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Ulrich Offenberg

MYTHOS GOLD

Eine Kulturgeschichte
des Edelmetalls

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© Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH
2011, München/Grünwald
www.komplett-media.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
HEROLD Auslieferung Service GmbH
www.herold-va.de

Geschichts-Daten

3000 v. Chr.: Ältestes Goldbergwerk Ägyptens im Sudan
2400 v. Chr.: Erfindung des Golddoublees
20. Jahrhundert v. Chr.: Abbau von Gold in Minen bei Koptos/Theben
1386 – 1349. v. Chr.: Amenophis III.
965 – 926 v. Chr.: König Salomon
595 - 547 v. Chr.: Kroisos, König der Lyder, Erfinder der Goldmünzen
360 – 343 v. Chr.: Nektanebos II., Prägen von Goldmünzen
356 – 323 v. Chr.: Alexander der Große
132 – 63. v. Chr.: Mithridates VI.
115 – 53 v. Chr.: Marcus Licinius Crassus
63. v. Chr. – 14: Oktavian, Kaiser Augustus
42. v. Chr. – 37: Kaiser Tiberius
53 – 117: Kaiser Trajan
370 – 410: Alarich I., König der Westgoten
401 – 450: Theodosius II.
410: Eroberung Roms durch die Westgoten
445: Eroberungsfeldzug der Hunnen unter Attila
453: Tod Attilas
5. Jahrhundert: Nibelungensage
1220: Edda von Snorri Sturluson
1324: Pilgerfahrt von Kanga Mussa nach Mekka
1360 – 1401: Klaus Störtebeker (Pirat)
1469 – 1524: Vasco da Gama
1475 – 1541: Franzisco Pizarro
1485 – 1547: Hernando Cortéz
15. Jahrhundert: Königreich Monomotapa (Zimbabwe)
1505: Gründung einer Handelsmission Sofala durch die Portugiesen
1519: Hernando Cortéz erobert das Maya-Reich
1530 – 1584: Iwan IV., der Schreckliche
1532: Franzisco Pizarro erobert das Inka-Reich
1572: Ermordung von Tupac Amaru I., dem letzten Inka-Herrscher
1694: Untergang des britischen Kriegsschiffes „Sussex“ mit Goldschatz vor Gibraltar
17./18. Jahrhundert: Reich der Aschanti in Afrika
11. Oktober 1702: Vernichtung bzw. Eroberung der Spanischen Flotte samt Goldschatz
1710: Johann Friedrich Böttger entdeckt das Rezept für Porzellan (Weißes Gold)
Juli 1715: Goldflotte Spaniens sinkt vor Kap Canaveral
17. Juli 1733: Spanische Armada sinkt an den Florida Keys
1769 – 1859: Alexander von Humboldt
1780 – 1826: Jean LaFitte (Pirat)
18./19. Jahrhundert: Goldwäscher-Tradition am Oberrhein
1803 - 1880: John August Sutter
20. September 1827: Versenkung der türkischen Flotte samt Goldschatz
1848: Goldfunde in Kalifornien (Goldrausch 1)
1851: Goldfunde in Australien (Goldrausch 2)
1886: Goldfunde in Südafrika
1878 – 1953: Josef Stalin
1896: Goldfunde in Alaska
1911: Entdeckung von Machu Picchu
1918: Versuche der Goldgewinnung aus dem Meer (Prof. Dr. Fritz Haber)
12. September 1919: Premiere des „London Gold Fixing“
4. November 1922: Entdeckung des Grabs von Tutanchamun durch Howard Carter
22. Juli 1944: Einführung fester Wechselkurse (Bretton Woods)
April 1945: Entdeckung der Goldreserven der Reichsbank in Merkers (Thüringen)
Mai 1945: Beschlagnahmung des „Goldzuges“ in Ungarn
1948 – 1950: Bergung des Goldschatzes der Spanischen Armada vor den Florida Keys
30. Mai 1965: Bergung des 1715 gesunkenen Goldschatzes vor Kap Canaveral
17.September 1981: Bergung von Stalins Goldbarren
1989: Bergung der Goldladung der „Central Amerika“ aus 2.000 Metern Tiefe

Inhaltsverzeichnis

Das Gold der Pharaonen

König Midas – Segen und Fluch des Goldes

Der goldene Streitwagen Alexanders

Auswüchse in Rom

Das Gold des Alarich

Das Gold der Nibelungen

Das Grab des Hunnenkönigs Attila

Das Gold der Azteken, Inkas und Mayas

Die Legende von „El Dorado“

Das Goldreich der Inkas

Die Gier der Spanier

Versteckte Schätze der Inka

Gold aus Schwarz-Afrika

Die Schätze von Zimbabwe

Das Gold Indiens

Der Schatz des Kremls

Das Gold der Piraten

Störtebekers Schatz auf Helgoland

Die Piraten der Neuen Welt

Goldrausch in den USA

Das Gold der Sierra

Auf nach Alaska

Goldrausch in Australien

Das Nazi-Gold

Gold aus dem Meer

Die versunkenen Schätze

Goldsucher unter Wasser

Die Stunde des Goldpreises

Gold ist ewig

Als sich der Konquistador Hernando Cortéz vor seiner Fahrt ins Aztekenreich vom Statthalter des Königs verabschiedete, nahm der ihn zur Seite und sprach auf ihn dringlich ein: „Bringt mir Gold! Benehmt Euch, soweit möglich. Aber bringt dem König Gold, um jeden Preis.“ Dieser Befehl und Cortéz’ Gier rotteten das ganze Volk der Azteken aus. Der spanische König bekam sein Gold. Tonnenweise. Mithilfe dieses geraubten Edelmetalls stieg Spanien Anfang des 16. Jahrhunderts zur führenden Weltmacht auf. Ein Reich, in dem die Sonne nicht unterging.

Gold. Glänzendes, betörendes, die Sinne berauschendes Gold. Seit jeher fasziniert das seltene Edelmetall die Menschen. Jede Kultur hat dieses Metall geprägt. Die alten Überlieferungen sind voll von grausigen Geschichten über diese Preziose: Gold galt im Altertum als das „Fleisch der Götter“. Im Ägypten der Pharaonen war sein Besitz nur den Herr-schern erlaubt. Um Aarons Goldenes Kalb tanzten einst die abtrünnigen Israeliten. Salomon ließ die Säulen seines berühmten Tempels mit Gold überziehen. „El Dorado“, der Vergoldete, war in Kolumbien die Bezeichnung für einen der Sonne gleichgestellten Herrscher, der, mit Schlamm bestrichen und mit Gold bestäubt, zur sichtbaren Personifizierung der Götter wurde.

Später bekam der Begriff „El Dorado“ einen anderen Sinn, er wurde zum Inbegriff unermesslichen Überflusses an Gold. Die Spanier, im Goldrausch, glaubten an eine Stadt ganz aus Gold, irgendwo am riesigen Amazonas gelegen: „Die Goldene – El Dorado“.

Gold steht für das Göttliche, Königliche, Herrschaftliche. Gold steht für Licht und Reinheit – und natürlich für Reichtum. Gold war eine so begehrte, so kostbare Rarität, dass vom Mittelalter bis in die beginnende Neuzeit Alchemisten die Umwandlung von unedlen Stoffen in „lauteres“ Gold mittels geheimnisvoller, mystischer Operationen zu schaffen versuchten. Immerhin gelang dem Sachsen Johann Friedrich Böttger 1710 bei seinen Experimenten, mit alchimistischen Mitteln „Gold“ zu erzeugen. Ihm gelang die Entdeckung des Herstellungsprozesses des Porzellans. Er schuf das „Weiße Gold“.

Die Prozedur war ein Geheimnis, das die Chinesen über Jahrhunderte hinweg wie einen kostbaren Schatz gehütet hatten und dessen Entdeckung für den damaligen Kurfürsten von Sachsen und König von Polen, August den Starken, im wahrsten Sinne des Wortes „Gold“ wert war.

Gold wird gegossen, getrieben, gepunzt, zu kleinsten Kugeln geformt, zu dünnen Folien ausgewalzt, zu Drähten gezogen und als hauchdünner Überzug aufgebracht. Es wurde zu Objekten des Totenkults geformt, zu Schmuck, Münzen, Sakralgegenständen oder zu Machtinsignien.

Aber von Anfang an scheint es, als laste ein fürchterlicher Fluch auf dem Gold. Vergil spricht vom „auri sacra fames“, vom heiligen Hunger nach Gold. Und Plinius der Ältere schrieb: „Oh, könnte das Gold doch ganz aus dem Leben entfernt werden.“ Für das „Fleisch der Götter“ wurden tatsächlich ganze Völker hingemetzelt und eine Unzahl grauenvoller Verbrechen begangen. Gold war und ist die Ursache für Sklavenarbeit, Seuchen, Hunger, Elend und Krieg. Immer wieder Krieg.

Für Gold wagen Tausende, vielleicht Millionen von Verzweifelten und Abenteurern ihr Leben. Es scheint, als ob die Gier nach dem Edelmetall stets die schlimmsten Eigenschaften der Menschheit offen legt. Und selbst vernünftige, zivilisierte, gebildete Menschen können sich dem Mythos dieses Edelmetalls nicht entziehen. Der Besitz von Gold, dem unvergänglichen Metall, dem Symbol von Macht und Reichtum, ist einfach zu verlockend.…

Das Gold der Pharaonen

Das Reich der Pharaonen konnte in seiner 3.000-jährigen Geschichte auf scheinbar unerschöpflichen Goldreichtum zurückgreifen. Schier unermesslich waren etwa die Gold-schätze, die dem jungen und dynastisch unbedeutenden Pharao Tutanchamun bei seiner Beerdigung beigegeben worden waren. 1922 wurden sie von dem britischen Archäologen Howard Carter entdeckt. Allein der massiv goldene Sarg wog über 110 Kilogramm. Und doch waren diese Schätze vermutlich kümmerlich im Vergleich zu den ungeheuren Kostbarkeiten, die den großen Pharaonen wie Ramses II. oder Amenophis III. ins Jenseits mitgegeben wurden. Doch diese Gräber sind schon vor hunderten, wenn nicht vor über tausend Jahren von Räubern geplündert worden. Die Spur dieses Goldes verliert sich auf den Märkten von Kairo und Alexandria.

Das älteste Gold-Bergwerk der Nilherrscher soll im Norden des Sudan gelegen haben. Im 20. und 19. Jahrhundert v. Chr. wurde damit begonnen, Gold in Minen bei Koptos, nördlich von Theben, am rechten Nilufer abzubauen. Das Gold stammte aus dem festen Gestein der Gebirge zu beiden Seiten des Wadi Hammamat, das zu einem bedeutenden Zentrum des Goldbergbaus in Ägypten wurde. Die Lage der Minen und die Verkehrswege dorthin sind auf einer Papyrusskizze festgehalten, die als älteste Bergbaukarte der Welt heute in Turin aufbewahrt wird.

Im Laufe der Zeit verlegte sich das Abbaugebiet des Goldes weiter nach Süden. Unter Amenophis III., der von 1386 bis 1349 v. Chr. lebte, sorgte kaum noch die Beute von Eroberungszügen für den Wohlstand des Landes, sondern vor allem die beträchtlichen Goldförderung im Revier um das Wadi und aus Kusch im fernen Nubien. Hier, im so genannten „Goldland“, wurde das Gold aus den Flüssen gewaschen.

Die ägyptische Hochkultur konnte so lange in Gold schwelgen, weil sich für ausgebeutete Lagerstätten stets reichlich Ersatz fand. König Tuschratta von Mitanni, dem Land, das sich über Nordmesopotamien, Nordsyrien und die Südosttürkei erstreckte, schrieb bezeichnenderweise um das Jahr 1370 v. Chr. an seinen Schwiegersohn Pharao Amenophis III.: „Mein Bruder möge Gold, das unbearbeitet ist, in großer Menge zu mir schicken, denn im Lande meines Bruders ist Gold so zahlreich wie Staub. Mögen die Götter fügen, dass das Gold im Lande Ägypten so überreichlich bleibt wie bisher.“

Dabei war der Abbau des begehrten Metalls zu den Zeiten der Pharaonen extrem aufwändig. Ein entsprechender Bericht von Agatharchides aus Knidos stammt zwar aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr., aber die von ihm beschriebene Gewinnungs- und Anreicherungsmethode wird sich in nichts von jener früheren Zeit unterschieden haben: „Das goldhaltige Gestein, welches besonders hart ist, wird zunächst mit starkem Feuer erhitzt und, wenn es bröcklig geworden ist, von Hand weiter bearbeitet. Das weichere Gestein, das geringere Anforderungen nötig macht, lässt sich mit schweren Hämmern zerkleinern, die von Scharen apathischer Arbeitssklaven geschwungen werden.“

Das abgebaute Erz mit einem Gehalt von vielleicht fünf bis 20 Gramm Gold pro Tonne Gestein, wurde nach der Zerkleinerung in Mörsern fein gemahlen. Das Edelmetall ließ sich aus dem Mahlgut durch Schlämmen anreichern und vom wertlosen Gesteinsmehl trennen. In dem Bericht des Agatharchides wird zudem ausführlich die Scheidung von Rohgold und Silber durch Glühen mit Salz, die so genannte „Zementation“, beschrieben. Nach vorsichtigen Schätzungen können in der Gegend um das Wadi jährlich 750 bis 1.000 Kilogramm Gold gewonnen worden sein. In Nubien sind vermutlich jedes Jahr noch einmal die gleichen Mengen gefördert worden.

Das im ägyptischen Reich geförderte Gold war exklusiv den Pharaonen vorbehalten. Das Edelmetall, seine Verwendung und die Weitergabe waren das Monopol des Herrschers. Er konnte es nach Gutdünken für Tempel stiften, in Schatzhäusern horten oder auch verdienten Untertanen zum Geschenk machen. Goldartefakte aber blieben auf alle Fälle nur einem privilegierten Personenkreis vorbehalten. Für Untertanen außerhalb der höfischen Hierarchie war der Besitz tabu. Für Normalsterbliche war das Ausrauben von Gräbern der einzige Weg, um an Gold zu gelangen. Ein gefährliches Unterfangen, denn auf Grabraub stand die Todesstrafe.

Aufgrund des Goldmonopols der Pharaonen waren Goldschmiede-Werkstätten unmittelbar dem Hof oder einem Tempel zugeordnet. Die Handwerker der ägyptischen Antike entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte zu wirklichen Meistern ihres Fachs. Kaum eine Fertigungstechnik, die sie nicht auf dieses Edelmetall angewandt haben. Sie verstanden es, Goldfolien mit einer Dicke von nur einem Tausendstel Millimeter auszuschlagen, mit denen Möbel, Statuen und selbst die Spitzen von Obelisken vergoldet wurden. Schon in der 6. Dynastie – um 2400 v. Chr. – konnten die Handwerker Goldbleche auf Kupferunterlagen aufwalzen:eine Art „Golddoublee“. (Der Begriff für diese Art der Plattierung kam aber erst im 19. Jahrhundert n. Chr. auf.)