1. Prolog

Im Januar. Wir trinken ein paar Bier im Bistro des Roten Hauses der Studentenstadt in München. Felix kam vor kurzem aus China zurück, wo er ein halbes Jahr bei Bosch arbeitete. Zu später Stunde äußere ich flapsig den Wunsch, dass mich Südamerika interessieren würde. Felix Reaktion war prompt und zielstrebig. Lass uns dort hingehen, sobald wie möglich. Erst rudere ich zurück und verschiebe die Reise auf unbestimmte Zeit, dann denke ich darüber nach und so entsteht innerhalb weniger Tage ein relativ konkreter Plan, wo es hingehen soll, nach Chile und auf dessen höchsten Berg, den Ojos del Salado. Bei mir steht noch nicht einmal die Finanzierung der Tour fest, und trotzdem ermutige ich Felix dabei, die Flüge im Hauruckverfahren zu buchen. Lieber selbst das gesparte Geld raushauen, bevor es die EU tut. So investiert man es wenigstens in Erinnerungen.


Um einen preiswerten Mietwagen zu buchen, brauche ich etwas länger.
Für uns beide ist die Tour noch weit weg, weniger zeitlich, eher dadurch wie diese Zeit bis dahin verplant ist. Felix muß noch Überzeugungsarbeit bei seinen Eltern leisten und seine Bachelorarbeit fix machen, ich bin noch im Praktikum vertieft, muß WSÜ lernen und bin noch eine Woche in Rom mit meiner Freundin. Diese Woche Stadturlaub bietet einen krassen Kontrast zu unserem Chileprogramm. Zivilisation vs. Einsamkeit, mediterranes (Spät-)Winterklima vs. subtropisches (Spät-)Sommerklima, mit Freundin vs. ohne Freundin.


Chile ist klimatisch gesehen ein Land voller Gegensätze. Mit weit über 4000km Länge in Nord-Süd-Richtung, ist von aridem Wüstenklima bis zu feucht kaltem Klima alles dabei. Wir werden uns vor allem im Norden aufhalten, im Gebiet der Atacamawüste, der trockensten Wüste der Welt. Hier gibt es Wetter-Messstationen, in denen seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie ein Tropfen Regen registriert wurde. Grund für die extreme Trockenheit ist zum einen der lange Gebirgszug der Anden, welcher von Osten

Bei diesem Bild handelt es sich um das ursprüngliche Cover für unser gemeinsames Buch. Die Uhr wird noch sehr wichtig...

Hier die schönsten Gipfel, nebst dem “Paso de San Francisco“. Auch für Motorradfahrer ein absoluter Traum.


heranziehende Wolken vor allem in Oststaulagen abregnen lässt, so dass westseitig nichts mehr ankommt. Im Westen wird durch den kühlen Humboldtstrom (Pazifikstrom von der Antarktis kommend) die Wolkenbildung quasi komplett verhindert, nur zäher Küstennebel ist häufig anzutreffen. Alle paar Jahre erwärmt sich der Pazifikstrom mit der Folge, dass es doch einmal in der Wüste regnet und die Blumen sprießen. Dieses Ereignis erwartet uns nicht, wir haben keinen El-Nino. Dennoch ist nicht das ganze Jahr gleich gut geeignet, um die Berge in den Wüstenregionen zu besteigen. Besonders im Norden sind die Andengipfel im Hochsommer vom Phänomen des bolivianischen Winters betroffen, das heißt Wolken und Niederschlag in Form von Schnee. Deswegen eignet sich der Spätsommer (März) für die Besteigung des Ojos del Salado sehr gut. Später wird es kälter, da Herbst und Winter dort bereits deutlich ausgeprägt sind, der Berg befindet sich schon deutlich südlich des Wendekreises. Im Prinzip ist der Berg aber das ganze Jahr über besteigbar.


Technisch ist das ganze nämlich ein Kinderspiel. Nur kurz unter dem Gipfel muss kurz im II. Grad geklettert werden. Aber ein IIer auf über 6800m ist sicherlich auch kein Zuckerschlecken. Der Berg, der eigentlich ein ruhender Vulkan ist, liegt auf der Grenze und hat einen argentinischen und einen chilenischen Gipfel, welcher minimal höher ist, nämlich 6893m. Damit ist er nach dem Aconcagua der zweithöchste Berg Amerikas. Er steht damit in der Liste der seven second summits, zusammen mit dem berüchtigten K2 im Karakorum. Hans Kammerlander war also auch schon oben.


Das A und O bildet die ausreichende Akklimatisierung. Der Ojos soll daher finales Ziel unserer Reise sein, davor wollen wir langsam immer höher steigen. Auf dem Programm stehen Geysire, Lagunen, die Atacama-Salzwüste und kleinere Akklimatisierungsberge. Die Vorfreude ist riesengroß. Aber es wird sicherlich auch eine Herausforderung werden. Berichte im Internet lassen vermuten, was alles auf uns zukommen wird. Aber: no risk, no fun. Eine fertig organisierte Expeditionstour kann ja jeder machen, wir werden es

Die ursprüngliche Tourplanung wurde dann natürlich nicht so durchgezogen, allein Alamo hat uns dabei einen Riegel vorgeschoben.

eigenverantwortlich durchziehen. Auf jeden Fall gibt es weitaus gefährlichere Länder, Chile zählt als reichstes und sicherstes Land in Südamerika, Zustände wie in Kolumbien dürften wir also nicht erleben.


2. Der Schmuggler

05.03.2013
Höchste Höhe: - Flughöhe
Schlafhöhe: - Flughöhe


Es ist Dienstag der 05 März 2013; Heute soll es endlich los gehn. Die ersehnte Tour nach Chile steht an. Zwei Monate bin ich jeden zweiten Tag bei Schnee, Regen und Eises Kälte joggen gewesen. Auch die Prüfungsphase konnte mich nicht aufhalten. In Friedrichshafen beim allmonatlichen Heimatbesuch durfte ich mir des Öfteren, anhören was für ein verrückter Idiot ich doch sei, bei minus 10 Grad und Wind Joggen zu gehen... Doch ich hatte ein Ziel vor Augen, das mich antrieb und mir die nötige Motivation entgegenpfefferte. Björn Düßmann, mein Bergkamerad, mit dem ich auch schon eine Ewigkeit befreundet bin, genau wie unsere beiden Väter schon ewig Kumpels sind, wir haben schon einige Touren zusammen gemacht. Unter anderem wurde von uns bereits das Matterhorn in Traversenform gemeistert (ein Zweitversuch; Unifreunde wissen, was das bedeutet, aber das ist eine andere Geschichte). Diesen März möchten wir dem Winter trotzen und eine weitere alpine Hochtour machen, ganz ohne lästige Winterwitterung.


Wir haben beide etwas gespart und setzen beide Prioritäten für die Tour. Die Entscheidung fällt auf eine dreiwöchige Rundfahrt für die Tour durch die chilenischen Anden. Highlight der Reise soll der mit 6893 Meter welthöchste Vulkan Ojos del Salado an der argentinischen Grenze, nebst Paso del San Francisco, sein. Uns ist klar, dass die Tour uns ans Limit bringen wird, und dementsprechend fällt die


Ein Foto aus unserer Planungs PPT. Die chilenische Flagge.


Wir sehen uns schon am Strand der Laguna Verde, umgeben von den schönsten chilenischen Gipfeln.

Vorbereitung aus. Alle Unterlagen wie z. B. die Packliste sind im Buch aufgeführt und können für potentielle Touren nachvollzogen werden. Wer eine Tour im ähnlichen Rahmen machen möchte, wird hier bestimmt die ein oder andere nützliche Information finden.


Björn wird gerade mit seinem Praktikum fertig, schon sitzt er im Flieger mit seiner Freundin nach Rom. Er wird am vierten März wieder hier sein, um mit mir am fünften März gemeinsam ins Abenteuer Chile zu starten. Zu diesem Moment ist uns beiden noch nicht der Hauch einer Ahnung gegeben, dass wir Stoff für ein Buch liefern werden. Wir sind mit der Buchung relativ früh dran, zahlen aber trotzdem 890 Euro für ein Ticket. (Die Auswahl ist sehr bescheiden, wer günstig nach Latein Amerika will, fliegt fast ausschließlich mit Iberia über Madrid.) Hinzu kommt noch einen Reiserücktrittversicherung mit 50 Euro. Die spanische Airline ist bekannt für ihre Probleme, Streikereien und unsinnige Aktionen... Wir werden nicht enttäuscht. Iberia kündigt weltweite Streiks an und das auch während unseres Reisefensters. Bis zwei Tage vor Abflug ist alles unsicher. Eine streikbedingte Flugstreichung wäre fatal; so würden wir den Anschlussflug nicht wahrnehmen können und wären auch nicht in der Lage, rechtzeitig in Calama zum vereinbarten Termin das Auto zu übernehmen.


Aber dann; die Pdfs mit den betroffenen Flügen sind online und können abgecheckt werden. Wir oder besser ich (Björn ist noch in Italien und überlässt mir ritterlich die Aufgabe der Gewissheitsschaffung) suchen nach unserer Flugnummer in der Liste. Vorerst aufatmen, wir sind verwunderlicher Weise nicht betroffen. Björn wird von mir per Mail kontaktiert. Ich beginne zu packen, jetzt kanns losgehn. Die Prozedur gestaltet sich als äußerst ekelhaft: Ein Koffer voller Wanderutensilien inklusive Wurfzelt, das sich jeden Moment ausbreiten möchte, dazu die vollsteigeisenfesten Hartlederschuhe von Hanwag (oder auch Kampfstiefel wie man passenderweise sagen könnte), die ich direkt anziehe und mein 45l Rucksack (bis zum Bersten gefüllt). Wichtig ist natürlich


Das alles muss in den Koffer oder in den 45l Rucksack...

die flughafentechnischen Packregeln einzuhalten; so haben eine Spitzhacke oder ein Eispickel, wie auch die Steigeisen nichts im Handgepäck verloren. Als ich Björn am Gate E stehen sehe, fliegt mir erst mal die Kinnlade runter: Er hat einen kleinen Koffer und einen handlichen Rucksack, dazu ein Italieneisdielenbummeloutfit (den Neologismus lass ich mir nicht nehmen). Ich dagegen eine Daunen-, eine Skijacke, die Stiefel, eine Skihose etc. Man merkt, ich habe zu viel dabei oder zu viel für uns beide dabei. Letzteres trifft mit Hinblick auf Seil, Zelt, Gaskocher eher zu. Ich habe uns bereits online eingecheckt, und die Gepäckabgabe ist schnell erledigt. Eine nette Iberia-Mitarbeiterin wiegt unser Gepäck, und wir kommen zusammen geradeso auf die erlaubten kg (ich 26kg, er 18kg). Nach Madrid easy, aber man spürt den Streik. Es gibt nichts geboten in der kleinen Maschine. Wir kommen im Barrajas Airport am hinterletzten Ende an und wursteln uns als kuhglockenähnliches “BimmelBammelDuo“ durch die Gates. Ca. 45 Minuten dauert der Transfer zum Anschlussflug, und so kommen wir gerade rechtzeitig zum Boarding am T4 an. 13h später Juhuu! Chile! Schnell noch den Koffer abgeholt... ok wo ist mein Koffer?! Das Band läuft und läuft... Ich werde hier doch nicht Kuba II erleben?! Und schon wieder auf meinen Koffer warten müssen!? Unser Anschlussflug geht in 15 Minuten; Björn steht schon nervös vor der letzten Kontrolle. Doch ich warte vergebens. Nichts passiert. Als wir den Anschlussflug schon längst verpasst haben und uns auf die Suche nach verantwortlichem Personal machen, fällt mein Blick auf einen Koffer schön neben dem Rollband. Es ist mein Koffer (wie lang wird er schon dort gestanden haben?), den irgendwer wohl versehentlich als seinigen identifiziert und vom Rollband genommen haben muss.


Ich schnappe mir das bollige Ding und wir hetzen zur letzten Bastion. Völlig blauäugig hatte ich nicht angenommen, dass der Zettel mit den zu deklarierenden Lebensmitteln aus Tiererzeugnissen noch irgend eine Rolle spielen würde, doch ich hatte die Rechnung ohne das „Ministerio de la Agricultura de Chile“ gemacht. Nach Kontrolle meines Koffers werde ich zur Seite genommen und zum

Geschafft. Zwei dicke Jacken, der als “Handgepäck“ durchgegangene Rucksack, die Schuhe und ein Ziehkoffer, zusammen bestimmt 30kg.

Björn und ich beim gemütlichen Zwischenstopp am Barrajas Aiport in Madrid. Es gibt lecker Tortilla und Empanada.

Öffnen verdonnert. Wam! Das Faltzelt springt dem mimikspiellosen Indianerbeamten, der sich an meinem Koffer zu schaffen macht, entgegen. Er völlig unbeeindruckt von meiner Packkunst und auch nicht im Leisesten erschrocken, sucht mit seinen fetten, wurstfingerbestückten Quanten in meinem zerstörten Kunstwerk nach Verletzung des chilenischen Einfuhrgesetzes. BINGO! Zum ersten Mal sehe ich den Ansatz eines Lächelns in seinem Mondgesicht. Triumphierend wedeln seine fetten Finger mit seines Gleichen (Omas Würsten). Mitkommen entgegnet er mir ruhig aber bestimmt. Ich schmeiße hastig meine Sachen zusammen und werfe Björn einen „DUDE I‘M FUCKED“-Blick zu.


Man führt mich in einen kleinen Nebenraum. Ganz krimi-like werde ich verhört. Sie haben den chilenischen Staat betrogen. Warum haben Sie die 700g Wurst nicht deklariert?! Darauf steht die Todesstrafe (zumindest ist die Stimmung so). Ich liefere Ihnen eine astreine Ausrede und behaupte, dass ich die Würste nicht deklariert habe, weil ich um deren Existenz nicht wusste. Meine Oma muss diese wohl in mein Gepäck geschoben haben. Nüchtern wieder ohne Minenspiel nimmt ein hagerer Beamter meine Aussage zu Protokoll. 20 Minuten später und diesmal wirklich zu spät, um den von uns als verspätet erhofften Flug von LAN zu bekommen, gibt mir der Beamte die Erlaubnis, meine Reise fortzusetzen. Die Würste werden vernichtet (wahrscheinlich in der Magensäure des fetten Beamten). Ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge, wie er gierig seine spitzen Zähne in die deutsche Köstlichkeit schlägt und ein „muy bien und que rico“ hervorröchelt. Sie würden es bei einer Verwarnung belassen, doch bei der nächsten Einreise sollte ich nicht noch einmal den gleichen Fehler machen. Chile habe jetzt eine Akte, die meinen Namen, mein Passbild und mein Vergehen beinhaltet. Ich bin offiziell Ersttäter.


Der Schreck ist schnell verdaut. Wir hetzen weiter zum Anschlussflugschalter von LAN. Klar, die Maschine ist längst weg, doch scheinbar kein Problem, signalisiert uns die nette Chilenin hinter dem Schalter. Ein weiterer dicker Chilene namens Marcus hilft



Hier eine leckere Ahle Wurst: Ein Stückchen Heimat (700g), das uns eiskalt genommen wurde.

Eine Ahle Wurst von Oma gibt die beste Power in der Höhe. In Chile jedoch nicht nur das, sonder ggf. auch ein Gerichtsverfahren, bei Nichdeklarierung der selbigen.







Nach kurzem Zwischenstopp gehts dann doch weiter... Hier am Flughafen Santiago de Chile; Zeitdruckumstieg mit LAN Calama.

uns mit dem Gepäck. Er spricht kein Englisch, aber ein, zwei Worte Deutsch, die sich auf Hitler, Flugzeug F16 und Heil beschränken. Dazu hebt er noch den rechten Arm zum berühmten Gruß und schaut uns, wie ein leckerlierwartender Hund, der so eben sein Kunststück vollbracht hat, an. Das überaus intelligente Männchen ist wohl der Meinung, uns mehr Taschengeld für seine Dienste zu entlocken, wenn er sich darum bemüht, den Führer zu loben. Leider verstehe ich genug Spanisch und muss seine Dummheit ertragen. Immerhin amüsiert er uns, und wir lachen gemeinsam, wenn auch über unterschiedliche Dinge. Björn überreicht ihm feierlich mit einem väterlichen Blick 2 Euro. Er gibt uns zu verstehen, dass er doch gerne mehr hätte. Mehr gibt’s nicht. Wir verabschieden uns Richtung Gate. 13:30 Uhr geht der Flug nach Calama. LAN ist selbst auf Kurzstreckenflügen deutlich komfortabler als Iberia, und auch die Snacks sind besser. Entspannt aber müde kommen wir um 15 Uhr in Calama an.


3. Alamo Katzenklo

06.03.2013
Höchste Höhe: 2160m
Schlafhöhe: 2150m


Der Flughafen erinnert größentechnisch an Friedrichshafen. Die Ausstattung jedoch... naja. Modernisierung ist ein Wort, das
man gerne mit dem Flughafen in Calama in Verbindung bringen würde, doch leider ist dies (noch) nicht zutreffend. fünf kleine Sportmaschinen und unsere Kurzstreckenmaschine vom LAN Typ A 320 ist mit Abstand der dickste Hecht im Karpfenteich. Die Maschine ist gut besucht und war bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Hauptsächlich nehmen Menschen indianischer Abstammung die Verbindung war. Während Björn und ich auf unser Gepäck warten, gesellt sich eine kleine aufgedrehte Person zu uns. Sie ist die erste wichtige Charakterdarstellerin in unserem Theaterstück. Ihre etwas schrille Erscheinung erinnert an eine Oma auf Koks. Sie wird von

Geschafft! Nach doch recht stressigem Flug endlich angekommen in Calama. Björn hat sich dazu erbarmt, meine Dreckstiefel zu tragen. Das Wetter bombig, die Stimmung super! Die Frisur hält.

Björn auf Ende/Mitte 60 geschätzt (beteuert uns später, dass sie 56 sei... jaja). Freundlich mit einem verschmitzten Lächeln fragt sie uns, ob wir uns denn ein Taxi teilen wollen. Das trifft sich gut, wir haben nämlich keinen Peso $ in der Tasche und sind auf Anlegende angewiesen. Am Flughafen selbst erwarten einen sechs verschiedene Autoverleihunternehmen wie Hertz oder Europcar, aber es gibt keinen Geldwechselschalter. Gut, dass Isa sich gemeldet hat. Sie unterstreicht ihre Weltenbummlererscheinung mit einem Couchsurferbutton auf ihrem zerschlissenen Rucksack, ihrer Sonnenbrille und einer selbstgedrehten Zigarette, die sie sich genüsslich dem wettergegerbten Ackergesicht im tiefgesunden Braunton zuführt.


Ausgemacht und drei Flummen weiter, es vergeht eine halbe Stunde (Taxis lassen sich auch bestellen was den Prozess beschleunigt, allerdings sind wir in der Situation nicht gerade fit gewesen und haben das erstmal verpeilt): Ein 79 jähriger, zahnloser “Neger“ (extrem schwarzgebräunter Chilene) fährt uns stolz wie Oscar in seinem klapprigen Taxi für 6000 Peso $ nach Calama. Während der Fahrt unterhält sich Isa als Spanierin mit Müh und Not (jedes zweite Wort muss von ihm nochmal genuschelt werden). Er lässt uns direkt vor dem „Alamoautoverleih“ am Felix Hoyos Nummer 2177 raus, wo wir in einer Stunde den Autodealer treffen sollen. Isa spekuliert darauf, mit uns für Umme nach San Pedro de Atacama zu fahren. Eigentlich kein Problem, sobald wir das Auto haben.


Wir warten bereits drei volle Stunden und immer noch kein Mitarbeiter. Isa hat für uns die Organisation übernommen. Unsere Sekretärin aus Leidenschaft versucht in astreinem Marbella Catalan uns einen Ansprechpartner zu organisieren. Im Laden gegenüber grinst uns ein Barbienegativ an und erläutert uns die Lage oder besser gesagt die Problematik. Es gäbe in ganz Calama keine mehr verachtete Familie, als die Eigentümerfamilie von Alamo Calama... super big fish. Die Arbeitsmoral der Familie wäre quasi nicht existent, und sie würden sich an keinerlei Abmachnungen halten. Es seien die letzten Tage bereits vier verschiedene Grüppchen abgezogen, ohne


Beim ersten Blick auf den Innenhof der Alamo Stelle in Calama wird bereits klar, dass es sich hierbei nicht um die Nr. 1 handelt.

Mit einer klaren Struktur der Verkabelung nehmens die Chilenen nicht so genau... An der Calle Felix Hoyos in Calama.

einen ausgemachten Mietwagen bekommen zu haben. Ein Traum.

Wir beschließen nach Alternativen zu schauen, weiter Kontakt mit der Alamohauptstelle zu hegen und eine Nacht in Calama zu bleiben. Unsere Wahl fällt auf ein nahegelegenes in einer Querstraße befindliches Hotel namens “AYAMAR“. Zu dritt teilen wir uns ein Gangbettzimmer mit Wackelhochbett für 45.000 $ Peso, was ca. 25 Euro pro Nase sind. Calama hat vielleicht einiges zu bieten, dies war aber für uns zu keinem Moment offensichtlich. Die Wechselstube hat zu, ich hebe 100.000 $ Peso in der nächsten Bank ab, und wir richten uns ein. Die Stadt besteht, wenn man sich auf das Gewerbe, bezieht, zu 40% aus Bars, zu 40% aus Bordellen und zu 20% aus Hotels. Eine Minenstadt wie sie im Buche steht. Die Arbeit ist hart und der Frust der Einheimischen verständlich groß. Calama hat etwas vom Tourismus profitiert, gibt sich aber nicht gerade einladend. Die für uns größte Attraktion des Abends ist ein Spaziergang durch die Stadtmitte, welche von Hunden dominiert wird. Unser Flaniergang endet vorerst in einer Bar. Isa gibt ihre härtesten Witze zum Besten. Einer bleibt mir in Erinnerung: „A guy tells his buddy a story. Dude, yesterday I was at the railways. I felt like it was a wild west movie there was a girl tied up on them bagging me for help. Please I will do everything you want if you untie me. His buddy replied and what did she do? Did you get a lolipop? He answers: No I didn‘t find her head..“
Wir trinken zwei Runden und ziehen weiter in eine Stripbar. Isa wird nervös, als ich die Rechnung nicht zahlen will. Wir gehen nach einer Runde Bier, hohlen Gesprächen und verständnislosen Blicken von Björn (wir reden Spanisch). Die Nacht im Hotel, naja für 45.000 kann man schon was besseres erwarten.


4. Auto und Höhe

07.03.2013
Höchste Höhe: 4100m
Schlafhöhe: 4050m

Alamo lässt uns warten... Hier das erste Bild von Isa.

Doppelt geplant hält besser. Isa wittert ihre Chance auf einen kostenlosen Abenteuertrip. Gemeinsam in einem Cafe in Calama.

Ich schaue auf meine am Handgelenk befindliche Uhr: Es ist 9:47 Uhr, wir sitzen im Hotel, immer noch keine Meldung des Profiunternehmens Alamo. Nach dem gestrigen Spitzentag in Calama ist die Stimmung etwas gedrückt. Doch teilweise optimistisch, teilweise vorgespielt optimistisch lassen wir nicht gleich die Köpfe hängen. Ich spaziere durch die morgentlich tot wirkende Stadt, um endlich mein Geld zu wechseln. Zehn Minuten und x-unverständliche Blicke und Seitenstraßen später, komme ich am “Casa de los Cambios“ an. Natürlich bin ich zu früh, aber 10:30 Uhr erwacht selbst das verschlafene Calama zum Leben. Isa und Björn warten bereits im Hotel auf mich (Ok Isa schläft, allgemein ist unser Energiebolzen passend zur Calamaischen Einwohnerschaft sehr spät erst aufgeladen). Sie liegt mit ihrem Schlafscheuklappenüberzug, den größten Baumstamm ever zersägend, im Einzelbett des Ranzhotels. Björn und ich schauen uns grinsend an. Wird sie jemals damit aufhören und aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen oder ist Sie vom gestrigen Gelage (drei Bier pro Nase) berauscht im Nordhalbkugelwinterschlaf? Man weiß es nicht. Björn, wir müssen los und Alternativen suchen, flüssig und aktiv werden. Ich bleibe keinen weiteren Tag in “Gammela“.


Alles klar, gesagt getan, und wir machen uns auf die Suche. Ich schlage mich noch etwas holprig mit eingerostetem Spanisch durch, um einen alternativen Autoverleih auszumachen. Wir könnten auch für 12.000 $ Peso mit Winnetou Zwei zum Flughafen cruisen, dort die Autoverleihe abchecken, verwerfen den Plan aber schnell wieder. Der dritte Chilene oder besser gesagt ein Kiosk betreibendes Pärchen einige Seitenstraßen weiter ist in der Lage, mir den Weg zu der Hertz Autovermietung zu beschreiben. Überaus freundlich (ja ich meckre nicht nur über die Bevölkerung in Calama) ruft er uns sogar ein Taxi und gibt dem Taxifahrer die gewünschte Adresse durch. Für 1.000$ Peso landen wir dann vor Hertz. Eigentlich hätte man die Strecke auch entspannt zu Fuß gehen können.

Highlight des Abends in einer Calama Stripbar; damit wir auch was zu beichten haben. Isa versucht die Kolumbianerin zu bekehren.


In der Kirche von Calama suchen wir Schatten und nehmen auch an der heiligen Kommunion teil (aber nicht an der Beichte).

Es verschlägt uns die Sprache, Hertz und Alamo in Calama sind nicht vergleichbar, auf der einen Seite haben wir einen heruntergekommenen Innenhof und nicht vorhandenes Personal, Hertz hingegen empfängt uns mit von uns ersehnter und bei Alamo vermisster Professionalität. Der Laden glänzt an allen Ecken und Enden. 20 geputzte Mitsubishi Pickups stehen rot und prächtig vor uns. Wir schauen uns beide an, und jeder macht ein “Ja“ im Gesicht des anderen aus. Dieses Grinsen hält aber nicht lange. Was die Autovermietung an Professionalität bringt, macht sie jedoch innerhalb weniger Sekunden mit sehr unfreundlichem, schroffen, nicht englischsprechenden Personal wieder zu Nichte (Ok, das ist nicht weiter tragisch, aber trotzdem hätte man ja ein bisschen Englisch erwarten können). Die Freundlichkeit der adretten Vermietungsangestellten schlägt schlagartig wieder auf, nachdem ich ihr unsere Alamo Problematik erläutere. Jaja Alamo... sie bestätigt, was wir bereits wissen, scheinbar haben wir richtig in die Kacke gelangt. Wie gesagt, kurz hält die Euphorie, dann haben wir den Preisletter von Hertz in der Hand. Viel Auswahl bleibt nicht, scheinbar (natürlich) ist im Hinblick auf das Wochenende Allradautomangel. Ich überschlage schnell die anfallenden Kosten im Kopf und komme auf 3.500 €. Das ist mir zu viel deute ich Björn. Doch wir haben nicht viele Alternativen. Wenn wir das Auto haben möchten, müssen wir heute noch reservieren. Eine Visitenkarte in der einen Tasche und den Preisletter in der anderen machen wir uns in Richtung “Casa de los Cambios“, zu Deutsch Wechselstube, auf. Die Stube ist nicht weit entfernt, und so machen wir einen kurzen Spaziergang draus. Laut Internet hatte ich einen Kurs von 100 Peso für 0,12 € im Kopf. Schnell wird klar, dass sich der Kurs geändert, hat. Trotzdem sind mir 500€ für 316.000 $ Peso doch etwas zu wenig. Ich überschlage und komme auf einen Kurs von rund 630 Peso/Euro, natürlich wesentlich weniger als 100 $ Peso für 0,12€. Gut, die Sache wird hingenommen, uns bleibt auch nicht viel anderes übrig. Später im Hotel gibt uns Isa, die bereits eine Woche in Santiago verbracht hatte, zu verstehen, dass der Kurs eigentlich recht passabel sei.

Das Warten hat scheinbar ein Ende...

Der Mitarbeiter aus Iquique. Das Werkzeug leiht er sich kurzerhand vom Nachbarn aus.