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Walter Gerten

Die Sternenbücher Band 11 Das Ubewu





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Einführung

 

I M P R E S S U M
Das Ubewu

Die Sternenbücher, Band 11

von Walter Gerten
© 2016 Walter Gerten.
Alle Rechte vorbehalten.
Autor: Walter Gerten
info@smg-gerten.de

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne
Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Text, Zeichnungen, Bilder und Fotos von Walter Gerten. © 2016 Walter Gerten

Der Autor:

Walter Gerten lebt seit vielen Jahren in der ländlichen Südeifel. Als Autor betätigt er sich seit dem Jahr 1999. In der Anfangsphase, ab 2000 bis 2003 nahm er an einer intensiven Schreibwerkstatt teil, es folgten Lesevorträge. Daneben betreibt er seit dem Studium Malerei und Grafik, die ebenfalls teilweise als Illustration Einzug in seine Schriftwerke findet.

 

Weitere Romane:

Manfred Wilt und der Tote am Fluss
Manfred Wilt und die Rocker
Der Bote des Zarathustra
Monte Nudo
Unterwegs mit Tom Kerouac
Ich bin ein Schiff
Die Sternenbücher 1 Professor Montagnola
Die Sternenbücher 2 Akba
Die Sternenbücher 3 Die dunkle Seite des Mondes
Die Sternenbücher 4 Der Sinn des Lebens
Die Sternenbücher 5 Planet der Phantome
Die Sternenbücher 6 Das Nichts
Die Sternenbücher 7 Tod eines Springers
Die Sternenbücher 8 Paradise2
Die Sternenbücher 9 Solitan
Die Sternenbücher 10 Das Symbol für Solitan

 

Das Buch

Eine Gruppe Biologen erforscht die Flora und Fauna eines fernen Planeten. Auch der Pilot wird für eine spezielle Feldforschung eingeteilt, verliert den Kontakt zur Station und gerät in eine von unterschwelliger Panik gezeichnete Situation, die mit einer unkalkulierbaren Eigendynamik das gesamte Team an den Rand des Belastbaren treibt.

Die Handlung und die Namen der Personen sind frei erfunden.

Dieses Buch erhebt keinerlei Anspruch auf Richtigkeit im physikalischen, biologischen, mathematischen, politischen, historischen, wissenschaftlichen, religiösen, philosophischen oder medizinischen Bereich.

 

 

Inhalt

 

Einführung. 1

1       *** Das Lager

2       *** Besuch der Biologen

3       +++ Montagnola 1

4       *** Muster

5       *** Angriffstaktik

6       +++ Montagnola 2

7       *** Missing Link

8       *** Vertrieben

9       +++ Montagnola 3

10      *** Beraubt

11      *** Der Kampf

12      *** Warten

13      +++ Montagnola 4

14       *** Unterwegs

15      +++ Montagnola 5

16       *** Stimmen

17       *** Eremitage

18       *** Die Station

19      +++ Montagnola 6

20       *** Zurück im Team

21       *** Die Botschaft

22       *** Relax

23      +++ Montagnola 7

24       *** Separation

25       *** Voyeur

26       *** Das letzte Resultat

27       *** Abreise

28       *** Heimkehr

29       *** Wanderharpe

30       +++ Montagnola 8

31       *** Treibjagd

 

1 *** Das Lager

1. Das Lager

 

Ich betrachtete das Exemplar der Gattung Buckelwerf, das völlig entspannt vor meinem Biwak im Gras lag und sich die Sonne auf den fetten Panzer scheinen ließ. Ich hatte ihn Jacob getauft. Es war ein Männchen.

Seine Kugelaugen flimmerten in gelbgrünen Facetten. Man konnte nie genau sagen, was sie denn nun gerade ansahen, denn diese beiden Kugeln an dem dreieckigen Kopf standen so weit vor, dass sie vermutlich ein Blickfeld von 360 Grad abdeckten.

Jacob gehörte zu der eher kleinen Art „Hornwerf“. Buckelwerfe besaßen allesamt hinter den eher kleinen, spitz zulaufenden Köpfen einen imponierenden Buckel in höchst unterschiedlichen Formen. Bei den Hornwerfen war dieser Buckel steil aufragend wie ein nach hinten geschwungenes Nashorn geformt. Jacob war ausgewachsen und etwa hundegroß, also durchaus beachtlich, aber im Vergleich zu anderen Arten doch noch als klein bis mittel zu bezeichnen.

Er wälzte sich auf die andere Seite und streckte mir seine sechs dürren Beine entgegen. Auf der Erde hätte man ihn vermutlich als Insekt eingeordnet, aber hier auf Undermind galten diese Kategorien nicht und tatsächlich gab es gravierende Unterschiede. Ich war kein Fachmann für Zoologie, die Biologen waren etwa hundert Kilometer entfernt nördlich stationiert und erforschten unter anderem die Buckelwerfe. Meine Aufgabe war eine andere.

 

Das Blatt Papier vor mir war noch leer, jungfräulich. Der Stift zwischen meinen Fingern tänzelte stattdessen über die Kante des Tischs und erzeugte dabei klappernde Töne, die mich an die Sprache der Hornwerfe erinnerten. Und tatsächlich kam Jacob zuckend auf die Füße zu stehen, drehte sich um und trabte heran.

Wuchtig schwankte sein Horn im Takt der trippelnden Beine. Der gesamte schillernde Panzer geriet dabei in einen schräg einfallenden Sonnenstrahl, der zwischen den hohen Baumkronen hindurch auf die Wiese fiel. Wie ein regelmäßiges Narbenmuster überzogen faustgroße Dellen und Beulen in regelmäßigem Schema seinen Rücken, unter dessen Rand die fleißigen sechs Beinchen marschierten, schnurstracks auf die Geräuschquelle zu, die ihn interessierte.

Kein Tier zum streicheln. Jacob polarisierte zwischen Abscheu und Faszination. Ich wusste nicht im geringsten, was ihn in meiner Nähe hielt. Vielleicht spürte er, dass ich zur faszinierten Klientel gehörte.

Mahnend fiel das weiße Blatt in mein Blickfeld. Richtig, die Arbeit. Jacob stand nun gegenüber dem Tisch und starrte mich an. Blickkontakt war nicht möglich; Facettenaugen mit hunderten von reflektierenden Einzelsegmenten lassen keinen Blick erkennen. Sie bewegen sich nicht, sie schließen sich nicht, sie haben keine Pupillen. Farbige Kuppeln mit sechseckigem Muster.

Der Stift bewegte sich zur linken oberen Ecke des Papiers, notierte ein Wort:

"Undermind"

Dann: "Muster". Ja, es war ein Tasten im Unterbewusstsein, in dem die Gründe für die Entscheidungen lagen. Es gab einfache Beispiele für einfache Handlungsstränge: Eifersucht, verknüpft mit der Konfrontation des Nebenbuhlers wird keine Sympathie aufkommen lassen. Versagensangst, verknüpft mit ununterbrochenem Selbstzweifel wird Scheitern vorprogrammieren. In dieser Art ließen sich unzählige Dinge verweben.

Das Muster der Verknüpfungen mochte auf der Erde zu einem unentrinnbaren Filz zwischenmenschlicher Handlungen führen. Hier auf diesem Planeten waren wir neu, unverfilzt, jungfräulich wie das weiße Blatt Papier. Wir würden die Muster entlarven können; unsere Muster und diejenigen der Bewohner von Undermind. Denn auch das gehörte zur Mission: Gibt es Wesen ohne Unterbewusstsein?

Der Stift hatte sich nicht weiterbewegt. Entschlusslos hatte er das Klopfen an der Tischkante wieder aufgenommen. Er wartete auf das Ende meiner Tauchfahrt, auf Klarheit der Muster, die sich in meinem Treibnetz finden mochten. Doch ich war abgelenkt, viel zu abgelenkt. Ein Verdacht nagte an irgendeiner unfertigen Sache, die sich knapp außerhalb meiner Wahrnehmung befand.

Sie betraf die Forschungsstation. Wieso hatte ich das dumpfe Gefühl, selbst unter der Lupe dieser Zoologen zu liegen, in ihrem Fangnetz zu zappeln? Ein Missverständnis, ein Irrtum, eine Fehldeutung eines zweideutigen Wortes? Was war es gewesen, das dort an der Peripherie meine Neugier geweckt hatte? Mein notorisches Misstrauen oder ein unbeabsichtigter, winziger Hinweis auf Filz von der Erde?

 

Es gab Kategorien von Verknüpfungspunkten im Muster; und das Muster, das Vorhandensein eines Musters im Ubewu schien bis dahin unzweifelhaft. Das Ubewu hatte eine enorme Macht über den Menschen, doch wie war es mit den Bewohnern Underminds? Jacob erweckte den Eindruck, zumindest wenn er nicht schlief, dass ihm sämtliche Ereignisse, die seine Sinne ihm lieferten, zu jeder Zeit voll bewusst waren. Er nahm vermutlich erheblich mehr wahr als ich.

Jetzt drehte er sich um und richtete seinen Blick auf die Grasfläche vor uns. Am Waldrand schreckte ein Kranichfalter auf. Zwischen den Bäumen trabte ein „Elefantenwerf“ hervor auf die Lichtung. Tatsächlich sah dieses Tier dem Elefanten sehr ähnlich, aber etwas kleiner. Auch diese Buckelwerfe hatten einen Saugrüssel, mit dem sie Pflanzen anstachen und ihren Saft tranken. Der enorme, kugelförmige Buckel schwankte beim Laufen; das Tier trabte über die Lichtung auf mein Biwak zu. Fünf weitere der gleichen Art brachen soeben aus dem Dunkel des Waldes und folgten ihrem Anführer.

Jacob reckte die dünnen Beinchen und erzeugte in seinem Horn einen dumpf vibrierenden Warnton, der wie Trompetenschall die Luft erfüllte. Er trippelte einige Meter vor und hob den Kopf witternd. Ich sprang von meinem Stuhl auf und hob die Hand vor die Stirn, um die blendende Sonne abzuschatten. Irgendetwas hatte die kleine Herde in Unruhe versetzt. Normalerweise verließen sie den Wald nur nachts. Doch jetzt bewegten sie sich eilig auf mein Zelt zu und drohten, es niederzuwalzen.

Alarmiert lief ich dem ersten Koloss entgegen, ergriff einen am Boden liegenden Ast und schwenkte ihn abwehrend. Eine breite Spur durch das hohe Gras ziehend kam mir der Werf mit gesenktem Kopf entgegen, bremste abrupt ab, als er mich wahrnahm und blieb zwei Meter vor mir stehen. Sein Rüssel aus hartem Panzer reckte sich mir entgegen, seine kugeligen Facettenaugen starrten mich an. Hinter seinem breiten Kopf ragte der typische Buckel auf, der bei dieser Art zwei hochaufragende Höcker besaß; Hohlräume, mit deren Hilfe sie kommunizierten. Ein dumpfer Brummton schwoll an und verstärkte sich, in den die anderen fünf Tiere einstimmten, bis sie ebenfalls mir gegenüber stehen blieben und verstummten.

Ich hob den Stock; hoffte, dass er genügen würde, um sie am Weiterlaufen zu hindern; kam mir angesichts dieses untauglichen und viel zu kurzen Werkzeugs lächerlich vor, da er ihnen soeben bis zum Rüssel ragte. Aber sie verharrten in einer Reihe, unbeweglich, unsicher, was dieses ihnen unbekannte Wesen bedeutete. Der Anführer hob seinen Rüssel ein wenig, die breiten Füße stampften einen kleinen Schritt vor.

 

 

Sein Kopf war über und über mit regelmäßigen Punkten übersät, die jeweils in kleinen Vertiefungen im Panzer saßen. Aus jedem sprießte ein kurzes Haar. Die Kugelaugen mit den unzähligen sechseckigen Facettenfeldern schillerten rot und violett, bewegten sich keinen Millimeter, während die beiden langen Fühler zwischen ihnen beharrlich vor und zurückschwankten. Der mächtige Körper mit dem Buckel, der wie ein Hügel aufragte, sah aus der Nähe ebenfalls wie eine Kraterlandschaft aus, mit einem netzartigen Vertiefungsmuster; rotbraun mit einem gelben Rand am Bauch, dort wo die unteren Weichteile und die sechs Beine von ihm überdeckt wurden. Ich wusste, dass der verletzliche Bauch und der Hinterleib die Schwachstellen der Werfe waren. Doch ich hatte nicht vor, sie anzugreifen. Dazu fehlten mir die Waffe und der Beweggrund.

Wieder entstand ein tiefer, wummernder Klang in den beiden Nackenhöckern der Tiere; sehr leise, fast beruhigend und melodiös. Ich senkte den Ast und ging einige vorsichtige Schritte rückwärts. Fast wäre ich über Jacob gestolpert, der unvermittelt hinter mir stand und die Szene beobachtete. Behutsam zog ich mich weiter zurück. Die Tiere blieben stehen und warteten. In diesem Moment sah ich vom Wald her den Grund für die Beunruhigung der Herde auftauchen.

Es war ein zweirädriger Transporter der Biologen. Das schmale und hohe Gefährt fuhr auf die Lichtung und bremste ab. Vermutlich hatten die Insassen die Situation erkannt und wollten vermeiden, dass die Werfe weiter in Richtung meines Lager liefen. Der Wind stand günstig und durch die lautlose Fortbewegungsart des Transporters blieb er bis jetzt unbemerkt.

Jacob lief plötzlich an mir vorbei auf die großen Elefantenwerfe zu, hob den Kopf, soweit es ihm der starre Rückenpanzer erlaubte. Er gab hölzern klappernde Geräusche von sich und trompete. Verstört und unschlüssig wich der Anführer der Herde ein wenig zurück, wendete dann und trabte in östlicher Richtung davon. In gleichmäßigem Abstand folgten ihm seine Artgenossen einer nach dem anderen. Ich hob die Hand und winkte die Biologen heran, die langsam vorfuhren bis zum Zelt.

 

2 *** Besuch der Biologen

2. Besuch der Biologen

 

Mara schob den Stuhl zurück, setzte sich und legte ihre schönen Beine über meinen Schreibtisch. Das Blatt mit den zaghaft begonnenen Ubewu-Mustern glitt zu Boden. Sie bog den Rücken, streckte die Arme über den Kopf und gähnte.
„Wir haben vier Stunden gebraucht für die Strecke. Nächstes Mal kommst du wieder zu uns. Mir wird das zu anstrengend. Der Transporter ist einfach zu ungelenk. Man sollte fliegen; das wäre einfacher.“

Molin und Gerd waren sofort den Elefantenwerfen zu Fuß gefolgt. Es gab diese Art nicht in der Umgebung der Biologenstation. Sie lebten nur in der Ebene, in locker bewachsenen Waldgebieten mit breitstängeligen Pflanzen, die sie zum Überleben benötigten. Deshalb war es eine gute Gelegenheit, ihr Verhalten zu beobachten.

„Was macht die Ubewu-Forschung? Haben diese dicken Kaltblüter überhaupt etwas anderes als Unterbewusstsein?“ Mara zog sich die Sonnenbrille aus den dunklen Haaren und schob sie vor die Augen.

„Umgekehrt, meine Liebe. Sie sind ganz bewusst. Mir scheint, unterhalb gibt es nur noch das genetische Triebverhalten, das ihrer Art eigen ist. Sie haben im Gegensatz zu uns keinerlei psychische Probleme, wenn du das meinst.“

Sie hob die Brille an und warf mir einen kritischen Blick zu. Ich grinste. Es war die typische, Debatte, die unsere unterschiedlichen Arbeitsweisen begleitete und uns immer wieder in solche spaßhaften, wie Bälle zugeworfene Parolen führte. Im Kern handelte es sich um die biologische Frage nach der Sonderstellung des Menschen, die Biologen gerne aus ihren Kategorisierungen herauslasen. Maras Lieblingsthema war dabei auch ihr Lieblingsspielfeld, auf dem sie die Ballbeherrschung perfektioniert hatte: Erzeugung sexueller Anziehung.

„Der Trieb? Du meinst aber jetzt nicht wirklich so etwas wie Erotik, oder?“

Sie spielte ein wenig mit ihren nackten Zehen, zu denen sie sich vorbeugte, vermutlich, um ihren schönen Nacken und die Schultern ins Blickfeld zu bringen. Sie trug Shorts und ein ärmelloses Hemd. Ich stand neben Jacob, der sich wieder auf seinem Platz unter dem Tisch zurückgezogen hatte.

„Diese Werfe sind bemerkenswerte Tangotänzer. Hast du das gewusst? Jacob hier, so träge er auch manchmal aussieht, hat einmal, als er ein Hornwerfweibchen in der Nähe witterte, eine ganze Stunde lang gesungen und getanzt. Hab’s gefilmt, wenn du es mal sehen willst. Er hatte Glück; sie mochte ihn.“

"Sag, wie steht's denn mit deiner Einsamkeit? Wir sind da oben wenigstens zu fünft. Du bist hier immer allein. Geht dir das nicht auf die Nerven?"

"Ach weisst du, Mara. Ich arbeite ja nicht das erste Mal alleine. Komme ganz gut zurecht damit, danke."

"Wir haben manchmal ziemlich viel Spaß zusammen; und die Arbeit wäre in der Station alleine gar nicht zu schaffen." Sie zog das rechte Bein an und ließ es sanft schaukeln, legte die Hände auf die braunen Oberschenkel und lächelte. "Natürlich gibt es auch manchmal Differenzen und miese Stimmung, aber eigentlich möchte ich nicht mit dir tauschen. So ganz ohne Gesellschaft, - nein, eher nicht. Wie ist das denn für dich?"

"Ich habe da nicht dran gedacht, seit ich hier mein Projekt begonnen habe. O.K., wir haben uns ganz gut unterhalten, als ich noch drüben bei euch war, aber meine Arbeit ist am besten alleine zu bewältigen."

"Wieso? Das Ubewu ist doch, wenn ich deinen Einwand richtig verstehe, eine menschliche Komponente und trägt kollektive Züge."

"Gerade deshalb. Aus der Entfernung nimmt man seine Funktionsweise am besten war. Ist man ihm zu nah, dann nimmt es dich auf und zieht dich mit. Es lässt sich dann nicht mehr beobachten, weil sich seine Dynamik beschleunigt. Der Chef wusste, warum er mich mit diesem Thema beauftragte. Bin ein Einzelgänger und einsame Missionen gewohnt."

"Brauchst du denn nicht Anschauungsobjekte, sagen wir mal, mich, um die phantastische Welt des Ubewu zu studieren?" Sie blinzelte mich an. Eine kleine, rote Zungenspitze erschien zwischen ihren Lippen und benetzte ihren Mund. Sie beugte sich leicht vor. Mein Blick fiel auf ihre Brustansätze, die weich und hell lockten.

"Mein Objekt ist nicht der triebhafte Teil des Ubewu, sondern der emotionale. Das Projekt befasst sich mit der Frage, ob es Archetypen gibt, die auch in den Wesen zu finden sind, die wir Tiere nennen. Deshalb habe ich diesen Ort hier für mein Lager gewählt. Diese Lebewesen, die wir als Insekten einordnen, würden wir am ehesten als emotionsfrei bezeichnen. Menschliche Betrachtungsobjekte betreffen meine Arbeit nur am Rande, als Vergleich."

"Oh! Ist das nicht extrem schwierig, nahezu aussichtslos? Uns Biologen interessiert ja primär das Tier als Teil seiner Umwelt; wie es körperlich und mit der Verarbeitung seiner Sensorik in sein Milieu eingegliedert ist."

"Das spielt natürlich auch bei meinem Thema eine Rolle. Aber nicht in der biologischen Betrachtungsweise, sondern unter dem Aspekt der Erkenntnisfähigkeit. Erkenntnistheorie ist in meinem Feld die Frage nach den Mustern, die die Art hinterlegt, individuell oder kollektiv. Das könnte Rückschlüsse auf das menschliche Ubewu ermöglichen, das ja noch immer nicht ganz verstanden ist."

"Ist das wichtig? Ist das nicht ein Feld immer neuer großer Vermutungen? Und wenn die allerersten Theorien, die der Libido die Hauptrolle zusprachen, nun doch die einzig richtigen wären?" Sie kratzte sich im Nacken und raffte ihre Haare, drehte sie zu einem lockeren Knoten auf den Kopf. Unter dem dünnen Hemd zeichneten sich ihre Knospen ab.

"Übrigens, mir ist warm. Hast du was zu trinken da?" Sie zupfte am ihrem Ausschnitt und wedelte etwas frische Luft an ihre Haut. Ich beschattete meine Augen mit der Hand und spähte nach Osten. Von der Werfenherde und den beiden Biologen war nichts mehr zu sehen. Ich ging ins Zelt.

Im Küchenabteil stand der gekühlte Wasservorrat für zwei Wochen. Ich zapfte zwei Becher ab. Plötzlich war sie hinter mir und legte eine Hand auf meine Schulter. "Puh, hier drin ist es ja auch nicht kälter." Die Hand rutschte abwärts, während ich mich umdrehte und die Becher wieder abstellte. Ihre Shorts hatten einen Magnetverschluss, der fast von alleine aufsprang. Ihre Haut war glatt und geschmeidig, einladend wie schattige Wiesen unter raschelnden Bäumen. Ihre Finger mühten sich mit meiner Hose ab, glitten tastend hinein und wieder heraus, entblößten ihre Brust, zogen mir das Hemd über den Kopf. Das Ubewu war nicht länger unbewusst. Ganz Aufmerksamkeit fühlte und roch ich, schmeckte und sah ich, spürte ich die Zärtlichkeit und Wildheit unseres Verlangens.

 

Molin hatte kein Gefühl für sensible Situationen. "Ach, hier seid ihr. Wir laufen uns die Füße wund und ihr? Ihr liegt hier hinter dem Zelt im Gras." Er strich lässig die dunklen Haare aus der Stirn und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Dann steckte er die Hände in die Taschen seiner sandfarbenen langen Hose und erweckte den Eindruck, dort stehen zu bleiben. Mara motzte ihn an, dass er sich verziehen sollte. Dann stand sie auf, steckte ihre Zehen kitzelnd unter meinen Bauch, kicherte. Ich drehte mich auf den Rücken und betrachtete sie.

Sie lächelte verlegen. "Ich dachte, Leute, die sich mit dem Unterbewusstsein beschäftigen, seien immer kühl, distanziert und kontrolliert, aber du jedenfalls scheinst da eine Ausnahme zu sein."

"Doch, doch. Mir entgeht nichts. Merkst du nicht, wie unheimlich und manipulativ ich bin?" Ich zerzauste mir die Haare und kniff die Augen zusammen. "In Wirklichkeit bist du nur eins meiner Versuchstiere und das war nicht mehr als ein Test, oder was dachtest du?"

Sie lachte, setzte sich rittlings auf meine Oberschenkel und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. "Bist du sicher, dass die Bedingungen wissenschaftlicher Prüfung standhalten, oder müssen wir den Versuch wiederholen? Nun, wie es aussieht, jetzt wohl eher nicht, oder?"

Ich hatte mich einfangen lassen, freiwillig. Natürlich, wieso nicht? War ich Supermind?

Der triebhafte Teil meines Unterbewusstseins war nicht mein Feind und ich hatte noch nie verstanden, warum wir Menschen derart herablassend darauf blickten. Warum sollte ich aus falscher Überheblichkeit die einfachen, fundamentalen Grundlagen des universellen Überlebens leugnen. Ja! Ich hatte keine Angst vor meinem Ubewu. Warum auch? Es war nicht finster, unheimlich, hinterhältig, bevormundend. Man musste es nur verstehen.

Gut, mit dem vollständigen Verstehen haperte es noch, ich war ja noch mitten in der Arbeit; oder, sagen wir, am Anfang der Arbeit. Aber immerhin hatte ich bereits eine Menge Ressentiments gegenüber dem Ubewu abgelegt. Manchmal sonnte ich mich sogar in dem Gefühl, da kaum Überraschungen erwarten zu müssen, die Löwenanteile bereits zu kennen. Eine Täuschung, das wusste ich schon; aber so arbeitete das Ubewu. Stets zum Vorteil des Ganzen, nicht in dieser verzwickten, undurchschaubaren Manier, die man ihm gemeinhin unterstellte.

Ich sah mich ehrlich gesagt in der Phase, die man mit "freundschaftlichem Kennenlernen" umschreiben könnte. Mara spürte eindeutig die Anziehungskraft eines klaren, aufgeräumten und beherrschbaren Trieblebens, das auch ihr geläufig war, wenn auch eher unbewusst und zweckorientiert.

Die drei Biologen würden vermutlich am nächsten Tag mein Lager wieder verlassen. Für heute war es zu spät, vor allem, da noch überhaupt keine Gespräche über den Zweck ihres Auftauchens stattgefunden hatten. Ich vermutete einen Abgleich unserer Arbeitsfelder, der aufgrund eines Kontaktes zur Erde notwendig geworden war. Ich selbst hatte nur Kontakt zur Station.

Auch wenn es für sie wahrscheinlich nicht so aussah, so war ich doch in den wenigen Tagen, seit ich die Station verlassen und in meinem Lager das Projekt Ubewu begonnen hatte, bereits zu bemerkenswerten Fortschritten gekommen, mit denen ich sehr zufrieden war. Wichtige Eckpunkte waren abgesteckt. Ich hatte die Komplexität unterbewusster Muster reduziert und durch Platzhalter symbolisiert, eigentlich ähnlich den Trumpffarben eines Kartenspiels.

Angst, Selbst, Befrachtung, Erwartung. Das waren die vier Farben und gleichzeitig die höchsten Vertreter, Führer der Untervertreter, der Untergruppen, in Wirksamkeit und Wertigkeit absteigend gestuft wie die Karten eines Spiels. Und spielerisch wurde zunehmend der Umgang mit den Vertretern dieses Reiches, das direkt an den Trieb grenzte. Ich brannte darauf, wieder allein zu sein, denn diese Zwischenwelt der Beziehungen zu den anwesenden Personen störte mich, machte mich abhängig, unfrei, behinderte meinen distanzierten Blick.

Die drei wussten mit meiner Arbeit wenig anzufangen, das war klar. Ich konnte es in der Luft schweben sehen, es greifen und betrachten, wie sie ihre sicherlich wichtigen Arbeiten mit meiner "spekulativen" Tätigkeit verglichen. Schlimmer war, dass sie eine Anweisung von der Erde mitbrachten. Wir saßen rund um meinen Schreibtisch. Gerd musterte verständnislos das Blatt Papier, das er vom Boden aufgehoben hatte. Der forschende Blick ließ sein Gesicht ein klein wenig ernster aussehen. Er kratzte sich am Kopf, schob die lockigen, irisch-roten Haare zurück.

"Der Chef lässt dir ausrichten, dass deine ersten Datensätze sehr ermutigend aussehen. Doch er erwartet eine deutliche Fixierung auf die beiden ersten Bereiche. Ich weiß ja nicht, was da jetzt genau gemeint ist, denn wir sind ja in der Station mit ganz anderen Forschungen beschäftigt, aber er meinte, Angstbereich und Selbst seien von bevorzugtem Interesse. Das komplette Nachrichtenpaket haben wir dir ja gesendet; der Chef meinte aber, eine persönliche Unterredung mit dir sei unerlässlich. Und da wir sowieso in die Gegend hier wollten, um unsere Daten mit Zählungen und Untersuchungen aus der Ebene zu ergänzen, sind wir halt straight zu deinem Lager gefahren."

"Angst und Selbst? Ja, klar. War zu erwarten. Die Lieblingsthemen. Gut; wir werden sehen, ob es da noch Überraschungen gibt. Ihr bleibt bis morgen?"

"Es gibt für heute noch die wenigen Punkte abzuhaken, die unsere Unterredung betreffen und morgen werden wir uns im Wald mit den Lagerplätzen der Werfe beschäftigen, Nahrung, Nachwuchs, Fressfeinde etc. Dann die Rückfahrt zur Station. Ja, vermutlich bist du uns morgen Abend wieder los."

"So war das nicht gemeint! Ihr seid willkommen. Ich freue mich, dass ihr hier seid. Wirklich!"

"Alles klar. Nichts für Ungut. Wir freuen uns auch, dich zu sehen. Siehst gut aus! So, als ob alles gut für dich läuft. Das ist schön. Bei uns in der Station gibt es ein paar Problemchen. Gut, der Chef ist zufrieden mir den ersten Ergebnissen, aber ganz ehrlich: Dieser Planet ist langweilig. Es ist kaum zu erwarten, dass wir hier unter den zigtausend Insektenarten irgendeine Gensequenz auftreiben, die der genauen Betrachtung auf nützliche Verwendung auf der Erde lohnt."

Das war es. Genau das war der Grund für meine emotionale Distanz zur Station. Diese kritiklose Umsetzung einer zweckgebundenen Betrachtung der Welt, dieser Welt. Zum Kotzen. Sektor zwei: Das Selbst.

 

Molin und Gerd hatten den zweirädrigen Transporter so geschickt gegenüber dem Zelt abgestellt, dass sich dadurch ein kleiner Platz zum Sitzen und Reden ergab. Sie hatten den Wohnbereich des Fahrzeugs geöffnet und drei Faltstühle heraus geholt. Es begann zu dämmern. Jacob hatte sich verzogen, nachdem er furchtlos alle Anwesenden abgeschnuppert und kennengelernt hatte. Das typische Verhalten für ausnahmslos alle Lebewesen: erkennen, einteilen in Freund und Feind, rein nach bereits Bekanntem und nach Sympathie. Mit dem dunklen, langhaarigen Molin hatte er ein wenig emotionale Probleme, was ich daran erkannte, dass er länger als gewöhnlich dessen schwarze Hose begutachtete und dann einige Schrittchen rückwärts auswich.

Molin: „Der Grenzbereich zwischen Triebsektor und Unterbewusstsein; das scheint für den Chef das Interessanteste überhaupt an deinem Forschungsthema zu sein. Fast hat man den Eindruck, dass du so etwas wie der Star des Unternehmens bist. Unsere biologische Forschung verblasst daneben regelrecht. Verstehe ich zwar nicht, aber vielleicht täusche ich mich ja auch, weil gerade sehr viel über dein Projekt geredet wurde. Jedenfalls sollst du dich darauf fokussieren.“

Mara: „Der Triebsektor ist ja von uns Biologen zu Genüge dokumentiert. Die Reflexe, die angeborenen Instinkte, der Arterhaltungs-, Überlebens- und Sexualtrieb, das Aggressionsverhalten, all die unerlernten Muster der jeweiligen Art, das sind übertragbare Phänomene. Sie lassen sich nicht unterdrücken. Doch dein Bereich, der benachbarte Sektor des Unterbewussten, wird davon beeinflusst. Es wird unerlässlich sein, dass wir zusammenarbeiten. Ich würde vorschlagen, dass einer von uns, oder eine von uns, ähm, regelmäßig …“ Sie sah sich unsicher um, verstummte, ohne den Satz zu Ende zu bringen.

Gerd: „Ach, es scheint mir ziemlich eindeutig zu sein, was der Chef will. Zwar beschäftigen wir uns hier mit den Tieren des Planeten und natürlich haben die auch ein Unterbewusstsein, aber entgegen der ursprünglichen Mission zieht er offenbar Parallelen zur Erde, die brauchbar sein könnten. Ist doch klar! Es gibt immer auch praktischen Nutzen, der die Kosten für so eine Reise rechtfertigen soll. Du bist dabei, weil du ein fähiger Einzelgänger bist. Ohne dir zu nahe treten zu wollen, ist nicht deine fachliche Kompetenz gefragt, sondern deine erprobte Stärke im Alleingang. Ich denke zwar ehrlich gesagt, dass wir dieses Thema genau so gut erledigen könnten, aber er scheint auf dich und deine Routine zu setzen. Also liefere ihm einen Plan des hiesigen Ubewu-Spektrums und er wird zufrieden sein.“

Ich sah meine Vermutung betätigt. Wie so oft in meiner Zeit als Raumpilot war ich auf einen ganz gezielten Arbeitsprozess angesetzt; einen Soloauftrag, der nicht im Team zu bearbeiten war. Diesmal war mir allerdings der von Gerd angesprochene Nutzen unbekannt. Man hatte mich lediglich als Zuarbeiter für die Biologengruppe eingeplant. Und dann doch abgetrennt, mit eigener Mission betraut. Es gab dafür Gründe.

Tag zwei des Biologenbesuchs verlief bereits unter dem Eindruck sich bildender Rollen. Es gab Erwartungen, Befrachtungen, die beiden schwarzen Farben des Kartenspiels, Pik und Kreuz. Man konnte die ausgelegten Karten nicht mehr ignorieren, denn wir waren ein ins Spiel verschlungenes Quartett. Wie meistens in Gruppen bildeten sich auch Mannschaften.

Gerd und Molin sortierten ihre Objekte, die sie am Vortag gesammelt hatten. Kot, Haare, Tonaufnahmen, Bilddateien, Standortkoordinaten, alles von den Werfen. Die Tiere waren in einem weiten Bogen wieder zu ihrem Wald zurückgekehrt, hatten unterwegs im Dickicht einer Dickblattkolonie Pflanzensaft gesaugt und geruht und geschlafen. Molin war sehr zufrieden. Sie hatten mit ihren Spezialgeräten bereits erste Analysen der Lautsprache durchführen können. Gerd zeigte mir die möglichen Bedeutungen der einzelnen „Worte“. Es gab im aufgezeichneten Fundus eine ungefähre Menge von 102 verschiedenen Begriffen, also Sachverhalte, die kommuniziert wurden.

Ich sah mir außerdem die kartographierte Position des Lagers im Wald an, denn ich wollte mir die gruppendynamischen Aktivitäten der Elefantenwerfe anschauen. Ich vermutete dort auch die Larven der Tiere, die nicht an der Flucht aus dem Wald teilnehmen konnten. Vermutlich waren mehrere adulte Tiere bei ihnen geblieben, denn bei allen Unterarten der Buckelwerfe ging man bisher von einer Nachwuchspflege aus. Das wollte ich kontrollieren.

 

Mara und ich machten uns auf den Weg quer über die Lichtung zum Waldrand. Das lange Purpurgras wehte uns in Wellen entgegen, umstrich unsere Beine und sang dabei ein leise sirrendes Lied von der Schönheit des Lebens unter der Sonne von Undermind. Eine Hand suchte nach der meinen, schob sich unter und verschränkte sich mit meinen Fingern. Ein warmer Oberarm berührte meine Haut, braune Augen lächelten mich an.

Jacob versuchte, uns zu folgen, aber er war zu langsam und verlor bald den Anschluss. Er hatte am Morgen wieder unter dem Tisch gelegen und einen mitgebrachten Stängel genüsslich ausgesaugt.

In der Nähe des Waldes stieg ein lauer Wind auf; thermische Ablösungen an der Grenze zwischen aufgeheizter Lichtung und kühlem Schatten. Sonnenflecken tanzten über Maras geraden Rücken, hinab zu ihrem Po, der sich in den engen Shorts abzeichnete. Meine Gedanken, die sich mit der merkwürdigen Konstellation meiner Arbeit zu der Biologengruppe beschäftigten, verflüchtigten sich. Ich seufzte.

Tja, es gab keinen Grund, Mara zu misstrauen. Irgendwie war es in mir, in uns angelegt, dass sie eine starke Wirkung auf mich hatte. Und da es so war, nahm ich an, dass es umgekehrt genauso war. Vermutlich gab es dafür Ursachen im Ubewu; ihrem, meinem, unserem. Rädchen passten zusammen, Zahnräder griffen ineinander und beschleunigten das Getriebe effektiv. Der Treibstoff war gut und die Dynamik begeisternd. Es gab eine weitreichende Sympathie, deren Horizonte in weiter Ferne lagen.

Ich dachte an Akba. Nein, keine Vergleiche. Vergleiche mochten irgendwo ihren Platz haben, in statistischen Tabellen, in der Mathematik oder der Physik, in der Theorie. Aber nicht im Leben. Akba war nach Woka, ihrem Heimatplaneten zurückgekehrt, sobald er zur Wiederbesiedlung offen war. Ich hatte mich entschieden, sie nicht zu begleiten. Es folgte eine Zeit unvermeidlicher Veränderungen, während der ich ziellos und unmotiviert abwartete, dass etwas geschehen möge. Dass ein unbekannter Geist mich heimsuchen und neu entfachen solle, mir Leben einhauchen und mich sanft anschieben, mich begleiten und bestärken möge mit pulsierender Ladung, positiver Ladung.

Mara ging einige Meter voraus. Sie trug einen schmalen Geräterucksack über dem Hemd. Die Ärmel hatte sie hochgerollt; die Daumen hinter die Tragegurte geklemmt. Sie summte ein Lied, strich hin und wieder mit der flachen rechten Hand über das wogende Gras. Ich trottete hinterher und betrachtete ihren Nacken. Sie drehte sich um, ging rückwärts einige Schritte weiter und lächelte mich an, blieb stehen und wartete, bis ich ihr gegenüber stand. Ihr Hemd war vorne geöffnet.

"Wie weit ist es noch? Nur noch zwei Minuten, oder lohnt es sich, hier in der Sonne noch eine Rast zu machen, bevor wir in den Wald kommen?" Ohne eine Antwort abzuwarten zog sie den Rucksack über die Schulter und warf ihn ins Gras. Ich schob ihr Hemd ein wenig auseinander. Sie schwitzte. Ihr nacktes Knie schob sich zwischen meine Beine, bis es oben ankam, glitt wieder abwärts, während sie meine Hose öffnete, sich auf die Zehenspitzen stellte, ihre Shorts abstreifte und ihr Becken gegen mich drückte. Fünf Sekunden später war ich nackt.

 

"Was hast du eigentlich schon erarbeitet? Man hat garnicht den Eindruck, dass du überhaupt produktiv tätig bist." Mara lag auf dem Bauch und ließ ihr rechtes Bein in der Luft schaukeln. Ihr Po bewegte sich dabei in einer sehr attraktiven Weise. Sie drehte mit dem Finger eine ihrer dunklen Haarsträhnen zu Locken und grinste mich spitzbübisch an. "Vier Karten, vier Trumpfkarten. Ist das alles?"

Ich legte meine Hand auf das kleine Dreieck am Ende ihres Rückens, am Übergang zu den Pobacken. Ihre Haut war warm und weich, duftete nach dem Purpurgras und einer weiteren exotischen Komponente, die geheimnisvoll und sanft meine Wahrnehmung versüßte und schärfte. Ich ließ den Zeigefinger hinauf zu ihrem Nacken gleiten, entlang der Wirbelreihe und über die feinen Flaumhärchen, denen der Duft zu entsteigen schien.

 

„Der Instinkt, dieses wohlbekannte Gefühl des guten Verstehens; ich habe Angst, ihn zu zerstören, wenn ich allzu exakt und analytisch vorgehe, verstehst du das?“

„Ich hoffe. Das Problem ist weniger der triebhafte Bereich. Das Unterbewusstsein liegt wie ein ruhiger See zwischen zwei Ufern. Auf der einen Seite die Triebe, die nicht nachfragen, ob sie Handlungserlaubnis bekommen, sondern einfach reflexhaft agieren. Auf der anderen Seite das Bewusstsein, das die Wahrnehmungen erkennt, seine Sinne benutzt, um sich ein Bild der Welt zu machen und Handlungsoptionen zu generieren. Alle drei Zonen sind belebt. Es gibt dort Schauspieler auf der gemeinsamen Bühne. Und alle beeinflussen sich gegenseitig, während das Bewusstsein nur die fertigen Szenen wahrnimmt. Ich kann das Ubewu nicht getrennt betrachten, denn der See hat von beiden Seiten Zuflüsse, die Strömungen erzeugen, Umwälzungen. Ich muss mit Vereinfachungen arbeiten und denke, dass die vier Trumpfkarten ein erstes Modell sind.“

„Da kann ich nur vermuten, dass der Chef spezielle Angebote hat, bestimmte Erkenntnisziele, die man dort vorteilhaft zu finden meint. Jedenfalls liegt das tatsächlich außerhalb der Methoden eurer Station. Biologen beschäftigen sich nicht mit solchen Analysen.“


Vom Wald hörte man Geräusche. Tiere liefen durch das Unterholz. Eine Schar Kranichfalter flog vor dem blauen Himmel durch mein Blickfeld. Mara bewegte sich zwischen meinen Beinen, drehte den Kopf und schnupperte.
„Kommen da wieder die Elefanten?“

Sie drehte sich um, kniete sich über mich, beugte sich vor, bis ihre Brüste mich berührten, rutschte vor und küsste mich auf den Mund. Meine Haut begann zu prickeln und im Unterleib setzte leichtes Flattern ein.

Wir hatten es nicht geschafft, in den Wald zu kommen. Die Gruppe musste frühzeitig aufbrechen, um ihre Station im Norden, in den Ausläufern der Mittelgebirge zu erreichen. Wir vereinbarten regelmäßigen Datentransfer. Ich sollte künftig alle dokumentierten und mit Analysen versehenen Arbeiten übertragen, damit sie zyklisch zu den dafür geeigneten Zeitpunkten zur Erde übertragen werden konnten. Auch das war eine Anweisung vom Chef. Also erwartete er, dass ich voran kam und Ergebnisse lieferte.

Wie gewohnt war ich sofort nach der Abfahrt der drei im üblichen Modus, der meiner mentalen Verfassung entsprach. Ich nannte diese Selbstempfindung den „Fool-on-the-Hill-Modus“. Es war dies die mir gemäße Arbeitsweise, die sich aus meiner Persönlichkeitsstruktur ergab; die des einsamen Bergbewohners, der auf die Welt hinab schaut und sie deutet wie ein Rätsel. Es war dies aber auch der Grund, warum der Chef mir immer wieder solche Missionen übergab. Er kannte mich gut, der alte Jongleur. Er wusste diese Eigenschaft zu nutzen.

Dabei waren mir die Forschungen der Biologen anfangs eine große Hilfe, denn es ergab sich daraus bereits eine Vielzahl von Erklärungen für ihren triebhaften Bereich und den der bewussten Wahrnehmung. Wieweit sich Angst, Selbst, Befrachtung, Erwartung und die Untergruppen dieser vier Trümpfe aus dem Ubewu selektieren ließen, war die Frage, die mich die kommenden Wochen beschäftigen würde. Und natürlich die wichtigste Frage, die Anschlussfrage, nämlich, wieweit diese mit den Menschen vergleichbar waren. Also war ich selbst als Vergleichsobjekt vor Ort und Teil der Betrachtung.