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Fachbereich

NEUROWISSENSCHAFT

Kosmos Gehirn - Forschung im 21. Jahrhundert

Von Prof. Dr. Michael Madeja

Als der französische Staatspräsident Sarkozy seine Pläne zur Bekämpfung der Alzheimer-Erkrankung skizzierte, bezeichnete er das 21. Jahrhundert als „Jahrhundert des Gehirns“. Diesen Begriff hat Sarkozy aber nicht erfunden, sondern er taucht in den letzten Jahren an vielen Stellen scheinbar gleichzeitig auf und ist eine Fortsetzung des 1990 vom amerikanischen Präsidenten Georg Bush ausgerufenen Jahrzehnt des Gehirns. Vom Jahrzehnt des Gehirns zum Jahrhundert des Gehirns – eine bemerkenswerte Karriere. Eine Karriere, die aber zunächst wenig über die tatsächliche Bedeutung der Hirnforschung in den nächsten Jahrzehnten aussagt, denn wie der Physik-Nobelpreisträger Niels Bohr einmal witzelte: „Voraussagen sind schwierig, insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.“

Nein, der Begriff „Jahrhundert des Gehirns“ sagt vor allem etwas über das Selbstbewusstsein der Hirnforscher und über die Erwartungen der Gesellschaft an die Hirnforschung. Und beide sind hoch. Nur als Beispiele: Hirnforscher lokalisieren den Glauben an Gott in einer Windung des Gehirns und nennen das Ganze Neurotheologie, Philosophen sehen sich genötigt, aus den Erkenntnissen der Hirnforschung, aus der Neurowissenschaft ein System der Neuroethik zu generieren. Die Delphi-Studie von 1998 erwartet die größten Fortschritte im kommenden Jahrzehnt von der Hirnforschung. Hirnforscher veröffentlichen ein „Manifest“, in dem sie die Neurowissenschaft zur Leitdisziplin erklären usw. Viel Selbstbewußtsein, viele Erwartungen.

Worum geht es aber eigentlich: zunächst einmal um etwa ein kg wabbeliger und wenig ästhetisch aussehender Substanz. Das Gehirn: Zunächst einmal nur eines der Organe unseres Körpers, nicht das größte, nicht das schwerste. Aber das Gehirn ist ein Organ der Superlative: darin Leitungsstrecken mit einer Gesamtlänge von mehr als 1 Mio. km, Geschwindigkeiten der Informationsübertragung von 360 km/h, teilweise auch Lichtgeschwindigkeit, mehr als 10 Milliarden Zellen, etwa 70 Billionen Verbindungen, pro Sekunde 1000 analoge Rechenoperationen und das alles mit 100 Watt – der Leistung einer Glühbirne. Das Gehirn ist ein Organ der Superlative, das vermutlich komplexeste System, das die Menschheit kennt und wahrscheinlich der faszinierendste Forschungsgegenstand, den die Menschen jemals angegangen haben.

Das äußere Aussehen des menschlichen Gehirns lässt diese Komplexität noch nicht erkennen. Das Gehirn sieht von außen betrachtet eigentlich ganz einfach aus. Es füllt den oberen Teil des Kopfes aus. Die Unterseite des Gehirns liegt im vorderen Teil des Kopfes in Höhe der Augenbrauen, reicht weiter hinten bis zur Mitte der Ohren und setzt sich in einen stilartigen Abschnitt, das Rückenmark, nach unten in den Hohlraum der Wirbelsäule fort. Dieser Abschnitt des Nervensystems reicht von der Mitte der Ohren bis auf die Höhe der untersten Rippe. Die Begrenzung auf den oberen Teil des Körpers ist auch der Grund, warum Brüche des oberen Teils der Wirbelsäule zur Querschnittslähmung führen können, während dies bei Brüchen der Wirbelsäule unterhalb der Rippen nur sehr selten der Fall ist.

Von der Unterseite des Gehirns und in regelmäßigen Abständen aus dem Rückenmark gehen die Nerven hervor, die fadenartige erscheinen und die je weiter sie vom Rückenmark oder Gehirn entfernt sind, immer verzweigter und dünner sind. So ist der dickste Nerv, der bei Bandscheibenproblemen oft betroffene Ischiasnerv, in der Nähe der Wirbelsäule daumendick, während die dünnsten Nerven weitaus dünner als ein Haar sind.

Beim Gehirn selbst fallen von außen betrachtet drei Teile auf:

Zum einen der durch unregelmäßige Furchungen charakterisierte Teil, der den ganzen oberen Teil des Gehirns bildet und aufgrund seiner Größe als Großhirn bezeichnet wird. Das Großhirn ist der Teil, in dem die meisten und vor allem die höchsten geistigen Leistungen des Menschen ablaufen.

Vom Großhirn abgesetzt, an seiner Unterseite und etwa im Bereich hinter den Ohren liegt ein mehr regelmäßig und feiner gefurchter Teil des Gehirns, der beim Menschen kleiner als das Großhirn ist und entsprechend als Kleinhirn bezeichnet wird. Dieser Hirnteil hat vor allem Aufgaben bei der Steuerung der Muskeln. Bei Vögeln, die beim Fliegen sehr viel komplexere Bewegungen ausführen müssen als die Menschen, die wir uns beim Gehen nur auf einer Ebene bewegen, ist das Kleinhirn daher im Verhältnis zum Großhirn auch viel größer.

Als dritter und letzter Teil ist dann noch der ebenfalls an der Unterseite des Gehirns liegende, baumstammartige Anteil des Gehirns zu nennen, der in das Rückenmark übergeht und Hirnstamm heißt. Dieser Teil ist Leitungsbahn oder Umschaltstation zwischen Gehirn und Rückenmark und enthält daneben noch Bereiche, die lebenswichtige Funktionen wie Schlafen und Atmen steuern. Daher sind Verletzungen im Hirnstamm von den Ärzten besonders gefürchtet, da sie leicht zum Tod führen können.

Deshalb zeigen zum Beispiel Lähmungen der rechten Körperseite dem Arzt an, dass die Hirnschädigung in der linken Großhirnhemisphäre liegt.