechselwirkung mit Materie erkennbar wird.

Das Muster einer Welle lässt sich in einzelne Welleneigenschaften unterteilen (siehe Grafik 2). Wellen haben immer einen höchsten Punkt, den sogenannten Wellenberg, und einen tiefsten Punkt, das Wellental. Der Abstand zwischen Wellenberg und Wellental wird als Amplitude bezeichnet. Die durchschnittliche Höhe liegt dabei genau dazwischen. Die Wellenlänge ist durch die Distanz von einem Wellenberg (oder Wellental) zum nächsten definiert. Die Frequenz ergibt sich aus der Anzahl der Wellenberge, die einen Punkt in einer Sekunde durchqueren. Sie wird in Schwingungen pro Sekunde in der Einheit Hertz (Hz) angegeben. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit sagt aus, wie schnell die Welle Energie von einem Punkt zum nächsten transportiert. Sie ergibt sich, indem man die Wellenlänge mit der Frequenz multipliziert.

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Die Korpuskeltheorie

Kehren wir nun zum Streit zwischen Newton und Huygens zurück und nehmen ihre Theorien genauer unter die Lupe. Wie bereits erwähnt gilt Isaac Newton als Begründer der Korpuskeltheorie (auch Korpuskulartheorie, Emissionstheorie, Emanationstheorie oder ballistische Lichttheorie genannt), nach welcher das Licht aus vielen kleinen Körperchen, sogenannten Korpuskeln, also Teilchen, besteht. Diese kleinen Lichtteilchen, so die Theorie, werden von leuchtenden Lichtquellen geradlinig ausgesendet, wobei die Lichtgeschwindigkeit stets abhängig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle ist.

Anhand dieser Theorie ließen sich Farben durch die unterschiedliche Größe der Lichtteilchen beschreiben. Auch die geradlinige Ausbreitung und die Reflexion des Lichts, die entsteht, wenn Licht auf einer Fläche, zum Beispiel einem Spiegel, zurückgeworfen wird, konnte die Theorie erklären. Effekte wie Beugung, Brechung oder die partielle Reflexion bereiteten allerdings Schwierigkeiten und ließen sich nicht ohne Weiteres durch die Korpuskeltheorie beschreiben.

Trotz dieser ungelösten Fragen hatte Newtons Teilchentheorie des Lichts viele Anhänger, zu denen beispielsweise der französische Mathematiker und Astronom Pierre-Simon Laplace (1749–1827), der ebenfalls aus Frankreich stammende Physiker und Astronom Jean-Baptiste Biot (1774–1862) oder der schottische Physiker Sir David Brewster (1781–1868) zählten.

Das Huygens’sche Prinzip

Dem gegenüber stand der Begründer der Wellenoptik, Christiaan Huygens, mit dem nach ihm benannten Huygens’schen Prinzip (auch Huygens-Fresnel’sches Prinzip genannt). Es besagt, dass jeder Punkt einer Wellenfront als Ausgangspunkt für eine neue Welle dient, wobei die Wellen in drei Dimensionen als halbkugelförmig beziehungsweise in zwei Dimensionen als halbkreisförmig anzunehmen sind. Treffen die Lichtwellen auf unterschiedliche Medien, verändert sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit und damit auch die Ausbreitungsrichtung, es kommt zur Brechung. Trifft Licht auf den Rand eines Hindernisses, zum Beispiel einen kleinen Spalt, wird es gemäß dem Huygens’schen Prinzip gebeugt. (Das Huygens’sche Prinzip hat auch heute noch in dieser Form Gültigkeit.)

Da man zur damaligen Zeit davon ausging, dass Lichtwellen, analog zu Schall- oder Wasserwellen, ein Medium benötigten, in dem sie sich ausbreiten konnten, erklärte Huygens den sogenannten Äther zum Ausbreitungsmedium für das Licht (siehe Das berühmteste misslungene Experiment aller Zeiten).

Mit seiner Wellentheorie konnte Huygens Phänomene wie die Beugung und Brechung des Lichts zwar erklären, er konnte sie jedoch nicht experimentell beweisen.

Wer hatte recht?

Wie wurde der Streit »Welle gegen Teilchen« schließlich entschieden? Zunächst einmal gar nicht. Beide Theorien standen einander ungeklärt gegenüber, und die Frage, was Licht denn nun genau sei, geriet allmählich in Vergessenheit, wobei Newtons Theorie favorisiert wurde. Das Licht, so der mehrheitliche Konsens der Wissenschaft damals, bestehe aus kleinen, schnell fliegenden Teilchen, und damit wurde das Thema für ein ganzes Jahrhundert vorerst ad acta gelegt.

Erst im 19. Jahrhundert startete die Wissenschaft einen neuen Versuch, um die Lichtfrage zu klären. Der englische Physiker und Augenarzt Thomas Young (1773–1829) war der Erste, der sich des Themas erneut annahm. Im Jahr 1802 ließ er in seinem sogenannten Doppelspaltexperiment Licht auf eine Blende mit zwei kleinen Öffnungen fallen, um so dessen Wellencharakter zu beweisen. Und nun schien sich das Blatt zu wenden. Das Licht zeigte tatsächlich Welleneigenschaften. Da dieses Experiment für den weiteren Verlauf der Geschichte von fundamentaler Bedeutung ist, werden wir es an dieser Stelle genauer unter die Lupe nehmen:

Das Doppelspaltexperiment

Beim Versuchsaufbau des Doppelspaltexperiments wird eine Lichtquelle, die ausschließlich Licht einer einheitlichen Wellenlänge und Frequenz aussendet, auf eine Blende gerichtet, in der sich zwei schmale parallele Schlitze befinden. (Die Wellen des Lichts müssen sich dabei in der gleichen Phase befinden, das heißt, Wellental und Wellenberg müssen im Gleichklang laufen. Ein solches sogenanntes kohärentes, monochromatisches Licht liefert beispielsweise ein Laserstrahl – siehe Wie das Licht schwingt.) Hinter der Blende befindet sich eine Wand, die das Licht, das durch die Öffnungen gelangt, auffängt.

Bestünde das Licht aus Teilchen, würde nun Folgendes passieren: Die Lichtteilchen würden auf die Blende mit den beiden Öffnungen zuschießen. Dabei würden jene Teilchen zurückprallen, die nicht durch einen der Schlitze gelangen konnten, während die Teilchen, die eine Blendenöffnung passiert hätten, auf die dahinterliegende Wand träfen. Als Muster wären zwei Linien auf der Wand zu erkennen, die sich exakt parallel zu den beiden Blendenöffnungen befänden. Neben diesen beiden Hauptlinien würden außerdem vereinzelt noch einige Lichtteilchen ihre Spuren hinterlassen, die nicht exakt durch eine der beiden Öffnungen geflogen, sondern auf die Kanten geprallt und dadurch von ihrem geraden Flug abgelenkt worden wären.

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Soweit die Annahme. Doch dies ist nicht das Bild, das man sieht. Was man tatsächlich beobachtet, ist ein sogenanntes Interferenzmuster aus regelmäßigen, sich abwechselnden hellen und dunklen Streifen, die von der Mitte der Wand nach außen hin immer schwächer werden. Die hellste Stelle liegt dabei sonderbarerweise exakt mittig zwischen den beiden parallelen Blendenschlitzen.

Dieses Ergebnis lässt sich nur erklären, wenn man das Licht als Welle betrachtet (siehe Grafik 3 / Fotografie 2). Die Lichtwellen treffen auf die Blende, wo sie gemäß dem Huygens’schen Prinzip gebeugt werden und sich halbkreisrund hinter den beiden Schlitzen ausbreiten. Auf ihrem Weg Richtung Wand treffen die Wellen schließlich ab einem gewissen Punkt aufeinander und beginnen sich zu überlagern – ein Effekt, den man auch bei Wasserwellen beobachten kann.

Es gibt nun zum einen Bereiche, an denen sich Wellenberge oder Wellentäler gegenseitig verstärken (was an den hellen Stellen von Grafik 2 zu erkennen ist), zum anderen gibt es auch Bereiche, an denen Wellental und Wellenberg einander auslöschen (dies belegen die dunklen Stellen in Grafik 2). Dieses fröhliche Überlagerungsspiel nennt man Interferenz.

Die Wellentheorie des Lichts wurde damit durch das Doppelspaltexperiment eindeutig bestätigt. Was Thomas Young damals allerdings nicht wusste: Sein Experiment sollte viele Jahrzehnte später das Verständnis von der Welt, in der wir leben, grundlegend verändern. Doch dazu kommen wir gleich (siehe Doppelspaltexperiment 2.0) …

Der Welle-Teilchen-Dualismus

Weitere Wissenschaftler, unter ihnen der französische Physiker und Ingenieur Augustin Jean Fresnel (1788–1827) sowie der deutsche Physiker und Optiker Joseph von Fraunhofer (1787–1826), bauten später auf Youngs Wellentheorie auf und erweiterten sie. Als der schottische Physiker James Clerk Maxwell (1831–1879) zwischen 1861 und 1864 die nach ihm benannten vier Maxwell-Gleichungen formulierte, welche heute als Grundlage der Elektrodynamik und theoretischen Elektrotechnik gelten, wurde die Wellennatur des Lichts schließlich einhellig anerkannt. Bei Licht, so stellte Maxwell fest, handelt es sich um Strahlung, die auf magnetischen und elektrischen Feldern schwingt (siehe Licht wird geboren). Newtons Modell der Lichtteilchen wurde damit endgültig unter der Kategorie »Schnee von gestern« abgelegt.

Der Streit, ob man sich das Licht nun als Welle oder als Teilchen vorzustellen habe, schien damit nach langem Hin und Her endlich beendet. Die Wellen hatten gewonnen. So weit, so gut. Doch nun trat Albert Einstein (1879–1955) auf den Plan. Der Physiker erklärte 1905 einen Effekt, der ihm zum einen den Nobelpreis einbringen und zum anderen unser Vorstellungsvermögen ordentlich durcheinanderwirbeln sollte. Die Rede ist nicht von der Relativitätstheorie (siehe Einstein und das Licht)! Womit sich Einstein beschäftigte, war der sogenannte photoelektrische Effekt. Und der bewies eindeutig: Licht verhält sich wie ein Teilchen!

Was denn nun? Erst Teilchen, dann Welle, dann wieder Teilchen? Was ist Licht denn tatsächlich? Bevor wir diese Frage klären, eine kurze Erklärung zu Einsteins Feststellung:

Beim photoelektrischen Effekt (auch lichtelektrischer Effekt oder Photoeffekt) wird ein Lichtteilchen, das sogenannte Photon, von einem Elektron absorbiert, das beispielsweise in einem Atom gebunden ist. Das Elektron wird durch das Zusammentreffen mit dem Photon aus seiner Bindung gelöst und saust davon (siehe Die Anarchie der geladenen Teilchen). Damit dies passieren kann, muss die Energie des Lichtteilchens mindestens so groß sein wie die Energie, die das Elektron an das Atom bindet.

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Man unterscheidet zwischen dem inneren und dem äußeren photoelektrischen Effekt, wobei an dieser Stelle nur kurz auf Letzteren eingegangen werden soll: Beim äußeren photoelektrischen Effekt (auch Photoemission oder Hallwachs-Effekt genannt) werden Elektronen durch die Bestrahlung mit Licht aus Metalloberflächen gelöst. Je mehr Licht auf die Oberfläche trifft, desto mehr Elektronen werden dabei von den Lichtteilchen herausgeschossen. Ein typisches Beispiel für diesen äußeren photoelektrischen Effekt sind die Solarzellen aus Silizium auf unseren Häuserdächern, die Sonnenlicht in elektrischen Strom umwandeln.

Jenen photoelektrischen Effekt konnte Einstein nur erklären, indem er das Licht in diesem Fall als Teilchen betrachtete – sogenannte »Lichtquanten«, wie er sie nannte. Einstein deutete damit die Aufnahme von Licht als erster Wissenschaftler quantenphysikalisch, also in Form von Energiepaketen. (Der deutsche Physiker Max Planck – er lebte von 1858 bis 1947 – war übrigens der Erste, der die Abgabe von Energie in »gequantelter« Paketform beschrieb.)

Aber konnte der Doppelspaltversuch nicht ebenso eindeutig beweisen, dass sich Licht wie eine Welle verhält und nicht wie ein Teilchen (siehe Das Doppelspaltexperiment)? Womit wir schon wieder bei der Frage gelandet wären, was Licht denn nun tatsächlich ist: Welle oder Teilchen?

Die Lösung des Problems ist ein Musterbeispiel der Diplomatie: Licht verhält sich sowohl wie eine Welle als auch wie ein Teilchen, je nach Betrachtungsweise. Es ist beides zugleich und trotzdem weder das eine noch das andere. Dies nennt man Welle-Teilchen-Dualismus. Und so einfach die Lösung auf den ersten Blick auch klingt, so kompliziert wird es doch, wenn man versucht, sich eine bildliche Vorstellung davon zu machen.

Dass es diesen Welle-Teilchen-Dualismus aber tatsächlich gibt und es sich nicht um ein bloßes Hirngespinst verzweifelter Wissenschaftler handelt, die nicht länger vor der Entscheidung zwischen Welle oder Teilchen stehen wollten, lässt sich experimentell beweisen. Und dafür musste sich die Wissenschaft nicht einmal ein neues Experiment einfallen lassen. Wir kehren nun zu unserem alten Bekannten, dem Doppelspaltexperiment, zurück und starten einen etwas abgeänderten Versuch:

Doppelspaltexperiment 2.0

Während Thomas Young das Doppelspaltexperiment damals mit Licht durchführte, um dessen Wellencharakter zu demonstrieren, kann man natürlich auch andere Dinge durch die beiden Blendenschlitze jagen, beispielsweise Teilchen. Genau dafür entschied sich der deutsche Physiker Claus Jönsson (*1930) im Jahr 1959. Er beschoss den Doppelspalt mit Elektronen.

Der gesunde Menschenverstand lässt nun folgendes Ergebnis vermuten: Wie bereits erwähnt würden Teilchen, also auch Elektronen, entweder durch eine der Öffnungen gelangen und dabei senkrecht auf die Wand zurasen (mit Ausnahme einiger weniger gestreuter Gesellen, die ungünstig an die Kanten der Schlitze gerieten und dadurch vom geraden Weg nach vorn abgelenkt würden) oder von der Blende zurückprallen. Die Elektronen würden der Wand ein Muster von zwei parallelen Linien bescheren, entsprechend ihrem Weg geradeaus durch die beiden Blendenschlitze. Soweit die Vermutung.

Doch zur großen Überraschung passierte genau dies nicht. Die Elektronen hinterließen auf der Wand exakt dasselbe Muster wie jenes, das damals in Youngs Versuch durch das Licht erzeugt wurde (siehe Fotografie 3a). Was man sah, war ein Interferenzmuster aus abwechselnd hellen und dunklen Steifen mit der hellsten und intensivsten Linie genau in der Mitte zwischen den beiden Blendenöffnungen – ein Muster, das sich eigentlich nur durch wellenartige Überlagerung erklären ließ. Wie konnte das sein? Bei Elektronen sollte es sich doch um Teilchen handeln. Und Teilchen konnten entweder durch die eine oder die andere Öffnung gelangen, sich aber keinesfalls überlagern. Was war da passiert?

Um das herauszufinden, beschloss man, beide Öffnungen genauestens zu beobachten, um so feststellen zu können, wohin welches Elektron wann flog. Also wurde ein neuer Versuch gestartet. Nun konnte man genau verfolgen, durch welche Öffnung wie viele Teilchen sausten. Doch ein Blick auf die Wand führte zu großer Ratlosigkeit. Das Interferenzmuster, das die Elektronen im Versuch davor zeigten, war verschwunden! Stattdessen sah man das ursprünglich vorhergesagte Bild von zwei parallelen Linien genau gegenüber der beiden Blendenschlitze (siehe Fotografie 3b). War im Versuch davor etwas schiefgelaufen?

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Um eine Ablenkung der Teilchen, beispielsweise durch Zusammenstoß, auszuschließen, wiederholte man das Experiment erneut und schoss diesmal nur ein einziges Elektron in Richtung Doppelspalt, zunächst ohne es zu beobachten. Ein einsames Teilchen – so die Annahme – würde entweder nur durch das eine oder das andere Loch fliegen oder eben zurückprallen. Folglich würde auch nur maximal ein Elektron auf der Wand seine Spur hinterlassen.

Gesagt, getan. Das einsame Elektron wurde in Richtung der beiden Schlitze geschossen. Das Ergebnis dieser Aktion sorgte allerdings für noch mehr Verwirrung. Was man sah, war das altbekannte Interferenzmuster! Wurden aus Versehen mehrere Elektronen herausgeschossen statt eines einzigen? Hatte sich das Elektron gar auf seinem Weg zur Wand auf wundersame Weise vermehrt?

Man kontrollierte nun auch das einzelne Elektron auf das Schärfste, um seinen Weg nachvollziehen zu können. Doch wie bereits befürchtet blieb das Interferenzmuster in dieser strengen Beobachtungssituation erneut aus. Stattdessen war lediglich eine einzige Einschlagstelle zu bestaunen, und diese befand sich exakt gegenüber der Öffnung, durch die das Elektron geflogen war.

Man wiederholte das Experiment wieder und wieder, auch andere Materieteilchen, zum Beispiel Neutronen oder Protonen, verwendete man. Doch stets ergab sich dasselbe Bild: Solange man die Teilchen in Ruhe ließ, verhielten sie sich wie eine Welle und bauten Überlagerungen von sich selbst auf, beobachtete man sie jedoch, änderten sie vollkommen ihr Verhalten und zeigten plötzlich Teilcheneigenschaften.

Das Doppelspaltexperiment beweist damit eindeutig, dass auch klassische Teilchen unter bestimmten Bedingungen Welleneigenschaften zeigen können. Es ist das Experiment schlechthin, um den Welle-Teilchen-Dualismus zu demonstrieren, dem sowohl das Licht als auch die Materie unterliegen und der nur im Rahmen der Quantenmechanik erklärt werden kann (siehe Die große Revolution des ganz Kleinen). Und so wurde es schließlich im Jahr 2002 zum schönsten physikalischen Experiment aller Zeiten gewählt, das bis heute mit den unterschiedlichsten Teilchen wiederholt wird.

Man kann die Wirklichkeit nicht sehen, wie sie wirklich ist. Sobald man die Welt in ihren kleinsten Strukturen beobachtet, verändert sie sich.