WENIGER LAUFEN, SCHNELLER SCHLANK!

Endlich bewiesen: Wir erreichen oft mehr, wenn wir uns locker machen. Neue Studien, Lauftypen-Test, Pläne

Pro Tag 600 Kalorien mit Laufen oder einem anderen Ausdauertraining verbrennen. Dreizehn Wochen lang. Jasper Poulsen (36) war glücklich, an einer Studie der Universität von Kopenhagen teilnehmen zu dürfen. Und damit endlich einen Anlass zu haben, ein paar Kilos runterzuschwitzen. Er legte motiviert los – und wurde genauso schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: „Zu Beginn habe ich mich unglaublich gut gefühlt und viel Energie gehabt. Aber nach und nach machte mich das Training immer müder. Ich hatte auch immer weniger Spaß. Der Crosstrainer zum Beispiel war zwei Wochen lang großartig. Danach habe ich ihn gehasst“, sagt Poulsen im Rückblick.
Abgenommen hat Jasper Poulsen trotzdem – immerhin gut zwei Kilo. Aber wiederholen würde er das Programm so nicht. Vor allem der Blick auf die zweite Probandengruppe der Studie hat ihm die Augen geöffnet: Dort liefen und trainierten die ambitionierten Versuchskaninchen nämlich nur so lange, bis sie 300 Kalorien verbraucht hatten. Dazu reichte eine halbe Stunde. Kein Wunder, dass die Teilnehmer dieser Gruppe besser drauf waren. Viel erstaun­licher allerdings:
Sie nahmen im Durchschnitt auch noch mehr ab!
Als wir von der Studie hörten, staunten wir: Ist es tatsächlich möglich? Weniger trainieren und trotzdem schneller schlank? Wir haben die Erkenntnisse der Studie aus Kopenhagen analysiert – und glauben, dass mehr in ihnen steckt, als die nackten Zahlen verraten. Viel mehr sogar: Sie könnten ein Umdenken in unserem Verständnis vom Laufen bewirken.
Aber lassen wir uns erst einmal auf die Details gucken. Die Universität Kopenhagen teilte 61 gesunde, leicht übergewichtige Männer in drei Gruppen auf. Die Probanden der ersten Gruppe liefen oder trainierten täglich so lange eine andere Ausdauersportart – entweder draußen oder auf Laufband und Ergometer im Fitnessstudio –, bis sie 300 Kalorien verbrannt hatten (durchschnittlich dauerte das 30 Minuten), die Teilnehmer der zweiten Gruppe trainierten, bis sie 600 Kalorien verbraucht hatten (im Schnitt 60 Minuten). Die dritte Gruppe diente als Kontrollgruppe und trainierte gar nicht. Dreizehn Wochen lang wurden täglich die wichtigsten biologischen Leistungsparameter und das Gewicht der Probanden gecheckt. Mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass sich Pulswerte, Sauerstoffaufnahmefähigkeit und so weiter bei den beiden Trainingsgruppen in ähnlicher Form verbessert hatten. Zur großen Überraschung hatte aber die 300-Kalorien-Gruppe mit durchschnittlich 3,6 Kilo mehr abgenommen als die 600-Kalorien-Gruppe (2,7 Kilo). Die Wissenschaftler um Studienleiterin Prof. Bente Merete Stallknecht erfassten aber über einen sogenannten Activity-Tracker außerdem die Alltagsaktivität der Probanden – und konnten so eine hoch­interessante Erklärung für das erstaunliche Ergebnis liefern: Die Testpersonen, die weniger liefen, waren im Alltag aktiver und machten die beim Training weniger verbrannten Kalorien mehr als wett. In persönlichen Interviews lüftete sich das Mysterium noch mehr: Die Probanden, die weniger trainierten, gaben an, mit mehr Ener­gie durch den Tag zu gehen und Laufen & Co. gut in den Alltag integrieren zu können. Diejenigen, die mehr trainierten, berichteten hingegen eher von weniger Energie, Müdigkeit und Problemen beim Zeitmanagement. Nun ließe sich natürlich einfach entgegnen, dass bei intensivem, langem und täglichem Laufen einfach die Ruhephasen fehlen (und das stimmt auch!), aber die Studie öffnet vor allem den Blick auf zwei sehr wichtige Aspekte, die vor lauter Trainingswissenschaft bei vielen Läufern zu kurz kommen – insbesondere wenn sie mit dem Ziel joggen, zukünftig ein paar Kilogramm weniger auf die Waage zu bringen. Erstens: Bei einem 24-Stunden-Tag spielt nicht nur die Dauer des Trainings eine Rolle. Zweitens: Die psychologisch-emotionale Wirkung des Lauftrainings hat einen großen Einfluss auf dessen Erfolg.

DIE ALLGEMEINE UND FÜR JEDEN GÜLTIGE SCHLANKFORMEL IST EIGENTLICH EINFACH:

Verbrauchen wir im Alltag und beim Laufen insgesamt mehr Kalorien, als wir über die Nahrung aufnehmen, werden wir leichter. Wollen wir das, können wir also an zwei Schrauben drehen: Entweder nehmen wir weniger Kalorien auf oder wir verbrauchen beim Laufen mehr Kalorien. Das Problem: In der Regel setzen wir Laufen gedanklich mit intensivem Training gleich. Dass ein aktiver Lebensstil in Summe deutlich mehr Kalorien verbrennen kann als das sportliche Workout, ist uns oft nicht bewusst. Nehmen wir einmal an, dass wir 16 Stunden am Tag wach sind. Nutzen wir dann eine von diesen 16 Stunden, um zu trainieren, sind das gerade einmal 6 Prozent unserer „Wachzeit“. Machen wir uns in dieser Zeit so platt oder vermiesen wir uns so die Stimmung, dass wir die restlichen 94 Prozent des Tages durchhängen, handeln wir nicht sonderlich weitsichtig. Laufen wir jedoch nur 30 Minuten am Tag (3 Prozent unserer Wachzeit) und gewinnen dadurch Power für die restlichen 97 Prozent des Tages, kann unsere Tageskalorienbilanz deutlich günstiger ausfallen.
Ein aktiver, gesunder und energievoller Lebensstil kann also wichtiger sein als eine nach sportwissenschaftlichen Kriterien vermeintlich optimal gestaltete Laufeinheit. Dass regelmäßige Bewegung in Form von spielerischen Trainingseinheiten einen solchen Lebensstil begünstigt, steht außer Frage (auch die 300-Kalorien-Probanden aus der Kopenhagener Studie gaben ja an, mehr Energie für den Alltag zu haben). Die große Kunst ist es allerdings, die individuell richtige Belastung für jeden Lauf zu finden. Und da legt die Untersuchung nahe: Lauf regelmäßig, um dir deinen Energiekick zu holen – aber lauf im Zweifel lieber weniger als mehr.
Oder, und das ist die zweite wichtige Erkenntnis: Lauf anders. Laufen darf sich gut anfühlen und Spaß machen! Jeder Sport darf uns in eine gute Stimmung versetzen – und das nicht erst, wenn wir nach dem Lauf zufrieden unter der Dusche stehen, sondern bereits während wir trainieren. Dass Jasper Poulsen nach zwei Wochen keine Lust mehr hatte, auf den Crosstrainer zu steigen (es aber trotzdem tat), hat offenbar auch seine Wirkung auf das Trainingsergebnis gehabt.


(siehe Seite 16)