cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Zwischenspiel

7.

8.

Zwischenspiel

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2292

 

Dreimal ewiges Leben

 

Er kämpft gegen den schleichenden Tod – die Unsterblichkeit vor Augen

 

Michael Nagula

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

img2.jpg

 

Die Bewohner der Erde leben unter der neu errichteten Herrschaft des angeblichen Gottes Gon-O, der aus der Verbindung eines wahnsinnigen Nocturnenstocks mit einem unsterblichen Kunstgeschöpf entstanden ist. In einer Verzweiflungstat opfern Myles Kantor und sein Wissenschaftler-Team ihr Leben, um den drohenden Untergang des gesamten Solsystems aufzuhalten.

Tatsächlich zeitigt das Opfer mehrfache Wirkung, denn auch Gon-O ist mehrfach präsent: Zum einen legt sich an seinem Entstehungsort, auf Parrakh in der Großen Magellanschen Wolke, Verwirrung über die Streitkräfte der Kybb. Nur dank der Kybb-Titanen bleibt Satrugars Leib dort unangreifbar.

Allerdings gibt es seit einiger Zeit einen zweiten Schwerpunkt von Gon-Os Macht: das »Relais« am Fuße des Vesuv, bei Neapel auf Terra.

Dort entspinnt sich in der Zwischenzeit ein gänzlich anderer Konflikt. Alte Bündnispartner entzweien sich im Streit um DREIMAL EWIGES LEBEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Tagg Kharzani – Der ehemalige Schutzherr kämpft um sein Leben.

Deitz Duarto – Der Prim-Direktor erlebt seine glücklichste Stunde.

Gon-Orbhon – Der selbst ernannte Gott gewährt Audienzen.

Millitron – Der Roboter versucht seinem Herrn zu jeder Zeit zu Diensten zu sein.

Gucky – Der Mausbiber in Gefangenschaft wird ungeduldig.

Prolog

1. Mai 1333 NGZ

 

Mondra Diamond und Norman schienen einen Heidenspaß zu haben. Ausgelassen spielten sie unter einem Olivenbaum. Der Klonelefant hatte das Apportieren gelernt und genoss es sichtlich, das Stöckchen, das Mondra warf, zurückzuholen und ihr schwanzwedelnd hinzuhalten. Mondra wiederum genoss es, sich so auf andere Gedanken zu bringen.

Homer G. Adams beneidete sie um diese Fähigkeit.

Vorgebeugt, die Arme auf den Oberschenkeln, saß er auf einem Felsen und musste ständig daran denken, was in den letzten zwei Wochen geschehen war. Einzelschicksale gemessen an den gewaltigen Auswirkungen, die Gon-O auf das Leben aller Bewohner des Solsystems hatte, aber Einzelne standen dem Herzen nun einmal näher als noch so viele anonyme Fremde.

Babett Bündchen zum Beispiel, die Trapezkünstlerin der Fliegenden Rochettes ...

Mondra und er hatten in den Zirkusartisten Helfer gefunden, als sie nach Neapel gereist waren und inkognito Gon-Os Machenschaften am Vesuv erkundeten. Die junge Frau hatte sich in Homer verliebt, und er war so töricht gewesen, auf ihre Zuneigung einzugehen.

Ein Fehler, den er mittlerweile bitter bereute.

Als Mondra und er nach Rom weiterreisen mussten, hatte sie ihn begleiten wollen. Ihre Worte klangen ihm noch in den Ohren: »Nimm mich mit. Wir könnten zusammen sein.«

Er hatte ihr erklärt, dass sie sich wiedersehen würden, sobald Terra befreit war.

Was für eine erbärmliche Antwort! Was für eine erbärmliche Haltung gegenüber einer Frau, die ihn liebte! Hätte er nicht ehrlich sein und ihr sagen können, dass es für sie beide keine Zukunft gab? Und zwar nicht, weil sie sterblich und er unsterblich war, sondern weil sie nicht zusammenpassten.

Nur Homers Inkognito hatte ihre vermeintlichen Gemeinsamkeiten gestiftet, und ihm war das auch sehr wohl bewusst. Er hatte es nicht gewagt, das zu sagen, weil sie es nicht akzeptiert hätte.

»Wenn du mir nicht schwörst, dass wir zusammenbleiben, stürze ich mich in dieses Loch!« Das waren ihre Worte gewesen.

Er war immer noch fassungslos, wenn er daran dachte, dass es genauso gekommen war. Nun ja – fast genauso. Sie war von Gon-O übernommen worden und durch einen Stups Normans in besagtes Loch gestürzt, einen tiefen Schacht, der von lange zurückliegenden Probebohrungen übrig geblieben war.

Und das war nur der Auftakt zu weiteren schrecklichen Ereignissen gewesen ...

Ihr Einsatz in Rom, für den Mondra und er eigens eine neue Identität angenommen hatten. Ihre Kontaktperson war ein gewisser Ettore Fungi gewesen, ein Spion des Geheimdienstes, der von der Gründung einer neuen Untergrundorganisation berichtet hatte, die sich »Bewegung Freie Terraner« nannte. Als Ehepaar Garibaldi nebst Haustier hatten sie sich bemüht, die Übernahme dieser Stadt durch Gon-Os Jünger zu verhindern.

Fast zwei Wochen lang hatten sie einen Kampf geführt, aus dem sie Erfahrungen gewinnen wollten, um Gon-O auf globaler Ebene entgegentreten zu können. Leider vergebens.

Aber das Schlimmste war in der Nacht geschehen, in einem furchtbarem Traum, einem Traum, der ihm in grellen Farben vor Augen geführt hatte, was in der Sonne geschah, in der TRIPTYCHON-Station, zu der sie vor geraumer Zeit das Forschungsschiff INTRALUX entsandt hatten. Eine Spiralgalaxis war aufgeblüht wie ein leuchtender Kristall, hinter dem das Gleißen der Sonne zu einem matten Glosen verkommen war. Sie war unendlich groß gewesen und doch winzig klein, so klein, dass sie auf ein Stück Haut passte.

Homer sah den Körper dieser Haut und verkrampfte sich. Es war Myles Kantors Körper. Er schauderte, meinte mit jeder Faser den Schmerz des alten Freundes zu spüren.

Alter Freund! Homer kratzte ein Lachen in der Kehle. Myles war einer der jüngsten Zellaktivatorträger gewesen, der Benjamin der Unsterblichenriege gewissermaßen, Adams hingegen eine Art Methusalem, was die Terraner anging.

Myles hatte um der Forschung willen Wissenschaft betrieben, Homer stets die ökonomische Perspektive angemahnt. Sie waren so weit voneinander fort gewesen, in so vieler Hinsicht, und doch hatten sie über Jahrzehnte und Jahrhunderte eine Vertrautheit aufgebaut, die sie zu Brüdern hatte werden lassen.

Und nun ... nun war er fort.

Ob ES ihn aufgenommen hat?, dachte Homer wehmütig. Er war sich nicht einmal sicher, ob er es Kantor wünschen sollte, zum Teil des enormen Bewusstseinspools zu werden, den die Superintelligenz angesammelt hatte. Der Gedanke war für das Finanzgenie der LFT sowohl beruhigend als auch verstörend. Eine neue Existenzform ... dafür aber nie mehr autark in seinen Entscheidungen.

Adams erinnerte sich daran, wie er im Gleißen der Spiralgalaxis aufgewacht war. Wie der Schweiß ihm aus den Poren geflossen war, wie eine ungeheure Hitze ihm unmenschlichen Schmerz durch die Adern gejagt hatte und wie die Spiralgalaxis sich zu gigantischer Größe aufblähte, bis sie schließlich die gesamte Milchstraße zu umfassen schien – und dann verpuffte.

Ein Zellaktivatorträger ist gestorben. Myles Kantor ist tot!

Zunächst hatte er noch versucht, sich einzureden, dass alles nur ein Alptraum gewesen sei, hervorgerufen durch die bedrückende Präsenz Gon-Orbhons auf Terra. Doch seine Zweifel waren verflogen, als Mondra berichtete, dass sie es ebenfalls geträumt hatte.

Noch konnte niemand sagen, unter welchen Umständen und aus welchem Grund Myles gestorben war. Sie wussten nur, wo es vermutlich geschehen war: in der Sonnenstation.

Möglicherweise war Myles' Tod nicht vergebens gewesen. Es blieb die Hoffnung, dass es dem Wissenschaftler gelungen war, Gon-O durch seinen Tod Schaden zuzufügen.

Sie mussten sich vergewissern. Wenn Myles einen Erfolg erzielt hatte, würden sie es am Vulkan sehen. Aber dazu mussten sie zum Stock-Relais reisen.

Für Homer war das Grund genug gewesen, ihre gescheiterte Mission in Rom sofort abzubrechen. Sie hatten Norman aus dem Zoo geholt, in dem sie ihn vorübergehend deponiert hatten, und nach Neapel mitgenommen. Immerhin war er ein »Sektenspürer« und nahm wahr, wenn sich jemand unter Gon-Os Einfluss befand. Eine unschätzbare Hilfe.

Als Homer wieder aufblickte, sah er nicht seine Freunde unter dem Olivenbaum. Er sah das gewaltige Massiv hinter Mondra und Norman, mit dem gewaltigen Splitter, der vor eineinhalb Monaten, am 13. März, dort niedergegangen war. Er hatte sich exakt in das Loch abgesenkt, das zuvor im Vesuv ausgehoben worden war.

Es war eigentlich ein Hyperkristall, bis 110 Meter breit und 223 Meter lang, ein »Geschenk« Gon-Orbhons an die Menschheit. Ein Trojanisches Pferd gewissermaßen, das die selbst ernannte Gottheit zur Ausübung ihrer Herrschaft über das Solsystem geschickt hatte.

Bisher konnte er keine Veränderung wahrnehmen. Aber der Tod seines Freundes musste einen Sinn gehabt haben. Schrecklich, wenn er keinen hätte. Einer wie Myles konnte doch nicht einfach verlöschen, und das war's! Sicher wirkte er sich noch auf dieses Gebilde aus.

Aber was, wenn sich durch seinen Tod gar nichts änderte?

Dann blieb nur noch die Hoffnung auf ihren eigenen Plan: die Sonden Krakatoa III und IV, die sich langsam, zentimeterweise, durch die Gesteinsschichten fraßen. Sie würden frühestens in sechsundzwanzig Tagen am Einsatzort angelangt sein, um den 27. Mai, sofern es ihnen gelungen war, sich unter der Erdkruste ins Zielgebiet Vesuv vorzuarbeiten.

Homer hatte den Funk-Impulsgeber in seiner Tasche. Er wartete nur auf die entsprechende Nachricht, um den Sprengsatz zu zünden und den Gravo-Schild zu desaktivieren. Dann würde das Zuhause des entsetzlichen Gon-O in Stücke gesprengt werden.

Wie lange mussten sie noch warten?

1.

Lyresseas Augen

 

Stille ringsum, Totenstille. Sie wirkt so stark auf mich, dass ich erwache.

Ich schlage die Augen auf, in Gedanken noch bei Lyressea, die mir den Traum versüßte, Lyressea, die seit Jahrtausenden meinen Weg begleitet, nah und doch so fern, Lyressea, die mir misstraute, sie vor allem, von Anfang an, obwohl sie mich doch kennen sollte.

Sonnst du dich wieder in deinem Leid?, wispert eine Stimme in mir.

Noch halb im Schlaf, erfüllt mich jähes Staunen. Der Gedanke an Lyressea verblasst. Diese Stimme und diese Worte bringen etwas in mir zum Klingen, erfüllen mich mit großer Freude. Er ist wieder bei mir, hat den Weg zu mir zurückgefunden. Mein Symbiont ...

Enkrine!, durchfährt es mich. Hast du überlebt? Es tut mir Leid, dass ich dich umbringen wollte. Es war ja so einsam ohne dich. Bist du wieder bei mir?

Als Antwort kehrt die Vergangenheit zurück. Ich sehe wieder, wie ich ihn zerreiße, auf seinen Überresten herumtrampele, bis nichts mehr übrig ist als breiiger Schleim, der mir deutlich macht, dass es keinen Enkrine mehr gibt. Ich habe ihn getötet, ein für alle Mal.

Du musst ruhiger werden, höre ich wieder die Stimme, in der echte Sorge mitschwingt. Der Schlaf hat dich nicht erfrischt. Deine Angst gewinnt zusehends Gewalt über dich.

Ich drohe den Verstand zu verlieren, weil mir klar ist, dass diese Worte nicht real sein können, wenn mein Symbiont tot ist. Oder ist er wiederauferstanden? Die Technologie der Kybb ist kolossal, wir können Tote zum Leben erwecken. Nein, sicher ist er tot, und diese Worte sind nichts als Einbildung, bloße Erinnerung daran, was er gesagt hätte, was er sagen würde, wenn er noch bei mir wäre.

Aber wenn das so ist, wenn er gestorben ist und ich mich nur an ihn erinnere, warum sucht mich die Erinnerung dann gerade jetzt heim?

Du musst mehr tun, wenn du verhindern willst, dass die Angst wiederkommt.

In diesem Augenblick wird die Erinnerung komplett.

Ich weiß jetzt wieder, was nach Enkrines Tod geschah. Ich spüre wieder die Einsamkeit, die Qual, das verzweifelte Gefühl, niemanden mehr zu haben, mit dem ich reden kann, und meine Entscheidung ...

Ein dezentralisierter mikropositronischer Ersatz in einer pseudovariablen Plasmahülle. Ich habe alles darangesetzt, ihn herstellen zu lassen, heimlich, auf der Grundlage einer der wenigen Aufnahmen, die uns beide zeigen: der Tag von Enkrines Tod, wie ich ihn vernichte ... Und nun ist er wieder da. Es war nur eine Frage weniger Tage. Unsere Techniker zeigten wieder einmal, wie fähig sie waren.

Und wie erleichtert war ich, als er mir um die Schultern gelegt wurde. Enkrine II, mein neuer Partner im langen Leben. Der neue Enkrine, so verhasst wie der alte, aber mit den gleichen Reaktionen, die Enkrine zeigte, der schreckliche Moralapostel.

Die Techniker, die ihn schufen, musste ich natürlich gleich auslöschen. Niemand hatte von Enkrine gewusst, und auch Enkrine II war reine Privatsache.

Warum hackst du auf meiner Angst herum?, schreie ich innerlich. Dass ich nicht ohne dich auskommen kann, heißt nicht, dass du nicht ersetzbar wärst. Vieltausendmal.

Mühsam unterdrücke ich einen Fluch. Enkrine II ist nicht anders als sein organischer Vorgänger. Ein penetranter Großkotz. Ist das gut oder schlecht? Jedenfalls ist es so, wie ich es haben wollte. Ich wollte ihn zurück. Um meine Einsamkeit zu beenden. Aus nackter Verzweiflung. In letzter Not, weil ich sonst keinen Ausweg mehr wusste, wenn diese Gedanken mir wieder zusetzten – diese Gedanken an mein Scheitern, an meinen baldigen Tod.

Meine Angst geht dich nichts an – wenn ich denn welche habe! Furchtbare Gedanken. Wie die Enkrines. Des echten Enkrine. Diese verdammte Pest von einem Symbionten hatte ja Recht gehabt, hatte immer Recht.

Er kannte meine Angst besser als ich selbst. Ich werde von dieser Angst verfolgt. Sie quält mich, beeinflusst jede meiner Entscheidungen. Solange ich zurückdenken kann, sitzt sie mir schon im Nacken, wie mein Symbiont.

Angst.

Nie habe ich gewollt, dass jemand von meinen privaten Schmerzen erfährt. Diesen unerträglichen Schmerzen!

Aber ich fürchte, sie merken es mir an. Haben es mir immer angemerkt.

Die Schildwachen haben es bereits geahnt, als ich meine Aura als Schutzherr erhielt. Damals umfing mich die Spirale des Paragonkreuzes und prüfte mich stundenlang, immer wieder, als stimmte etwas nicht. Das weckte ein Misstrauen in ihnen, das sie nicht mehr verlassen hat – ein Misstrauen gegenüber der Ursache meiner langen Prüfung.

Ich kannte die Ursache, und die Schildwachen kennen sie inzwischen auch. Es ist diese Angst vor dem Tod. Sie können das nicht nachvollziehen. Sie scheinen ewig zu leben, es gibt sie bereits länger als mich, und keine Schildwache ist sichtlich gealtert. Ich dagegen musste darum kämpfen, meinen Alterungsprozess zu verlangsamen, in jeder Sekunde meines Lebens, auf jedem Zentimeter meines Wegs.

Der Schaumopal von Baikhal Cain ... Er schien mir Unsterblichkeit zu verleihen, aber diese Quelle versiegte, und Schloss Kherzesch wurde vernichtet. Mein Zustand verschlechterte sich zusehends, und jetzt habe ich kaum noch die Kraft, den Kopf zu heben.

Ich kämpfe noch immer ...

Lyressea! Mir ist, als sähe sie mich an. Jeder glitzernde Punkt der Quarzwand ist eine Botschaft ihrer Augen, kühl und unnahbar, durchdringend.

Dann wechselt der Blick. Jetzt ist es Gon-Orbhon, der mich ansieht, ein Schutzherr wie ich, der göttlichen Status erlangte, und auch sein Blick ist durchdringend, aber vor allem verächtlich. Diesen Blick warf er mir zu, als ich vor ihm am Boden kroch wie ein Wurm und ihn anflehte, mich nach Amringhar und zu Satrugar zu bringen.

»Nur der dauerhafte Aufenthalt im Nocturnenstock kann mich retten!«

Aber er verweigerte mir den Wunsch.

Hat jemals ein Partner so mit dem anderen geredet wie er mit mir?

»Das Stock-Relais gehört zu Satrugars Leib.« Das waren seine Worte. Immer wieder habe ich sie seitdem gehört und seinen Blick auf mir gespürt, im Schlafen wie in meinen Wachträumen. Hochmut und Verachtung sprechen daraus.

Wie viel lieber denke ich da an Lyressea, die Mediale Schildwache, einfühlsamer als alle anderen. Sie kann besser zwischen Wahr und Falsch unterscheiden als jeder selbst ernannte Gott. Vielleicht nimmt ihr Blick mich deshalb so gefangen, weil sie mich sieht, wie ich in Wahrheit bin, und mich nicht verurteilt.

Oder stimmt das alles gar nicht, und ich bilde es mir nur ein? Phantasiere ich es herbei, weil ich will, dass Lyressea meine Sehnsucht wahrnimmt? Sehe ich in ihr die einzige Chance, geliebt zu werden, weil einzig sie auf den Grund meines Wesens blicken kann?

Lyressea ... schöne Begleiterin meiner unerlösten Wünsche ...

Ein Zucken durchläuft meine Finger. Die Hände wollen sich ballen, aber es gelingt ihnen nicht. Wie festgeschweißt bleiben sie auf der Energieliege kleben, meiner grün flirrenden Bettstatt, die wie eine Gussform meinen Körper nachbildet.

Meine Lider verengen sich, während ich die schwarzen Quarzwände betrachte. Dieses Gleißen und Funkeln. Ich schließe die Augen und wende den Kopf ab. Mit einer geistigen Kraftanstrengung ziehe ich meine allzu mageren Arme an und stemme mich hoch.

Ich darf mich nicht aufgeben. Ich muss etwas unternehmen.

Du kannst noch einmal von vorn beginnen, höre ich Enkrine II. Noch bist du der Held von Arphonie. Die Horden des Reiches hören auf dich. Sie verehren dich.

Oh Enkrine, wie vermisse ich dich jetzt! Du warst so ... verabscheuungswürdig aufrichtig. Du warst der Schutzherr, der ich nicht mehr sein konnte.

Aber du hattest so oft Recht – vielleicht auch diesmal?

Kann es sein, dass ich noch immer die alte Macht besitze?

Auf einer Ablage neben mir liegt mein weit ausladender, orangefarbener Hut. So lebensfroh die Farbe auch erscheinen mag, taucht der Hut mein Gesicht doch ständig in Schatten. Ich will es nicht anders. Ich will nicht mein Gesicht sehen, wenn ich an spiegelnden Flächen vorbeikomme – meine blassgraue Haut, wie die einer blutleeren Leiche.

Aber wenn ich die alte Macht noch besitze, muss ich sie zeigen. Was nutzt einem die Macht über Völker und Maschinen, wenn man sie nicht zu seinen persönlichen Zwecken einsetzt?