Cover

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

1

Im Folgenden werden feminine und maskuline Formen gemischt, obwohl auch dies zu Missverständnissen führen kann. Personen mit uneindeutiger geschlechtlicher Identität sind immer mitgemeint.

2

»Da liegt der entscheidende Punkt. Wir müssen uns klar machen, daß alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann: es kann »gesinnungsethisch« oder »verantwortungsethisch« orientiert sein. Nicht daß Gesinnungsethik mit Verantwortungslosigkeit und Verantwortungsethik mit Gesinnungslosigkeit identisch wäre. Davon ist natürlich keine Rede. Aber es ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt – religiös geredet –: ›Der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim‹, oder unter der verantwortungsethischen: daß man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat.« (Vgl. Max Weber, Politik als Beruf, Stuttgart 1992, S. 70 f.). Streng genommen sollte man von einer Gesinnungs- und Verantwortungsmoral sprechen.

3

Kant: »Was ich also zu tun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig auf alle sich ereignende Vorfälle desselben gefaßt zu sei, frage ich mich nur: Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde« (vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Stuttgart 2008, S. 29).

4

Vgl. ausführlicher Konrad Ott, Ipso Facto. Zur ethischen Begründung normativer Implikate wissenschaftlicher Praxis, Frankfurt a. M. 1997, Kap. 3.

5

Vgl. Konrad Ott: »Diskurs und Ethik«, in: Volker Steenblock (Hrsg.): Kolleg Praktische Philosophie, Bd. 2: Grundpositionen und Anwendungsprobleme der Ethik, Stuttgart 2008, S. 111152.

6

Es besteht noch die Alternative, entweder zu flüchten oder zu kämpfen, letzteres auf die Gefahr hin, im Kampf getötet zu werden. Aus unserer moralischen Grundhaltung heraus ist diese Alternative bei der Bestimmung von Fluchtgründen jedoch nicht relevant: Wir würden keinen Syrer mit dem Argument abweisen, er hätte ja auch bleiben und kämpfen können. Vor brutaler Gewalt darf jeder fliehen. Realpolitisch hingegen ist es nicht abwegig anzunehmen, dass dann, wenn viele fliehen und zu wenige kämpfen, die Chancen der Tyrannen steigen, an der Macht zu bleiben oder sie zu erobern.

7

Im Original Convention and Protocol Relating to the Status of Refugees.

8

Der Begriff der Familie bezieht sich im Folgenden auf Familienverbände, wie sie in orientalischen und afrikanischen Kulturen üblich sind, nicht aber auf mitteleuropäische Klein- und Kleinstfamilien.

9

Etwa das Vorhaben, im Zielland einer kriminellen Tätigkeit nachzugehen, terroristische oder kriegerische Akte zu verüben usw. Diese Absichten werden im Folgenden ausgeklammert. Eine Verknüpfung zwischen der Zuwanderung und den Ereignissen von Paris am 13. November 2015, einer genau geplanten terroristischen Aktion mit 130 Todesopfern, wird bewusst vermieden.

10

Vgl. Lilo Berg: »Interview mit Erhabor Sunday Idemudia: ›Wie Außerirdische in Deutschland‹«, in: Humboldt Kosmos 104 (2015), S. 26: »Die meisten sind zu stolz, um die Wahrheit zu sagen. Und so erfährt zu Hause keiner, dass sie arbeitslos sind und mit Drogen dealen oder sich prostituieren. Wer einer schlecht bezahlten, niederen Tätigkeit nachgeht, als Spülkraft in einem Restaurant zum Beispiel oder als Leichenwäscher, schweigt ebenfalls.«

11

Es wäre nur fair, an diesem Punkt auf den migrationskritischen Diskurs in den Ländern des Südens hinzuweisen, der von den Gesinnungsethikern ignoriert oder marginalisiert wird. In den Herkunftsländern wird oft vor dem »Hype« um Migration gewarnt.

12

So Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, in: Chrismon 11 (2015), S. 27.

13

Der Gast war zwar als solcher geschützt, musste aber vom Gastgeber als solcher erst anerkannt werden, andernfalls war er rechtlos.

14

So lautete die Position der Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Terror zu uns fliehen, brauchen Schutz und haben ein Recht darauf«, im Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (im weiteren FAZ), 17. Oktober 2015, S. 5.

15

Ausführlich hierzu Thomas E. Hill: »Kant on Imperfect Duty and Supererogation«, in: Kant-Studien 62 (1971), S. 5576.

16

Vgl. Ulrich Luz, Die Jesusgeschichte des Matthäus, Neukirchen-Vluyn 1993, S. 146: »Matthäus denkt also wohl ganz partikularistisch, dass das Verhalten der […] Völker gegenüber den christlichen Missionaren über das Schicksal im Gericht entscheiden werde.«

17

So Anja Karnein: »Putting Fairness in Its Place: Why There is a Duty to Take Up the Slack«, in: The Journal of Philosophy 111/11 (2014), S. 593607. Sie vertritt die These, dass eine Hilfspflicht, die A und B gegenüber C haben, sich für A gerade nicht verändert, wenn B diese Pflicht nicht erfüllt.

18

Yolande Jansen / Robin Celikates / Joost de Bloois (Hrsg.), The Irregularization of Migration in Contemporary Europe. Detention, Deportation, Drowning, London / New York 2014.

19

»At crucial moments in their lives, migrants face circumstances that seem to reduce their ›differential inclusion‹ to an inclusion as persons reduced to bare life (Agamben), or even to a situation where the affluent societies of Europe and elsewhere would rather let them die than let them in.« (Jansen u. a. 2014, S. 3).

20

Aufgrund der Komplexität sexueller Orientierung und ihrer unterschiedlichen Kriminalisierung und kultureller Verunglimpfung in vielen Ländern lässt sie dieser Fluchtgrund, so er einmal prinzipiell anerkannt wird, intern stark ausweiten. Hierzu vgl. Janna Weßels: »Sexual Orientation in Refugee Status Determination«, Refugee Studies Center, Working Paper Series 74 (April 2011), Universität Oxford (GB). Weßels stellt die Vermutung auf, die Aberkennung dieses Fluchtgrundes beruhe häufig wohl auf »(potential subconscious) heterosexual biases or even outright homophobia« (S. 40).

21

Zur ethischen Analyse von slippery slope-Argumenten vgl. Thomas Zoglauer, »Dammbruchargumente in der Bioethik«, in: Hans Friesen / Karsten Berr (Hrsg.): Angewandte Ethik im Spannungsfeld von Begründung und Anwendung, Frankfurt a. M. 2004, S. 309326. Bereits die mittelalterliche Scholastik kannte übrigens die Frage: »Quo ruimus?« (»Wohin rutschen wir da?«)

22

Vgl. Dietmar von der Pfordten, Normative Ethik, Berlin 2010, S. 23 f. Für ihn sind drei Prinzipien für den normativen Individualismus konstitutiv: das Individualprinzip, das Allprinzip und das Prinzip der grundsätzlichen Gleichberücksichtigung. Alle Individuen müssen in moralischen Fragen prinzipiell gleich berücksichtigt werden. Eine Ungleichbehandlung ist begründungsbedürftig.

23

Simon Caney drückt dies präzise aus: »Rights are entitlements: they specify what people can demand from others.« (Vgl. S. C., »Responding to Global Injustice: On the Right of Resistance«, in: Social Philosophy & Policy 32/1 (2015), S. 5173.)

24

Richard. M. Hare, Moralisches Denken, Frankfurt a. M. 1992, S. 103111.

25

Verantwortungsethiker geben hier zu bedenken, dass eine Einzelfallprüfung immer zugleich auch ein Unwerturteil über jeden Herkunftsstaat ist, da wir durch unsere Praxis faktisch politische Verfolgung in ihm für möglich halten.

26

Diese Forderung findet sich bei Barbara Kuchler, »Vernünftig, menschlich, illegal«, in: Le Monde diplomatique, September 2015, S. 45.

27

Im Grenzfall kann sich daraus das Dilemma ergeben, dass strukturell dem Dilemma des »letzten Arztes« in der Medizinethik ähnelt: Jede Patientin hat ein Recht auf ärztliche Behandlung. Gleichzeitig hat jeder Arzt das Recht, keine weiteren Patientinnen anzunehmen. Am Ende muss sich ein Arzt bzw. ein Land finden – oder das Recht auf Behandlung bzw. Ausreise läuft leer.

28

So Joseph Carens: »Limiting entry to rich democratic states is a crucial mechanism for protecting a birthright privilege«, in J. C.: Ethics of Immigration, Oxford 2013, S. 226).

29

Vgl. Carens 2013, insbesondere Kap. 11.

30

Ähnliches wurde auch von marktliberalen Kreisen gefordert, die auf diese Weise Wachstum im eigenen Land ankurbeln wollten. Im Wall Street Journal wurde am 3. Juli 1984 eine Ergänzung der US-Verfassung gefordert: »We propose a five-word constitutional amendment: There shall be open borders« (nach Philip Cafaro, How many is too many? The Progressive Argument for Reducing Immigration into the United States, Chicago 2015, S. 81).

31

»If the borders were open, millions more would move« (Carens 2013, S. 228).

32

Es ist auch nur fair, darauf hinzuweisen, dass Carens ein Egalitarist ist, der Gleichheit »partly as an end in itself« (Carens 2013, S. 228) ansieht, also den intrinsischen Wert von Gleichheit einschließlich ökonomischer Gleichheit um ihrer selbst willen vertritt. Daraus resultiert sein Plädoyer für sozialistische Verteilungsprinzipien. (Vgl. J. C., »An Interpretation and Defense of the Socialist Principle of Distribution«, in: Social Philosophy & Policy 20 (2003), S. 145177.)

33

»The control that democratic states exercise over immigration plays a crucial role in maintaining unjust global inequalities and in limiting human freedom unjustly.« (Carens 2013, S. 230.)

34

Christoph Hickmann, »Der SPD-Chef hat sein Thema gefunden«, in: Süddeutsche Zeitung, 29./30. August 2015, S. 4.

35

Hierzu grundlegend Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, Frankfurt a. M. 1992, insbes. Kapitel VII und VIII.

36

Habermas bemerkt zum Problem der Immigration nur folgendes: »Immigration, also die Erweiterung der Rechtsgemeinschaft um Fremde, die Angehörigkeitsrechte erwerben wollen, [erfordert] eine Regelung, die im gleichmäßigen Interesse von Mitgliedern wie Anwärtern liegt« (J. H., Faktizität und Geltung, Frankfurt a. M. 1992, S. 158). An solche Regelungen glauben aber vermutlich weder Gesinnungs- noch Verantwortungsethiker.

37

Vgl. Monika Kirloskar-Steinbach, »Wie lassen sich liberale Ideale auch auf Immigrierte ausweiten?«, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 69/3 (2015), S. 326346.

38

Dem das Verdienst zukommt, als erster Philosoph auf die Flüchtlingsproblematik aufmerksam gemacht zu haben. Zu Agamben vgl. Michalinos Zembylas, »Agamben’s Theory of Biopower and Immigrants/Refugees/Asylum Seekers«, in: Journal of Curriculum Theorizing 26/2 (2010), S. 3145.

39

So bietet es sich an, Agambens antike Figur des homo sacer auf die moderne Gestalt des Flüchtlings zu beziehen. Für Balibar ist die Wanderungsbewegung eine Probe aufs Exempel der egaliberté (etwa: »Gleichfreiheit«). Badiou erhofft sich von der Einwanderung eine Verschärfung der Konflikte in den Metropolen des Kapitalismus und personelle Verstärkung für militante Bewegungen.

40

Vgl. etwa das Manifest der kommunistischen Partei: »Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen« (Stuttgart 2014, S. 36).

41

Vgl. hierzu kritisch Oliver Marchart, Die Politische Differenz. Zum Denken des Politischen bei Nancy, Lefort, Badiou, Laclau und Agamben, Frankfurt a. M. 2010.

42

Vgl. Herbert Marcuse, Versuch über die Befreiung, Frankfurt a. M. 1969.

43

Alle Zitate aus Slavoi Žižek: Das Reale des Christentums, Frankfurt a. M. 2006, S. 1820.

44

In der ZEIT, 10. September 2015, S. 47.

45

Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Žižek die Institution der Menschenrechte als bürgerlich ablehnt (vgl. S. Ž, »Against Human Rights«, in: New Left Review 34, Juli/August 2005, S. 115131).

46

So Bridget Anderson, Nandita Sharma, Cynthia Wright, »Editorial: Why No Borders?« In: Refuge 26/2 (2009), S. 518, hier S. 7.

47

»A radical No Border politics acknowledges that it is part of revolutionary change« (Anderson et al. 2009, S. 12).

48

Vgl. Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, Berlin 1932.

49

Vgl. Sebastian Budgen / Stathis Kouvelakis / Slavoj Žižek (Hrsg.), Lenin Reloaded, Hamburg 2014.

50

Wie etwa das von Kay Heilbronner geleitete Institut Research Centre Immigration & Asylum an der Universität Konstanz oder die Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik.

51

Im Falle Afghanistans könnte es natürlich besondere Gründe geben, Personen, die von den Taliban bedroht werden, weil sie mit deutschen Militärs kooperiert haben, den Status von Asylanten zuzuerkennen. Ob jedoch die militärischen Erfolge der Taliban in einigen Landesteilen Grund genug für den Asylstatus aller Bewerberinnen aus Afghanistan sind, ist strittig. Nebenbei bemerkt, stellt sich ein ähnliches Problem wie in Syrien: Wer wird gegen die Taliban kämpfen wollen, wenn die Söhne der wohlhabenden Afghanen in den Westen flüchten? Die Migration wird dann selbst wiederum zu einer Fluchtursache, da sich den Taliban immer weniger entgegenstellen.

52

Ein ähnliches Problem stellt sich bei den Personen, die behaupten, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu sein. Es bezieht sich auf die Behauptung einer Person, homosexuell veranlagt zu sein. Diese Behauptung aber ist »easy to claim and impossible to disprove« (vgl. Weßels 2011, S. 28).

53

Diskurs- oder Verantwortungsethiker dürfen diese Möglichkeit nicht ausschließen, die in Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns klar vorgezeichnet ist.

54

Ein gänzlich anderer Fall liegt vor, wenn traumatisierte Personen psychisch nicht in der Lage sind, eine konsistente (lückenlose, kausal klar geordnete) Geschichte über ihre Flucht zu erzählen. Das Problem der Traumatisierungen blende ich mangels Kompetenz aus.

55

Im Original lautet Artikel 13: »Everyone has the right of freedom of movement and residence within the borders of each state.« Der Wortlaut lässt tatsächlich die Lesart zu, jede und jeder habe das Recht sich in jedem Staat niederzulassen. So ist Art. 13 aber nicht gemeint. Der geschichtliche Kontext der Gründungsphase der UN spricht gegen die Deutung von Carens, denn Artikel 13 richtet sich explizit gegen staatliche Umsiedlungen von Teilen der eigenen Bevölkerung im eigenen Land, also gegen das Verbringen von Minderheiten in Reservate u. dergl.

56

So sieht es auch Cafaro: »The right of movement of residence is clearly limited to a citizen’s home country« (Cafaro 2015, S. 208).

57

Vgl. M. W.: »Die Mauern des Staates niederreißen, heißt nicht, […] eine Welt ohne Mauern zu schaffen, sondern vielmehr tausend kleine Festungen zu errichten« (vgl. M. W., Sphären der Gerechtigkeit. Ein Plädoyer für Pluralität und Gleichheit, Frankfurt a. M. 1994, S. 75).

58

Vgl. umfassend Mike Davis, Planet of Slums, London / New York 2006.

59

Vgl. Eberhard Eichenhofer, »Wohlfahrtsstaat und Migration«, in: IMIS Beiträge 47 (2015), S. 99115. Der historische und politische Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaat und Nationalstaat löst sich, so Eichenhofer, zunehmend auf, denn der deutsche Wohlfahrtsstaat habe sich faktisch gegenüber Nichtbürgern geöffnet, insbesondere gegenüber EU-Bürgern. Eichenhofers Aussicht auf eine »Welt transnationaler Wohlfahrtsstaatlichkeit« (ebd., S. 100