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Nr. 9

 

Flotte der Verräter

 

Vorstoß ins Zentrum des Imperiums – Perry Rhodan auf dem Weg zur Prüfungswelt

 

Kai Hirdt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Im Sommer 1402 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Während die Lage in der Milchstraße eigentlich friedlich erscheint, entwickelt sich im Kugelsternhaufen Thantur-Lok – den die Terraner als M 13 bezeichnen – ein unerklärlicher Konflikt. »Dunkle Befehle« erschüttern das mächtige Kristallimperium der Arkoniden, sie lösen einen Amoklauf unter den Bewohnern aus. Raumschiffe attackieren sich gegenseitig, Planeten werden angegriffen. Wenn sich die Kämpfe ausweiten, ist der Friede in der gesamten Galaxis bedroht.

Perry Rhodan ist derweil zwischen den Sternen des Kugelsternhaufens auf der Flucht. In seiner Begleitung sind der Mausbiber Gucky sowie Sahira, eine geheimnisvolle junge Frau, über deren Herkunft der Terraner nach wie vor wenig weiß.

Zusammen verfolgen die drei eine Spur, die sie zum Planeten Iprasa führt, der arkonidischen Prüfungswelt. Doch die Zeit wird knapp – DIE FLOTTE DER VERRÄTER ist schon auf dem Weg nach Arkon ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner trifft alte Freunde und neue Feinde.

Toracc – Der Glynkonide macht das Universum schlauer.

Bijaine da Ortoba – Der Mascant will Geschichte schreiben.

Perto Gural – Der Zweimondträger bleibt Philosoph.

1.

Der Unergründliche Gott

 

Die Landestützen von Ronald Tekeners Leka-Disk waren tief eingesunken. Sie lösten sich nur mühsam aus dem Wüstensand, als das kleine Schiff abhob. Dabei schleuderten sie Sand und Staub in die Luft, der Perry Rhodan, Gucky und Sahira Saedelaere ins Gesicht wehte.

»Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee war?«, fragte Gucky.

»Selbstverständlich«, erwiderte Rhodan. »Sind meine Ideen immer. Außer, ich irre mich.« Er sah den Ilt aufmerksam an. »Was macht dir Sorgen?«

»Das hier.« Gucky trat in den staubigen Boden. Eine neue Dreckwolke stob empor. »Wenn wir ein Raumschiff finden wollen, das uns nach Iprasa bringt – wäre es dann nicht gut, auf einem Raumhafen zu landen statt hier im Nirgendwo?«

»Ich hatte schon immer ein Faible für unerwartete Landungen in der Wüste«, sagte Rhodan. »Und du, alter Freund, weißt anscheinend nur sehr wenig über diese Welt. Bist du wirklich noch nie auf Glynth gewesen?«

Gucky schüttelte den Kopf.

»Was ist mit dir, Sahira?« Rhodan sah zu der Frau im Mädchenkörper hinüber. Er kannte die Antwort: nein. Aber er wollte sie in ihr Gespräch miteinbeziehen. Seit einigen Stunden gab sie sich ziemlich wortkarg, und er kannte den Grund nicht. Verarbeitete sie noch den letzten Versuch der Aras, medizinische Experimente an ihr durchzuführen?

Sahira antwortete nicht einmal.

Rhodan seufzte. »Na gut. Dann ein Kompaktkurs: Glynth ist, wie ihr beim Anflug gesehen habt, eine Wüstenwelt. Hier gibt es zwanzig Oasen, die sogenannten Inseln. Hier spielt sich das Leben der Glynkoniden ab, und das ist aus unserer Sicht ziemlich seltsam. Sie verzichten so weit wie möglich auf Technik.«

Er deutete in Richtung des Palmenwaldes, der etwa einen Kilometer vor ihnen lag und sich weit nach rechts und links ausdehnte.

»Das da ist die Insel des Unergründlichen Gottes, gewissermaßen der Regierungsbezirk. Dort residiert Tharc Sanaire, und Tharc schuldet mir einen Gefallen. Einen ziemlich großen sogar ...«

»Groß wie ein Raumschiff?«, fragte Sahira trocken.

Rhodan war froh, dass sie wieder sprach. »Ganz genau. Und das holen wir uns jetzt.«

Sie stapften auf den Waldrand zu. Weit entfernt konnte man einige Gebäude über die Wipfel emporragen sehen, aber keines wirkte höher als zwei oder drei Stockwerke. Allein die Architektur sagte viel über das eigenwillige Wesen der Glynkoniden: Das Volk stammte in direkter Linie von den Arkoniden ab, und ihre Welt lag nur vier Lichtjahre von Arkon entfernt. Die meisten Kolonialarkoniden hätten der Heimat nachgeeifert und Hunderte Meter hohe Trichterbauten errichten. Nicht so die Glynkoniden. Sie setzten auf niedrige Gebäude aus Sandstein und Palmenholz.

Rhodan gefiel das. Er hatte die Einwohner dieser Welt – und insbesondere Tharc Sanaire – als erfreulich pragmatisch kennengelernt. Für das Getue und Blendwerk, das große Teile des arkonidischen Imperiums charakterisierten, hatten sie nicht das Geringste übrig.

»Wo holen wir uns ein Raumschiff, wenn es hier keinen Raumhafen gibt?«, fragte Gucky.

»Hör besser zu, alter Freund. Sie verzichten so weit wie möglich auf Technik. Und damit auch auf Raumfahrt, bis auf ein paar kleine Frachtschiffe. Einen Raumhafen gibt es nur bei der Insel des Träumenden Gottes – das ist das Feriengebiet für reiche Arkoniden. Hier in der Hauptstadt, wenn man das so nennen kann, landet niemand und startet niemand.«

»Und könnte es sein«, fragte Gucky, »dass man es in der Hauptstadt nicht mag, wenn hier trotzdem ein Schiff runtergeht?«

Rhodan zuckte die Schultern. »Wäre mir neu, aber ausschließen kann ich's nicht. Wieso fragst du?«

Gucky beobachtete den Waldrand. »Weil gleich eine Horde Reiter aus dem Dickicht bricht. Und die sind ziemlich sauer auf uns.«

 

*

 

Eine halbe Minute, nachdem Gucky die Reiter telepathisch wahrgenommen hatte, hörte Rhodan sie das erste Mal: leises Getrappel, Hufe in weichem Boden. Gelegentlich ein peitschendes Geräusch, wenn sich Schlingpflanzen zwischen zwei Palmenstämmen spannten und von den Reittieren einfach durchgerissen wurden. Zwischen den Bäumen bewegten sich plötzlich Schatten, und dann dauerte es nur noch Sekunden.

Zu zwölft galoppierten sie durch die letzten Baumreihen des Palmenwalds, wichen mit halsbrecherischen Manövern den Stämmen aus und nutzten lange Säbel, um das Dickicht vor den Beinen ihrer Cavans zu lichten.

Als sie die Wüste erreichten, ließen die Männer ihre Reittiere anhalten. Drei der Cavans bäumten sich auf. Als sich alle Tiere wieder beruhigt hatten, teilten die Reiter sich auf und kreisten Rhodan und seine Begleiter ein.

Es handelte sich um hochgewachsene und ungewöhnlich muskulöse Arkoniden. Einige von ihnen waren noch sehr jung, aber die meisten wirkten wie erfahrene Krieger. Ihre Gesichter waren kantig – anders als bei den Höflingen, mit denen Rhodan es bei diplomatischen Verhandlungen oft zu tun bekam. Auch mit der Kleidung der Glynkoniden hätte sich nie jemand bei Hofe blicken lassen: Sie bestand hauptsächlich aus altem, abgewetztem Leder sowie ungefärbtem Leinen, und über lebenswichtigen, aber leicht verletzbaren Organen sah man fein geschmiedete Kettenringe schimmern.

Gucky verschränkte die Arme vor der Brust und beäugte die Fremden skeptisch. »Ist hier gerade Karneval?«, fragte er leise. »Oder Mittelalterfestival?«

Rhodan verstand die Verwirrung des Mausbibers. Glynth war gewöhnungsbedürftig. Arkoniden mit Klingen statt Thermostrahlern sah man nicht alle Tage. Eigentlich waren es eher Macheten als Säbel, sah Rhodan jetzt, aber mit meterlanger Klinge. Hässlich, aber funktional, genau wie die Kleidung.

»Wer seid ihr, und was wollt ihr?«, raunzte einer der zwölf Reiter. Er hatte eine Narbe auf der linken Wange, die sich von seinem Ohr bis zum Kinn hinabzog. Sein Blick war feindselig.

Rhodan musste zu ihm emporblicken. Die Cavans, auf denen die Glynkoniden ritten, ähnelten irdischen Pferden, aber ihre Läufe waren länger.

»Mein Name ist Perry Rhodan«, sagte er nach kurzem Zögern. »Das hier sind Gucky« – er nickte in Richtung des Mausbibers – »und Sahira Saedelaere.«

Er hatte kurz überlegt, ob er falsche Namen nennen sollte. Aber er selbst musste sich zu erkennen geben, wenn er zu Tharc Sanaire vorgelassen werden wollte. Gucky mit seinen charakteristischen Mäuseohren, dem Nagezahn und dem Biberschwanz war ebenfalls nicht gerade für Undercover-Missionen geeignet. Und Sahira? Wer hinter ihr her war, wusste auch, mit wem sie reiste.

Wenn Narbengesicht davon beeindruckt war, den langjährigen Terranischen Residenten, den plüschfelligen Überall-zugleich-Töter und eine junge Frau mit dem klangvollen Namen eines Unsterblichen zu sehen, ließ er sich das nicht im Mindesten anmerken.

»Ich habe euch zwei Fragen gestellt«, sagte der Mann schneidend.

Seine elf Begleiter zogen den Kreis etwas enger.

Rhodan war verblüfft. Normalerweise reagierten Menschen und auch Arkoniden ... anders, wenn er sich vorstellte. Bostich machte zwar seit gut einhundert Jahren Propaganda gegen ihn, sodass er im Imperium zum Teil auf offene Feindschaft traf. Aber das?

Er spürte ein Zupfen am Ärmel, doch dort war nichts. Ein telekinetisches Zeichen von Gucky? Er sah hinüber.

»Er hat tatsächlich keine Ahnung, wer wir sind.« Der Ilt stemmte empört in die Hände in die Flanken. »Wo leben die hier? Das kann doch wohl nicht ...«

Rhodan signalisierte ihm, sich zu entspannen. Solange ihnen nichts Schlimmeres passierte, als dass jemand ihre Namen nicht kannte ...

Bisher empfand er die Situation jedenfalls nicht als bedrohlich. Sie hatten SERUNS, sie hatten Schusswaffen, und sie hatten Gucky mit seinen Paragaben. Die anderen verfügten über schlecht polierte Säbel und zwölf übergroße Pferde mit spitzen Zähnen. Grund zur Sorge bestand also eigentlich nicht. Aber die aggressive Ansprache überraschte und verwirrte ihn. Bei seinen bisherigen Besuchen dieser Welt hatte er die Glynkoniden als geradeheraus, manchmal ruppig, aber eigentlich immer als grundsätzlich freundlich erlebt.

Zeit, für ein bisschen Klarheit zu sorgen. Er wandte er sich dem Glynkoniden mit der Narbe zu. »Wir sind Freunde von Tharc Sanaire und hier, um ihn zu besuchen.«

»Das kann jeder sagen.«

Rhodan verdrehte die Augen. Der Fremde hatte natürlich recht – aber seine Antwort brachte sie auch keinen Schritt weiter.

»Bring uns zu Tharc und lass ihn meine Worte bestätigen«, schlug er vor.

Der Reiter lachte. »Das könnte dir gefallen! Dort draußen spielt die Galaxis verrückt, überall im Imperium toben Kämpfe – und dann kommt ein Raumschiff und bringt bewaffnete Fremde. Und ich soll sie zu unserem Herrscher bringen. Hältst du uns für so verrückt?«

Verrückt genug, um mit Macheten gegen Strahler kämpfen zu wollen, schoss es Rhodan durch den Kopf. Oder hatten die Glynkoniden noch ein Ass im Ärmel, von dem er nichts ahnte? Versteckte Schutzschirme oder Energiewaffen? Aber das passte nicht zu dem, was er über dieses Volk wusste.

Er nahm seinen Strahler mit zwei Fingerspitzen und warf ihn vor dem Wortführer der Reiter ihn den Wüstenstaub. Er brauchte ihn nicht. Sie hatten immer noch die SERUNS und Gucky.

Mit einer Kopfdrehung forderte er Gucky und Sahira auf, es ihm gleichzutun.

»Wir kommen in Frieden und hoffen auf Hilfe in der Not«, sagte Rhodan bestimmt. »Ich kenne die Glynkoniden als aufrechtes Volk, das keinen Bedürftigen abweist. Oder habt ihr euch von Tharc Aulaires Geboten abgewendet?«

Das hatte gesessen. Die Kiefer des Arkoniden begannen zu mahlen, als Rhodan sich auf stolzen Gründer ihrer Kolonie berief. Die Narbe auf seiner Wange zuckte dabei.

Er deutete mit dem Säbel auf einen Reiter aus seiner Gruppe. Es war der Jüngste und Schmalste von ihnen, sicher noch keine zwanzig Jahre alt. »Toracc«, sagte der Mann.

Der Junge – Toracc war wohl sein Name – ließ sich mit einer eleganten Bewegung aus dem Sattel seines Cavan rutschen, klaubte die drei Waffen auf und steckte sie in seinen Gürtel. Dann sprang er behände wieder auf sein Reittier.

Rhodan schmunzelte. Toracc, wenn er so hieß, hielt sich stolz, sein langes, helles Haar flatterte im Wind. In seiner Lederkluft mit den Waffen an seinem Gürtel auf dem Cavan sah er aus wie der Titelheld eines Westernromans. Eine erfrischende Abwechslung nach den Raumkämpfen der letzten Tage.

Er drehte sich wieder zurück zu dem immer noch namenlosen Anführer der Fremden. »Können wir jetzt los?«

Der schüttelte den Kopf. »Die Batterien.«

Rhodan ließ die Schultern sinken. So archaisch Glynth allgemein und die Reitertruppe vor ihnen im Speziellen wirkte – auf den Kopf gefallen war man hier nicht. Sie mochten vielleicht keine Ahnung haben, wer Perry Rhodan war. Aber dass ein Einsatzanzug mit Energiezelle eine Gefahr darstellte, wussten sie durchaus.

Seufzend befahl er der Positronik, die Kernzerfallsbatterie aus dem Rückentornister auszukoppeln. Die Bestätigung war das letzte Lebenszeichen seines Anzugs, bevor sämtliche Anzeigen im Display ausfielen. Von einem Moment zum anderen fielen auch die Kraftverstärker aus, und der SERUN hing schwer an seinen Gliedern. Der hochmoderne Schutzanzug hatte sich in achtzehn Kilogramm reinen Ballast verwandelt.

Er entnahm die Batterien aus Sahiras Anzug und aus Guckys Spezialanfertigung, die der Ilt von Ronald Tekener erhalten hatte, dann brachte er die drei Zylinder in Bleiwandung zu Toracc. Der Junge verstaute sie in einer Satteltasche.

Jetzt hatten sie keine Waffen mehr und auch keine SERUNS. Aber sie hatten immer noch Gucky. Bedroht fühlte Rhodan sich also immer noch nicht. Aber allmählich war er ziemlich gereizt.

»Können wir jetzt los?« Er gab sich keine Mühe, den grollenden Tonfall aus seiner Stimme zu verbannen.

Nun nickte der Fremde. »Wir bringen euch auf die Insel. Soll Draan Fessmor entscheiden, was aus euch wird.«

»Wir wollen zu ...«

»Tharc Sanaire«, unterbrach ihn der Fremde. »Ich weiß, ich bin nicht taub. Tharc ist gerade nicht auf der Insel des Unergründlichen Gottes. Draan ist sein Stellvertreter. Er kann entscheiden, ob wir uns den Aufwand machen, euch zu Tharc zu bringen.«

Rhodan schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Wenn sie den drohenden Krieg in Thantur-Lok verhindern wollten, mussten sie auf Iprasa das mysteriöse Portal entdecken, das sie zu dem noch mysteriöseren Wandelstern bringen sollte. Dort wollten sie herausfinden, was es mit den merkwürdigen dunklen Befehlen und dem dadurch verursachten scheinbaren Wahnsinn vieler ranghoher Arkoniden auf sich hatte.

Das alles würde ziemlich kompliziert werden, aber zumindest den Anfang hatte er sich einfach vorgestellt. Sich auf Glynth absetzen lassen, Tharc Sanaire um ein Schiff bitten, weiterfliegen – so hätte das laufen sollen.

Konnte Gucky sie einfach wegteleportieren?

Keine gute Idee. Die Glynkoniden standen ihnen jetzt schon misstrauisch gegenüber. Rhodan konnte es ihnen nicht verdenken. Würden Terraner anders reagieren?

Er malte sich einen Vergleich aus: Im Herzen der Liga Freier Terraner braute sich aus unbekanntem Grund ein Bürgerkrieg mit unklaren Fronten zusammen. Tausende oder Zehntausende waren bereits bei den unerklärlichen Angriffen gestorben. Und auf einmal erschien ein unangemeldetes Raumschiff am Stadtrand von Terrania, bewaffnete Außerirdische stiegen aus und verlangten, zu ihrem alten Freund Perry Rhodan gebracht zu werden.

Ganz sicher hätte das jedweden Polizeidienst in Terrania brennend interessiert. Und wenn diese Außerirdischen plötzlich wie durch Zauber verschwanden, würden mit Sicherheit alle Alarmglocken angehen.

Und hier auf Glynth würde nichts anderes geschehen.

Rhodan verfluchte seine Naivität. Mit mehr als dreitausend Jahren Lebenserfahrung hätte er wirklich schlauer sein müssen. Aber er hatte sich täuschen lassen. Glynth war bei seinen früheren Besuchen so friedlich gewesen, so weit ab von allen galaktischen Verwicklungen und Problemen. Zudem hätte seine Freundschaft mit Tharc hier als Freibrief funktionieren müssen.

Doch dieses Mal war alles anders. Die Glynkoniden hatten Angst, und wer Angst hatte, war unberechenbar und gefährlich – dabei war es völlig egal, welchem Volk er entstammte.

Auf einmal betrachtete Rhodan die Macheten mit größerer Sorge.

Natürlich würde ihnen nichts passieren. Wenn ein Glynkonide auf dumme Ideen kam, würde Gucky mit ihm Schlitten fahren. Aber dann wäre aus Misstrauen offene Feindschaft geworden, und sie brauchten die Hilfe dieser Leute, um Tharc Sanaire zu finden.

Die Temperatur lag bei knapp vierzig Grad Celsius. Hier in der Wüste war es staubtrocken, aber im Palmenwald herrschte ein schwüles Mikroklima – das wusste Rhodan aus Erfahrung. Der Unterwuchs hätte das Vorankommen selbst dann schwierig gemacht, wenn sie keine zwanzig Kilogramm tote Ausrüstung mit sich herumgeschleppt hätten.

Aber es half ja nichts. »Lasst uns aufbrechen«, sagte er resigniert.

 

*

 

Sie marschierten schweigend. Sprechen war nur eine sinnlose Anstrengung. Immer wieder wischte Rhodan sich den Schweiß von der Stirn und aus den Augenbrauen. Sahira schien die Mühe etwas besser wegzustecken.

Klar, sie ist ja auch deutlich jünger als ich, dachte er. Eine Fünfzehnjährige und ein Neununddreißigjähriger. Nur dass die Fünfzehnjährige zweihundertsechzehn Jahre alt ist, und der Neununddreißigjährige über dreitausend. Eine der vielen kleinen Absurditäten seines langen Lebens.

Er grinste bei dem Gedanken. Prompt blieb er in dem Moment der Ablenkung mit dem Fuß in einer fast unsichtbaren Wurzel hängen und konnte im letzten Moment den Sturz verhindern.

Ein Cavan kam neben ihm zu stehen. Der Reiter reichte ihm einen Trinkschlauch herab. Rhodan wischte sich einmal mehr den Schweiß aus den Augen und sah zu seinem Wohltäter hoch. Es war der junge Toracc. Der Glynkonide legte den Finger an die Lippen. Dabei nickte er kurz in Richtung des narbengesichtigen Anführers an der Spitze ihres Zuges – Mutcu, wie sie inzwischen herausgefunden hatten.

Rhodan trank gierig. Das Wasser schmeckte brackig, aber das war ihm egal. Die Flüssigkeit rann ihm übers Kinn.

Toracc grinste.

Rhodan fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und gab den Lederbeutel zurück. Sein Wohltäter trabte auf seinem Cavan wieder an seine Stelle in der Formation, als sei nichts geschehen.

»Alles in Ordnung, Großer?« Gucky hielt neben ihm an und sah zu ihm hoch. Der Mausbiber sah gut gelaunt aus und strahlte wie frisch nach der Fellpflege.

Rhodan hatte den Verdacht, dass Gucky sich den Geländemarsch mit seinen telekinetischen Gaben erleichterte. Aber warum auch nicht, solange die Glynkoniden nichts von dieser geheimen Trumpfkarte mitbekamen?

»Alles in Ordnung«, bestätigte Rhodan. »Wir müssten auch gleich da sein. So groß sind die Inseln nicht.«

Tatsächlich dauerte es nur noch wenige Minuten, bis sie den Stadtrand erreichten. Von einem Augenblick auf den anderen standen sie auf einer gewaltigen Lichtung. Die Stadt darauf war nicht besonders groß, jedenfalls nicht an terranischen Maßstäben gemessen. Hier mochten vielleicht einhunderttausend Glynkoniden leben.

Die Gebäude bestanden teils aus Stein, teils aus Holz. Viele hatten einen rechteckigen Grundriss, wie er eigentlich auf der Erde üblich war, aber nicht im arkonidischen Imperium. Nur wenige waren zylindrisch, aber auch sie unterschieden sich vom arkonidischen Standard: Es fehlten ihnen die auskragenden Kegel am oberen Ende. Es waren pragmatische Bauten mit einer simplen Statik. Nichts, was Antigravprojektoren benötigte, damit es nicht unter dem eigenen Gewicht zusammenbrach.

Der Reiterzug führte sie ins Zentrum der Stadt. Die Glynkoniden betrachteten sie misstrauisch, teils sogar feindselig. Irgendetwas war hier geschehen seit seinem letzten Besuch, und nichts Gutes.

Oder hatte er sich schon immer in den Glynkoniden getäuscht? Die meiste Zeit war er auf der Insel des Träumenden Gottes gewesen – einem Touristengebiet für arkonidische Adlige, die eine Weile ohne allgegenwärtige Hologramme, Positroniken und Roboter auskommen wollten. Manche von ihnen suchten den Reiz einer Okpara-Jagd mit einfachen, mechanischen Waffen.