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1.

Hinter dem Seewolf und seinen Männern schien die Hölle losgebrochen zu sein. Der Donner der Explosion, der die spanische Kriegsgaleone zerrissen hatte, dröhnte ihnen immer noch in den Ohren. Blutroter Feuerschein zuckte über den Blackwater. Er ließ den weißen Kopfverband Kapitän Drakes von Zeit zu Zeit gespenstisch aufleuchten und vermischte sich mit dem kalten Licht des Vollmondes, der hoch über ihnen am sternklaren Himmel stand.

Auf das Wasser des Blackwaters und den Uferstreifen regneten und prasselten die Trümmer der gesprengten Galeone. Unwillkürlich zogen die Männer ihre Köpfe tiefer zwischen die Schultern, als eine Spiere der Galeone nur wenige Schritte vor ihnen ins Gebüsch krachte. Und dann schrie Ferris Tukker, der riesige Schiffszimmermann der „Isabella“, plötzlich auf. Er warf die Arme hoch und stürzte kopfüber in den Sand.

Wie der Blitz war der Seewolf heran. Er packte den Hünen und drehte ihn auf den Rücken.

„He, Ferris, was ist ...“ In diesem Moment sah er die Latte, die Ferris Tucker ins Kreuz gekriegt und die ihn von den Füßen geholt hatte. Immerhin war sie an dem breiten Rücken des Schiffszimmermanns zersplittert.

Der rothaarige Hüne stöhnte, aber Sekunden später schüttelte er seine Benommenheit ab. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich den Rücken, und Hasard erklärte ihm, was geschehen war.

„Eine Latte, sagst du?“ fragte Ferris Tucker wütend. „Nur eine lausige Latte? Ho, Hasard, die Dons müssen dem alten Tucker schon den ganzen Großmast ins Kreuz jagen, wenn sie ihn zur Hölle schicken wollen. Mit so einem Stückchen Holz klappt das nicht!“

Er sprang auf und schwang sein Entermesser. Die Männer grinsten. Tucker war ein Kerl nach ihrem Geschmack. Ein Kämpfer, der nicht nur ungeheure körperliche Kräfte besaß, sondern auch in kritischen Situationen immer einen Rat, einen Trick wußte, der ihnen mit der „Isabella“ wieder aus der Klemme half.

Hinter ihnen ragte das lichterloh brennende Vorderkastell der spanischen Kriegsgaleone aus dem Blackwater, die Ferris Tucker gesprengt hatte, nachdem sie das Boot zu Wasser gebracht und zuvor die Spanier von Bord gejagt hatten. Deutlich war das Prasseln der Flammen zu hören.

Der spanische Captain stand auf dem Hügel über dem Fluß und knirschte vor Zorn mit den Zähnen.

„Bei allen Teufeln der Hölle!“ stieß er hervor und stierte auf die lodernden Flammen, die das Vorderkastell seiner Kriegsgaleone umtanzten. „Wir haben uns von ein paar Engländern übertölpeln lassen, diese Hunde haben unser Schiff zerstört, den Gefangenen befreit und uns ins Wasser gejagt!“

Das Wasser tropfte und rann aus seiner Kleidung und bildete zu seinen Füßen eine Lache. Mehr und mehr seiner Leute versammelten sich um ihn – in ihren Händen blitzten Messer und Enterbeile. Keiner besaß eine Feuerwaffe – alles hatten sie bei ihrer Flucht zurücklassen müssen.

Der spanische Captain blickte zum Ufer hinunter. Trotz der Nacht sah er, wie Hasard Killigrew und seine Männer an Land sprangen, wie ihre Waffen im Mondlicht blitzten.

Der Captain spürte, wie grenzenlose Wut von ihm Besitz ergriff. Rasch blickte er sich um. Zwanzig oder mehr Männer befanden sich bereits bei ihm, immer weitere stießen zu ihm. Seine Rechte umklammerte den Degen, den einer seiner Leute mit an Land gerettet und ihm überreicht hatte. Er stieß die Waffe hoch.

„Mir nach, Männer!“ brüllte er. „Wir rechnen jetzt mit diesen Kerlen ab, wir schicken sie zur Hölle!“

Ein vielstimmiges Gebrüll antwortete ihm, dann stürmten die Männer hinter dem Captain her, der bereits mit dem Degen in der Faust die Anhöhe hinunterraste – nur von dem einen Wunsch beseelt, sich für die erlittene Schmach zu rächen. Und flüchtig erschien das Bild jenes großen schwarzhaarigen Mannes vor seinen Augen, der ihn in seiner Kammer überrascht und dann im Waffenduell bezwungen hatte.

Überall hinter ihm brachen seine Männer durch das Gebüsch der Anhöhe und brüllten dabei wie eine Horde losgelassener Teufel. Und dann prallten sie auf den Seewolf und seine Männer.

Hasard hatte die Gefahr sofort erkannt. Seine scharfen Augen erfaßten die Spanier, die seiner kleinen Gruppe mit geschwungenen Waffen entgegenstürzten. Flüchtig schätzte er ihre Zahl – zwanzig oder dreißig Mann mit Sicherheit. Er machte sich nichts vor – die Lage wurde damit brenzlig für ihn und Drake – zumal er sich ausrechnen konnte, daß bestimmt noch weitere Spanier auftauchen würden.

Ein kurzer Blick auf seine Männer zeigte ihm, daß auch sie die Gefahr richtig einschätzten und sich dicht um ihn und Kapitän Drake geschart hatten.

Zu weiteren Überlegungen kam Hasard nicht – denn der spanische Captain drang auf ihn ein. Deutlich sah Hasard das Weiße in seinen Augen, die verzerrten Züge, die blitzende Klinge des florettartigen Degens.

Er riß sein Entermesser hoch und parierte den ersten, mit großer Wucht geführten Stoß. Neben ihm kreuzte schon Kapitän Drake mit einem anderen Spanier die Klinge. Irgendwo brüllte Matt Davies und schlug seinem Gegner seine Hakenprothese in die Seite – eine wahrhaft fürchterliche Waffe im Nahkampf.

Der spanische Captain parierte Hasards Hieb ebenfalls – und er tat es verdammt geschickt. Hasard wußte, daß er einem hervorragenden Fechter gegenüberstand, einem Meister des Degens.

Ein neuer, wütender Ausfall des Spaniers – und Hasard hatte Mühe, wiederum mit seinem breiten, aber viel kürzerem Entermesser zu parieren. Als der Captain abermals zustieß, warf Hasard sich zur Seite, rollte sich ab und stand gleich darauf wieder auf den Füßen. Mit einem wilden Schrei warf er sich auf den Spanier. Das Entermesser blitzte im Mondlicht. Als es auf die Klinge des Degens prallte, stoben die Funken. Der Captain taumelte unter der Wucht des Schlages zurück. Seine Füße verfingen sich im Wurzelwerk eines Busches und er ging zu Boden.

Hasard schnellte auf ihn zu – er mußte diesen Kerl in seine Gewalt bringen, dann, und nur dann, hatten sie eine gute Chance, die Spanier zur Aufgabe zu zwingen und über die Anhöhe zur anderen Seite der Bucht zu gelangen.

Aber Hasard kam nicht dazu. Ein Hieb traf ihn in den Rükken und fegte ihn zur Seite. Gleichzeitig drangen drei Spanier auf ihn ein. Steine flogen durch die Luft, einer von ihnen traf Hasard an der Schulter, daß er glaubte, sie sei zerschmettert.

Für einen winzigen Moment tanzten bunte Ringe vor den Augen des Seewolfs, und nur wie in Trance parierte er verzweifelt die auf ihn niederprasselnden Hiebe. Um ihn herum schien die Hölle los zu sein, spanische Flüche erschollen, beantwortet von den rauhen Stimmen seiner eigenen Männer. Einmal vernahm er das Gebrüll von Ferris Tucker, und aus den Augenwinkeln registrierte Hasard, wie der rothaarige Hüne sein Entermesser zu einem fürchterlichen Hieb emporschwang und einem seiner Gegner mit einem Schlag den Schädel spaltete.

Irgendwo sah er auch Pete Ballie, der zwei der Spanier mit bloßen Fäusten vor sich her trieb, daneben Stenmark, der mit einer langen Eisenstange unter seinen Gegnern wütete. Wahrscheinlich hatte er sie einem der spanischen Soldaten abgenommen – und bei diesem Gedanken erschrak der Seewolf, obwohl er alle Hände voll damit zu tun hatte, die immer heftiger und konzentrierter auf ihn eindringenden Männer von sich abzuwehren.

Keiner der Seesoldaten konnte eine solche Eisenstange vom Schiff mit an Land gebracht haben – also mußte es hier auch noch andere Spanier geben, die die Angreifer jetzt verstärkten.

Mit ein paar wilden Schlägen verschaffte sich der Seewolf für einen Moment Luft. Er sah, wie einer seiner Gegner blutüberströmt zu Boden sank.

„Zum Boot, Männer! Zurück zum Boot!“ schrie er in das Gewirr der Kämpfenden. Suchend blickte er sich nach Francis Drake um – und erkannte ihn an seinem weißen Kopfverband, der im Mondlicht leuchtete.

Gary Andrews, der ganz in der Nähe von Drake kämpfte, rief ihm etwas zu, aber Hasard verstand ihn nicht. Irgendwo tauchte für Sekunden Batuti im Gewühl der Kämpfenden auf – er schleuderte einen Spanier wie eine Puppe zwischen seine Landsleute und warf sich mit erhobenem Entermesser auf das am Boden liegende Knäuel von Männern. An den schrillen Todesschreien, die die Spanier ausstießen, merkte Hasard, daß der herkulische Schwarze ganze Arbeit leistete.

Ferris Tucker tauchte neben Hasard auf, ihm folgten Francis Drake, Stenmark, Matt Davies, Gary Andrews und etwas später auch Pete Ballie, der über das blutverschmierte Gesicht grinste. Dieser Kampf war eine Aktion nach seinem Geschmack.

Aber immer mehr Spanier stürmten auf Hasard und sein Häuflein los und drängten den Seewolf und seine Männer die Böschung hinunter. Den spanischen Captain hatte Hasard aus den Augen verloren, er steckte irgendwo im Gewühl.

„Wir müssen zum Boot“, stieß Hasard nochmals hervor. „Wir schaffen den Durchbruch nicht, die Spanier sind in der Übermacht!“

Drake nickte und stieß einem Spanier den Degen in die Brust, während Ferris Tucker einen weiteren Gegner mit dem Entermesser umsäbelte.

Der spanische Captain, der bei seinem Sturz mit dem Schädel hart auf einen Stein geprallt war und erst in diesem Moment das Bewußtsein wiedererlangte, erkannte die Absicht des Seewolfs.

Stöhnend torkelte er vorwärts, zwei seiner Soldaten, unter ihnen sein Steuermann, stützten ihn.

„Sie wollen zum Boot, wir müssen ihnen den Weg abschneiden! Oh – diese englischen Bastarde kämpfen wie die Teufel. Los, beeilt euch! Nehmt jeden Mann, den ihr kriegen könnt, nehmt ihnen das Boot weg oder vernichtet es, dann haben wir sie in der Falle, und keiner von ihnen wird entwischen.

Der Steuermann ließ den Captain los. Gleich darauf rief er ein paar Soldaten, die eben an ihnen vorbeieilten, ein paar Befehle zu. Die Soldaten stoppten. Zwei von ihnen wollten den Captain weiter stützen, als der Steuermann nach ein paar hastigen Anweisungen mit den anderen loslief – aber der Captain winkte ab.

„Es geht schon“, sagte er schwach, packte seinen Degen fester und stürmte die Böschung hinunter.

Die Spanier erreichten das Wasser fast gleichzeitig mit Hasard und seinen Männern. Sofort griffen sie an und versuchten die Engländer vom Boot wegzudrängen. Ein erbittertes Ringen begann. Immer mehr Spanier quollen die Uferböschung hinunter und drängten das Häuflein der Engländer weiter und weiter ins Wasser.

Francis Drake und der Seewolf kämpften bis zur Hälfte im Wasser stehend Seite an Seite. Und nun zeigte sich, warum die Spanier Drake auch „El Draque“ nannten – den Drachen.

Drake kämpfte wie ein Berserker – immer wieder zischte die florettartige Klinge seines Degens vor und traf ihr Ziel. Das Wasser um Hasard und Drake färbte sich rot. Unweit von ihnen wüteten Ferris Tucker und Matt Davies. Für einen Moment sah es so aus, als wollten sich die entnervten Spanier, die solche hartnäckigen Kämpfer noch nie erlebt hatten, zurückziehen, aber dann drangen andere vor und füllten die entstandenen Lücken.

Trotz aller Erfolge wurden Hasard und die Seinen weiter und weiter vom rettenden Boot abgedrängt. Ihre Lage wurde von Minute zu Minute bedrohlicher.

Verzweifelt verwünschte Hasard den Einfall, am Ufer zu landen, statt um die Landzunge herumzurudern und so verhältnismäßig unangefochten auf die andere Seite der Landzunge zu gelangen. Aber zu ändern war das nicht mehr.

2.

Edwin Carberry schob sein Rammkinn vor. In seinem zernarbten Gesicht zuckte es.

„Hoool weg!“ dröhnte seine gewaltige Stimme über die Männer im Beiboot, dabei schlug der Profos und derzeitige Kapitän der „Marygold“ den Takt mit dem Pistolenkolben gegen die Bordwand.

Auf den Gesichtern der Bootsgasten perlte der Schweiß in dicken Tropfen, denn sie pullten gegen den Strom. Ihre Körper schwangen im Takt der Kommandos vor und zurück. Aber Carberry ging das alles noch viel zu langsam.

Wieder und wieder drosch er mit dem Pistolenkolben gegen die Bordwand, wieder und wieder erscholl sein: „Hool weg!“ Carberry hatte den ungeheuren Krach, mit dem die spanische Kriegsgaleone in die Luft geflogen war, vernommen. Er hatte die gewaltige Stichflamme gesehen, die über dem Blackwater emporschoß, und er hatte nur wenig später das Waffenklirren und die Schreie der kämpfenden Männer gehört. Er wußte, was sich drüben auf der Halbinsel abspielte, wo Hasard Killigrew und seine Männer um ihr Leben kämpften, Mann gegen Mann.

Noch immer zuckte der Flammenschein über den Blackwater und brannte das Vorderkastell der gesprengten Galeone. Das silberne Licht des Vollmondes zog eine glitzernde Bahn über das Wasser.

Carberry feuerte seine sechs Männer auf den Duchten unablässig an – und sie gaben ihr Bestes. Aber das war dem Narbengesicht mit dem Rammkinn noch nicht genug, denn jede Minute zählte und konnte über Leben oder Tod entscheiden.

Einer der Bootsgasten rutschte mit den Füßen aus, sein Riemen pfiff durch die Luft und krachte gegen den des Mannes vor ihm. Und im Nu war der Teufel los, denn auch die anderen Männer gerieten nun aus dem Takt.

Carberry sprang auf. In seinen Augen funkelte die Wut. Mit einem Griff packte er den Unglücksvogel und stauchte ihn auf die Ducht, daß das ganze Boot in seinen Verbänden ächzte.

„He, du elender Drecksaffe!“ brüllte er. „Dir sollte man die Haut abziehen. Zum Donnerwetter, wollt ihr wohl pullen, ihr lahmärschige Teufelsbrut? Da drüben kämpfen unsere Leute um ihr Leben, und ihr tut so, als wollten wir hier auf den Jüngsten Tag warten!“

Carberry ließ sich auf die Achterducht fallen, und dann dröhnten seine Kommandos wieder durch die Nacht.

„Wer jetzt noch mal Mist baut, den ersäufe ich persönlich wie eine Ratte!“ brüllte er zwischendurch, und die sechs Männer legten sich ins Zeug, daß sich die Riemen bogen.

„Klotzt ran, Männer, damit wir den verdammten Dons noch rechtzeitig zeigen können, daß wir sie mit unseren Daumen zerquetschen wie die Kakerlaken. Für jeden, der sich ins Zeug legt, eine Flasche Rum. Und jedem, der jetzt nicht spurt, dem ziehe ich persönlich die Haut von seinem Affenarsch ab!“

Die Männer brüllten vor Begeisterung. Bei jedem Schlag der Ruder hob sich der Bug des Bootes hoch aus dem Wasser.

Aber auch auf der „Isabella“ und der „Marygold“ hatte man bemerkt, daß auf der anderen Seite der Bucht der Teufel los war.

Ben Brighton, der Bootsmann der „Isabella“, war nicht der Typ, der lange zögerte, wenn es zu handeln galt.

„Dan, Smoky – holt das Boot, das drüben am Ufer liegt“, befahl er. „Wir setzen Soldaten über, Hasard braucht Hilfe.“

Wieder horchte er auf den mehr und mehr anschwellenden Kampfeslärm, der über die Anhöhe zu ihnen drang.

Dan O’Flynns Augen begannen vor Begeisterung zu glühen. Er schwang sich auf das Schanzkleid, und gleich darauf klatschte sein Körper ins Wasser.

„He, Ben!“ Smoky, der ebenfalls schon auf dem Schanzkleid stand, warf sein Baumwollhemd an Deck, drehte sich dabei aber nochmals zu Brighton um.

Der Bootsmann starrte ihn an.

„Was ist, verdammt noch mal, auf was wartest du denn noch, Smoky?“ fauchte er den Decksältesten der „Isabella“ an.

„Ben, die ‚Marygold‘ hat noch ein Boot. Captain Norris kann mit seinen Soldaten schneller drüben sein als wir. Hasard steckt bestimmt ganz schön im Dreck. Die Dons sind sicherlich von Bord gesprungen, bevor die Galeone in die Luft geblasen wurde, und jetzt hat er sie am Hals. Wir müssen von der anderen Seite über sie herfallen. Captain Norris soll sich beeilen!“

Captain „Black“ John Norris hatte alles gehört. Und natürlich hatte er auch den Kampfeslärm gehört, der bis zu den beiden auf Rufweite nebeneinander ankernden Galeonen drang.

„Bemühen Sie sich nicht, Brighton, meine Leute lassen gerade das Boot zu Wasser. Aber mehr als acht Mann faßt es nicht. Ich habe die Kerls bis an die Zähne bewaffnet, wir werden den verdammten Dons auf die Hühneraugen steigen.“

Seine schlanke Gestalt zeichnete sich nur schwach im Mondlicht ab – aber Ben Brighton kannte Captain John Norris als harten, unerschrockenen Kämpfer. Der Captain war ein hervorragender Soldat, traf seine Entscheidungen blitzschnell – und war kein Schinder wie der verdammte Isaac Henry Burton, der seine Truppe in einen sinnlosen Tod gehetzt hatte.

„Viel Glück, Sir!“ rief er hinüber. „Grüßen Sie Hasard von mir. Ich werde Ihnen so schnell wie möglich Verstärkung schicken.“

Smoky war bereits verschwunden – und Ben Brighton ging daran, auf der „Isabella“ ebenfalls ein Kommando kampferprobter Männer zusammenzustellen. Es konnte nicht lange dauern, dann würden Dan und Smoky das Beiboot der „Isabella“, mit dem Hasard und seine Männer ans Ufer gerudert waren, bringen.

Das Boot mit Carberry und seinen sechs Männern knirschte, als es sich auf das Ufer schob. Carberry und die anderen sprangen an Land. Der Profos der „Marygold“ war verstummt. Und genauso hatte er seine Männer instruiert – sie mußten den Feind überraschen, über ihn herfallen und ihn demoralisieren.

„Alles fertig?“ fragte Carberry leise, und keiner der sechs Männer hätte es je für möglich gehalten, daß Carberry so leise sprechen könnte.

Sie grinsten und spannten die Hähne ihrer Musketen.

„Also los, aber der Teufel soll euch lotweise holen, wenn einer von euch seine Muskete abdrückt, bevor ich es befehle!“

Sie stürmten los. Unter ihren Füßen kollerten Steine die Böschung hinunter, die Männer fetzten die Büsche zur Seite. Und dann hatten sie es geschafft – sie hatten die Anhöhe erreicht.

Unwillkürlich blieb Carberry und seine Männer stehen, als sie sahen, was sich da unten, am anderen Ufer der Landzunge abspielte. Hasard und sein kleines Häuflein standen bis über die Hüften im Wasser, eingekreist und von allen Seiten durch die Spanier bedrängt. Blutroter flackernder Flammenschein übergoß die kämpfenden Gestalten und vermischte sich mit dem kalten Licht des Mondes.

Deutlich erkannten sie die große Gestalt des Seewolfs, den rothaarigen Schiffszimmermann der „Isabella“, Ferris Tukker, der wie wild mit seinem Entermesser um sich schlug. Gerade rammte er einem der Dons den Griff unter das Kinn, und der Mann verschwand mit einem gurgelnden Schrei in den Fluten.

Carberry vergaß alles, was er vorher befohlen hatte.

„Los, drauf, Männer, schlagt sie in Stücke!“ brüllte er, daß die Luft über dem Blackwater zitterte.

Dann sauste er los. In gewaltigen Sprüngen jagte er die andere Seite der Anhöhe hinunter. In der Linken sein Entermesser, in der Rechten die Pistole.

Seine Männer folgten ihm, und auch sie brüllten, was ihre Lungen hergaben.

„Carberry!“ Ferris Tucker hatte den Heranstürmenden erkannt, dann krachten auch schon die Musketen.

„Drauf, Leute, jetzt haben wir sie, jetzt werden wir es den Dons besorgen!“ Das war Hasard Killigrews Stimme, und er rannte einem Spanier, der ihn in diesem Moment ansprang, die Klinge seines Entermessers in den Leib. Dann holte er aus, packte die Waffe mit beiden Händen und schaffte sich mit wilden Kreuzhieben Luft.

Die Spanier, von dem Eingreifen Carberrys verwirrt, stutzten einen Moment. Das genügte dem eisenharten Carberry. Seine Pistole krachte, eine Gegner fiel schreiend zu Boden, gleich darauf hieb der Mann mit dem Rammkinn einem anderen sein Entermesser über den Schädel.

Das Ufer verwandelte sich im Handumdrehen in einen Hexenkessel – überall tobte jetzt der Kampf. Aber die Spanier gaben nicht auf, obwohl sie keinerlei Feuerwaffen besaßen, genau wie Hasard und seine Männer.

Die Stimme des spanischen Captains übertönte den Lärm.

„Kämpft Männer, rettet die Ehre Spaniens, es sind nur ein paar Männer, der Sieg ist unser!“