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FRIT Z BRECHTEL
CHRISTOPH SCHÄFER
GERRIT WAGENER

(HRSG.)

LUSORIA RHENANA

EIN RÖMISCHES SCHIFF AM RHEIN

NEUE FORSCHUNGEN ZU EINEM
SPÄTANTIKEN SCHIFFSTYP

KOEHLERS VERL AGSGESELLSCHAFT · HAMBURG

Coverbild: Hans-Werner Berg

Rückseitenmotiv: Andreas Thull

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ISBN 978-3-7822-1268-7

Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg

© 2016 by Koehler im Maximilian Verlag GmbH & Co. KG

Alle Rechte vorbehalten.

Layout: Inge Mellenthin

Printed in Europe

INHALT

EINLEITUNG

Fritz Brechtel, Christoph Schäfer und Gerrit Wagener

DANK

LUSORIA RHENANA – VON DER ID EE ZUM RÖMERSCHIFF

Fritz Brechtel

EINE NAVIS LUSORIA IM NACHBAU

Ralph Lehr

ZUR TOPOGRAFIE DES FUND PLATZES „MAINZ-LÖHRSTRASSE“

Ronald Bockius

SCHIFF SGEOMETRISCH-DIMENSIONALE REKONSTRUKTION DES SPÄTRÖMISCHEN BOOTSWRACKS MAINZ 5

Ronald Bockius

REKONSTRUKTION UND WISSENSCHAFTLICHE ERPROBUNG

Gerrit Wagener und Arne Döpke

LUSORIA RHENANA – DAS MODELL IM MASS STAB 1 : 3

Martin Reese

EIN WIDD ER ALS BUGZIER

Lukas Böschl

TESTFAHRTEN MIT DER LUSORIA RHENANA

Christoph Schäfer und Gerrit Wagener

RUDERN WIE DIE RÖMER

Albert Fromme, Lothar Thorwesten und Klaus Völker

KAMPFEINSÄTZE AUF DEM RHEIN

Christian Nitschke

EINHEITEN AUF DEN NAVES LUSORIAE

Marcus Altmann

DER TYP DER NAVIS LUSORIA

Christoph Schäfer

AUF DER RUDERBANK DURCH DIE RÖMISCHE GESCHICHTE

Dieter Heim

TECHNISCHE ANALYSEN

LUSORIA I VS. LUSORIA RHENANA

Rainer Grabert

TECHNISCHE AUSWERTUNG DER TESTFAHRTEN

Hans Moritz Günther und Christopher Wawrzyn

DIGITALE 3D-REKONSTRUKTION EINES RÖMISCHEN PATROUILLENSCHIFF ES

Michael Hoffmann

GLOSSAR

BIBLIOGRAFIE

AUTORENV ERZEICHNIS

EINLEITUNG

Fritz Brechtel
Christoph Schäfer
Gerrit Wagener

Als im November 1981 in Mainz in der Baugrube des Hilton II die Wracks mehrerer römischer Schiffe gefunden wurden, konnte noch niemand ahnen, welch ein bedeutender archäologischer Schatz dort entdeckt worden war. Die Mainzer Römerschiffe gehören zu den besterhaltenen Wasserfahrzeugen der Antike. Kein Wunder also, dass sich die Forschung intensiv mit diesem Befund beschäftigt hat und immer noch beschäftigt. Seit 1994 werden die Wracks vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in einem eigenen Museum für Antike Schiffahrt unweit des Römischen Theaters in der Mainzer Südstadt ausgestellt. Hier kann man die Überreste von fünf römischen Militärschiffen bewundern, von denen vier offenbar zum gleichen Typ gehören, der in der Forschung vielfach mit dem literarisch überlieferten Standardtyp der navis lusoria identifiziert wird.

Mit dem Museum für Antike Schiffahrt eng verbunden ist ein eigener Forschungsbereich Antike Schiffahrt, der – geleitet von Dr. Ronald Bockius – heute hohes internationales Ansehen besitzt. In der Ausstellungshalle, einem ehemaligen Lokschuppen, befindet sich neben einer Vielzahl an Modellen antiker Handels-, Patrouillen- und Kriegsschiffe und einer Fülle weiterer Objekte auch ein erster 1 : 1 Nachbau dieses Fahrzeugs. Da dieser nur für Ausstellungszwecke angefertigt worden war, wurde auf Anregung von Studierenden der Universität Regensburg 2003 – 2004 ebendort eine schwimmfähige Replik angefertigt und zu Wasser gelassen. Zur wissenschaftlichen Untersuchung dieses Nachbaus wurde dann an der Universität Hamburg in enger Kooperation mit den Schiffbauversuchsanstalten in Hamburg und Potsdam sowie mit einem schwedischen Unternehmen, das u. a. Instrumente für den Yachtrennsport produziert, ein hochmodernes nautisches Messsystem entwickelt. Damit gelang es, valide Messdaten zur Leistung des historischen Schiffes zu erfassen, zu speichern und professionell auszuwerten. Ronald Bockius entdeckte allerdings, dass die ersten beiden Rekonstruktionen aufgrund einer fehlerhaften Interpretation des archäologischen Befundes so nicht mehr zu halten waren. Im Kern ging es darum, dass die ursprüngliche navis lusoria nicht etwa eine Länge von knapp 22 m hatte, sondern nur 18 m maß.

Mit seiner endgültigen Publikation des archäologischen Befundes trat der Leiter des Museums für Antike Schiffahrt eine Forschungskontroverse los, die letztlich Hintergrund für den Bau der LUSORIA RHENANA war. Denn bei etwa 4 m Unterschied in der Länge sind die an der Regensburger Replik gemessenen Daten leider weitgehend wertlos, so exakt das Messinstrumentarium auch sein mag. Um dieses Problem zu beheben und zugleich weitere Argumente für eine Länge von 18 m bei 2,70 m Breite zu gewinnen, war es geradezu ein Desiderat der Forschung, eine lusoria in der richtigen Länge zu rekonstruieren und zu erproben. Es galt, die Eigenschaften dieses ersten realistischen Nachbaus mit dem bewährten elektronischen Messsystem exakt zu erfassen, um hieraus mögliche Einsatzszenarien abzuleiten und teils weitreichende Schlüsse bis hin zum spätantiken Verteidigungssystem zu ziehen. Möglich wurde dies durch eine glückliche Konstellation, die Ralph Lehr in seinem Beitrag in diesem Band aus der Sicht eines der Akteure skizziert. Im Ergebnis entstand aus der Kombination zwischen der an der Universität Trier angesiedelten Kompetenz und der aus dem Bemühen um die Inwertsetzung des antiken Erbes gestarteten Initiative im Landkreis Germersheim eine Kooperation, die es möglich machte, die oben beschriebenen wissenschaftlichen Erkenntnisse doch noch zu gewinnen und zugleich die Region Germersheim um eine Attraktion lebendiger Geschichte zu bereichern. Und so wurde nach umfangreichen Vorbereitungen zwischen Januar und Oktober 2010 in der General-Hans-Graf-Sponeck-Kaserne in Germersheim eine neue navis lusoria – jetzt mit der richtigen Länge – gebaut.

Fragen wir, wozu das alles, so mögen die Beiträge dieses Bandes Aufschluss darüber geben, unter wie vielen Aspekten mit dem Bau und den Tests an der LUSORIA RHENANA neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen wurden und auf wie vielen Sektoren die Forschung Fortschritte erzielt hat. Die von Wissenschaftsorganisationen vielfach geforderte Interdisziplinarität wurde hier geradezu beispielhaft praktiziert, wenn etwa Sportmediziner der Universität Münster, die sonst deutsche Olympioniken betreuen, gemeinsam mit Astrophysikern und Althistorikern Besatzungen auf ihre Leistungsfähigkeit hin testeten oder wenn Maschinenbauer, die in ihrem Projekt pro-TRon-Fahrzeuge der Zukunft entwickeln, die Konstruktion eines 1.600 Jahre alten römischen Militärschiffes erforschten.

Die meisten Daten in diesem Band werden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Dies gilt natürlich und vor allem auch für die mit dem nautischen Messinstrumentarium erhobenen Werte, die sportmedizinischen Untersuchungsergebnisse zur Rolle des menschlichen Leistungsfaktors, die Ergebnisse der Versuche im Schlepptank der Schiffbau-Versuchsanstalt und die 3D-Konstruktion und CFD-Simulation des Rumpfes der LUSORIA RHENANA.

Auf dieser breiten interdisziplinären Basis und einer Fülle neuer Erkenntnisse zur navis lusoria lohnt es sich außerordentlich, die gewonnenen Daten und Untersuchungsergebnisse bei der Beurteilung der Situation an der spätantiken Reichsgrenze zu berücksichtigen und die Funktionsweise des römischen Verteidigungssystems differenziert zu interpretieren. So gelangen wir zu einer tieferen Sichtweise römischer Planungen und Konzepte sowie der strategischen Überlegungen der Reichsspitze und deren Steuerungsmechanismen.

Während des gesamten Projekts wurde immer auch die Vermittlung der Fragen und Ergebnisse und das öffentliche Interesse an diesem ungewöhnlichen Unterfangen im Auge behalten. Dies zeigt sich in dem vorliegenden Band besonders in den Beiträgen von Dr. Fritz Brechtel, Ralph Lehr und Dieter Heim.

So viel steht fest: Mit dem Bau und den Untersuchungen zur LUSORIA RHENANA können wir die Antike wieder ein Stück weit besser verstehen! Und nicht zuletzt waren und sind die Erfahrungen mit diesem einzigartigen Schiff für alle Beteiligten ein großartiges Erlebnis!

Im August 2016

DANK

Bau, Erforschung und Erschließung der LUSORIA RHENANA für eine breite Öffentlichkeit konnten nur gelingen, weil sich unglaublich viele Menschen aus allen möglichen Lebensphasen und Berufssparten für das Projekt begeistert haben. Nur einige von ihnen seien genannt, alle „guten Geister“, die sich für dieses mitreißende Unterfangen engagiert haben, zu nennen, würde den Rahmen dieses Bandes sprengen. Die Sparkasse Germersheim-Kandel und zahlreiche weitere Spender und Sponsoren haben durch ihre finanzielle Unterstützung das Projekt überhaupt erst ermöglicht.

Die Pläne kamen von Dr. Ronald Bockius, das Forstamt Johanniskreuz mit Forstamtsleiter Burkhard Steckel stellte das Schiffsbauholz zur Verfügung und wählte die Eichenstämme aus, die Arbeiten vor Ort wurden organisiert von Ralph Lehr, Gerrit Wagener und Bootsbaumeister Matthias Helterhoff sowie dem Bootsbauergesellen Jesper Boenigk. Als Verbindungsmann zur Sponeck-Kaserne wirkte OStFw Dieter Heim. Es war eine gemischte Mannschaft, die sich nunmehr am Bau beteiligte: Studierende der Universität Trier und der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, Berufsschüler, Jugendliche in Berufsqualifizierungsmaßnahmen, die über den Schiffsbau auf Ausbildungsverhältnisse vorbereitet wurden, ehrenamtliche Helfer und nicht zuletzt Angehörige der Bundeswehr. Unterstützung erfuhr das Projekt von unglaublich vielen Seiten. Hervorzuheben ist Ulrich Hagemann, der Geschäftsführer der Varus-Gesellschaft und Unternehmer in Osnabrück, der bei der Rheiner Stahlbau GmbH, einer Tochterfirma von MBN-Bau, ein ausgeklügeltes Transportgerüst anfertigen und konstruieren ließ, das er der LUSORIA RHENANA spendete! Der bekannte Bildhauer Alfred Böschl aus Adlhausen in Niederbayern begeisterte sich für die LUSORIA und fertigte mit seinem Sohn Lukas Böschl den Widderkopf als Bugzier an! Die Testfahrten wurden im Wesentlichen getragen von Studierenden der Universitäten Trier, Strasbourg und der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Die beteiligten Wissenschaftler kamen nicht nur von den genannten Universitäten, sondern auch von der Universität Hamburg und dem Harvard Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge/Massachusetts und jetzt vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Gleich die erste Testcrew war international besetzt. Aus Straßburg reisten unter Leitung von Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer Studierende der Université de Strasbourg an, um gemeinsam mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen von der Universität Trier den neuen Nachbau einer navis lusoria auf seine Leistungsfähigkeit hin zu testen. Ganz nebenbei leistete das Projekt einen nicht unerheblichen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft, ein schöner Auftakt für viele weitere Begegnungen rund um die LUSORIA RHENANA, denn von vornherein war geplant, im Anschluss an die Testfahrten das Schiff auf dem Altrhein möglichst vielen Menschen als „lebendiges Museum“ zugänglich zu machen.

Die Verdienste all derjenigen, die sich für das Projekt engagiert haben, im einzelnen zu würdigen, würde den Rahmen dieses Bandes übersteigen. Daher seien sie in der Folge nur einfach namentlich in folgenden Gruppen genannt:

Kreisverwaltung Germersheim

Kreisverwaltung: Dr. Fritz Brechtel (Landrat), Ralph Lehr (Personalchef der Kreisverwaltung), Alexa Sauer (Büro des Landrats), Silke Wiedrig (Tourismus- und Wirtschaftsförderung), Hans Eckert (Geschäftsführer Verein für Kunst und Kultur), Claudia Seybold, Astrid Brune-Neumann, Nadine Burghardt (Wirtschaftsförderung der Kreisverwaltung).

Bauteam in Germersheim

Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Christoph Schäfer. Büro Alte Geschichte, Universität Trier: Katja Krell. Linienriss: Dr. Ronald Bockius. Bauleiter: Gerrit Wagener. Organisation in Germersheim: Ralph Lehr. Bootsbauer: Matthias Helterhoff, Bootsbaumeister; Jesper Boenigk, Bootsbaugeselle. Sägewerker: Thomas Lühring und Nico Dellinger. Schmiedearbeiten: Ralf Eßwein, Kunstschmied in Germersheim; Jugendwerk St. Joseph, Landau. Partner in der Sponeck-Kaserne: OStFw Dieter Heim, S-3 Ausbildungsplanungsfeldwebel Grundlagenausbildung Lw, jetzt Geschäftsführer des Vereins zur Förderung von Umweltbildung und Römischer Geschichte; Hptm Josef Vollmer Leiter Luftwaffenmaterialdepot.

Berufsschüler: Adrian Gutt, Jens Niedermeyer, Janina Schneider und viele mehr. Schüler der Fachklasse Holz der BBS-Germersheim. Vermittelte Jugendliche VFBB e. V.: Eric Le Douaron, Adrian Boselmann, Eduard Mik, Sascha Müller, Diana Okata-Asare. Ansprechpartnerinnen beim VFBB e. V.: Doris Eberle (Geschäftsführerin)/Petra Bahador.

Ehrenamtliche Helfer in der Bauphase und darüber hinaus: Hermann Bappert, Alfred Böschl, Lukas Böschl, Richard Heller, Heinrich Ulrich sowie Marcus Altmann, der auf Basis seiner wissenschaftlichen Recherchen mithilfe von Handwerkern aus Niederbayern und dem Chiemgau die Ausrüstungen für die Besatzungen nachbauen ließ.

Baucrew der Universität Trier im Wintersemester 2009/10

Holger Alisch, Jürgen Arend, Julian Barz, Stefanie Birtel, Victoria Christoffersen, Arne Döpke, Jassin Dörner, Jan Esser, Manuel Finkbohner, Aline Froese, Dominik Gerstacker, Jan Hamacher, Jessica Hankes, Katrin Häp, Christian Heintz, Anika Jakobs, Jannik Markus, Stefanie Jungen, Carolin Kaletta, Simone Klumpp, Sabrina Koch, Julia Krollmann, Eva-Maria Kuntz, Michael Loskyll, Julian Luxenburger, Sebastian Luy, Thomas Marx, Eike Metzmann, André Meyer, Matthias Nixdorf, Nils Römpke, Christopher Schaefer, Dominik Schäfer, Christoph Schmitz, Johannes Schmitz, Sandra Schug, Tillmann Schweitzer, Daniel Sieger, Alexander Stark, Julian Taborsky, Simon Tretter, Andreas Urban, Sonja Wagener, Sascha Weiler, Tanja Weiler.

Baucrew der Universität Trier im Sommersemester 2010

Michael Bender, Michaela Betzold, Denis Blum, Marie-Christine Boos, Arne Döpke, Manuel Finkbohner, Christina Fredel, Christine Hillenbrand, Stefan Hormes, Silvester Klaes, Julia Kutscher, Julian Luxenburger, Oliver Müller, Matthias Nixdorf, Julian Porcher, Waldemar Rach, Thomas Rettwitz, Nils Römpke, Franziska Rosenberger, Dominik Schäfer, Benedikt Schmitz, Sascha Schmitz, Eugen Sonnenberg, Rebecca Valerius, Jens-Christopher Vollheim, Johannes Waßmer, Daniel Wilms, Katharina Zeller.

Bauteam der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg:

Christopher Ofer, studierender Offizier; David Ginster, studierender Offizier; Martin Reese, studierender Offizier; Vincent Gall, studierender Offizier.

Testfahrten 2. – 6. Mai 2011

Hans-Werner Berg, Caroline Bergen, Walter Bergen, Fanny Berson, Karin Bihler, Lara Calcavino, Chantal Combot, Matthias Czechowski, Arne Döpke, Nina Donner, Manuel Finkbohner, Hans Moritz Günther, Fabian Gutknecht, Dieter Heim, Aurélien Herber, Desirée Joerg, Alexis Klein, Ralph Lehr, Lucia Leierer, Vincent Martini, Dr. Doris Meyer, Stéphane Metz, Julia Müller, Jochen Nolte, Nadja Petry, Antonin Nüsslein, Fabian Rachid, Sabrina Rataj, Philippe Riess, Nils Römpke, Rahel Rohrmoser, Christopher Schaefer, Prof. Dr. Christoph Schäfer, Dominik Schäfer, Laurenz Schneiders, Benno Schulz, Marcel Simonis, Frederik Stadler, Simon Tretter, Andreas Thull, Gerrit Wagener, Chris Wawrzyn, Julien Wiggermann, Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer.

Selbst Prof. Dr. Stephan Busch (Klassische Philologie, Universität Trier) ließ es sich nicht nehmen, eine ganze Woche lang mit eigenen Händen einen Riemen zu führen und die Fahrt des Schiffes durchs Wasser zu spüren. Prof. Dr. Konrad Vössing (Alte Geschichte, Universität Bonn) nutzte die Gelegenheit, zwei Tage mitzutesten.

Testfahrten 9. – 13. Mai 2011

Hendrik Bücker, Prof. Dr. Stephan Busch, Jörg Erdtmann, Rieke Eulenstein, Carolin Liefke, Dirk Göhl, Marie Gräff, David Hecken, Christian Heintz, Dieter Heim, Matthias Hennig, Alexander Juraschka, Andreas Koerfer, Benjamin Koerfer, Julia Krambrich, Thomas Krecken, Ralph Lehr, Michael Loskyll, Michelle Magalas, Thomas Marx, Lars Nöcker, Anna Maria Porn, Christoph Repplinger, Prof. Dr. Christoph Schäfer, Philipp Schneider, Michael Schreiber, Vanessa Treike, Gerrit Wagener, Alexander Christopher Wawrzyn, Tjark Wegner, Daniel Wilms.

Testfahrten 19. – 22. Mai 2011

Militärische Testcrew bestehend aus 25 Offizieren der Bundeswehr unter Leitung von OLt. David Ginster und Dr. Clemens Koehn von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg.

Testfahrten 14. – 19. Mai 2012

Caroline Bergen, Walter Bergen, Prof. Dr. Stefan Busch, Dominik Bur, Markus Cillien, Nina Donner, Rieke Eulenstein, Tobias Geibel-Emden, Richard Geldner, Marie Gräff, David Hecken, Jannik Jochum, André Kamp, Christian Kelter, Lucia Leierer, Michael Loskyll, Sebastian Luy, Christian Mattes, Antoine Noel, André Petto, Frank Reinhard, Prof. Dr. Christoph Schäfer, Christopher Schaefer, Tillmann Schweitzer, Marcel Simonis, Andreas Thull, Frank Unnerstall, Moritz Vogl, David Weidgenannt, Pascal Warnking, Chris Wawrzyn, Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer.

Unterstützt wurde das Projekt auch von Prof. Dr. Peter Schwenkmezger, Präsident der Universität Trier; Prof. Dr. Wolfgang Klooß, Vizepräsident der Universität Trier (Universität Trier); Klaus Kürten (WSA Trier); Philipp Schmitt (Terra Sigillata Museum Rheinzabern); Toni Hotz (Transportunternehmer).

Folgende Wissenschaftler waren an der Erforschung der Lusoria Rhenana beteiligt:

Prof. Dr. Christoph Schäfer, Prof. Dr. Stephan Busch, Dr. Pascal Warnking, Marcus Altmann, Christian Nitschke, Marcel Simonis, Tatjana Timoschenko (Universität Trier); Dr. Ronald Bockius (RGZM, Museum für Antike Schiffahrt); Dr. Doris Meyer und Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer (Université de Strasbourg); Prof. Dr. Konrad Vössing (Universität Bonn); Prof. Dr. Burkhard Meißner, Dr. Clemens Koehn, Gerrit Wagener (Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, Hamburg); Dipl. Ing Rainer Grabert (SVA Potsdam); Dipl.-Ing. Hans-Werner Berg (Wuppertal); Caroline und Walter Bergen, Dr. Alexander Christopher Wawrzyn (Universität Hamburg), Dr. Hans Moritz Günther (Massachusetts Institute of Technology, MIT); AkadR Michael Hoffmann (Hochschule Trier); Dr. Rudolf Aßkamp (LWL Römermuseum Haltern am See), Dr. Wilhelm Bauhus (Universität Münster) und last but not least Prof. Dr. Klaus Völker, Dr. Lothar Thorwesten, Dr. Albert Fromme (Institut für Sportmedizin, Universitätsklinikum Münster).

Für tatkräftige Unterstützung beim Erscheinen dieses Bandes danken wir vor allem Katja Krell (Universität Trier), die nicht nur aufopferungsvoll die Hauptlast der administrativen Abwicklung des Projekts getragen, sondern auch ebenso engagiert wie kompetent die Beiträge lektoriert hat, sowie Uwe Arauner (Ingolstadt), Dr. Rudolf Aßkamp (LWL Römermuseum Haltern), Dr. Ronald Bockius (Museum für Antike Schiffahrt, RGZM), Tom Decker (Universität Trier), Ludwig Hans (Stadtverwaltung Germersheim), Melanie Herget (Historisches Museum der Pfalz in Speyer), Alexa Sauer (Kreisverwaltung Germersheim).

Die Fotografen der Bilder wurden namentlich genannt, sofern es sich nicht um die Autoren des Bandes handelt.

Den Verantwortlichen und Mitarbeitern von Koehlers Verlagsgesellschaft, insbesondere Thomas Bantle, Stephan Alpen und Inge Mellenthin, danken wir für die ebenso zuvorkommende wie professionelle Realisierung dieses Buchprojekts und die hervorragende Gestaltung des Layouts.

Ebenso soll an dieser Stelle all jenen Beteiligten auf das Herzlichste gedankt sein, die sich – in welcher Art auch immer – für die Realisierung des Projekts eingesetzt haben, insbesondere dann, wenn sie in diesem Rahmen keine namentliche Erwähnung finden.

LUSORIA RHENANA –
VON DER ID EE ZUM RÖMERSCHIFF

Fritz Brechtel

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Als der „Verein zur Förderung von Umweltbildung und Römischer Geschichte“, den wir 2011 für unser Römerschiff gründeten, im Frühsommer 2016 Mitgliederversammlung hatte, zählte er bereits über 100 Mitglieder! Als Vereinsvorsitzender konnte ich erneut über eine erfolgreiche Saison berichten. Nahezu 7.000 Gäste nutzten die Gelegenheit, um in der Sommersaison 2015 auf unserem Römerschiff LUSORIA RHENANA zu rudern und einen Teil der Geschichte unserer Region aktiv zu erfahren. Unsere aktiven Mitglieder, darunter fast ein Dutzend ausgebildete Bootsführer, allen voran Dieter Heim, Geschäftsführer und Triebfeder, und Ralph Lehr, Zweiter Vorsitzender und Leiter des Projekts „Römerschiff am Rhein“, leisteten in der aktuellen Saison 2015 erneut Hervorragendes und bewältigten in ihrer Freizeit diese Riesenaufgabe. Das Spendenaufkommen war auskömmlich, um die im Winter anstehenden Sanierungsaufgaben am Schiff durchzuführen und die technische Ausstattung des Vereins zu verbessern.

Wie war es dazu gekommen?

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In römischer Zeit floss der Rhein durch Auenlandschaften und hatte viele mäandrierende Flussarme. Fotos: Franz Gschwind

Die Anfänge

Montagmorgen, Dezember 2008, üblicher Jour fixe mit Ralph Lehr, dem Personalchef der Kreisverwaltung. Nach dem Besprechen der wichtigsten aktuellen Vorgänge schweifen die Gedanken leicht ab. „Hast du gestern auch die Sendung mit dem Römerschiff auf dem Rhein gesehen?“ Es ging um einen Fernsehbeitrag aus der Reihe „Terra X“. Wir waren beide begeistert. Solche im Bericht gezeigten römischen Patrouillenschiffe, die nur entfernt an Wikingerboote erinnern, waren vor 1.600 Jahren am Rhein im Einsatz. Die Römer nutzten sie, um den Rhein zwischen Basel und Bingen als wichtige Handelsstraße, später auch als Grenze zwischen der römischen Provinz Germania superior und den Barbaren zu sichern. Der Rhein wurde nach dem Fall des Limes als sogenannter „Nasser Limes“ ein Teil der damaligen Nordgrenze des Römischen Reiches.

Seit beim Bau des Hilton Hotels in Mainz Überreste von fünf Römerschiffen gefunden wurden, war die Existenz solcher Schiffe bewiesen, ihre Bauweise jedoch nur unvollständig geklärt. In einem Projekt der Universität Regensburg wurde ein solches Schiff des Typs Navis Lusoria, die REGINA, rekonstruiert. Es war der erste Versuch, einen originalgetreuen Nachbau eines solchen Patrouillenschiffes herzustellen, der wissenschaftlich getestet werden konnte (experimentelle Archäologie), der aber gleichzeitig weitere Fragen aufwarf. Sahen die Römerschiffe tatsächlich so aus? Die Wissenschaftler waren sich nicht einig. Es gab unterschiedliche Ansichten.

Ralph und mich begeisterte jedenfalls das im Fernsehen gezeigte, auf der Donau schwimmende Schiff mit der rudernden Mannschaft an Bord. Wir stellten uns vor, dass vor 1.600 Jahren diese Schiffe bei uns am Oberrhein patrouillierten – das wäre auch heute noch ein Erlebnis. Die gesamte Region links und rechts des Oberrheins von Basel bis über Bingen hinaus war in römischer Zeit eine gemeinsam verwaltete Region, große Teile der heutigen Regionen Elsass, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg umfassend, eine regionale Einheit also. Das Schiff als Ikone dieser Zeit wäre geeignet, auch heute noch zur regionalen Identität am Oberrhein beizutragen. Gebaut warden müsste das Schiff zumindest gemeinsam mit und unter Anleitung von Wissenschaftlern und Bootsbaufachleuten, aber teilnehmen könnten sicherlich auch Freiwillige oder vielleicht auch sozial benachteiligte und arbeitslose Jugendliche, die man möglicherweise über ein solches Projekt neu motivieren könnte.

Aktiv die Geschichte unserer Region erleben, Touristen anziehen, sozial benachteiligte Jugendliche motivieren, regionale Identität usw., uns wurde die Bedeutung eines solchen Schiffes aus heutiger Sicht immer deutlicher.

Bei unserem kurzen Brainstorming fanden wir also rasch eine Reihe äußerst interessanter Aspekte, wie sich der Bau und der Betrieb eines solchen Schiffes aus heutiger regionaler Sicht als äußerst attraktiv und wertschöpfend erweisen könnte. Wir waren uns rasch einig: So ein Schiff bei uns bauen und aktiv auf den Wasserflächen der Region einsetzen wäre eine tolle Sache.

Aber wie umsetzen? Als Landrat kann ich das Projekt initiieren, begleiten und unterstützen – aber wer sorgt für die Umsetzung? Wer macht Projektleiter? Mein Blick richtet sich auf Ralph. Der nickt. Na, dann mal los.

An diesem Montagmorgen schlug die Geburtsstunde unseres Projekts „Römerschiff am Rhein“.

Die Wissenschaft macht mit

Weder Ralph noch ich wussten, wie man Römerschiffe baut. Es gab jedoch einen, der bereits Erfahrung hatte: Professor Christoph Schäfer, Experte für römischen Schiffsbau, Wissenschaftlicher Leiter des Schiffbauprojekts an der Donau, damals an der Universität Hamburg, später an der Universität Trier. Dieser Experte musste mit ins Boot. Ralph nahm Kontakt auf, und wir vereinbarten ein Gespräch. Professor Schäfer kam nach Germersheim ins „Las Tapas“, ein Restaurant mit dem Flair einer Studentenkneipe. Wir beschnupperten uns, wir erläuterten, was wir uns vorstellten. Tapas, Bier und Wein wurde zugesprochen. Dann kam die entscheidende Frage von Professor Schäfer: „Was wollen Sie bauen? Ein Touristenboot? Oder etwas Originalgetreues, Authentisches?“

Ich wollte kein Fake. Ich wollte etwas Ehrliches. Meine spontane, aber überzeugte Antwort: „Natürlich etwas Authentisches.“ Christoph Schäfer: „Ich bin dabei.“ Damit war das Kernteam gefunden. Das Abenteuer konnte beginnen.

Christoph Schäfer kannte die Spezialisten, die wir benötigten. Schiffbaufachleute und einen möglichen Projektleiter, die teilweise bereits beim Schiffsbauprojekt an der Donau, spätestens aber bei der Rekonstruktion der VICTORIA in Hamburg Erfahrungen gesammelt hatten. Diese wollte er ansprechen.

Das Gespräch dehnte sich schließlich über mehrere Stunden aus, wir sprachen über Wissenschaft, unsere regionale Geschichte und deren Faszination, schließlich über den Schiffsbau und einige Details. Es war ein weiterer wichtiger Schritt, mit einem unverzichtbaren Partner. Drei Überzeugungstäter hatten sich gefunden. Das Projekt konnte nun konkretere Züge annehmen.

Im Lauf des Projekts kamen zahlreiche weitere Helfer und Unterstützer hinzu, alle angezogen durch die Attraktivität der LUSORIA RHENANA, wie wir das Schiff später nannten. Bestes Beispiel ist Dieter Heim, der während des Schiffsbaus als Oberstabsfeldwebel seitens der Bundeswehr das Projekt kennenlernte und maßgeblich unterstützte. Seit seiner Pensionierung hat er als Geschäftsführer unseres eigens für das Schiff gegründeten Vereins zur Förderung von Umweltbildung und römischer Geschichte und unermüdlicher Treiber und Ideenfinder eine neue Aufgabe gefunden. Gerrit Wagener, Bundeswehroffizier und Historiker, der Teamchef des Schiffsbaus, oder die mittlerweile rund ein Dutzend Bootsführer, die ehrenamtlich die Gästegruppen betreuen, sind weitere Beispiele.

Zielsetzung

Wie bereits eingangs geschildert, umfasste das Projekt vor allem aus folgenden Fachrichtungen regional interessante Aspekte, die sich als Ziele formulieren ließen: Wissenschaft, Tourismus, Bildung, Soziales.

Wissenschaft

Das Schiff sollte wissenschaftlich möglichst exakt rekonstruiert werden, geeignet als Basis für intensive umfangreiche wissenschaftliche Tests (experimentelle Archäologie), die kombiniert mit modernsten Messgeräten in der Lage waren, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern. Dementsprechend wurde nach der Fertigstellung zunächst eine wissenschaftliche Testphase eingeplant.

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Schmieden der Eisennägel

Der Schiffsbau erfolgte in Material und Art des Zusammenbaus in allen Details so originalgetreu wie möglich. Als Zugeständnis an die Moderne wurde bei den Arbeitsvorgängen auch auf moderne Werkzeuge zugegriffen. Das Schiff besteht hauptsächlich aus ca. 25 mm starken Eichenholzbohlen. Weil die abschaftigen Eichen der Rheinebene sich nicht eigneten (!), wurden langschaftige Eichen aus dem Pfälzerwald verwendet. Die Eichenstämme wurden allerdings nicht per Hand in Bohlen gesägt, wie es wohl die Römer taten, sondern durch eine mobile elektrische Säge, die in der Lage war, 18 m lange Eichenstämme zu bearbeiten. Anschließend wiederum wurden die Planken individuell in Handarbeit millimetergenau bearbeitet und eingepasst, über 4.000 Eisennägel wurden per Hand aus originalgetreuer Eisenlegierung geschmiedet, alle Maße und Details möglichst exakt nach historischem Vorbild angefertigt.

Einer der wesentlichen Unterschiede unseres Schiffes gegenüber der LUSORIA 1 an der Donau war die Länge, über die mittlerweile ein wissenschaftlicher Disput entbrannt war: Das Schiff an der Donau war 22 m lang. Nach neuesten Erkenntnissen von Dr. Ronald Bockius konstruierten wir unser Schiff ca. 18 m lang und damit rund 4 m kürzer als bislang angenommen.

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Sägen der Bohlen für den weiteren Schiffsbau Fotos: Franz Gschwind

Mit der geringeren Länge waren auch deutlich veränderte, bislang unbekannte Fahreigenschaften zu erwarten. Diese herauszufinden und damit neue wissenschaftliche Kenntnisse zu erlangen war das Ziel der avisierten Testfahrten. Die Testfahrten wurden unter der Leitung von Prof. Christoph Schäfer und Gerrit Wagener in Kooperation mit Prof. Eckhard Wirbelauer, Université de Strasbourg, und zahlreichen weiteren Fachkollegen durchgeführt. Probanden waren Studentinnen und Studenten beider Universitäten sowie angehende Offiziere der Bundeswehr, die sich alle gerne auf dieses moderne Abenteuer einließen und viel Spaß dabei hatten.

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Altrheingebiet bei Neupotz

Tourismus und Umweltbildung

Von Anfang an war klar, dass das Schiff nach der wissenschaftlichen Testphase nicht in einem Museum ausgestellt, sondern dauerhaft im Echtbetrieb im Einsatz bleiben sollte. Das originalgetreu nachgebaute Römerschiff war sicherlich geeignet, eine touristische Attraktion zu bieten, umso mehr wenn man es als Gast selbst ruderte und sich somit in die Situation eines römischen Legionärs versetzen konnte. Durch das Schiff war man als Gast in der Lage, diesen wichtigen Teil unserer regionalen Geschichte aktiv zu erleben – man konnte Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes selbst erfahren.

Das Schiff als originalgetreueste Rekonstruktion eines römischen Patrouillenschiffes ist gleichzeitig ein touristisches Alleinstellungsmerkmal, das sicherlich viele Gäste in unsere Region bringen würde. Gleichzeitig wären solche Schiffsfahrten auch geeignet, den Gästen weitere Informationen verschiedenster Fachrichtungen zu vermitteln, beispielsweise über regionale Landschaft, über Biologie, Ökologie und Geografie der Rheinauen und nicht zuletzt über (römische) Geschichte. Das Schiff als schwimmendes Klassenzimmer. Auch für Teambuildingund Managementkurse wären Ruderfahrten bestens geeignet (alle müssen gemeinsam im Takt rudern und auf Anweisungen richtig im Team reagieren, um das Schiff zielgerichtet zu bewegen). Das Schiff als Outdoor-Erlebnis.

Einem breiten Publikum bislang eher unbekannt, zeichnet sich unsere Region durch zahlreiche römische Funde aus. Rheinzabern (das römische Tabernae Rhenanae) war in römischer Zeit eine bekannte Siedlung, damals gleichbedeutend mit Speyer und Mainz. In Rheinzabern existierte viele Jahre die größte römische Manufaktur von Tonwaren. Feines römisches Tafelgeschirr, die bekannte Terra Sigillata, wurde hier hergestellt und in die römische Welt exportiert, bis nach Großbritannien, Russland und den Mittelmeerraum bis Nordafrika. Die Römer in Rheinzabern waren sozusagen die ersten „Global Player“ unserer Region. Anschaulich präsentiert werden die Funde in Rheinzabern im Terra-Sigillata-Museum. In der benachbarten Töpferei Schnorr wurde die Herstellung der Terra Sigillata „wiederentdeckt“. Heute können Gäste die Herstellung von Terra-Sigillata-Geschirr erlernen, für Interessierte werden in Gaststätten römische Speisen angeboten (artes et cenantes), man kann also essen und töpfern wie die Römer.

Nahe der benachbarten Gemeinde Neupotz wurde beim Kiesbaggern der größte römische Hortfund nördlich der Alpen gefunden. 1.026 Exponate mit einem Gewicht von ca. 728 kg, jahrelang gelagert in Rheinzabern, mittlerweile als Sonderausstellung vom historischen Museum in Speyer hervorragend konzipiert und weltweit unterwegs. Experten nehmen an, dass brandschatzende Barbaren beim Rückweg über den Rhein von den Römern überrascht und ihre Beute versenkt wurde. Versenkt durch eine Lusoria?

Das römische Schiff wäre ein weiterer attraktiver und augenfälliger Baustein, der sich – als Flaggschiff – nahtlos in das Mosaik der regionalen touristischen Angebote einfügen würde.

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Vor Kurzem wurde im Wald von Rülzheim ein weiterer bedeutsamer Römerschatz entdeckt, insbesondere eine römische Silberschale und zahlreiche Goldapplikationen. Fatalerweise war hier ein Raubgräber am Werk. Dadurch gingen wertvollste Informationen zum Kontext des Fundes verloren!

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Soziale Zielsetzung

Beim Schiffsbau sollten Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Germersheim sowie arbeitslose Jugendliche zum Einsatz kommen. Durch die interessante Praxistätigkeit erhoffte man sich sozial- und schulpädagogische Effekte: neue Qualifikation sowie Motivation zur Arbeit, beides könnte zum Erreichen eines Schulabschlusses oder zur Integration im Arbeitsmarkt genutzt werden. In Kooperation mit der Berufsschule Germersheim, dem Jobcenter und dem Fachbereich Soziales der Kreisverwaltung wurden Jugendliche ausgewählt, die sich am Schiffsbau beteiligten, bei einigen, leider nicht bei allen, mit den gewünschten positiven Effekten. Heute ist an der Berufsschule für motivationsarme Schüler, deren Abschluss gefährdet ist, eine Praxisklasse für die Holzund Metallwerkstatt eingerichtet, die sehr positive Resultate hervorbringt.

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Schiffbau mit Jugendlichen
Foto: Franz Gschwind

Regionalpolitische Zielsetzung

Im historischen Kontext wurden diese Schiffe eingesetzt zu einer Zeit, als große Teile des Elsass und Südwestdeutschlands zu einer gemeinsamen Region vereint waren. Verwaltet wurden sie von den Römern als Provinz Germania superior. Nach heutigen Erkenntnissen gab es eine frühe wirtschaftliche Blütezeit, in der es den Bewohnern der Region relativ gut ging, sie weitgehend in Frieden leben und Handel treiben konnten. Der heutige Oberrhein ist als europäisches Kernland aufgeteilt in mehrere Nationen und noch mehr Regionen, die jedoch in zunehmendem Maße regional grenzüberschreitend zusammenarbeiten. „Der Rhein als Verbindungsader, nicht als Grenze“, lautet das eingängige Motto.

Aktiv zusammen arbeitet man beispielsweise organisiert als Europäische Metropolregion Rhein-Neckar (MRN), Technologieregion Karlsruhe (TRK), Eurodistrict PAMINA (Südpfalz, Nordelsass und Mittlerer Oberrhein) und trinationale Metropolregion Oberrhein (Elsass, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schweiz).

Der Rhein, das die Region verbindende Element, wurde lange Zeit geschützt durch die römischen Patrouillenschiffe vom Typ navis lusoria. Von daher eignet sich das Römerschiff als Symbol der gemeinsamen römischen Geschichte gut als identitätsstiftender Botschafter für unsere Region am heutigen Oberrhein.

Erste Erfolge und Meilensteine

Der Beginn unseres Projekts stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Die Presse berichtete überwiegend positiv und konstruktiv-neugierig, aber es gab auch kritische Reaktionen. Mir war klar, dass das Projekt erfolgreich sein musste, wollten wir uns nicht hämischen Kommentaren aussetzen. Dieses Wagnis gingen wir bewusst ein. Das Ziel war es wert.

Bei ersten öffentlichen Veranstaltungen stießen wir auf einhellig positive Reaktionen. Viele Menschen waren begeistert von der Idee und dem, was sie an konkreten Fortschritten erkennen konnten. Sie wandten sich an uns und boten uns vielfach ihre Hilfe an. Die Spendenbereitschaft war groß und wuchs im Lauf des Projekts analog zum Projektfortschritt ebenso an wie die Zahl der Anhänger und Unterstützer.

Viele Fragen waren zu klären:

Wer organisiert den Schiffsbau?

Wo kann das Schiff gebaut werden?

Wie finanzieren wir das Projekt?

Als idealer Ort erwies sich ein Hallenteil in der damaligen Sponeck-Kaserne der Luftwaffe (heute Südpfalz-Kaserne). So können wir heute die einigermaßen kuriose Feststellung treffen, dass das römische Flusskriegsschiff mit Unterstützung der deutschen Luftwaffe gebaut wurde.

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Diskussion der Pläne mit Dr. Ronald Bockius

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In ihrem Transportgerüst rollt die LUSORIA RHENANA zum ersten Mal aus der Bauhalle.

Beim Tag der offenen Tür 2010 besichtigten mehrere Hundert Menschen das halbfertige Römerschiff mit sehr positiver Resonanz.

Viele kleinere und größere Begegnungen mit Menschen sowie diverse Ereignisse sind erwähnenswert, können hier aber nur ansatzweise aufgeführt werden. Von vielen Menschen erhielten wir – vor allem nach der Besichtigung des Schiffes – nicht nur Geld-, sondern auch Sachspenden. Ein Ehepaar spendete die Maschinen der von der Tochter geplanten, aber nie realisierten Schreinerwerkstatt, die von den Projektmitarbeitern dann hergerichtet wurden und uns gute Dienste leisteten. Um das Schiff zu transportieren und im Wasser ein- und auskranen zu können, musste eine spezielle Stahlkonstruktion angefertigt werden. Dies übernahm die Firma Rheiner Stahlbau. Der Firmeninhaber war vom Schiffsprojekt so begeistert, dass er uns – ohne vorherige Absprache – das Stahlgestell kostenfrei überließ. Heute können wir zufrieden feststellen, dass dank der zahlreichen Unterstützer der Schiffbau und der anschließende Betrieb ausschließlich mit Spendengeldern realisiert werden konnte.

Bei der Feier zur Fertigstellung des Schiffes kam es leider zum – bislang glücklicherweise einzigen – schweren Unfall. Unser Bootsbauer stürzte vom Schiffsrumpf auf den Betonboden der Halle und verletzte sich schwer. Glücklicherweise konnte er wieder genesen und übt mittlerweile seinen Beruf weiterhin aus.

Der erste öffentliche Einsatz des Schiffes außerhalb der Fertigungshalle war die Präsentation auf der Offerta, einer großen, jährlichen Verbrauchermesse im Kreis Karlsruhe, auf dem regionalen Tourismusstand. Schon die 30 km lange Fahrt der LUSORIA RHENANA in die Messehalle war ein großes Ereignis, über das überregional berichtet wurde. Zum ersten Mal seit 1.600 Jahren war wieder ein Römerschiff in der Region unterwegs – allerdings noch im passiven Zustand, transportiert durch einen Lkw.

Das Schiff selbst war bei der Messe die Attraktion. Die Menschenmassen strömten, die Reaktionen waren ausschließlich positiv, das Interesse am Schiff war enorm. Alle wollten das Schiff anfassen, viele ließen sich damit fotografieren. Wir waren begeistert. Die Menschen teilten unsere Begeisterung am Schiff und reagierten damit so, wie wir uns es erhofft hatten. Die Präsentation des Schiffes wurde flankiert durch weitere römische Attraktionen. Wer wollte, konnte an der aufgestellten Schmiede einen römischen Eisennagel schmieden oder römisches Geschirr töpfern.

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Lkw-Transport zur Offerta

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LUSORIA RHENANA auf der Offerta Foto: Franz Gschwind

Damit war unser Ziel, ein Schiff zu bauen und Menschen dafür zu begeistern, Wirklichkeit geworden. Allerdings stand ein weiterer Prüfstein bevor: Würde das Schiff auch unsere Erwartungen auf dem Wasser erfüllen? Konnte es überhaupt schwimmen? Und wenn ja, wie?

Erstmals auf dem Wasser

Nach der Messe kam die zweite, nicht minder wichtige Fahrt über die Straßen. Das Schiff wurde in den Wörther Hafen transportiert, wo uns eine große Menschenmenge erwartete. Dort wurde das Schiff mit einem Portalkran ins Hafenbecken eingesetzt. Da wir noch keine Erfahrung mit dem Rudern hatten, wurde das Schiff von einem Motorboot auf die andere Seite der Hafenfläche geschleppt. Die LUSORIA schwimmt – erstmals seit 1.600 Jahren bewegt sich ein römisches Flusskriegsschiff auf dem Wasser des Oberrheins – ein erhebender Moment.

Kaum am Anleger des örtlichen Segelclubs angekommen, nahm das Schiff Wasser. Der Schiffskörper lief bis an die Duchten voll – allerdings erwartungsgemäß! Allen Beteiligten war klar, dass das Schiff im trockenen Zustand feine Risse aufweist und sich das Holz zunächst mit Wasser vollsaugen, dadurch aufquellen und damit physikalisch sich selbst abdichten würde.

Der Segelclub Wörth gestattete freundlicherweise in seinem Gewässer und seiner Anlage am Hafen Wörth den Aufenthalt des Römerschiffes zum Durchführen der wissenschaftlichen Tests. Das weitläufige, in Teilbereichen sehr naturnahe Gewässer, ein ehemaliger Altrheinarm, eignete sich hierfür hervorragend.

Die LUSORIA RHENANA wurde nun ausgiebig mehrere Wochen lang wissenschaftlich getestet – alle waren begeistert. Selbst zierliche Studentinnen kamen gut mit den 4,85 m langen Riemen zurecht. Besondere Höhepunkte waren die Segelphasen, eingeleitet mit dem erleichterten, gemeinsamen Ausruf der entlasteten Mannschaft:

„Hurra, wir sind ein Segelschiff!“

Nach den wissenschaftlichen Tests folgten weitere mobile Einsätze. Dank des Transportgerüsts konnte das Schiff einige Male auch über weitere Strecken transportiert werden.

Es präsentierte sich mit großem Erfolg bei Römertagen an der Donau, einem großen römischen Medienereignis in Haltern (südliches Münsterland) und beim Rheinland-Pfalz-Tag in Bingen. Glücklicherweise regnete es während des Straßenumzugs, sodass es nicht zu Trocknungsschäden kam.

Während der ersten Saison stellten uns freundlicherweise die Stadt Germersheim und der Motoryachtclub Germersheim einen Anlegeplatz im Germersheimer Hafen zur Verfügung, der uns erlaubte, eine Saison lang Erfahrungen zu sammeln. Während des Hafenfestes wurde das Schiff offiziell getauft. Die Überlastung des Schiffes bei dieser Gelegenheit tat der Begeisterung keinen Abbruch.

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Erstes Einkranen im Hafen Wörth

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LUSORIA beim Segeln Foto: Hans-Werner Berg

Nach dieser Saison hatten wir den idealen Anlegeplatz gefunden: den Setzfeldsee bei Neupotz. Hier auf diesem idyllischen Baggersee inmitten der Altrheinlandschaft gab es keine störende Großschifffahrt. Das benachbarte Anglerheim erwies sich als ein logistischer Pluspunkt. Nur wenige Hundert Meter entfernt war der Römerschatz – vielleicht sogar von einer Lusoria versenkt – gefunden worden. Wir bewegten uns also auf historischem Gelände. Die Neupotzer, allen voran Bürgermeister Emil Heid, empfingen uns herzlich. Das erste Einkranen wurde mit großem Anteil der Neupotzer Bevölkerung gefeiert.

Später gestattete der Gemeinderat, eine Anlegestelle zu bauen, die sich bis heute als ideales Domizil erweist. In Verbindung mit dem Haus „Leben am Strom“, einem Informationszentrum über Hochwasserschutz am Oberrhein, sowie der angeschlossenen Polderscheune als Tagungsraum gelang es, das Römerschiff offiziell als außerschulischen Lernort anerkennen zu lassen. Außerdem ist das Schiff mittlerweile als einzigartiges Trauzimmer offiziell registriert.

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Schiffstaufe auf den Namen LUSORIA RHENANA

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Fahrt mit Förderern und Ehrengästen direkt im Anschluss an die Taufe Fotos: Franz Gschwind

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LUSORIA RHENANA fährt erstmals durch Neupotz.

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Landrat Dr. Fritz Brechtel und Bürgermeister Emil Heid bei der Ansprache Fotos: Franz Gschwind

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Die LUSORIA beim Einkranen unter reger Beteiligung der Bevölkerung

Fazit und Ausblick

Mit dem Projekt Römerschiff begaben wir uns auf einen langen Weg. Risiken wurden in Kauf genommen, Schwierigkeiten gelöst, erste Erfolge beflügelten uns und halfen bei den weiteren auftauchenden Problemen. Das Beste: das Schiff selbst. Als die Konturen sichtbar wurden, schien es, als werde ein Knoten gelöst. Die Faszination des Schiffes übertrug sich auf die Menschen. Viele, die es sahen – und sei es nur auf den Fotos –, gerieten in seinen Bann. Als es schließlich fertiggestellt war, wurde es zur Attraktion. Unvergessen der erste Auftritt auf der Offerta, einer großen Messe in Karlsruhe: Die Menschen strömten zum Schiff, jeder wollte es berühren. Der Zauber der Vergangenheit erfasste die Menschen – wir wussten nun, dass wir mit dem Projekt keine verrückte Idee hatten, sondern dass wir mit unseren Überlegungen richtig lagen, nämlich: mit dem Schiff als Teil unserer gemeinsamen regionalen Geschichte die Menschen erreichen und damit unsere Region in Wert setzen. Das Schiff als Botschafter unserer Region. Das Schiff als Ort, an dem junge und ältere Gäste unsere Geschichte erleben – oder einfach Spaß haben können.

Mittlerweile ist die LUSORIA RHENANA fester Bestandteil unseres Tourismuskonzepts.

Alle gesteckten Ziele wurden erreicht:

Wissenschaft: wissenschaftlich exakte Rekonstruktion (mit Details wie über 4.000 handgeschmiedete Eisennägel) als Basis für ausgiebige wissenschaftliche Testfahrten und entsprechend weitreichende Forschungsergebnisse

Soziales: Einsatz und die Qualifizierung arbeitsloser Jugendlicher beim Schiffsbau

Tourismus: Dauereinsatz des Schiffes durch die Nutzung von Gästegruppen von nah und fern seit mittlerweile vier Jahren. Dank Presse, Funk und Fernsehen und dank der zahlreichen Gästegruppen, die nicht nur aus dem Bundesgebiet, sondern auch aus den europäischen Nachbarländern kommen, ist das Römerschiff LUSORIA RHENANA und auch unsere Region am Oberrhein vielen Menschen bekannt.

Bildung: Nutzung als schwimmendes Klassenzimmer und Vermittlung vor allem von historischen und landschaftsökologischen Themen, das Schiff ist mittlerweile anerkannt als außerschulischer Lernort (SchUR) des Landes Rheinland-Pfalz.

Identitätsstiftender Botschafter unserer Region

Rund um das Römerschiff haben wir den Verein zur Förderung von Umweltbildung und römischer Geschichte gegründet, dessen aktuell über 100 Mitglieder sich aktiv und kreativ mit den Vereinszielen befassen.

Die Freude am Projekt hält an. Umgesetzt wird es durch unsere aktiven Vereinsmitglieder, allen voran Ralph Lehr als Zweiter Vorsitzender und Bootsführer sowie Dieter Heim als kreativer, organisationserprobter Geschäftsführer und Bootsführer mit Organisationstalent. Die Römer hätten einen wie ihn gut brauchen können – wir aber auch.

2016 befindet sich die LUSORIA RHENANA in ihrer vierten aktiven Touristensaison. Sie hat – die wissenschaftlichen Testfahrten nicht mitgezählt – rund 20.000 Gäste befördert und stellt damit täglich neu einen Weltrekord auf: das weltweit am längsten dauernde archäologische Langzeitexperiment in Bezug auf Bau und Betrieb eines römischen Flusskriegsschiffes.

Auch 2016 wird die LUSORIA RHENANA als originalgetreuer Nachbau eines römischen Patrouillenschiffes mit rund 7.000 Ruderern erneut an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

All dies ist nur gelungen, weil sehr viele Menschen ehrenamtlich und uneigennützig mitgeholfen haben und weiterhin mithelfen. Ihnen allen sei herzlich gedankt!