Kurt Tucholsky
Die Zeit schreit nach Satire
im Auftrag der Kurt Tucholsky-Gesellschaft herausgegeben
von
Ian King und Steffen Ille
Der Text »Begegnung mit Tucho« von Erich Kästner erscheint mit freundlicher Genehmigung des Atrium Verlags Zürich.
Erich Kästner, Begegnung mit Tucho, aus: Der tägliche Kram © Atrium Verlag, Zürich 1948 und Thomas Kästner
1. Auflage 2015
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
ISBN: 978-3-95420-000-9 (Print)
ISBN: 978-3-95420-100-6 (ePUB)
ISBN: 978-3-95420-200-3 (mobi)
Alle Rechte vorbehalten
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Ian King und Steffen Ille
Chronologie
An das Publikum (1931)
Vorsätze (1907)
Die Kartoffeln (1913)
Büchner (1913)
Der Sadist der Landwehr (1914)
Demonstranten-Briefe (1914)
Memento (1916)
Auf die Weltbühne (1918)
Zum ersten August (1918)
Helm ab -! (1918)
Weihnachten (1918)
An Lucianos (1918)
Zwei Erschlagene (1919)
Was darf die Satire? (1919)
Wir Negativen (1919)
Krieg dem Kriege (1919)
Revolutions-Rückblick (1919)
Prozeß Marloh (1919)
Gefühle nach dem Kalender (1919)
Das leere Schloß (1920)
Die Grenze (1920)
Offiziere (1920)
Deutsche Richtergeneration 1940 (1921)
Das Buch von der deutschen Schande (1921)
Fang nie was mit Verwandtschaft an! (1921)
Die Verteidigung des Vaterlandes (1921)
Kleine Begebenheit (1921)
Die Reichswehr (1922)
Was wäre, wenn...? (1922)
Rathenau (1922)
Nebenan (1922)
Drei Minuten Gehör! (1922)
Rote Melodie (1922)
An einen Bonzen (1923)
Park Monceau (1924)
Der Graben (1924)
Vor Verdun (1924)
Der General im Salon (1924)
Abends nach sechs (1924)
Jemand besucht etwas mit seinem Kind (1925)
Brief an einen bessern Herrn (1925)
Deutsche Kinder in Paris (1925)
Der kaiserliche Statthalter (1925)
Monolog mit Chören (1925)
Herr Wendriner erzieht seine Kinder (1925)
Die Zentrale (1925)
Ruhe und Ordnung (1925)
Frauen von Freunden (1925)
Gruß nach vorn (1926)
Der Sieg des republikanischen Gedankens (1926)
Feldfrüchte (1926)
Siegfried Jacobsohn † (1926)
Wo bleiben deine Steuern -? (1926)
Das Ideal (1927)
Zeugung (1927)
Start (1927)
Ulysses (1927)
Wie werden die nächsten Eltern? (1927)
Der Mann am Spiegel (1928)
Die großen Familien (1928)
Wo kommen die Löcher im Käse her -? (1928)
Bürgerliche Wohltätigkeit (1928)
Was würden Sie tun, wenn Sie die Macht hätten? (1928)
Sie schläft (1928)
Taschen-Notizkalender (1928)
Frauen sind eitel. Männer? Nie -! (1928)
Eine leere Zelle (1929)
Deutsch für Amerikaner (1929)
Die fünfte Jahreszeit (1929)
Hej -! (1929)
Ideal und Wirklichkeit (1929)
Heimat (1929)
Augen in der Großstadt (1930)
Deutschland erwache! (1930)
Die Mäuler auf! (1930)
Herr Wendriner steht unter der Diktatur (1930)
Ratschläge für einen schlechten Redner (1930)
Ein älterer, aber leicht besoffener Herr (1930)
Kreuzworträtsel mit Gewalt (1930)
Die Karte für den Pfirsich-Melba (1930)
Mancher lernts nie (1930)
Was machen die Leute da oben eigentlich? (1930)
Die Verräter (1931)
Lottchen beichtet 1 Geliebten (1931)
Rosen auf den Weg gestreut (1931)
Der bewachte Kriegsschauplatz (1931)
Ein Ehepaar erzählt einen Witz (1931)
Es gibt keinen Neuschnee (1931)
Das Persönliche (1931)
Europa (1932)
Für Carl v. Ossietzky (1932)
Hitler und Goethe (1932)
Moment beim Lesen (1932)
An Mary Gerold-Tucholsky
Eigenhändige Vita Kurt Tucholskys
Begegnung mit Tucho (1946)
Erich Kästner
Letzte Seite in Tucholskys »Sudelbuch«
Auswahlbibliographie
Portrait der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft
Fußnoten
Kurt Tucholsky (1890 - 1935): schon die Geburts- und Todesjahre verraten einen Anlass für das Erscheinen dieses Bandes. 2015 erleben wir am 9. Januar das 125. Jubiläum seiner Geburt, am 21. Dezember reiht sich zum achtzigsten Mal sein Todestag. Die Kurt Tucholsky-Gesellschaft, die seit 1988 das Andenken an sein Leben und Werk hochhält, will mit diesem Band dem Namenspatron ein neues Publikum erschließen.
Wer war Kurt Tucholsky? Das älteste Kind einer wohlhabenden, assimilierten jüdischen Familie aus Berlin, lautet die erste Antwort. Die zweite fällt komplizierter und ausführlicher aus. Schriftsteller, Publizist, Zeitkritiker, Polemiker, Kriegsgegner, unabhängiger Linker, Antifaschist und Militärkritiker, betonen die Einen: Satiriker, Humorist, Lyriker, Kabarett-Texter, Bestsellerautor, Rezensent, Mitautor eines Stückes und eines Drehbuches, sagen die Anderen. Beide Gruppen haben mit ihren kontrastierenden Aussagen recht. Kurt Tucholsky, der in einer 25jährigen Karriere ca. 3.200 Artikel veröffentlichte, war dies alles und mehr: Promovierter Jurist, Idealist, Frauenkenner, der sich trotz wiederholter Versuche weder persönlich noch politisch auf Dauer binden ließ. Er betrachtete sich als Kassandra der Weimarer Republik, als beruflichen Schwarzseher,1 dessen düstere Prognosen sich fast immer bewahrheiteten. Als die deutschen Faschisten an die Macht kamen, verbrannten sie seine Bücher, entzogen ihm die deutsche Staatsbürgerschaft, beschlagnahmten seine Bankkonten. Da verstummte er vor Hoffnungslosigkeit und Ekel, lebte zwei Jahre verarmt und vereinsamt im abgelegenen schwedischen Dorf Hindas, nahm vier Tage vor Weihnachten 1935 eine Überdosis und starb in einem Göteborger Krankenhaus. Der Kämpfer für ein sozial gerechtes, demokratischeres Deutschland hatte verloren und trat von der Bühne ab.
Doch war damit die Geschichte des so vielseitig begabten Schriftstellers nicht zu Ende. Zwar hatten die Nazis seine erste Ehefrau, die Ärztin Else Weil, 1942 in Auschwitz ermordet, seine hochbetagte Mutter ein Jahr später in Theresienstadt umgebracht. Aber Mary Gerold-Tucholsky, seine zweite Frau und Alleinerbin eines Nachlasses, der im materiellen Sinne größtenteils aus Schulden bestand, kümmerte sich um die verstreuten Schriften, knüpfte Kontakte zu Freunden und noch lebenden Mitstreitern, half bei der Herausgabe neuer Editionen,2 baute in ihrem Haus in Rottach ein Archiv, führte Generationen von Tucholskybegeisterten Forscherinnen und Forschern an das Werk ihres geschiedenen Ehemanns heran. Sie inspirierte ihrerseits Herausgeber wie Fritz J. Raddatz in der Bundesrepublik, Roland Links in der DDR, den Schweizer Gustav Huonker und nicht zuletzt die verdienstvollen Herausgeber der Gesamtausgabe, Antje Bonitz, Dirk Grathoff, Michael Hepp und Gerhard Kraiker. So kam der Schriftsteller, der sich zu Lebzeiten beklagte, „Erfolg, aber keinerlei Wirkung“3 zu haben, Jahre nach seinem Tode zu einem neuen, viel zahlreicheren Publikum, das sich bei seinen Werken amüsierte und seinen komplexen Charakter abwechselnd bewunderte und bedauerte, an seinem Kampf Anteil nahm und Lehren für die Gegenwart daraus zog. Letzteres gilt ironischerweise auch für die Verteidiger der Ehre der Bundeswehr, die sich noch 1996 von dem 1931 geschriebenen Tucholsky-Satz „Soldaten sind Mörder“4 beleidigt fühlte und vor verschiedenen Gerichten Prozesse gegen den Spruch und den Toten durchführte. Dass Tucholskys Humor die Jahre überdauert hatte, wussten viele; doch mag dieser Beweis der politischen Aktualität seiner Schriften einige Leser in Deutschland sowie im Ausland überrascht haben.
Der Editionsgrundsatz in dieser neuen Anthologie von Tucholskys wichtigsten Werken lautete daher, sowohl den Politiker als auch den Stilisten Tucholsky angemessen und systematisch zu Wort kommen zu lassen, ohne sich an der Leistung der Herausgeber der Gesamtausgabe messen zu wollen. Denn gerade die politische Entwicklung Tucholskys -vom SPD-Anhänger vor 1914 und Vorwärts-Autor zum Kriegskritiker, aber auch Kriegsteilnehmer, zum demokratisch inspirierten Möchtegern-Militärreformer 1919 und 1920 ist ein oft missverstandenes Kapitel. Tucholsky wollte eine neue Armee mit neuem Geist, wo der Offizier sich als befehlender Kamerad verstand:5 stattdessen bekam Deutschland einen antidemokratischen Staat im Staat, der Arbeiteraufstände in Blut erstickte, gegen die eigene Regierung putschte und das Land außenpolitisch kompromittierte. Erst als sich die Nicht-Reformierbarkeit der Militärs eingestehen musste, wiederholte Tucholsky den alten sozialdemokratischen Spruch der Kaiserzeit: „Dieser Reichswehr keinen Mann und keinen Groschen!“6 Erst als er die Wirklichkeit der mörderischen Schlachten an der Westfront vor Verdun im nachhinein erlebte7 und die aggressiven Pläne deutscher Militärs für einen Revanchekrieg durchschaute, verlangte er - übrigens in Verbindung mit anderen Pazifisten wie dem Physiker Albert Einstein8 - die Dienstverweigerung im Kriegsfall, die Notwendigkeit, das „Vaterland Europa“9 vor einer Wiederholung des Weltkrieges zu schützen.
Auch Tucholskys wechselnde parteipolitische Stellungnahmen werden erst erklärbar, wenn man die wechselnde Wirklichkeit der Weimarer Republik und nicht zuletzt die Ansprüche seiner verschiedenen Brotgeber in Betracht zieht. In dem liberalen Berliner Tageblatt, wo er von Dezember 1918 bis März 1920 als Redakteur angestellt war, verlangte man eine gegen Gewaltanwendung von rechts und links gerichtete Linie10 -die er anfangs nach vier Jahren rücksichtslosen Blutvergießens durchaus bejahen konnte. Andererseits musste er bald erkennen, dass die hinter dieser renommierten Zeitung stehende, linksliberal eingestellte Deutsche Demokratische Partei eher an undurchsichtigen Manövern zur Selbsterhaltung als an der Einführung und Sicherung einer Demokratie interessiert war. Nicht nur auf militär-, sondern auf allgemeinpolitischem Gebiet hatten die in der Revolutionsregierung und der späteren Koalition der linken Mitte regierenden Mehrheitssozialdemokraten um Friedrich Ebert und Gustav Noske ebenfalls versagt: die Demokratie blieb schwach und vor allem ihren rechten Feinden gegenüber verwundbar. So trat Tucholsky im März 1920 der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei bei, seine erste und letzte Erfahrung als Mitglied einer Partei; er unterstützte sie mit Kriegserinnerungsartikeln im Reichstagswahlkampf,11 zerpflückte für sie den alle vernünftigen Grenzen sprengenden Militäretat mit einer Mischung von Genauigkeit und unterkühltem Zorn, die an den Hessischen Landboten des jungen Georg Büchner erinnert.12 Doch die ursprünglich 1917 als Sammelbecken für Kriegsgegner gegründete USPD spaltete sich bereits im Herbst 1920, ein Großteil der Mitglieder sowie einige Abgeordnete traten der bisher kleinen, relativ einflusslosen Kommunistischen Partei Deutschlands bei. Tucholsky folgte ihnen nicht; aber auch nach der Vereinigung mit der SPD-Mutterpartei 1922 blieb er nicht lange in den gleichen Reihen wie die für ihn durch ungünstige Kompromisse diskreditierten SPD-Führer.
Nach der Wahl des greisen preußischen Monarchisten und ehemaligen Feldmarschalls von Hindenburg zum Reichspräsidenten begann Tucholsky, an dem Parlamentarismus zu verzweifeln. Rechte Bürgerblockregierungen sorgten dafür, dass die von ihm ersehnte solidarische Gesellschaft mit Herz für die Schwachen ferner erschien denn je: und Hindenburgs Sieg bedeutete für ihn nicht nur das Ende der letzten Reste des parlamentarischen Systems, sondern die Gefahr eines erneuten Krieg gegen sein Gastland Frankreich,13 aus dem er seit einem Jahr um Frieden und gegenseitiges Verständnis warb. Er sah sogar die außenpolitischen Schritte voraus, mit denen Deutschland den Krieg vorbereiten würde -Anschluss Österreichs, Ausnutzung von Nationalitätenkonflikten in der Tschechoslowakei, vorläufiges Bündnis mit Sowjetrussland zur Beseitigung Polens - und die wahrscheinlichen Folgen: eine antideutsche Koalition von Schottland bis Kalifornien, die seinem Land eine noch verhängnisvollere Niederlage 1918 bringen würde.14 Kein Wunder also, dass er die kommunistische Arbeiterbewegung - weniger deren Führer, denen er seit der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und dem Tod Lenins misstraute15 - eine Zeitlang als letzte Hoffnung betrachtete, gewissermaßen als letzten Rettungsanker auf stürmischer See. So schrieb er von 1928 bis 1930 Kampfgedichte für die auflagenstarke Arbeiter Illustrierte Zeitung des KPD-Pressechefs Willi Münzenberg,16 veröffentlichte den polemischen, ironisch betitelten Sammelband Deutschland, Deutschland über alles, mit Fotomontagen von John Heartfield 1929 in Münzenbergs Neuem Deutschen Verlag - und wusste trotzdem genau, dass das von ihm und anderen linken Intellektuellen gesuchte Bündnis mit der KPD wegen deren dogmatischer Führung, der Gängelung durch die von Moskau gesteuerte Komintern und vor allem wegen der verhängnisvollen Sozialfaschismusthese nicht auf Dauer erfolgreich sein konnte. Statt zum Kampf gegen den gemeinsamen Feind, die Nazis, ließen weder Kommunisten noch Sozialdemokraten von ihrem Bruderkampf ab; auch Tucholsky und sein Weltbühne-Kollege Carl von Ossietzky konnten sie nicht davon abbringen. Teile von Deutschlands angestammten Eliten wollten Hitlers rechte Massenbewegung an die Macht bringen; am 30. Januar 1933 ist es den Junkern, hohen Offizieren, Montanindustriellen und Bankiers gelungen, den geistig schlichten Hindenburg auf ihre Seite zu ziehen. Die Folgen für Deutschland und die Welt sind bekannt.
Diese zuerst 1959 von Hans Prescher skizzierte,17 mit den Problemen der Weimarer Republik eng zusammenhängende politische Entwicklung Tucholskys einem neuen Publikum deutlich zu machen, ist folglich das erste Ziel dieser Anthologie. Aber kaum weniger wichtig ist es, den anderen, „literarischen“ Tucholsky zu zeigen: den glasklaren Stilisten, leidenschaftlichen Satiriker, den Lyriker und Humoristen. Denn wir haben es nicht nur mit einem unermüdlichen Kämpfer zu tun, sondern auch mit einem Meister der kleinen literarischen Form. Aber sein gattungsprengendes Werk hat noch längst nicht die gebührende Anerkennung an Deutschlands Hochschulen gefunden. (Der eine Herausgeber erinnert sich daran, wie ihm ein Tübinger Germanistik-Professor Tucholsky als Doktorthema auszureden versuchte: in den folgenden vierzig Jahren hat es den Anschein, als ob sich in der Beziehung wenig geändert hätte. Hoffen wir auf ein Umdenken.) Dass Satiren wie „Die Verteidigung des Vaterlandes“18 kleine Meisterwerke sind, hat das KTG-Mitglied Dieter Mayer wiederholt öffentlich demonstriert: wir brauchen viele Nachfolger in diesem Geist. Was aber nicht ausschließen soll, der Frage nach der Herkunft der Löcher im Käse begeistert nachzugehen oder Parodien wie „Hitler und Goethe“ zu genießen, wenn auch mit dem kalten Schauder derjenigen, die wissen, was nach dem Erscheinungsjahr 1932 kam. Überhaupt hat man oft das Gefühl, dass gerade die lustigsten Feuilletons aus der Feder des ob der Zukunft Deutschlands langsam verzweifelnden Tucholsky entstammen: wieder die Verbindung zwischen dem Idyllischen und dem Politischen, der ihm seit dem Vorspruch zum programmatischen Weltbühne-Artikel „Wir Negativen“19 von März 1919 geläufig ist. Tucholsky hat zwar in seiner schriftstellerischen Karriere eine Menge Pseudonyme gebraucht, um einzelne Aspekte seines publizistischen und literarischen Schaffens besser zur Geltung kommen zu lassen. Aber den gemeinsamen Schöpfer verleugnen Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter und Kaspar Hauser nicht. Dem Andenken dieses Schöpfers Kurt Tucholsky ist dieser Band und die Tätigkeit der Kurt Tucholsky-Gesellschaft gewidmet.
Ian King und Steffen Ille
London und Leipzig, 2015
1890 |
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9. Januar |
Kurt Tucholsky wird in Berlin-Moabit geboren. Eltern: Alex Tucholsky (1855 - 1905), Kaufmann und Bankdirektor; Doris Tucholsky, geb. Tucholski (1861 - 1943). 1893 - 1899 lebt die Familie in Stettin. |
1905 |
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1. November |
Tod des Vaters |
1907 |
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22. November |
Im »Ulk«, der satirischen Beilage des »Berliner Tageblatts«, erscheinen anonym seine ersten Arbeiten: »Märchen« und »Vorsätze«. |
1909 |
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7. Oktober |
Beginn des Jura-Studiums an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin. |
1910 |
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studiert Tucholsky im Sommersemester an der Universität Genf. |
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1911 |
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25. April |
Erster Artikel im sozialdemokratischen »Vorwärts«. (Mitarbeit bis Sommer 1914). |
August |
Mit Else Weil, genannt “Claire Pimbusch”, in Rheinsberg. |
Herbst |
Tucholsky arbeitet im Wahlkampf für die SPD. |
1912 |
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17. Januar |
Erste Veröffentlichung im »Prager Tagblatt«. |
15. November |
»Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte« erscheint. (Das Buch wird bis 1932 120.000 mal verkauft.) |
1913 |
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9. Januar |
Tucholsky beginnt seine Arbeit für die »Schaubühne«. Im Frühjahr führt er die Pseudonyme “Ignaz Wrobel”, “Peter Panter” und “Theobald Tiger” ein. |
7. April |
Erstmals Arbeiten im »Simplicissimus«. |
1. September |
Der Zeitsparer, Grotesken von Ignaz Wrobel, erscheint. |
1914 |
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1. Juli |
Austritt aus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. |
1915 |
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12. Februar |
Promotion an der Universität Jena. |
10. April |
Dienstantritt an der Ostfront als Armierungssoldat. Bis August 1916 wird Tucholsky bei Stellungskämpfen eingesetzt, danach ist er Kompanie-Schreiber. Ab November 1916 arbeitet er als Redakteur der Soldaten-Zeitschrift »Der Flieger« in Alt-Autz im Baltikum. |
1917 |
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11. September |
Beförderung zum Unteroffizier. |
November |
Tucholsky verliebt sich in Mary Gerold (1898-1987) aus Riga. |
1918 |
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8. Mai |
Versetzung zur Politischen Polizei in Bukarest. |
21. Juli |
Tucholsky läßt sich in Turn-Severin evangelisch taufen. |
20./21. November |
Rückkehr nach Berlin. |
Dezember |
Er übernimmt die Redaktion des »Ulk«, der satirischen Wochenbeilage des »Berliner Tageblatts« und der »Berliner Volks-Zeitung«. Er führt das Pseudonym “Kaspar Hauser” ein. |
1919 |
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9. Januar |
Erster Artikel der »Militaria«-Serie in der »Weltbühne«. |
13. März |
erscheint Tucholskys programmatischer Artikel »Wir Negativen«. |
Juni |
Er übernimmt auch redaktionelle Aufgaben bei der »Weltbühne«. |
30. August |
Tucholsky gehört mit Ossietzky, Gumbel, Vetter u. a. zu den Gründern des »Friedensbundes der Kriegsteilnehmer«, der die »Nie wieder Krieg«- Massenkundgebungen organisiert. |
Ende Oktober |
Die Gedichtsammlung »Fromme Gesänge« von Theobald Tiger erscheint. Arbeiten für das von Max Reinhardt gegründete Kabarett »Schall und Rauch«. |
1920 |
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5. Januar |
Mary Gerold kommt nach Berlin, sie trifft Tucholsky nach anderthalb Jahren wieder, Februar trennen sich die beiden. |
9. Februar |
Premiere von Nestroys »Judith und Holofernes« in der parodistischen Bearbeitung von Theobald Tiger, Regie: Max Reinhardt. |
1. März |
Eintritt in die USPD. |
3. Mai |
Tucholsky heiratet die Ärztin Else Weil (1889-1942), die “Claire” aus Rheinsberg. |
ab Mai |
Arbeiten für die USPD-Blätter »Freie Welt« und »Die Freiheit«. |
Juli |
Redakteur des »Pieron«, einer staatlich finanzierten Propaganda-Zeitschrift, die vor der im Versailler Vertrag festgelegten Abstimmung für den Verbleib Oberschlesiens im Deutschen Reich wirbt. |
1. August |
Rede auf der »Nie wieder Krieg«-Kundgebung im Berliner Lustgarten. |
November |
»Träumereien an preußischen Kaminen« von Peter Panter. |
Dezember |
Wegen seiner Arbeit für den »Pieron« lehnen die USPD-Zeitungen es ab, Artikel von Tucholsky zu publizieren. |
18. Dezember |
Aufgrund der öffentlichen Kritik kündigt er beim »Pieron« zum Jahresende. |
1921 |
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Chansons für Gussy Holl, Paul Graetz, Claire Waldoff, Rosa Valetti, Trude Hesterberg, Kate Kühl u. a. |
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Oktober |
Premiere der Nelson-Revue »Bitte zahlen« mit zahlreichen Chansons von Theobald Tiger. |
3. November |
Der von Reichswehrminister Geßler gegen Tucholsky angestrengte Prozeß wegen des Artikels Offiziere endet mit einem Freispruch. |
1922 |
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30. März |
In der »Weltbühnen«-Militär-Kritik »Die Erdolchten« verwechselt Tucholsky zwei Namen von Offizieren. Daraufhin Strafantrag der Reichswehrführung. |
26. April |
Teilnahme an einer Kundgebung der »Deutschen Liga für Menschenrechte«. |
17. Juni |
Die USPD-Führung fordert ihre Parteiblätter auf, Tucholsky wieder zu drucken. |
30. Juli |
»Nie wieder Krieg«-Kundgebung in Berlin. Das Gedicht Drei Minuten Gehör wird in vielen Städten vorgetragen. |
11. August |
Massenkundgebung zum »Geburtstag der Reichsverfassung« in Berlin. Tucholsky war an der Vorbereitung des republikanischen Festes beteiligt. |
Herbst |
Bewerbungen bei verschiedenen Wirtschaftsunternehmen. |
Oktober |
Premiere der Rudolf Nelson-Revue »Wir steh'n verkehrt« mit 9 Couplets von Theobald Tiger. |
1923 |
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1. März |
Arbeit im Bankhaus Bett, Simon & Co. |
Juni |
Eröffnung des von Tucholsky mitbegründeten Cabarets »Die Gondel«. |
22. Juni |
Trennung von Else Weil. |
15. Juli |
Das Angebot Siegfried Jacobsohns für eine feste Mitarbeit im »Weltbühnen«-Verlag lehnt Tucholsky vorerst ab. |
1924 |
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15. Februar |
Vertrag mit Siegfried Jacobsohn über Tucholskys Mitarbeit bei der »Weltbühne«. |
24. März |
Aufnahme in die Berliner Freimaurerloge »Zur Morgenröte«. |
6. April |
Abreise nach Paris als Korrespondent für die »Weltbühne« und die »Vossische Zeitung«. |
30. August |
Kurt Tucholsky und Mary Gerold heiraten. |
16. September |
Das Ehepaar zieht nach Paris. |
23. Oktober |
In der »Weltbühne« Wendriner«-Geschichte von Kaspar Hauser. |
1925 |
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1. Mai |
Gemeinsamer Umzug von Paris nach Le Vesinet. |
16. Juni |
Aufnahme in die Freimaurer-Loge »Les Zélés Philanthropes [Eifrige Menschenfreunde]«. |
23. Juni |
Aufnahme in die Loge »L’Effort [Die Bemühung]«. |
7. Juli |
Die erste »Nachher«-Geschichte von Kaspar Hauser erscheint in der »Weltbühne«. |
18. August- |
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Mitte Oktober |
Reise mit seiner Frau in die Pyrenäen. Immer wieder Streit. |
1926 |
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Januar |
Vorträge bei der französischen »Liga für Menschenrechte«. |
Mai |
Reise über Basel nach Wien, wo er mit Max Reinhardt über ein neue Revue berät. |
Juni |
Er reist allein in die Normandie. |
Juli |
Kurt Hiller gründet die »Gruppe Revolutionärer Pazifisten«. Tucholsky wird in den Vorstand gewählt. |
6. Juli |
Reise nach Garmisch, um mit Alfred Polgar eine Revue für Max Pallenberg und Fritzi Massary zu schreiben. |
1. August |
Versammlung der »Deutschen Liga für Menschenrechte«. Carl von Ossietzky und der abwesende Tucholsky werden in den Vorstand gewählt. |
September |
In Berlin. |
Oktober |
Das Ehepaar Tucholsky zieht nach Fontainebleau. |
3. Dezember |
Siegfried Jacobsohn stirbt. Tucholsky fährt sofort nach Berlin und übernimmt bis Mai 1927 die Leitung der »Weltbühne«. |
1927 |
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8. Januar |
Verhandlungen mit Edith Jacobsohn über die Weiterführung der »Weltbühne«. |
25. Januar |
Tucholsky lernt die Journalistin Lisa Matthias (1894 - 1982) kennen, das Vorbild für die Figur des “Lottchens”. |
März |
»Ein Pyrenäenbuch« von Peter Panter erscheint. |
15. Mai |
Jahrestagung der »Deutschen Liga für Menschenrechte«, Tucholsky gehört dem Vorstand bis 1930 an. |
Mai |
Nach der Übergabe der Leitung der »Weltbühne« an Carl von Ossietzky reist er nach Dänemark. |
22. Mai |
Beim II. Reichskongress der kommunistischen »Roten Hilfe Deutschland« wird Tucholsky in den Vorstand gewählt. |
Juni |
In Morgenstrup-Kro per Lou in Dänemark arbeitet er an dem Sammelband »Mit 5 PS«. |
27. Juli |
Rückkehr nach Paris. |
9. - 29. September |
Spessart-Wanderung mit Erich Danehl (“Karlchen”) und Hans Fritsch (“Jakopp”). |
18. November |
Die »Vossische Zeitung« druckt Peter Panters Reisebericht »Das Wirtshaus im Spessart«. |
Dezember |
Der Sammelband »Mit 5 PS« erscheint. |
1928 |
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Januar |
In Berlin. Klagen über Nasenbeschwerden. |
21. März |
Das Gedicht »Ersatz« von Theobald Tiger ist sein erster Beitrag in der KPD-nahen »A-I-Z«. [Arbeiter-Illustrierte-Zeitung]. |
7. Mai |
Lisa Matthias bei Tucholsky in Paris. Gemeinsame Riviera-Reise. |
4. Juni-13. Juli |
Kuraufenthalt im Sanatorium am Königspark in Dresden. |
Ende Juli/August |
In Kivik (Süd-Schweden), um ein Theaterstück über Kolumbus zu schreiben und einen neuen Sammelband für Rowohlt zu konzipieren. |
6. September |
Erster »Lottchen«-Monolog von Peter Panter in der »Vossischen Zeitung«. |
18. September |
In Berlin. Vorwürfe aus dem Ullstein-Verlag wegen der »A-I-Z«-Beiträge. |
19. September |
Verhandlungen mit Münzenberg (Organisator der »Roten Hilfe« und kommunistischer Großverleger) über eine engere Zusammenarbeit. |
29. September |
Rückkehr nach Paris. |
20. November |
Mary Tucholsky verlässt ihren Mann und zieht nach Berlin. |
Dezember |
Der Sammelband »Das Lächeln der Mona Lisa« erscheint. |
ab 20. Dezember |
Bei Lisa Matthias im Tessin. |
1929 |
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Ständige Klagen über Kopfschmerzen und Krankheiten. |
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4. Januar |
Rückkehr nach Paris. |
11. Januar |
Tucholsky erhält die Carte d'identité der Republik Frankreich, gültig bis 1930. |
6. Februar |
Lisa Matthias trifft in Paris ein. |
24. März |
»Tucholsky-Matinee« im Theater am Nollendorfplatz mit Henri Barbusse, Hollaender, Ernst Busch, Graetz, Valetti u. a. |
April-Oktober |
Tucholsky wohnt im Haus Fjälltorp in Läggesta, in der Nähe von Schloß Gripsholm. |
6. August |
Deutschland, Deutschland über alles erscheint. |
7. August |
Tucholsky mietet die Villa Nedsjölund in Hindås an. |
14./15. Oktober |
Auf dem III. Reichskongress der »Roten Hilfe Deutschland« erneute Wahl in den Vorstand. |
15. Oktober- |
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16. November |
In Berlin bei Lisa Matthias. |
18. November- |
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2. Dezember |
Lesereise: Köln, Frankfurt, Mannheim, Wiesbaden, Darmstadt, Mainz, Dresden, Leipzig, Breslau, Hamburg. In Wiesbaden kommt es zu Tumulten; ein Besucher wird für Tucholsky gehalten und verprügelt. |
6. Dezember |
Reise über Basel nach Lugano zu Lisa Matthias. |
1930 |
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22. Januar |
Tucholsky verlegt seinen Wohnsitz nach Schweden, anfang Februar zieht er in die Villa Nedsjölund in Hindås. |
1. - 12. Juni |
Reise nach Berlin. |
19. Juli |
Kurhaus Sonnmatt in Luzern, nach monatelangen Klagen über eine “Magensache” und Nasenbeschwerden. Nach einer Tessin-Reise im August verbringt er den Sommer in Berlin. |
Oktober |
Gertrude Meyer (1897 - 1990) wird seine Sekretärin und Dolmetscherin. Bald entsteht eine engere Beziehung. |
21. Oktober |
Besuch Carl von Ossietzkys in Hindås. Sie beraten über einen Ausweich-Ort für die »Weltbühne«. |
10. Dezember |
Vertrag mit Rowohlt über Schloss Gripsholm. |
25. Dezember |
Lisa Matthias in Hindås. |
1931 |
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Die Beziehung mit Lisa Matthias zerbricht. |
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16./17. März |
Treffen mit Carl von Ossietzky in Lübeck. Sie beraten über die zukünftige Strategie der »Weltbühne«. |
20. März-26. April |
Vorabdruck von Schloß Gripsholm im »Berliner Tageblatt«. |
29. März |
Versammlung der »Liga für Menschenrechte«, Tucholsky bleibt im Politischen Beirat. |
Anfang Mai |
»Schloß Gripsholm. Eine Sommergeschichte« erscheint. |
15. Mai |
Reise über die Schweiz nach Paris, in Juni ist er in London. |
3. Juli-3. Oktober |
Aufenthalt in Kent, zusammen mit Gertrude Meyer. |
2. August |
Exposé für einen Roman »Eine geschiedene Frau« an Rowohlt (nicht ausgeführt). |
4. August |
In der »Friedensnummer« der »Weltbühne« erscheint der Artikel »Der bewachte Kriegsschauplatz« von Ignaz Wrobel. Wegen des Satzes “Soldaten sind Mörder” erstattet die Reichswehrführung Anzeige. |
17. August |
Das Filmmanuskript »Seifenblasen« ist fertig. Der Film wird nie gedreht. |
18. August |
Austritt aus dem »Schutzverband deutscher Schriftsteller«, dem er seit 1913 angehörte. |
29. September |
letzter Beitrag für die »Vossische Zeitung«. |
Oktober |
Der Sammelband »Lerne lachen ohne zu weinen« erscheint. |
11. November |
Hasenclever kommt nach Hindås. Zwei Monate lang arbeiten sie an »Christoph Kolumbus«. |
17. - 23. November |
»Weltbühnen-Prozess« vor dem Reichsgericht in Leipzig: Aufgrund des Artikels »Windiges aus der deutschen Luftfahrt« über die geheime Aufrüstung der Reichswehr werden der Autor Walter Kreiser und Carl von Ossietzky wegen “Landesverrats” zu je anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. |
12. Dezember |
Einjahresvertrag mit Rowohlt über einen monatlichen Vorschuß von 1.500 Mark. |
1932 |
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7. Januar |
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin wegen der “Aufforderung für die »Rote Hilfe« Zahlungen zu leisten” im Artikel “Im Gefängnis begreift man”. (Am 27. Januar wird das Verfahren eingestellt). |
24. März |
In Kopenhagen. Operation an der Nase. |
16. April |
Tucholsky schreibt die letzten Arbeiten für die >»Weltbühne«. |
18. April |
Reise über Paris nach Le Lavandou zu Walter Hasenclever, dann nach Zürich. |
1. Juli |
Der Prozess gegen Ossietzky wegen des Tucholsky-Satzes “Soldaten sind Mörder” endet mit Freispruch. |
August |
Bei Aline Valangin in ihrem Tessiner Sommerhaus lernt Tucholsky die Züricher Ärztin Dr. Hedwig Müller (1893 - 1973) kennen, die er “Nuuna” nennt. |
26. August |
Reise zu Hedwig Müller nach Zürich. |
24. September |
Uraufführung von »Christoph Kolumbus« in Leipzig. Das Stück wird bald wieder abgesetzt. |
29. September |
Mit seinem letzten größeren politischen Artikel »Berliner in Österreich? Nein: Sozialisten bei Sozialisten!« eröffnet Tucholsky die Wiener Ausgabe der »Weltbühne«. |
8. Oktober |
Tucholsky fährt nach Zürich und wohnt bis 7. September 1933 bei Hedwig Müller. |
Herbst |
Zwei kleinere Nasen-Operationen, die jedoch nicht helfen. |
28. November |
Offizielle Anmeldung in Zürich. |
1933 |
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30. Januar |
Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. |
28. Februar |
Nach dem Reichstagsbrand wird Ossietzky verhaftet und am 6. April ins Konzentrationslager Sonnenburg eingeliefert. |
7. März |
Das letzte Heft der »Weltbühne« erscheint. |
10. Mai |
Bücherverbrennung: “Undeutsche” Literatur wird öffentlich verbrannt, auch die Bücher Tucholskys. |
Juni |
Einvernehmliche Auflösung der Verträge mit Rowohlt, da Tucholskys Bücher in Deutschland verboten sind. Tucholsky lehnt alle Angebote für öffentliche Auftritte und zur Mitarbeit an der Exilpresse ab. |
21. August |
Gerichtliche Scheidung von Mary Tucholsky. |
23. August |
Tucholsky steht auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches. |
7. September |
Rückreise von Zürich über Frankreich nach Schweden. |
25. Dezember |
Hedwig Müller kommt nach Hindås. Sie bleibt bis zum 20. Januar 1934. |
1934 |
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14. Januar |
Tucholskys deutscher Reisepaß wird ungültig. |
Fortan hat Tucholsky einen schwedischen Fremdenpass mit der Auflage “Arbeitsaufnahme nicht erlaubt”. Dieser Pass muss alle sechs Monate verlängert werden. |
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8. Mai |
Ankunft in Paris. |
20. Mai-14. Juni |
Schwefelkur in Calles-les-Eaux. |
14. Juni-29. Juni |
Bei Hedwig Müller in Zürich. |
3. Juli- |
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29. September |
In Lysekil an der westschwedischen Küste. |
12. August |
Hedwig Müller kommt für vier Wochen zu Besuch. |
27. September |
In einem Brief an das Nobel-Komitee in Oslo wirbt er für die Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky. |
3. Dezember |
Erste von fünf Nasenoperationen, die bis Mai 1935 durchgeführt werden. |
1935 |
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29. März |
Bitte an den Schweizer Bundesrat, sich für die Freilassung Berthold Jacobs, ein von den Nazis entführter »Weltbühnen«-Mitarbeiter, einzusetzen. |
Mai |
Tucholskys finanzielle Reserven sind erschöpft. Er ist nun auf die Unterstützung durch Hedwig Müller angewiesen. |
10. Juni-6. Juli |
Hedwig Müller verbringt ihren Urlaub in Hindås. |
11. Juni |
Tucholsky setzt sich für die Verleihung des Friedens-Nobelpreises an Ossietzky ein. |
14. Juli- |
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29. September |
Mit Gertrude Meyer in Visby auf Gotland. |
14. Oktober- |
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4. November |
Stationäre Untersuchung im Göteborger Sahlgrenska Krankenhaus wegen andauernder Magenbeschwerden. |
Ende November |
Abschiedsbrief an Mary Gerold-Tucholsky. |
30. November |
Sein schwedischer Anwalt rät davon ab, bereits jetzt ein Einbürgerungsgesuch zu stellen. Änderung des Testaments. |
14. Dezember |
Tucholsky bietet der Baseler »Nationalzeitung« einen Artikel gegen Knut Hamsun an, der Ossietzky öffentlich angegriffen hatte. |
15. Dezember |
Brief an Arnold Zweig. |
17. Dezember |
Angebot für einen Hamsun-Artikel an das Osloer »Arbeiterbladet«. Absage am zwei Tage später. |
Am 20. Dezember: Dasselbe Angebot an »Det Norske Studentersamfund«. |
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21. Dezember |
Um 21.55 Uhr stirbt Kurt Tucholsky im Sahlgrenska Krankenhaus in Göteborg. Im Obduktionsbericht steht: “Intoxicatio? (Veronal?)”. |
1936 |
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20. Januar |
Gedenkfeier des »Schutzverbandes deutscher Schriftsteller« in Paris mit Reden u. a. von Egon Erwin Kisch, Rudolf Leonhard, Georg Bernhard, Gustav Regler, im Juli wird seine Urne in Mariefred/Gripsholm beigesetzt. |
O hochverehrtes Publikum,
sag mal: bist du wirklich so dumm,
wie uns das an allen Tagen
alle Unternehmer sagen?
Jeder Direktor mit dickem Popo
spricht: »Das Publikum will es so!«
Jeder Filmfritze sagt: »Was soll ich machen?
Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!«
Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht:
»Gute Bücher gehn eben nicht!«
Sag mal, verehrtes Publikum:
bist du wirklich so dumm?
So dumm, daß in Zeitungen, früh und spät,
immer weniger zu lesen steht?
Aus lauter Furcht, du könntest verletzt sein;
aus lauter Angst, es soll niemand verhetzt sein;
aus lauter Besorgnis, Müller und Cohn
könnten mit Abbestellung drohn?
Aus Bangigkeit, es käme am Ende
einer der zahllosen Reichsverbände
und protestierte und denunzierte
und demonstrierte und prozessierte …
Sag mal, verehrtes Publikum: bist du wirklich so dumm?
Ja, dann …
Es lastet auf dieser Zeit
der Fluch der Mittelmäßigkeit.
Hast du so einen schwachen Magen?
Kannst du keine Wahrheit vertragen?
Bist also nur ein Grießbrei-Fresser -?
Ja, dann …
Ja, dann verdienst dus nicht besser.
Theobald Tiger
»Die Weltbühne«, 07. 07. 1931, Nr. 27, S. 32, wieder in:
»Lerne Lachen«.
Ich will den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen. Ich will einen Roman schreiben. Schöne, wahre Menschen sollen auf den Höhen des Lebens wandeln, auf ihrem offenen Antlitz soll sich die Freiheit widerspiegeln …
Nein. Ich will ein lyrisches Gedicht schreiben. Meine Seele werde ich auf sammetgrünem Flanell betten, und meine Sorgen werden kreischend von dannen ziehen …
Nein. Ich will eine Ballade schreiben. Der Held soll auf blumiger Au mit den Riesen kämpfen, und wenn die Strahlen des Mondes auf seine schöne Prinzessin fallen, dann …
Ich will den Gänsekiel in die schwarze Flut tauchen. Ich werde meinem Onkel schreiben, daß ich Geld brauche.
Anonym
»Ulk«, 22. 11. 1907.
Ich las eines dieser patriotischen Bücher, die das deutsche Heer einer genauem Betrachtung unterziehen. Da stand auch eine historische Erinnerung, die es wert ist, daß wir sie uns aus der Nähe ansehn. Bei der Belagerung von Paris im Jahre 1870, erzählt der Autor, haben sich die feindlichen Vorposten ganz gut gestanden. Man schoß durchaus nicht immer aufeinander, o nein! Es kam zum Beispiel vor, dass man sich mit Kartoffeln aushalf. Meistens werden es ja die Deutschen gewesen sein, die den Retter in der Not gemacht haben. Aber einmal näherte sich ein französischer Trupp von ein paar Mann, die Deutschen nahmen die Gewehre hoch, da sagte jemand auf deutsch: »Nicht schießen! Wir schießen auch nicht!« und man begann sich wegen auszutauschender Getränke zu verständigen.
Man könnte da von »Landesverrat« sprechen, und tatsächlich untersagte nachher ein Armeebefehl diese Annäherungen aufs schärfste. Aber was ging hier Wichtigeres vor sich?
Doch offenbar eine Diskreditierung des Krieges. Denn es ist nicht anzunehmen, daß Pflichtvergessene beider Parteien hier böse Dinge inszenierten. Es waren sicher Familienväter, Arbeiter, Landleute, die man in einen farbigen Rock gesteckt hatte, mit der Weisung, auf andersfarbige zu schießen.