Danksagung

 

 

 

Dieses Buch wäre nie entstanden, gäbe es nicht einen ganzen Haufen lieber Menschen, die mich während des Schreibprozesses unterstützt, motiviert und mich hin und wieder auch einmal mit der Pfanne geschlagen haben.

Allen voran danke ich meiner Verlagskollegin Helen B. Kraft und meiner Verlegerin Charlotte Erpenbeck, die mich auch vor Plot-und Logiklöchern retteten, und Kaja Evert, Nina Egli, Coco Inderst, Lisande und noch einmal Helen für das Zwischendurchblitzbetalesen auf halber Strecke.

Trudy Wenzel danke ich für das wunderbare Nithyara-Portrait, das sie mir zum Geburtstag schenkte und das nun ein Teil dieses Buches geworden ist. Ihr wollt wissen, wie Silbersang aussieht? Genau so.

Maja Ilisch danke ich für den Tintenzirkel, mein Schreibwohnzimmer und den virtuellen Ort, an dem ich für mich und meine Autorenluxusprobleme immer ein offenes Ohr finde. Danke an meine Mod-Kolleginnen, die mich auch in Schaffenskrisen und deadlinegestresst immer geduldig ertragen.

Ein ganz dicker Dank auch an meine lieben Band-Kollegen von „geBORGt“ und Ju Honisch für die hilfreichen Kommentare zu der Frage „Wie kille ich meinen Bösewicht“ (und für die Erkenntnis, dass es immer höchst kreativ und blutig ausgeht, wenn man Autoren, Rollenspielern und rollenspielenden Autoren solche Fragen stellt). Die Antworten reichten von „Erdrossel ihn mit Harfensaiten“ über „Nimm die Harfe als Eierschneider und mach Scheibchen aus ihm“ bis hin zu „Lass sein Gehirn von schrägen Tönen explodieren“. Ihr seid so großartig!

Gwen Knighton Raftery, ohne dich hätte es den Showdown, so wie er jetzt im Buch steht, nie gegeben. Danke- du hast mein Buch-Ende gerettet. Deine Harfe wird immer auch ein wenig Silbersangs Harfe sein, und du bist für mich immer, was ich mir unter einem Legendensänger vorstelle.

Sabrina Zelezný – Dir danke ich für Ascheherz. Rauchläufer ist nicht Usphasonqo, aber er hat ihm seinen Namen geliehen.

 

Tina Alba



 

 

Bücher von Tina Alba im Machandel Verlag



Nachtjägerherz

105 Seiten

Broschur

4,90 Euro


Nachtjägerseele

200 Seiten

Broschur

8,90 Euro



Weitere Informationen und Leseproben finden Sie auf der

Homepage des Verlages


www.machandel-verlag.de

 

cover

Feuersänger-Trilogie I


Harfenzorn


Tina Alba





Für meine Eltern, die durch ihr eigenes Schmiedefeuer gegangen sind.

Thalan’zhe Hai’re – mögen euch die Sterne immer scheinen.



Harfe


Machandel Verlag Charlotte Erpenbeck

Cover: C.Erpenbeck, Hintergrund Nathalies Stock /Deviantart

Nithyara-Illustration im Buch: Trudy Wenzel

Harfen-Vignette: www. Wikipedia. org

Haselünne

1. Auflage 2015

ISBN 978-3-95959-002-0




 

I gave my anger to the music…
(Gwen Knighton Raftery)

Prolog: Legendensänger


Mein Name ist Selai'adar.

Silbersang nannten sie mich, doch das Silber in meiner Stimme ist angelaufen und die Saiten meiner Harfe zerrissen, als die Kälte das Holz zum Bersten brachte.

Mein Clan ist verloren. Nur ich bin noch da, und mein treuer Schatten auf vier Pfoten. Ich weiß nicht, warum er zu mir kam, und doch ist er da, silberpelziger Gesandter der Götter. Einziger Gefährte in dieser erstarrten Welt, in der Frost mit den Zähnen knirscht und Wind wie ein verwundetes Tier heult. Mein Herz ist voller Schmerz und einem Zorn so schwarz wie die Tinte, die auf diesem Pergament gefriert. Seit dieser Nacht weiß ich, wie es sich anfühlt, nichts als Rache zu wollen. Und jemandem den Tod zu wünschen, den ich einmal geliebt habe.

 

Ich spüre niemanden mehr in meinen Gedanken und in meiner Seele. Meine Eltern sind fort, meine Lehrmeisterin, Priester, Priesterin und Magier, unser Clanführer, einfach alle. Drei Dutzend Männer, Frauen und Kinder, verweht von einem Fluch, der uns mit eiskalter Faust niederschmetterte.
Ich allein blieb, um zu berichten, was sich zugetragen hat im Clan der Hainhüter, die nicht in der Lage waren, ihren Hain zu hüten. Weil ich nicht sehen wollte, dass Verrat unter uns weilte wie eine Made in einer Beere. Weil ich nun nicht nur den Fluch sehen und tragen soll, sondern auch die Last meiner Schuld.

Götter. Ich war so blind.

 

Findelkind. Kind voller Geheimnisse und ohne Vergangenheit mit dem rauchgrauen Haar und den Augen voller Finsternis, du warst frühester Jugend an mein Gefährte … Mein Freund, mein Bruder im Geist - warum sahen wir erst, als es zu spät war, dass es Mächte gab, die dich benutzten, um uns zu schaden?

Ich kann nicht glauben, dass unsere Magier, die Priester, Weisen, Seher und vor allem mein törichtes Herz so blind waren, dass sie die Aura von Verrat nicht sahen, die sie umgab. Warum gaben uns die Götter kein Zeichen? Waren auch sie mit Blindheit geschlagen, dass sie den Fluch nicht kommen sahen?

 

Winter ist über uns gekommen. Eisige Kälte überzieht mein Land, hat den Wald entlaubt, in dem immer Leben und Wärme pulsierten und es niemals Winter gab. Denn unser Wald beheimatete den Hain der Götter. Hier in unserem Hain liegt der Ort, an dem die Sternengekrönte und der Nachtschattenherr das allererste Mal zu den Erwählten des Zwielichts sprachen und sie zu dem machten, was wir heute sind: Nithyara.

Wir sind ihre Nachkommen, die Hüter, von Beginn unserer Existenz an angefeindet und gehasst, denn in den Augen der Finstervölker waren wir es, die Verrat begingen, indem wir uns dem Krieg der Finsternis gegen das Licht entzogen. Indem wir zu glauben wagten, dass die Wahrheit dazwischen liegt – im Zwielicht.

Ich wuchs auf mit den alten Sagen, so wie jedes Nithyarakind. Ich liebte unsere Lieder und Geschichten und wusste, dass ich nichts anderes sein wollte als ein Legendensänger. Immer schon sind Geschichten und Lieder um mich herumgestrichen wie Nachtschleicher, haben mir in die Ohren geschnurrt und sich schließlich auf meinem Schoß zusammengerollt.

Musste ich Legendensänger werden, um vom Niedergang der Nithyara zu singen und von der Klaue aus Eis, die unseren Hain gefror, unseren Götterstein zerschlug und das Band zur Sternengekrönten und zum Nachtschatten erstarren ließ?

 

Meine Worte sollen zu Eis werden, verwehen oder gefunden werden, es ist mir gleich, aber ich wäre zersprungen, hätte ich sie nicht auf dieses Pergament gebannt. Mein pelziger Gefährte steht vor mir und mustert mich aus eisblauen Augen, er ist vor all dem Raureif und im tiefen Schnee kaum zu sehen. Er will, dass ich ihm folge.

Ich brauche ihn, denn ich kann die Götter nicht mehr hören, und in mir ist nichts als Leere und eisige Wut. Mein Feuer verlischt. Mein Zorn kann es nicht nähren, aber vielleicht kann er es noch ein wenig länger am Brennen halten. Die Nähe des Silberpelzigen tut gut. Sie gibt mir Kraft. Ich sehe ihn an und ich sehe, was ich sein muss, um sühnen zu können, was ich versäumt habe.

 

 

Nithyara

 

 

1: Winterfluch

 

Silbersang fiel.

Er hörte den Wind, der an ihm zerrte, während er stürzte.

Er konnte sich nicht erinnern, wann ihm der Boden unter den Füßen abhandengekommen war, wann sein Leben aufgehört hatte, zu sein.

Warum war seine Welt so kalt?

Wann hatte die Stille alle Laute um ihn herum in sich aufgesogen und nichts als Schweigen zurückgelassen?

 

Schreie rissen seinen Verstand zurück in die Wirklichkeit. Schwer lag die Waffe aus Leder und Metall in seiner Hand. Die Klinge funkelte im Licht des überall um ihn herum aufblitzenden Sternenfeuers. Silbersang dröhnte der Schädel. Etwas rann warm und klebrig seine Schläfe hinab, die Haarsträhnen, die ihm in die Augen fielen, schimmerten rot.

„Silbersang, pass auf!“

Er wich taumelnd aus, als Sternwind mit einem trillernden Schrei auf den Lippen halb an ihm vorbei und halb über ihn hinwegsprang. Ihre Zwillingsdolche wirbelten in einem tödlichen Tanz und bohrten sich in die Brust des Schattens, der hinter Silbersang aufragte. Silbersang stolperte, fiel, fühlte, wie sich Steine und Äste in seinen Rücken drückten. Für einen Moment nahm ihm der Sturz den Atem.

Sternwinds Rücken füllte sein Gesichtsfeld, die Kriegerin kauerte über dem gefallenen Angreifer und fauchte wie ein zorniger Nachtschleicher. Die Klingen in ihren Händen glänzten von frischem Blut.

Dunkelelfen.

Einen Moment glaubte Silbersang, zurückgefallen zu sein in seine Kindheit, zu einem anderen Dunkelelfenüberfall am selben Ort. Damals, als er noch ein schwarzhaariges Kind gewesen war. Eigentlich hatte er damals zuhause bleiben sollen.

Er knurrte unwillig, schüttelte die Benommenheit ab und kam mühsam wieder auf die Füße.

Was ist hier los?

Der Hain drehte sich um ihn. Die Nacht brüllte eine Kakophonie aus Schreien, dem Sirren von Bogensehnen und dem klirrenden Gesang von Stahl.

Das ist alles falsch …

Etwas Kaltes streifte Silbersangs Gesicht. Etwas wirbelte weiß durch die Luft und reflektierte Sternenfeuer, es fiel vom Himmel wie Sand, der durch ein Stundenglas rieselt, lautlos in all dem Lärm.

Schnee. Ist das Schnee?

Augenblicke dehnten sich zur Unendlichkeit, während Silbersang versuchte, zu verstehen.

„Silbersang!“ Blauflammes Gesicht tauchte vor ihm auf. Der Magier packte ihn an den Schultern und schob ihn ins Unterholz. „Du bist verletzt, verschwinde von hier, bring dich in Sicherheit, sofort!“ Er hob die Hände, Sternenfeuer blitzte auf und ersticktes Keuchen sagte Silbersang, dass die blauen Flammen ihr Ziel gefunden hatten.

„Was ist hier los?“ Silbersang klammerte sich an Blauflammes Schulter, wieder wurde ihm schwindlig. In seinem Kopf explodierte der Schmerz und jagte eine Welle von Übelkeit durch seinen Körper.

„Verrat“, keuchte Blauflamme, seine Augen glühten in unwirklichem blaurotem Funkeln und in seinem gesträubten Haar tanzten Funken.

„Verrat? Wer …?“

„Nicht jetzt. Versteck dich, ich hole dich, wenn das hier vorbei ist!“ Blauflamme drückte ihn tiefer in die Büsche, dann sprang er auf, Sternenfeuer in den Händen. Eine Klinge aus Fleisch und Blut, auf deren Schneiden blaue Flammen tanzten.

Verrat?

Silbersang kämpfte die Übelkeit nieder.

Das ist nur Schmerz. Er hat keine Macht über mich.

Er packte seinen Langdolch fester und schob einen Zweig zur Seite, versuchte, etwas zu erkennen. Fast ein Dutzend Dunkelelfen in ihren zacken- und dornenbewehrten Lederrüstungen und Kettenpanzern füllten die Lichtung, ihre roten Augen leuchteten in der Nacht. Wo, bei den Göttern, waren die alle hergekommen?

Eine Gestalt schob sich in Silbersangs Blickfeld, ein junger Mann, fast noch ein Junge, groß für sein Alter. Rauchgraues Haar wehte offen um das blasse Gesicht, blaue Zeichen schimmerten auf der fahlen Haut. Fetzen einer Maske hingen um seinen Hals, als hätte ihm jemand das weiche Leder brutal heruntergerissen. Drei blutrote Streifen leuchteten auf seiner linken Wange. Silbersangs Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es zu jubeln.

Rauchläufer war zurückgekommen! Endlich!

Etwas packte Silbersangs Fuß und zog. Silbersang verlor das Gleichgewicht, er schrie auf und hieb blind mit seiner Klinge um sich.

//Rauchläufer, ich bin hier! Hilf mir, Rauchläufer!// Er sendete mit aller Kraft, doch Rauchläufer schwieg. Für einen Atemzug kreuzten sich ihre Blicke. Silbersang war sicher, dass Rauchläufer ihn gesehen und erkannt hatte – und dann wandte der Rauchhaarige sich ab, hob seine Hand, rief Worte in einer Sprache, die Silbersang fremd in den Ohren klang. Sie wehten von Rauchläufers Lippen, schraubten sich in den Himmel und fielen zurück zur Erde. Silbersang war so fassungslos, dass er einen Moment lang vergaß, sich zu wehren. Erst, als der Dunkelelf ihn höhnisch lachend aus seinem Versteck gezerrt hatte und ihm eine Klinge an die Kehle legte, wachte sein Überlebenswille auf. Instinktiv legte er seine Hände auf die des Angreifers, als wolle er sie von sich wegschieben – und ließ alles an Sternenfeuer, das noch in ihm war, aus seinen Fingerspitzen schießen.

Ein Schrei, der fremde Elf taumelte, Silbersang fühlte, wie die Klinge seinen Hals ritzte, dann wälzte sich der Dunkle keuchend am Boden. Silbersang schnappte nach Luft und presste seine Hand an den Schnitt. Nur ein Kratzer. Sein Blick suchte Rauchläufer im Getümmel.

Schneeflocken tanzten vor seinen Augen.

„Rauchläufer!“

Silbersang schrie den Namen, und mit ihm schrie er all seine Furcht und seinen Schmerz heraus.

Jemand lachte.

Und dann sah er ihn wieder.

Rauchläufer stand auf dem Götterstein, an seiner Seite ein Dunkelelfenpaar, sie sprachen auf ihn ein in ihrer fremden und doch so vertrauten Sprache.

„Tu es jetzt!“, konnte Silbersang heraushören. Etwas schimmerte in der Luft wie ein Schild aus feinen grünen Funken, und das Sternenfeuer, das aus vielen Händen auf die Drei zuschoss, zerfaserte ohne Wirkung.

„Nein!“ Silbersangs Stimme barst fast. „Ti’shanar! Ti’shanari! Götter, helft uns!“

Er rannte, auch wenn jeder Sprung rasenden Schmerz durch seinen Kopf pochen ließ. „Rauchläufer, bist du wahnsinnig geworden, was tust du denn da?“

Die Antwort versengte Silbersangs Denken. Rauchläufers Blick brannte sich in seine Augen. In sein Herz. Wann war dieser blinde Hass in Rauchläufers blaue Magieraugen eingezogen? Wann hatte er die Liebe in ihnen verbrannt?

//Nie wieder wird mich jemand bei diesem Namen nennen. Ich bin Asche, ich bin Kind des Feuers, ich bin Magie, ich bin Tod! Göttertod, Ascheherz soll mein Name sein, und ihr werdet fallen! Alle bis auf einen.//

Die Nithyara um Silbersang herum sanken in die Knie, pressten die Hände auf die Ohren, schrien wie Silbersang, als sich das Senden wie bittere Säure in ihre Köpfe fraß. Silbersang fand sich am Boden wieder, die Klinge war ihm aus den Händen gefallen.

Durch rote Schleier sah er, wie Rauchläufer die Hände hob, etwas hochhielt und es dann lachend auf den Götterstein niederfallen ließ, wo es zerbrach. Kaltes blaues Glühen ergoss sich über den Stein.

Noch nie hatte Silbersang einen Stein schreien gehört. Der Götterstein krachte und knirschte. Über die raue Oberfläche zuckten Blitze, die Zeichen im Granit flackerten.

Verblassten, als der Götterstein mit einem letzten flüsternden Schaben unter knisterndem Blau verschwand. Etwas, das immer da gewesen war, wurde zu einem blassen Schatten in Silbersangs Seele.

Schreie. Überall Schreie.

Was auch immer Rauchläufer auf den heiligen Stein geworfen hatte, was auch immer den heiligen Fels mit diesem glühendkalten Blau überzog, es zerriss Bänder, die immer da gewesen waren, und nicht nur Silbersang konnte es fühlen. Das panische Senden der anderen brachte seinen Verstand zum Glühen. Er konnte nur noch schreien.

„Ti’shanar!“

Der Ruf hallte in vielstimmiger Verzweiflung über die Lichtung, klirrend wie brechendes Glas. Wind kam auf, das Schneetreiben wurde dichter und in das Heulen des Windes mischte sich Lachen. Silbersang sah nichts mehr als weißes Wirbeln, seine Clangeschwister wurden zu Schatten hinter den Flocken. Der Einzige, den er noch klar sehen konnte, war der so vertraute und doch auf einmal so fremde Bruder auf dem eisüberkrusteten Götterstein. Rauchläufer, der ihn aus brennenden Augen ansah. //Du nicht, Silbersang. Bist du nicht Legendensänger? Singe und trage die Angst in die Welt, denn das hier war erst der Anfang!//

Die Worte folgten ihm, als die Welt um Silbersang schwarz wurde und ihn in gnädiger Dunkelheit versinken ließ.

Sein letzter Gedanke wehte zu den Göttern. //Warum? Sternengekrönte, Nachtschatten, warum lasst ihr das zu?//

Ein Netz aus rauchgrauen Fäden umspann seine Worte und ließ sie zu Asche zerfallen.

 

Kalt.

Zitternd rollte Silbersang sich zusammen und versuchte, eine Decke über sich zu ziehen, die nicht da war. Warum war es so verdammt kalt?

Etwas stieß ihn an, warmer Atem wehte ihm ins Gesicht, dann glitt eine raue Zunge über Silbersangs Wange.

Silbersang riss die Augen auf.

Blaue Augen blickten ihn an, neugierig und forschend, dann drängte sich ein geschmeidiger, großer Katzenkörper an ihn. Den silbrig weißen Kopf mit der langen Mähne umwanden bernsteinfarbene Hörner. Eine weiche Pranke legte sich auf Silbersangs Brust und ganz leicht bohrten sich Krallen durch seine viel zu dünne Kleidung.

Ein Nachtschleicher.

Silbersang stockte der Atem.

Noch nie hatte er einen ausgewachsenen Nachtschleicher mit silbernem Fell gesehen.

Silbersang bewegte sich nicht und versuchte, dem mächtigen Tier nicht in die Augen zu sehen. Nachtschleicher waren heilig. Die Nithyara verehrten sie, jagten sie – und nicht immer siegte der Nithyara. Das Tier fixierte ihn. Der Blick dieser unglaublich blauen Augen war mehr, als Silbersang ertragen konnte. Etwas war in diesen Augen, das nicht zu einem einfachen, wenn auch sehr klugen Raubtier passen wollte. Sie waren zu wissend, diese Augen.

Silbersang holte zitternd Atem, und wieder bohrten sich die Krallen leicht in seine Haut. Seine Hand tastete nach irgendetwas Vertrautem und fand nichts als Kälte. Über ihm wölbte sich dämmerblass der Himmel, Sterne funkelten matt und ein blutiger Vollmond hing am Firmament wie eine überreife Frucht. Silbersangs Finger berührten Schnee.

Die Erinnerung traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

Die Dunkelelfen. Rauchläufer, der Götterstein, all der Schnee …

Silbersang sendete tastend seine Gedanken aus. Sie trafen auf Schweigen. Überall Schweigen. Auch der Wald war viel zu still. Die Nachtvögel ließen sich nicht hören, nur der Wind streifte geisterhaft durch die schneebedeckten Bäume, und aus der Kehle des Nachtschleichers drang ein leises, beständiges Schnurren. Seine Pfote glitt von Silbersangs Brust.

//Silbersang.//

Silbersang zuckte zusammen, als das Senden in seinen Geist schlich.

//Wer bist du?//

Das Schleicherschnurren wurde lauter. //Ich. Ich bin, was übriggeblieben ist vom Band der Erwählten des Zwielichts zu Ti’shanar und Ti’shanari. Ich bin, was dir geblieben ist. Ich werde dich begleiten.//

„Alles, was mir …?“ Silbersang richtete sich so heftig auf, dass ihm schwindlig wurde. Das leise Pochen in seinem Kopf wurde zu einer glühenden Klinge. Mit einem Aufstöhnen stützte er die Stirn in die Hand und spürte aufgeplatzte Haut und getrocknetes Blut, Fetzen von Leder. Reste seiner Maske. Der mächtige Kater schob sich hinter ihn. Silbersang begriff. Zögernd lehnte er sich an den weichen, warmen Katzenkörper.

Die Legende über die weißen Nachtschleicher tröpfelte zäh in seinen Verstand. Nachtschleicher wurden weiß geboren und bekamen schwarzes Fell, wenn sie älter wurden, wie ein Gegenstück zu den Nithyara, die schwarzhaarig geboren wurden und später weißes Haar bekamen. Blieb ein Schleicher weiß, so hieß es, die Götter hätten ihn berührt. Gleiches galt für erwachsene, schwarzhaarige Nithyara.

Weißer Schleicher. Götterbote.

Silbersang schloss die Augen. Seine Glieder waren steif, an ihm war keine Stelle, die nicht schmerzte oder sich wie rohes Fleisch anfühlte. Bruchstückhaft kam die Erinnerung an den Kampf zurück. Da war das Bild seines Bruders auf dem Götterstein, wie er dastand und sendete und etwas auf dem Stein zerbrach.

 

Und dann hatte der Winter alles vereinnahmt, und Bänder waren zerrissen. Mühsam richtete Silbersang sich auf und stützte sich auf den Rücken des Schleichers.

„Sternlied?“ rief er zögernd, leise, dann lauter. „Sternlied? Shara? Shara, wo bist du? Blauflamme? Abendstern? Sternwind, Flammenschwert! Blutmond, Nebelkatze, wo seid ihr? Dämmerstahl! Sternentanz, Neumond, helft mir! Bitte … antwortet mir doch!“

Zögernd setzte er einen Fuß vor den anderen, er durchkämmte den schneebedeckten Hain, während er immer wieder die Namen seiner Clangeschwister rief und mit seinen Gedanken sendete.

Eis und Schnee auf den Zweigen ließen im Sternenlicht den Hain wie mit Diamanten bedeckt schimmern, eine undurchdringliche blaue Kruste aus Frost und seltsamen kleinen roten Einsprengseln überzog den Götterstein. Immer wieder entdeckte er Fußspuren im frisch gefallenen Schnee. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass es seine eigenen waren. Hier und da ragten Schwertgriffe aus dem Schnee, schimmerte ein Messer, fand sich gefrorenes Blut. Eine Maske flatterte an einem Ast. Doch niemand antwortete auf Silbersangs Rufen, nur der Schleicher, der leise an seiner Seite schnurrte.

„Wo sind sie hin?“ Silbersang sank neben dem Götterstein in die Knie, er bebte vor Kälte und wusste nicht, was schlimmer war – der ganz reale Schmerz in seinem Körper oder die Erkenntnis, dass er allein war. Übriggeblieben. Ein Nithyara allein.

Todgeweiht, wenn er nicht Hilfe fand.

Schaudernd schlang er die Arme um die Knie und würgte an Tränen, die er nicht weinen wollte. Die anderen waren fort und hatten nichts als Leere hinterlassen, der Götterstein lag unter Eis begraben, das aussah, als seien tief in ihm Blutstropfen gefroren, und das Band zu den Göttern war geschwächt … aber er lebte.

Silbersang traute sich kaum, nach dem Feuer in seinem Inneren zu tasten. Er konnte es fühlen, doch es hatte an Kraft verloren und würde ihn nicht lange wärmen können.

„Ich bin allein …“ Er musste es aussprechen, um es begreifen zu können. Sein Atem bildete weiße Wolken vor seinen Lippen.

//Ich bin bei dir.// Der Schleicher schob sich an ihn heran und rieb den gehörnten Schädel an seiner Schulter. Silbersang grub die Hände in das weiche Fell. „Dafür danke ich dir, Schleicher. Wenn du mich begleiten willst, dann komm mit mir. Lass uns im Dorf nachsehen… vielleicht hat es einer von ihnen bis dahin geschafft. Ich will nicht glauben, dass sie alle … fort sind.“ Er konnte nicht aussprechen, dass sie vielleicht tot waren. Dann hätte er doch Körper finden müssen. Zitternd vor Kälte blickte Silbersang zum Himmel. Die Sterne sahen aus wie immer. Wären so viele Nithyarakrieger gefallen und heimgekehrt, dann müssten doch jetzt neue Sterne am Himmel leuchten. Es sei denn …

Silbersang wollte den Gedanken nicht zu Ende denken, und doch drängte er sich durch seinen Geist und wurde zu klaren Worten. „Was, wenn ihnen der Weg zu den Sternen verwehrt wurde? Ein Fluch hat uns getroffen, ist es nicht so, Götterbote? Ein Fluch. Und ich habe ihn eingelassen.“

Die Erkenntnis wühlte in seiner Seele wie ein Messer in der Brust. Sie machte ihn traurig und zugleich so unsagbar wütend, wie er noch nie in seinem Leben wütend gewesen war.

„Sag mir, Schleicher, wie konnten die Götter das zulassen? Wie konnten sie sich einfach so … vertreiben lassen? Von einem … Dunkelelfen?“

Der Schleicher schmiegte sich an Silbersangs Bein. //Sie wurden nicht vertrieben, Silbersang. Doch die Grenze zwischen ihrer und eurer Welt hat sich verdichtet.//

„Ich will das rückgängig machen“, presste Silbersang zwischen knirschenden Zähnen heraus. „Ist es das, was sie wollen? Oder wollen sie uns für immer verlassen? Ist das ihre Art, mir zu zeigen, dass ich einen unverzeihlichen Fehler gemacht habe?“ In diesem Augenblick wollte Silbersang mit dem Fuß aufstampfen wie ein trotziger Dra’sien, er wollte den Göttern ins Gesicht schreien, dass es nicht seine Schuld gewesen war, dass er niemals geglaubt hätte, dass Rauchläufer ihn und die seinen verraten würde. Niemals?

Silbersang schluckte.

Vielleicht hatte er so viele Dinge einfach nicht sehen wollen. Genauso wenig wie Sternlied, Blauflamme, Abendstern und die anderen.

 

Silbersangs Füße waren schwer wie Erz. Auf dem Weg zurück ins Dorf hörte er nicht auf, die Namen seiner Brüder und Schwestern zu senden, auch wenn ihm nur Schweigen antwortete. Mondlicht übergoss den Dorfplatz, schimmerte auf dem Schnee. Er hatte sich auf die Fußspuren gelegt, auf die Bäume, die Baumhütten, er glitzerte auf nicht wieder hochgezogenen Strickleitern, auf offenstehenden Türen, war in Hütten geweht. Die Stille machte Silbersang fast verrückt.

„Sternlied“, flüsterte er mit blaugefrorenen Lippen. „Blauflamme, Abendstern. Rauchläufer, was hast du getan? Warum?“

Der Schleicher schmiegte sich an ihn. //Sie werden nicht antworten//, murmelte die sanfte, dunkle Gedankenstimme des Katers. //Geh zu deinem Haus und hole alles, was du für eine lange Reise brauchst. Du musst von hier fortgehen, oder der Fluch des Ascheherzens trifft auch dich.//

Silbersang schüttelte heftig den Kopf. „Ich kann nicht von hier fortgehen, Schleicher, das hier ist meine Heimat! Ich muss den Fluch brechen, ich muss doch irgendetwas machen können!“ Er ging in die Knie, hockte sich vor den Schleicher und grub die Hände in die dichte weiße Mähne. „Bitte sag mir, was ich tun soll! Wenn du von den Göttern gekommen bist, dann musst du mir doch helfen können!“

//Ich kann dich schützen, Zwielichtkind. Ich kann dich wärmen. Ich kann dir raten. Und mein Rat lautet: Geh. Du wirst die anderen nicht finden, und du wirst hier keine Heilung für den Fluch finden. Ti’shanars Macht ist geschwächt an diesem Ort. Er hört dich, glaube mir, ebenso wie die Herrin dich hört, aber sie haben hier keine Kraft mehr, die Grenze zu durchdringen. Du musst an einen anderen Ort gehen und dir Hilfe suchen.//

„Wo finde ich Hilfe? Wir waren nur wenige …“

//Aber ihr seid nicht die Einzigen, Silbersang vom Clan der Hainhüter. Zieh nach Norden.//

„Norden?“

Der Schleicher schwieg. Sanft stupste er Silbersang und lenkte ihn, bis er sich schließlich an den Wurzeln eines sehr bekannten Silberbaums wiederfand. Dieser Baum trug sein Zuhause. Die Baumhütte, in der er zusammen mit Sternlied, Abendstern und Blauflamme gelebt hatte. Und mit Rauchläufer.

Bitterer Geschmack auf der Zunge ließ Silbersang würgen. Der Name, der bisher nach Freundschaft und Liebe geschmeckt hatte, hinterließ nur noch das Gefühl von Asche auf seiner Zunge. Zweifelnd sah er den Baumstamm hinauf, doch dann packte er entschlossen die Strickleiter und zog sich nach oben. Er musste sich ausruhen. Was auch immer der Schleicher und mit ihm die Götter von ihm verlangten, er konnte es nicht tun, solange sein Kopf dröhnte wie ein Kriegshorn und seine Wunden immer wieder anfingen zu bluten. Er musste sich waschen, sich verbinden, warme Kleidung und eine unversehrte Maske anlegen und alles an Proviant zusammensuchen, was er im Dorf noch finden konnte.

 

Der Türvorhang flatterte zerrissen im Wind. Silbersang stieg über eine kleine Schneewehe im Eingang hinweg. So weit er sehen konnte, war alles mit einer feinen Schicht Raureif überzogen. Aus einer der hinteren Kammern schimmerte blasses Licht. Silbersang betrat vorsichtig das Zimmer, das Blauflamme gehört hatte. In der Feuerstelle tanzten blaue Flammen, magisches Feuer, das nur wenig Nahrung brauchte und nur langsam verlosch. Silbersang lächelte. Hier konnte er sich aufwärmen. Er schälte sich aus dem schneebedeckten Umhang, legte die zerrissenen Kleider ab und beugte sich über die Waschschüssel neben dem Feuer. Das eisige Wasser zauberte in kürzester Zeit Gänsehaut auf seinen gesamten Körper, aber lieber ertrug er die Kälte, als weiterhin so blutbesudelt und dreckig zu sein. Mit den Resten seines Hemdes rubbelte er sich sauber, dann holte er frische Kleidung aus seiner Truhe und zog mehrere Schichten übereinander an, darüber zwei fellgefütterte Umhänge. Aus einem schwarzen Lederstreifen schnitt er sich eine neue Maske. Mechanisch stopfte er alles, was ihm notwendig und wichtig erschien, in einen ledernen Rucksack, der Abendstern gehört hatte. Eine Decke aus Schleicherfell. Getrocknete Früchte und Fleisch, einen Krug Honig und das Wegebrot, das er vor einigen Nächten noch selbst gebacken hatte.

Wir wollten jagen gehen. Rauchläufer und ich.

Silbersang zwang sich, nicht an den Ausflug zu denken und konzentrierte sich wieder aufs Packen. Er brauchte mehr als nur warme Kleidung und etwas zu essen. In Blauflammes Truhe fand er Tiegel mit Wundsalbe, eine kleine Flasche mit einem stärkenden Trank, Heilkräuter und eine Handvoll Macas-Blätter. Silbersang zögerte kurz. Die Kundschafter nahmen Macas mit, wenn sie lange unterwegs waren und wenig Zeit zum Schlafen hatten. Macas hielt wach und schärfte die Sinne, doch nahm man zu viel und zu oft von den bitteren Blättern, machten sie süchtig. Silbersang stopfte den Beutel mit dem Macas ganz unten in seinen Rucksack. Aufmerksam ging ein letztes Mal durch das Baumhaus, nahm aus jedem Raum etwas mit. Die Harfe, die er selbst gebaut hatte, auch wenn einige Saiten gerissen waren, als das Holz sich in der Kälte verzogen hatte. Einige Saiten aus Sternlieds Harfe, auf der er das Spielen gelernt hatte. Einen blauen Leuchtkristall aus Abendsterns Truhe. Seine Hände zitterten, als er vor seinem und Rauchläufers Schlaflager innehielt und eine der Decken aufhob. Rauchläufers Duft hing noch in den Fellen.

Was war nur passiert?

Silbersangs Blick fiel auf seine eigene Truhe, auf der Pergament und Federn lagen, daneben stand ein Tintenfass. Er zögerte einen Moment, dann setzte er sich, blies über seine klammen Finger und begann, zu schreiben, zögernd erst, dann immer sicherer. Wenn noch jemand von den anderen lebte, oder wenn sonst irgendjemand sich in dieses tote Dorf verirrte, dann sollte er wissen, was geschehen war. Und so schrieb er auf, an was er sich erinnern konnte.

 

***

 

Silbersang setzte sein Namenszeichen unter das Pergament und blies über die Tinte. Sein Atem bildete weiße Wolken, die Runen auf dem Pergament waren eher gefroren als getrocknet. Erst jetzt sah er den Raureif, der inzwischen auch in seinem Zimmer Einzug gehalten hatte und alles mit seinem silbrigen Glitzern überzog. Silbersang rollte das Pergament zusammen. Trocken und frostig knisterte es in seinen kältesteifen Fingern, als er es mit einem Lederband zusammenfasste und auf den niedrigen Tisch an der kalten Feuerstelle legte.

Alles um ihn herum war erstarrt unter dem Atem des Fluchs, der auf leisen Sohlen durch das winterstille Dorf schlich. Silbersang konnte ihn fühlen. Er konnte ihn hören wie eine wispernde Stimme in seinem Kopf. Der Fluch lachte, raschelnd wie wintertrockenes Laub.

Silbersang schlang die Arme um den Oberkörper und wickelte sich fester in seine beiden Umhänge aus Kaninchenfell. Sein Blick wanderte durch den Wohnraum. Brot und Früchte lagen weiß überhaucht auf dem niedrigen Tisch, der Tee in den Bechern war zu Eis gefroren.

War es wirklich erst eine Nacht her, dass er genau hier mit Rauchläufer, Sternlied, Blauflamme und Abendstern Brot und Tee geteilt hatte?

Silbersang schloss die Augen. Er lehnte sich an die Wand, dann rutschte er zu Boden, schlang die Hände um die Knie und vergrub das Gesicht in den Armen. Seine Augen brannten, seine Kehle schmerzte. Er hatte die Namen seiner Clangeschwister gerufen, bis seine Stimme ihn im Stich gelassen hatte. Jetzt kratzte die Kälte in seinem Hals und nistete sich mit jedem Atemzug tiefer in seinem Inneren ein. Bilder schossen wie Pfeile durch seinen Verstand, ließen ihn in aller Klarheit noch einmal die Vergangenheit erleben. Ein Schaudern rann über Silbersangs Rücken, er rollte sich noch enger zusammen.

Bitte nicht. Ich will das nicht noch einmal sehen. Es war genug, um es nie wieder zu vergessen. Ich weiß, warum ich noch lebe und was ich berichten soll, Rauchläufer. Lass mich in Ruhe. Es ist vorbei.

Niemand hörte ihn.

Die Bilder blieben.

 

In einer Umarmung erwachen, einen warmen Körper neben sich, Atem, der sein Gesicht streift. Silbersang lächelt und schmiegt sich noch einmal an den anderen, dann öffnet er die Augen und haucht auf das schlafende Gesicht so nah bei seinem eigenen einen liebevollen Kuss. Rauchgraues Haar kitzelt seine Brust, blauschwarze Augen öffnen sich und mustern ihn voll Wärme. Immer wieder fragt sich Silbersang, wie er einen Freund, einen Geliebten wie seinen Rauchläufer verdient hat, allen Widerständen zum Trotz.

Lachen, Necken, Berührungen, lustvolles Spiel.

Silbersang fühlt sich lebendig, als er das Bett verlässt und beginnt, das Abendessen zu richten. Nach und nach kommen sie aus ihren Fellen gekrochen: Sternlied, seine ehemalige Lehrmeisterin, Blauflamme, Rauchläufers Lehrer, und sein Gefährte Abendstern, mit denen sie das Baumhaus teilen. Sie schmieden Pläne für Rauchläufers erste Schleicherjagd. Heute soll er sich sein erstes eigenes Nachtschleicherfell verdienen. Silbersang ist ebenso aufgeregt wie Rauchläufer, sie lachen und scherzen, während sie sich bereitmachen.

 

Rauchläufer führt die Jagd an. Es ist eine laue Nacht, voller schwerer Düfte von Blumen und Früchten, in der Luft liegt der scharfe Geruch des Raubkatzenrudels. Rauchläufer findet die Spur, und sie beginnen den Wettlauf mit den Schleichern, wie es seit jeher Brauch ist. Silbersang liebt die Jagd. In seinem Mund ist jetzt schon der Geschmack warmen Fleisches und frischen Blutes. Er fühlt sich frei. Wild. Er ist bereit, doch diese Jagd gehört Rauchläufer. Sie durchkämmen das Unterholz und hetzen die gehörnten Katzen. Ein Aufschrei, jubelnd, triumphierend. Und dann bricht der mächtige gehörnte Kater aus dem Unterholz, dicht gefolgt von einem Schatten mit rauchgrauem Haar.

Die Jagd hat begonnen.

Er hat die anderen verloren. Silbersang hält inne, flucht lautlos und sendet einen stummen Ruf nach seinen Gefährten aus. Nach und nach antworten Sternlied, Abendstern, Blauflamme. Nur Rauchläufer schweigt, und nicht nur zu ihm. Silbersang horcht in sein Herz. Sie sind verbunden, er müsste es doch wissen, wenn dieses Mal der Schleicher gesiegt und Rauchläufer den Tod gefunden hätte.