Never kiss a cowboy

Erotischer Roman

Bärbel Muschiol


ISBN: 978-3-95573-279-0
2. Auflage 2015, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2015 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung der Bilder 130884017 von katalinks und 133817396 von Antonio Gravante (shutterstock).

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

Die Lippen einer Frau sind das Tor zu ihrer Seele.

 

(Chinesischer Spruch)

1. Kapitel

Ein unbekanntes Ziel

Mein Ford ist nicht mehr der Jüngste, genau genommen hat er wirklich schon bessere Zeiten gesehen, doch das stört mich nicht. Dieses Auto hat eben Charakter und es hat mich noch nie im Stich gelassen. Der Tacho zeigt sechzig Meilen an, mit jeder Stunde, die ich fahre, bringe ich also sechzig Meilen zwischen meine verkorkste Vergangenheit und meine neue Zukunft. Es gehört mit zum fundamentalen Grundwissen einer Frau, dass sie nicht mit ihrem Chef ins Bett steigen sollte, völlig egal, wie scharf dieser auch sein mag. Und doch ist es geradezu typisch für mich, dass ich es trotzdem getan habe. Der Sex war der Wahnsinn, von der Handvoll Männern, mit denen ich bis jetzt Sex hatte, war Jacob, mein Ex-Lover und gleichzeitig mein Ex-Chef, der zweite, der es geschafft hat, mich kommen zu lassen. Ich weiß nicht, wie die Männer dieser Welt darauf kommen, dass es einer Frau reicht, einen Schwanz in sich zu haben, ich habe es noch nie geschafft, nur durch Penetration einen Orgasmus zu bekommen. Von einem Vaginalorgasmus mal ganz abgesehen, denn der hat mich noch nie beehrt. Jacobs Penis war perfekt, doch seine Finger waren noch besser.

Seufzend schüttle ich die Erinnerungen ab, dank diesem Idioten bin ich jetzt arbeitslos und fahre in ein unbekanntes Nichts, das meine Zukunft darstellt. Meine Stelle als Anwaltsgehilfin war zwar gut bezahlt, aber trocken und langweilig. Mein kleines Singleapartment habe ich auf unbestimmte Zeit untervermietet, glücklicherweise sind in Washington bezahlbare Immobilien rar. Ein genaues Ziel habe ich nicht, vor wenigen Stunden habe ich die Grenzen Washingtons verlassen und bin jetzt in Idaho gelandet.

Die Frage ist nur: Was nun? Halte ich mich rechts, lande ich in Nevada und könnte in gut einer Woche in Kalifornien rauskommen, wobei jetzt im Februar mit Sicherheit keine halb nackten Männer durchs Wasser paddeln... Oder fahre ich weiter geradeaus und entscheide mich für Wyoming? Die Frage ist: Surferboys oder Cowboys?

Intuitiv entscheide ich mich für die richtigen Männer und trete das Gaspedal noch etwas stärker durch. Welche Frau hat in einer einsamen Nacht noch nie von einem sexy Cowboy geträumt?

Mein Hintern schmerzt und meine Beine kribbeln, doch das sind meine geringsten Sorgen. Stotternd und zuckend, hat mein bis jetzt so tapferes Auto beschlossen zu streiken und ich kann es ihm nicht verdenken. Die letzten 700 Meilen haben uns beiden eine Menge abverlangt, während ich mir einen sentimentalen Countrysong nach dem anderen angehört habe, ist mir der Sprit ausgegangen. So eine Riesenscheiße! Jetzt sitze ich hier irgendwo im Nirgendwo, mein Handy hat keinen Empfang und meine letzte Coke ist leer. Wyoming ist der bevölkerungsärmste Bundesstaat des Landes, und ausgerechnet hier muss ich das Tanken vergessen? Das ist mir in der Stadt noch nie passiert, nein, warum auch? Schließlich liegt da ja auch die nächste Tankstelle direkt an der nächsten Straßenecke, aber hier, wo nichts ist, hier vergesse ich es. Die Interstate 25 liegt einsam und verlassen vor mir, der Himmel sieht dunkel aus und in der eiskalten Luft liegt der Geruch von Schnee. Die Chance, dass genau jetzt ein gut aussehender Cowboy mit einem vollen Kanister für mein Auto und einer Coke für mich vorbeikommt, ist wohl ziemlich gering.

Also was tun, als Stadtmädchen alleine in der Pampa? Im Auto warten? Oder laufen, in der Hoffnung, dass mein Handy irgendwo im Nirgendwo endlich Netz findet? Wobei ich mir auch nicht sicher bin, dass mich ein Handynetz retten würde - denn wen soll ich schon anrufen? Ich kenne hier niemanden, meine Freunde sind alle 700 Meilen weit entfernt, und Familie habe ich keine mehr. Doch den Gedanken daran, dass ich jetzt komplett alleine dastehe, verdränge ich ganz schnell wieder, meine Situation ist auch so schon deprimierend genug. Unsicher, wie ich mich jetzt verhalten soll, stelle ich die Rückenlehne nach hinten und schließe für ein paar Minuten meine Augen. Mir ist kalt, ich habe Hunger und die lange Autofahrt war anstrengender, als ich dachte.

Ein lautes Klopfen reißt mich aus meinem mehr oder weniger freiwilligen Schlaf, endlich gerettet. Mittlerweile ist es dunkel, der Himmel ist sternenklar und die Temperatur eisig. Oh Gott, oh Gott, ich bin tatsächlich eingeschlafen... Meine Synapsen arbeiten in der Geschwindigkeit einer Nacktschnecke... Mir ist so eisig kalt und mein Rücken schmerzt. Ich habe das Gefühl, dass sich jeder meiner Wirbel verbogen hat.

Erneut klopft es an meiner Seitenscheibe, wie soll ich mich nur verhalten? Soll ich die Türe öffnen und hoffen gerettet zu sein? Oder soll ich mich tot stellen? Ich entscheide mich für die sinnvollere Methode, kurble mein Fenster runter und prüfe, wer an meine Scheibe geklopft hat.

Mein Herz macht einen Satz, zum Glück bin ich nicht ausgestiegen. Der Mann, der vor meinem Auto auf der dunklen Straße steht, ist riesig. Sein Gesicht ist in der Dunkelheit der Nacht nur schwer zu erkennen, er trägt einen Stetson, Jeans und ein kariertes Hemd. Träume ich? Er sieht ganz genauso aus wie der sexy Cowboy, den ich mir hin und wieder für meine nicht ganz jugendfreien Träume aus der Marlboro-Werbung ausleihe. Ich lehne mich näher zu ihm, kneife die Augen zusammen und versuche seine Gesichtszüge zu erkennen. Doch zu meinem Leidwesen ist es einfach zu dunkel, um mehr als schemenhafte Schatten erkennen zu können.

„Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Mrs.?“

Dunkel und rauchig rieselt mir ein süßer Schauer über den Rücken. Himmel, wie kann ein Mann nur so eine attraktive Stimme haben. Er legt seine Hand auf die heruntergekurbelte Scheibe. Seine Hände sind groß, ich glaube, dass mir noch nie ein Mann mit größeren Händen über den Weg gelaufen ist. Die Zeichen von harter Arbeit, Risse und Schwielen, verteilen sich auf seiner braunen Haut. Wie muss es sich anfühlen, von diesen Händen gehalten zu werden? Stopp!! Ich muss mich echt zusammenreißen, was ist nur los mit mir? Meine unpassenden Gedanken sind mehr als fehl am Platz. Wenn ich nach meinem Bauchgefühl gehe, kann ich ihm vertrauen. Der Fremde scheint ein anständiger Mann zu sein, der für sein Geld hart arbeitet. Ein Psycho hat doch eher gepflegte Hände, oder?

„Mrs., ist alles in Ordnung bei Ihnen?“

Oh verdammt, ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich ihm immer noch nicht geantwortet habe. „Ja, also nein, ich meine nein, mein Tank ist leer...“

Habe ich mir das nur eingebildet oder hat er sich tatsächlich räuspern müssen, um sein Lachen zu kaschieren?

„Wohin müssen Sie denn? Kann ich Sie ein Stück mitnehmen?“

Mitnehmen? Ein Stück? Ich habe weder ein Zuhause noch eine Ahnung davon, wo sich das nächste Motel befindet. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste die nächstliegende Stadt Afton sein. Und eines ist schon mal sicher, jetzt, wo ich hier sitze, komme ich mir ziemlich naiv vor. Was dachte ich mir nur dabei, einfach alles hinter mir zu lassen, um mich auf die Suche nach einer ungewissen Zukunft zu machen? Fröstelnd schlinge ich mir die Arme um den Oberkörper, wenn es doch nur nicht so furchtbar kalt wäre. „Wohin fahren Sie denn?“

Er stellt sich wieder aufrecht hin. Er ist wirklich riesig, ein Berg von einem Mann, mit breiten Schultern, die sich zu einer sexy Taille verjüngen. Trotz der Kälte steht er ganz lässig vor meinem Auto, als könnten ihm die niedrigen Temperaturen nichts anhaben. „Genau genommen, Mrs., bin ich auf dem Heimweg. Meine Ranch ‚Windfallliegt nicht weit von hier.“

Ich beneide ihn, er ist so selbstsicher und er strahlt eine unheimliche Gelassenheit aus. Er wirkt nicht, als wäre ihm alles egal, doch er hat diese natürliche Dominanz, er strahlt Selbstsicherheit und Kraft aus. Es muss schön sein, einen Mann wie ihn an der Seite zu haben. „Dann trennen sich hier wohl unsere Wege“, ich schaffe es gerade noch so, nicht vor Kälte zu zittern. „Ich muss in eine Stadt und mir ein Motel suchen.“

„Bei allem Respekt, Mrs, wie wollen Sie das anstellen? Hier kommt in den nächsten Stunden keiner mehr vorbei. Es ist nach zehn Uhr und richtig kalt. Mal ganz abgesehen davon, dass Ihr Tank leer ist.“

Verzweifelt beiße ich mir auf die Unterlippe, auch wenn meine Situation ziemlich beschissen ist, will ich nicht vor ihm zu weinen anfangen. Ein klitzekleines bisschen Würde und Stolz würde ich mir schon ganz gerne erhalten. „Ich sitze also sprichwörtlich in der Scheiße!“

Dieses Mal gelingt es ihm nicht, seine Heiterkeit zu verbergen. „O. k., wie ich sehe, gibt es nur einen Ausweg“, während er spricht, verschränkt er seine Arme vor der Brust.

Himmel, hat dieser Kerl Muskeln.

„Sie kommen mit zu mir auf die Ranch.“

Ich sehe das Funkeln seiner Augen und das Blitzen seiner weißen Zähne. Mein Gaumen wird staubtrocken, was jetzt? Ist der Kerl meine Rettung oder mein Untergang?

In meinem Kopf herrscht Ausnahmezustand, ich muss mich entscheiden. Ja oder Nein? Hier im Auto kann ich nicht bleiben! Wahrscheinlich würde ich in der Nacht erfrieren oder von Kojoten und Präriehunden überfallen werden.

„Ist das o. k. für Sie?“

Sein tiefes Einatmen lässt mein Herz schneller schlagen, was ist nur los mit mir?

„Mrs., bei allem Respekt, es geht hier nicht um mich, sondern um Sie. Ich kann Sie hier nicht alleine mitten im Nichts stehen lassen. Sie sind augenscheinlich nicht von hier. Es ist kalt und Sie sind hübsch.“ Was hat mein Aussehen mit meiner Situation zu tun? „Was ich damit sagen will, Sie sind hier nicht sicher!“

Meinen ganzen Mut zusammenkratzend, ergreife ich den Türgriff und steige aus. Jetzt, wo ich vor ihm stehe, bemerke ich erst, wie groß er tatsächlich ist. Ich gehe ihm gerade einmal bis zur Brust, um ihm ins Gesicht sehen zu können, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen. Sein herber Geruch steigt mir in die Nase. „Und bei Ihnen bin ich sicher?“ Der Abstand zwischen uns beträgt nicht ganz dreißig Zentimeter, ich muss mich ziemlich zusammenreißen, um nicht meine Hand auf seinen Körper zu legen, um mir so etwas von seiner Wärme zu stibitzen.

„Na ja, so sicher eine Frau und ein Mann eben sein können.“

Er ist der Teufel, oder er wurde vom Teufel geschickt... „Das beruhigt mich jetzt nicht wirklich!“

Sein Burstkorb bebt unter seinem Lachen, ihn scheint meine bescheidene Situation wirklich zu amüsieren.

„Ich kann nicht einfach in dein Auto steigen, ohne dass ich deinen Namen weiß.“

„Dan Paine, zu Ihren Diensten.“ So charmant seine Worte auch klingen, sein Verhalten ist ziemlich rau. Sein schwarzer Pickup steht auf der anderen Straßenseite, circa drei Meter hinter meinem Ford. „Ich hole nur schnell meine Tasche.“ Ohne auf meine Worte einzugehen, nimmt er sie mir aus der Hand und schmeißt sie mit Schwung auf die hintere Ladefläche seines Autos.

Hatte ich schon seine Muskeln erwähnt?

Entspannt steigt er in seinen Pickup ein, startet den Motor und wartet. So viel zum Thema Gentleman, aber jetzt mal ganz im Ernst: Welcher Cowboy muss schon ein Gentleman sein? Ist es bei denen nicht wichtig, dass sie urtümlich, kraftvoll und gut gebaut sind? Solange sie gut schießen und noch besser küssen können, habe ich kein Problem damit, mir meine Türe selbst zu öffnen. Im Pickup ist es warm, die Heizung, die, wie ich nach einem kurzen Blick feststelle, auf volle Hitze gedreht wurde, erwärmt angenehm meine durchgefrorenen Knochen. Im Auto ist es dunkel, ein typisch melancholisch klingender Countrysong läuft leise im Radio. Die Landschaft um uns herum ist stockdunkel, einsam liegt die unheimliche Weite des Westens vor uns.

Sind Cowboys gesprächig? Also das Exemplar hier neben mir ist es definitiv nicht. Da ich ihm für meine Rettung wirklich dankbar bin, gebe ich mir Mühe, seine Ruhe zu akzeptieren. Aber es fällt mir verdammt schwer, meine Zunge zu hüten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die wir schweigend nebeneinander verbringen, zerbröselt mein selbst auferlegtes Redeverbot.

„Ist es noch weit bis zu deiner Ranch?“

Erneut breitet sich ein schiefes Lächeln auf seinen vollen Lippen aus. Und wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt glauben, dass er nur darauf gewartet hat, dass ich zu reden anfange.

„Verrätst du mir auch irgendwann deinen Namen?“

Oh, wie peinlich... „Hope Mackenzie.“

Er sieht zu mir, sieht mich an und ich versinke in seinem Blick. In der Dunkelheit sehe ich, wie seine Augen glänzen.

„Hope...“

Langsam und mit einer unheimlich rauen Stimme spricht er meinen Namen aus.

In meinem Magen breitet sich das Gefühl aus, dass hier gerade etwas passiert, was ich nicht verstehe.

„Der Name passt sehr gut zu dir.“

Woher will er das wissen? Wir kennen uns gerade einmal ein paar Meilen lang. Dieser Mann verwirrt mich. Erneut breitet sich ein Schweigen zwischen uns aus, eine Stille, die nicht schwer und unangenehm ist, sondern eher kameradschaftlich und angenehm. Das Gebläse der Heizung begleitet die Geräusche seines Wagens. Müde und erledigt lehne ich meinen Kopf an die Scheibe seines Wagens, was für ein Tag. Und zu meiner großen Verwunderung bekomme ich tatsächlich doch noch eine Antwort auf meine Frage.

„Es dauert nicht mehr lange, rechne mit einer guten Stunde.“

Irgendwo habe ich schon mal gehört, dass hier, also auf dem Land, die Zeit anders gemessen wird. Sie hat hier draußen eine andere Bedeutung. Eine Stunde ist in der Stadt eine Ewigkeit, wenn man sie im Auto verbringen muss. Jedoch nur ein Wimpernschlag, wenn es um ein Meeting oder einen Geschäftsabschluss geht. Hier scheint es genau andersherum zu sein. Der Cowboy neben mir scheint nicht besonders gesprächig zu sein. Sich mit ihm eine Stunde lang zu unterhalten erscheint mir unmöglich. Aber diese sechzig Minuten Autofahrt hier an seiner Seite zu verbringen ist nicht unangenehm für mich. Erstaunlich ruhig spüre ich, wie ich mich langsam entspanne, die Wärme, seine Nähe und die unendliche Dunkelheit, die sich um uns herum befindet. Für mich als Stadtmensch ist es unglaublich, dass wir Meile für Meile fahren, ohne an einem Haus, geschweige denn an einer Ortschaft vorbeizukommen.