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Rike Thome

Die Macht der Gefühle


Für das tolle Cover ein Danke an elyn


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Das Aus

 

Kaum, dass Michelle zur Tür hereinkam, flog diese mit einem ordentlichen Knall hinter ihr zu. Sie erschrak so sehr, dass sie aufschrie und schnell zur Seite sprang. Da erst sah sie ihren Ehemann, der an der geschlossenen Tür lehnte und sie wütend anstarrte. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was sie nun wieder falsch gemacht haben sollte.

 

Auf eine Antwort musste sie heute nicht lange warten, denn blitzschnell packte er sie bei den Handgelenken, drückte schmerzhaft zu und keifte sie an: "Du bist so ein Miststück! Na, ich bin mal gespannt, welches Ammenmärchen Du mir dieses Mal auftischst."

Michelle schrie vor Schmerz auf, bat ihn, sie loszulassen und wollte sich ihm entziehen, was ihr nicht gelang. Nicht dieses Mal!

 

Wie ein Pitbull hielt er sie fest umklammert, gab ihr eine Ohrfeige und zerrte sie hinter sich her. Sie hatte keine Chance, konnte sich trotz Widerstand nicht aus seinen Klauen befreien, um eiligst in ihr Zimmer flüchten zu können und sich dort vor ihm einzusperren.

Ihr Ehemann wurde immer boshafter, gemeiner und wie es nun aussah, auch noch gewalttätig. Ernsthaft bangte sie mittlerweile um ihr Leben.

 

Mit ihm in ihrem Schlafzimmer angekommen, warf er sie unsanft aufs Bett, ging an ihre Kommode und brachte eine Schachtel Tabletten, die sie dort seinetwegen seit einiger Zeit versteckt gehalten hatte, hervor. Mit dieser kam er zu ihr zurück, drückte sie ihr auf die Nase und keifte: "So viel dazu, es klappt nicht mit der Schwangerschaft! Wie auch, wenn Du dummes Miststück hinter meinem Rücken die Pille nimmst! Es war alles doch nur eine Hinhaltetaktik von Dir gewesen, weil Du es gar nicht willst und …"

"Nein, das ist nicht wahr! Hast Du denn nicht gelesen, wofür die sind? Bitte lass mich los, Du tust mir weh", schrie sie dazwischen, schluchzte auf und weinte vor Angst.

 

Sie hatte keine Ahnung, was ihren Mann dieses Mal so wütend auf sie machte. Wenn er das Beiblatt gelesen hätte, wüsste er, dass es sich hierbei um ein Antidepressivum handelte, dass sie seit einigen Monaten, gerade wegen ihm einnahm. Sein Verhalten ihr gegenüber wurde in letzter Zeit so schlimm, dass sie mit ihren Nerven am Ende war. Seine ständigen Vorwürfe, die Titulierungen, die er ihr an den Kopf warf und sein Handeln, machten sie Zunehmens kaputt.

 

Schon fing sie sich die nächste Ohrfeige ein. Michelle wehrte sich und versuchte, ihn von sich runter zu bekommen, da er ihr mit seinem Gewicht fast die Luft zum Atmen nahm, als er sich auf ihren Bauch gesetzt und dabei noch hämisch gegrinst hatte.

 

"Ich habe es nicht nötig, etwas zu lesen, was ich eh schon weiß. Dieses Mal bist Du zu weit gegangen! Ich werde Dich den nötigen Respekt wohl wieder lehren müssen, was? Und damit Du es weißt, nicht mehr wirst Du außer Haus arbeiten, bis Du schwanger bist, mein Fräulein!"

Augenblicklich begann er, sie unter starker Gegenwehr zu entkleiden. Michelle hatte gegen ihn keine Chance, er war viel zu stark. Er band ihre Handgelenke mit ihrem Shirt am Bettgestell fest, spuckte ihr voller Verachtung ins Gesicht und riss ihr den Slip vom Leib.

 

Sie musste nun nicht nur die Vergewaltigung ihres Mannes über sich ergehen lassen, sondern die volle Ladung seiner Demütigungen, das zu feste Zupacken und die Kratzspuren. Da half auch ihr Weinen nichts, er ließ sich durch nichts erweichen.

Hinterher lag sie, die Augen vor der Außenwelt fest verschlossen, wie betäubt auf ihrem Bett und wollte nur noch sterben. Ihre Angst hatte seinen Höhepunkt erreicht, nachdem er ihr versichert hatte, sich auf diese Weise die nächste Zeit den Sex zu nehmen. Noch nicht einmal an ihre dringend benötigten Tabletten kam sie heran, die hatte er ihr weggenommen und vor ihren Augen zertreten.

 

Michelle traute sich nicht, Hilfe zu rufen oder sich einem Menschen anzuvertrauen. Nicht einmal ihrer einzigen Freundin Vera, mit der sie ab und an telefonierte. Ihren Mann hatte Vera von Anfang an nicht gemocht, weswegen sie sich vom Haus fernhielt. Und sie? Sie hatte nicht einmal etwas dagegen gehabt, weil sie keinen Streit mit ihm bekommen wollte. Nun aber wäre sie so froh gewesen, ihre Freundin an ihrer Seite zu haben, die ihr helfen könnte, den Mut aufzubringen und mit ihr zusammen diesem Wahnsinn zu entkommen.

 

So kam es, dass sie sich viele Monate so einiges von ihrem Mann hatte gefallen lassen müssen. Und warum das alles? Weil sie sich längst aufgegeben hatte! Die Angst, er könne ihr ernsthaft etwas antun, sie sogar vielleicht töten, ließ Michelle regelrecht in ihrem Handeln erstarren.

Stattdessen wischte sie jeden Tag, wenn er zur Arbeit ging, im ganzen Haus Staub, reinigte das Bad, putzte die Böden und sorgte dafür, dass stets seine Hemden ordentlich gebügelt im Schrank hingen. Sie kochte sogar jeden Tag ganz frisch für ihn, nur damit er zufrieden war und sie nicht wieder schlug, anstatt den Türgriff in die Hand zu nehmen und zur nächsten Polizeidienststelle zu laufen.

 

Sogar ihre Putzstelle hatte sie gleich am nächsten Tag seines Vergehens an ihr, aus Angst gekündigt. Nur noch zum Einkaufen verlies sie das Haus. Michelle hasste sich dafür und ekelte sich vor sich selbst. Wie konnte man sich nur so sehr vor dem eigenen Ehemann fürchten!

Dennoch brachte sie nicht die Kraft dafür auf, obwohl er sogar am Abend von ihr verlangte, vor dem Zubettgehen zu duschen, bevor er sich an ihr verging. Aus Angst spielte sie ihm dann jedes Mal ihren Höhepunkt vor, denn dies war nicht mehr der Sex, nachdem sich eine Frau sehnen konnte. Erzwungen und ohne Leidenschaft, lieblos und kalt war es!

 

Längst fühlte sie nichts mehr, sie war tot, innerlich wie auch äußerlich!

 

Aber das Internet war ihr geblieben! Der einzige Weg zur Außenwelt. Vor etwas mehr als einem Jahr, es war eher durch einen dummen Zufall passiert, als sie mal wieder nach neuen Rezepten suchte, weil ihr Mann ständig etwas am Essen auszusetzen hatte, war sie auf dieses Chatprogramm gestoßen. Aus ihrer Verzweiflung heraus, las sie die dort angezeigten Inserate und schrieb selbst 'Sie sucht ihn für wahre Freundschaft'.

Michelle war es einfach danach, sich mit jemandem austauschen zu können. Dort hatte sie Richard kennengelernt und sich gleich mit ihm verbunden gefühlt. Auch seine Ehe verlief nicht so, wie es eigentlich sein sollte.

Was würde Richard ihr nun raten? Würde er ihr zur Hilfe eilen, wie ein Ritter zu hohem Ross und für sie die Polizei verständigen?

Sie wollte es lieber nicht wissen. Warum auch? Niemals würde er das alles erfahren, zu sehr fürchtete sie sich vor den Auswirkungen.