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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2737

 

Die Weisung des Vektorions

 

Ein larisches Relikt in Perry Rhodans Hand – eine Reise ins Ungewisse beginnt

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen.

Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation, die vorgibt, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Die Atopische Ordo gilt bereits seit Längerem in der Galaxis Larhatoon – der Heimat eines Volkes, das in früheren Zeiten großes Unheil über die Menschheit brachte.

Die Rede ist von den Laren, die als Mitglieder des Konzils der Sieben Galaxien für mehr als hundert Jahre in der Milchstraße herrschten. Perry Rhodan und Bostich, die es nach Larhatoon verschlagen hat, versuchen dort mehr über das Tribunal herauszufinden. Dabei hilft ihnen DIE WEISUNG DES VEK-TORIONS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche folgt einer Eingebung.

Gaumarol da Bostich – Der Arkonide möchte Larhatoon so schnell wie möglich den Rücken kehren.

Gesspyr Hocctosser und Voruder-Paac – Der Onryone und der Lare suchen nach der Urheimat der Laren.

Baudencerc – Der Greiko bezeugt die Worte des Ersten Hetrans.

Neacue – Rhodans Begleiter stellt sich vor.

Osueo – Der Lucbarni legt Wert auf den Besuch einer Glutwelt.

1.

Der Flamme so fern

 

Es war ein würdiger Ort. Oh nein, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen – nicht das System war damit gemeint! Axxallia, so die offizielle Bezeichnung, war an sich unspektakulär wie nahezu jedes andere System. Vor allem war es viel zu belebt, zu laut und zu schnell, voll besetzt mit allen möglichen raumfahrenden Völkern, die Kaltblüter waren, auch Fischblütige genannt, weil ihr Organismus zum Großteil aus Wasser bestand. Ja, Wasser!

Allein die Bezeichnung – welch eine unangenehme Vorstellung. Viele Lucbarni weigerten sich, das hässliche Wort, ein wahres Un-Wort, überhaupt auszusprechen. Sie bezeichneten Feuchtigkeit normalerweise als Öl, denn in einer so hohen Konzentration wie beim Wasser erlebten sie diese normalerweise nicht. Ihr Leben lang nicht.

Warum also Axxallia? Nun, wenigstens gab es hier eine löbliche Ausnahme zum Einheitsgemenge: Patthaxa, Planet Nummer 1 des Systems. Eine Glutwelt nannten ihn die Laren. Die Lucbarni hingegen nannten ihn Flammgast. Denn Glutwelt war nicht gleich Glutwelt, da gab es große Unterschiede. Das führte von Flammbar bis Flammfeind. Doch dieser Planet war wie für die Lucbarni geschaffen, in seiner Nähe fühlten sie sich so wohl, dass sie für einige Zeit im niedrigen Orbit verweilen wollten, bevor der Wechsel vollzogen war und die Reise fortgesetzt wurde.

Patthaxa Flammgast war demnach genau der richtige Hintergrund für die anstehende Zeremonie, die Übergabe ... und vielleicht ein wenig mehr.

Osueo strich mit dem Brustarm bedächtig über die Konsole. OVPASHIR, dachte er, nun bist du mein.

Der Hitzeimpuls an seinem Kommunikationssensor neben dem linken Ohr traf ein. Es war so weit. Der Flammenferne wurde bald in den Eisigen Ofen getragen. Osueo spürte freudige Wärme in sich aufsteigen. Er würde daran teilnehmen, als neuer Kommandant war es sogar seine Pflicht, seinen Vorgänger zur ewigen Ruhe zu geleiten. Zum Ruhm des Schiffes, das bald nicht mehr als »junger Brutkokon« belächelt werden sollte.

Er warf auf dem Weg aus der Zentrale nochmals einen Blick auf Patthaxa Flammgast, der groß und flammend die transparente Kuppel ausfüllte. Ein Anblick, dessen er nie müde wurde. Heimatgefühle erfüllten ihn; dort unten gab es zwar manches, was rauer und heißer war als zu Hause, aber dennoch war vieles vertraut wie auf Lucpol.

Osueo konnte es kaum mehr erwarten, seinen Fuß dort hinunterzusetzen. Schon seit einigen Tagen wurde ihm der Spocoonmantel zu eng, er drückte und zwickte ihn überall, und Osueo hatte vor, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden – den Forscherdrang, da er schon einmal vor Ort war, zu befriedigen und gleichzeitig etwas Gutes für sich zu tun.

 

*

 

Osueo hatte den Lift beinahe erreicht, als er einen weiteren Hitzeimpuls spürte. Ein privater Anruf. Er aktivierte den Ohrempfänger, und vor seinen Augen wurde ein kleines Holo aktiviert, das eine Lucbarni zeigte, die ihren Hals mit einigen farbigen Ringen aus Amarit-Vulkanstein geschmückt hatte.

»Akianda«, sagte er ruhig, aber bestimmt, »was hatten wir vereinbart?«

Axa Akianda, die »Feuerflüsterin«, verzog den kleinen Mund zu einem dezenten Lächeln. Sie hatte den Begriff selbst geprägt, denn sie war die Einzige ihrer Art. »Du nimmst mich mit, wenn ich mich nicht ungefragt einmische«, zitierte sie mit eigenen Worten.

»Richtig.«

»Aber wie soll ich dir helfen, wenn ich dir nichts mitteilen darf?«

Es war eigentlich ausgemacht, dass Akianda lediglich zum Sammeln von Wissen an Bord war. Sie verfügte über ein akribisch geführtes Lexikon von beachtlichem Volumen, das mit jeder Reise zunahm. Das ganze Volk der Lucbarni sollte davon profitieren, denn eine Gesamtausgabe wie diese gab es sonst nicht, sondern immer nur dezentrale Archive. Leider war Akianda keineswegs so unsichtbar und schweigsam, wie sie es versprochen hatte. So manches Besatzungsmitglied murrte ein wenig darüber, weil sie Osueo bevorzugte und weil niemand so recht wusste, welche Art Beziehung die beiden eigentlich unterhielten.

Nicht, dass offen Vorwürfe ausgesprochen würden oder Lucbarni jemals stritten; sie waren gelassene, besonnene Wesen, die nicht am Wetteifer der übrigen Völker teilnahmen. Doch so ganz einverstanden waren nicht alle mit Osueos Aufstieg zum Kommandanten, weil ein Zusammenhang mit Akiandas Aufenthalt an Bord vermutet wurde.

Was kaltglatter Unsinn war.

»Gibt es denn etwas Dringendes?«

»Wie man's nimmt.«

Osueos langer beweglicher Hals formte einen Bogen. Seine Art zu seufzen. »Etwas, das in deinem Lexikon steht?«

Eine Frage, die er besser nicht stellen sollte, denn die Antwort lautete prompt: »Es kommt etwas auf dich zu, mit dem du niemals rechnen würdest.«

»Wie kommst du darauf?«

»Auf die übliche Weise«, erklärte Akianda. »Ein bisschen Recherche vor Ort, ein wenig Intuition. Und damit liege ich immer richtig, nicht wahr?«

Osueo wurde nachdenklich. Es gab einen Begriff bei anderen Völkern, die Wesen wie Akianda als »Orakel« bezeichneten. Das lucbarnische Äquivalent dazu lautete »Axa«. Dem stand Osueo kritisch gegenüber, dafür war er zu rational. Aber, das musste er zugeben, sie hörte ausgezeichnet zu und war immer bestens informiert. Und in der Lage, daraus Schlüsse zu ziehen. Die zumeist zutrafen.

»Worauf muss ich mich einstellen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Akianda mit düsterer Glut in der Stimme. »Seltsame Dinge gehen vor sich, Osueo. Und es ist Bedeutsames geschehen, aber das wird dir Venerayke in Kürze mitteilen. Ich sammle nur die Daten und gebe dir den Rat: Halte alle deine Sinne offen und bereite dich darauf vor, sehr ... flexibel sein zu müssen.«

Osueo lachte auf. Er schlenkerte mit dem Hals und rollte den Brustarm ein und aus. »Wenn Lucbarni das nicht sind, wer sonst?«

Akianda verzog keine Miene. »Du weißt, wie ich es meine.«

Der frisch gekürte Kommandant wurde sofort wieder ernst. Wenn Akianda nicht auf solche Scherze einging, musste er sich in der Tat auf einiges einstellen. »Also gut. Wir reden später weiter. Ich muss jetzt zur Zeremonie.«

Hastig beendete er den Kontakt, als er Pexttor beim Lift stehen sah. Der junge Mann war für das Protokoll zuständig und sorgte dafür, dass Ordnung an Bord herrschte. Er versah seinen Dienst gewissenhaft, und deshalb war sein Hals, was nicht weiter überraschend war, um die Mitte herum zum Zeichen eines milden Tadels dezent orange gefärbt, während er Osueo entgegenblickte.

»Ich habe auf dich gewartet«, empfing er den Kommandanten.

»Nur keine Eile«, sagte Osueo gelassen. »Goonu wird es nicht stören.« Er sah Pexttor seine Ungeduld nach; der junge Lucbarni würde bald lernen, dass es so gut wie nie einen Grund gab, sich schnell zu bewegen. Das Ziel war immer gleich weit entfernt, egal wie sehr man dorthin eilte. Zeit war dabei nicht von Bedeutung, sondern der Weg an sich, der zurückgelegt werden musste. Es war wichtig, nicht ins Straucheln oder auf Abwege zu geraten, nur weil man es eilig hatte. Das begriffen die anderen Völker einfach nicht.

»Fahren wir?« Pexttor vollzog eine einladende Halsgeste, die dem Kommandanten den Vortritt ließ.

Sie bestiegen den Lift, der gerade Platz für sie beide bot, und fuhren abwärts an der Ersten Schale des Feuers vorbei, »der Schale Aller«, bis zur Zweiten »Schale des Schlafes«, wo sich alle privaten Unterkünfte befanden. Osueo verließ die Kabine als Erster und wandte sich Pexttor zu.

»Ich werde ein wenig länger brauchen, warte deshalb nicht auf mich. Wir treffen uns unten.«

Der jüngere Lucbarni verzog keine Miene. Er klatschte leicht die Greiflappen des Brustarms gegen die Schale des Spocoonmantels und machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Quartier.

Osueos Quartier unterschied sich in nichts von allen anderen Kabinen: Dort war es niedrig und eng, genau so, wie es die Lucbarni liebten. Weite, offene Räume waren nicht ihre Sache. Da verlor man zu viel Wärme. Und Wärme war Leben. Feuer war Leben.

Der Kommandant legte den Vielzweckgürtel ab und die »Güldene Schärpe der Dankbarkeit« an. Lucbarni trugen Schärpen zu bestimmten Gelegenheiten oder persönlichen Veränderungen, die mit den passenden Farben gekennzeichnet waren. Nach seiner Designation zum Kommandanten hatte Osueo die dazugehörige Schärpe angelegt, doch inzwischen, am zweiten Tag in seiner neuen Funktion, wieder abgelegt. Lucbarni waren im Grunde alle gleich, sie kannten keine Rangordnung oder Hierarchie. Jemand musste natürlich das Schiff führen, doch es ging dabei mehr um die Koordination, unterstützt von den Beratern wie Pexttor.

Osueo sah sich auf dem Posten des Kommandanten, weil er den Überblick hatte und das Schiff bis ins Detail kannte. Ihm gefiel diese Aufgabe, und er hatte vor, sie bestmöglich zu erfüllen. Auch wenn der eine oder andere ihm wegen der »Feuerflüsterin« ein wenig kritisch gegenüberstand. Wenn diejenigen nur wüssten, dass sie einen richtigen Grund zur Kritik, wenn nicht gar Empörung hatten ...

Doch dieses Geheimnis wusste Osueo wohl zu wahren.

2.

Flammenzunge

 

Als er sicher war, dass die Schärpe korrekt saß, und er das Quartier gerade verlassen wollte, verspürte Osueo einen Stich in der Seite und murrte ungehalten. Geduld, Geduld, der Zeitpunkt der Flammung rückte näher.

Der Lucbarni machte ein paar Übungen, damit das Zwicken und Stechen aufhörte, und rang nach Atem. Der Spocoonmantel wurde ihm zu eng, und er konnte nur hoffen, dass er die Zeremonie durchstand, bevor es dringend wurde.

Gleich darauf ließ die Beklemmung nach, und er rief sich selbst zur Ordnung. Lächerlich, diese Panik! Eine Zwangsflammung hatte noch nie stattgefunden, warum sollte es ausgerechnet nun zum ersten Mal kommen? War er etwa zu sehr in Hitze geraten über die aktuellen Vorgänge?

Oh, apropos Hitze, er spürte einen heftigen Impuls am linken Ohr. Anscheinend hatte er die früher ankommenden Signale nicht bemerkt, so beschäftigt, wie er mit sich gewesen war. Nun wurde der Anrufer sehr deutlich, und diesem Warnton nach konnte es sich nur um eine handeln.

Osueo öffnete den Kanal und lächelte dem sich aufbauenden Holo vor seinen Augen entgegen. »Venerayke.«

Sie war die »Flammenzunge« des Schiffes, seine wichtigste Beraterin. Und zugleich stand sie ihm nah; so nah wie niemand sonst. Sie waren einander derart vertraut, als wären sie zwei Hälften eines Ganzen. Niemand auf dem Schiff konnte erahnen, was sie miteinander teilten, und das war gut so und sollte genau so bleiben.

»Osueo, die Zeremonie beginnt gleich«, sagte die Flammenzunge der OVPASHIR mit samtwarmer Stimme, die immer ein wohliges Feuer in Osueos Innerem entfachte. Ein Feuer wie eine anschmiegsame Liegestatt, in die man hineinsank und nie wieder hinauswollte.

»Ja, ich wollte mich soeben auf den Weg machen.« Der Kommandant wies auf die Güldene Schärpe der Dankbarkeit.

»Triffst du dich danach mit mir in der Dritten Schale?«

»Uh«, machte Osueo verwirrt und verlegen. Die Dritte Schale der Empfängnis war zu ebendiesem Zweck gedacht – dort paarten sich die Lucbarni und zeugten Kinder. »Ich ... ich befinde mich nicht in den Tagen der Gabe.« Die Frauen der Lucbarni waren immer fruchtbar, die Männer hingegen nur zu bestimmten Zeiten.

»Das macht nichts.« Das Feuer in Veneraykes Flammenzunge wurde nie dämmend abgedeckt, sie war stets direkt und geradeheraus.

»Aber es gibt doch bestimmt einige Kollegen, die ... die gerade über die Gabe verfügen«, stammelte Osueo.

Das Verhältnis der Frauen zu den Männern stand eins zu zehn. Die Frauen hatten immer die freie Wahl, wen sie gerade als Partner haben wollten, und bei der Anzahl befand sich unweigerlich mindestens einer in der Phase.

»Ich will aber dich. Jetzt. Es muss nicht immer ein Kind dabei herausspringen. Das wissen wir doch beide ...« Venerayke hob leicht den Brustarm, damit Osueo ein winziges Stück ihrer Hülse erkennen konnte, leuchtend in aufreizendem Violett.

Osueo spürte, wie sein Spender am Unterarm sich erhitzte, und die gelb leuchtende Färbung breitete sich rasch aus. Er konnte Venerayke nur selten widerstehen.

Konnte er?

Sie waren gern zusammen, und sie hatten schon einige prächtige Kinder gezeugt, die zum Teil sogar auf diesem Schiff Dienst taten. Jeder an Bord wusste, dass ihre Beziehung ein wenig enger war als gewöhnlich.

Trotzdem ...

»Das ist ungehörig«, murmelte er.

Nicht, dass es verboten wäre oder irgendwelche Konsequenzen hätte, aber es war nun einmal bei den Lucbarni nicht üblich, dass Männer und Frauen außerhalb der Tage Geschlechtsverkehr hatten.

»Die Vorstellung gefällt dir allerdings.« Die Flammenzunge wiegte den Hals schelmisch hin und her. »Ich sehe es dir an.«

Natürlich sah sie es ihm an; so eine Unterhaltung führten sie schließlich nicht zum ersten Mal. Er zierte sich, dann gab er meist nach. Er brauchte das wie ein Ritual. Vielleicht, weil ihn das außerhalb der Tage der Gabe besser in Stimmung versetzte und stimulierte?

»Wenn jemand dahinterkommt ...«

»Das ist unser kleines Geheimnis. Ich habe dieses und du das andere. Möchtest du mir vorher eine Geschichte erzählen? Ich höre dir zu.«

Ja, da waren sie also gleich beide, diese schmutzigen kleinen Geheimnisse, die Venerayke und Osueo teilten, die sie zusammenschweißten. Sie verlockte ihn immer wieder zu heimlichen Begegnungen, und er ... tat etwas viel Unerhörteres.

Er erzählte ihr von seinem Flammleben. Wahrscheinlich würde er sofort seinen gerade erworbenen Posten verlieren, wenn das öffentlich bekannt würde ...

Während der Flammung, bei der der zu eng gewordene Spocoonmantel mit einem Schub wuchs, durchlebte jeder Lucbarni einen Traum, der sich von Flammung zu Flammung fortsetzte. Der Vorgang war sehr intim und meditativ. Er war derart intensiv, als wäre der Lucbarni erst in diesen Momenten richtig am Leben. In diesem »Flammleben« trat er ins Feuer, und selbst wenn gar kein Wachstumsschub anstand, diente der Aufenthalt darin zur Regeneration, zur Heilung, zur Energieaufnahme.

Es war der schönste Moment, den ein Lucbarni sich vorstellen konnte, und deshalb wurde diesem Vorgang auch viel Platz eingeräumt – drei Schalen auf jedem Schiff, dem Oberen, Mittleren und Innersten Feuer. Das Flammleben erschien vielen Lucbarni als das wahre Leben und bedeutender als das Kaltleben, das sie sonst führten, außerhalb des Feuers. Und genau deswegen würde ein Lucbarni niemals einem anderen anvertrauen, was er während dieser intensiven Traumphasen durchlebte.

Bis auf Osueo. Er erzählte Venerayke davon, und sie hörte ihm zu. Und ihm ... gefiel es, sein Innerstes zu offenbaren, diesen einzigartigen Traum, der nur ihm gehörte. Es tat ihm gut.

Meistens schliefen sie danach miteinander, Phase hin oder her, und genossen diese ganz besondere Intimität auf eine Weise, die kein Außenstehender jemals nachvollziehen könnte.

Osueo zwang das Gelb zurück und senkte den Brustarm. »Ich kann trotzdem nicht«, lehnte er tapfer ab, stolz auf seinen starken Willen. »Ich bin gerade Kommandant geworden, und wir haben die Zeremonie, und ... Nein, es geht wirklich nicht. Nicht heute.«

»Schade«, sagte Venerayke.

 

*

 

Osueo dachte, die Flammenzunge würde die Verbindung nun beenden, was nach dieser Abfuhr ihr gutes Recht gewesen wäre, doch weit gefehlt.

»Wie lange wird die OVPASHIR noch im Axxallia-System verweilen?«, schwenkte sie auf ihre Arbeit um.

Das fragte sie nicht ohne Grund, sie hatte dabei einen Hintergedanken. Nun gut. Osueo würde sie nicht drängen. »Nun, in jedem Fall so lange, bis die Zeremonie abgeschlossen ist. Außerdem wollte ich mir noch Patthaxa Flammgast ansehen.«

»Das nimmt nur ein paar Stunden in Anspruch«, sagte Venerayke. »Gut, denn es gibt keine Veranlassung, allzu lange zu bleiben. Kommandant Goonu hatte vor, das Kontrafaktische Museum zu besuchen, deswegen sind wir hierher geflogen, doch er starb vorher. Willst du nun an seiner Stelle dorthin?«

»Nein. Ich habe mit den Laren oder den Onryonen nichts zu schaffen, und Goonu hat mir nicht mitgeteilt, warum er in das Museum wollte.« Osueo merkte, dass die Flammenzunge das Gespräch in eine bestimmte Richtung lenken wollte.

»Ja, da gibt es tatsächlich einen merkwürdigen Zufall«, sagte sie und näherte sich augenscheinlich dem Glutpunkt an, »der Erste Hetran der Laren ist ebenfalls verstorben.«

»Na und?« Osueo ließ seinen Arm pendeln. »Ich habe mit den Laren nichts zu schaffen, genau wie Goonu. Oder denkst du, er hat das Museum aus einem Grund, der mit den Kaltblütern zu tun hat, besuchen wollen? Hatte er etwa mit dem Ersten Hetran Kontakt?«

»Er hat sich mir nicht anvertraut, wenn du das meinst.«

»Dann verstehe ich nicht, worin der Zusammenhang liegen soll, abgesehen von dem Umstand, dass beide tot sind.«

»Erklär mir, was du dir vorstellst als Kommandant«, forderte Venerayke ihn auf, ohne diese Linie weiterzuverfolgen.

»Ach, wenn es nach mir ginge«, feuerte Osueo los, »würde ich alles hinter mir lassen, Larhatoon verlassen und nach Lajaspyanda fliegen ...«

»In die Greiko-Galaxis?«

»Ja, warum nicht? Dort soll es phantastische Feuerwelten geben. Ich würde mich auch gern mal in Chmacy-Pzan umsehen! Wer weiß, vielleicht gibt es dort Wesen wie uns. Obwohl du zugeben musst: Keiner ist so wie wir.«

Ein blau-rot-grünes Lächeln lag in Veneraykes schillernden Augen. Dieses Vielfarblächeln mochte Osueo ganz besonders an ihr, und fast bedauerte er seine vorherige Ablehnung. Er würde bis zu einem anderen Mal warten müssen.

»Und was genau hindert dich, dorthin zu reisen?«

Was für eine Frage! Machte sie sich über ihn lustig? »Das weißt du doch! Photonhort.«

Ein Un-Wort oder vielmehr ein Un-Name, genauso schlimm wie Wasser. Nein, schlimmer. Der Toloceste Photonhort beschränkte die Reichweite des Schiffes. Aber nicht nur die OVPASHIR litt unter einem Tolocesten, der sie drosselte, sondern Tolocesten gab es an Bord aller Lucbarnischiffe, aller Larenraumer und welche Schiffe sonst noch in dieser Galaxis herumflogen – es sei denn, sie gehörten dem Atopischen Tribunal.

»Er würde zu meinem Vorschlag jede Menge gefrierendes Zahlengemenge äußern, das niemand versteht, und sich als genau die Plage erweisen, die er ist!«

Der Toloceste verfügte über einen eigenen Bereich im Schiff, den er nie verließ – was wünschenswert war. Auch sonst nahm er nicht am Bordalltag teil, wofür jeder dankbar war. Dennoch war er da, unvermeidbar, unauslöschlich wie Ölfeuer, und machte den Lucbarni jeden Tag aufs Neue bewusst, dass sie niemals frei waren. Sie konnten scheinbar fliegen, wohin sie wollten, aber eben nur innerhalb der festgelegten Grenzen – und Geschwindigkeit.

Dabei waren die Tolocesten nicht das wahre Übel, das war das Atopische Tribunal, eine unausrottbare Fäulnis, die jedes Feuer im Keim erstickte. Schuld an dieser unheilbaren Sternenpest waren die Laren mit ihren unverantwortlichen Taten, und alle hatten darunter zu leiden.

Einschließlich der Lucbarni, die sich stets aus sämtlichem kosmischen Geschehen heraushielten, die lediglich harmlose Sternenreisende waren, die nur ihr eigenes Feuer unterhielten und dort lebten, wo niemand sonst leben konnte oder wollte. Sie trachteten nicht nach Eroberung und nicht nach Verbreitung unsinniger Weltanschauungen, sie waren nur ein kleines Flämmchen am Rand des Herdes. Sie wollten ihre Ruhe haben und ließen dafür alle anderen in Ruhe.

»Worauf willst du hinaus, Venerayke?«, fragte Osueo. Auf einmal musste er an die gerade eben geführte Unterhaltung mit der Feuerflüsterin Akianda denken, und erschauernd spürte er einen Hauch von Kälte über sich hinwegziehen. Sie hatte ihn vorgewarnt, und anscheinend nahm es in diesem Moment seinen Anfang.