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Nr. 11

 

Schachmatt

 

Der Großadministrator im Terminussystem – er trifft einen ungewöhnlichen Gegner

 

Roman Schleifer

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. HEER, 8. Dezember 3430

2. TROSS, Tage zuvor

3. HEER, 8. Dezember 3430

4. TERMINUS-ALPHA

5. TERMINUS-ALPHA

6. TROSS, Tage zuvor

7. TERMINUS-ALPHA

8. CART RUDO, Stunden zuvor

9. TERMINUS-ALPHA

10. CART RUDO, Stunden zuvor

11. TERMINUS-ALPHA

12. CART RUDO, Stunden zuvor

13. TERMINUS-ALPHA

14. CART RUDO, Stunden zuvor

15. TERMINUS-ALPHA

16. CART RUDO

17. TERMINUS-ALPHA

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

1500 Jahre nach dem Aufbruch ins All hat sich die Menschheit über die Milchstraße ausgebreitet. Doch die Bewohner vieler Welten fühlen sich der Erde nicht mehr verbunden. Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Perry Rhodan das Sonnensystem hinter einem Zeitschirm verstecken.

Währenddessen finden die Menschen heraus, dass in der Milchstraße seit vielen Jahren ein geheimer Konflikt herrscht. Ein Heimliches Imperium bedroht nicht nur die Erde, sondern auch zahlreiche andere Welten.

Mit einem kleinen Einsatztrupp ist Perry Rhodan ins Hauptsystem des Gegners vorgedrungen. Dort sucht er Informationen, um den Feind im Dunkel abzuwehren. Außerdem will er eine furchtbare Waffe vernichten, die ganze Sonnensysteme verheeren kann.

Aber der Gegner ist nicht ahnungslos – für eine der Parteien droht das SCHACHMATT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Großadministrator schleicht durch Gänge.

Darren Zitarra – Der Dabrifaner ringt mit dem Tod.

Juki Leann – Die Zeitspringerin entführt Rhodan in eine finstere Zukunft.

Alaska Saedelaere – Der Mann mit der Maske will ein Raumschiff erobern.

Caruso – Der Gestaltwandler wähnt sich als Sieger.

1.

HEER, 8. Dezember 3430

 

»Zitarra, Sie wissen, was Sie zu tun haben?« Perry Rhodan versuchte, die grölende und johlende Menge zu übertönen, die dem nächsten Kampf in der Arena entgegenfieberte. Er saß mit Darren Zitarra in der Mitte des Zuschauerraums und blickte nach unten zu dem Käfig, vor dem sich zwei Männer auf den Kampf vorbereiteten.

Zitarra schnaufte. Rhodans Überheblichkeit nervte genauso wie sein Kontrollwahn. Seit dem gemeinsamen Einsatz auf dem Planeten Arcane 2 erteilte der Terraner ihm die Anweisungen grundsätzlich zweimal. Offenbar hatte Rhodan ihm nicht verziehen, dass Zitarra auf dem Werftplaneten auf eigene Faust nach seinen Landsleuten gesucht hatte.

Rhodan tippte ihm auf den Oberarm. »Zitarra?«

»Denken Sie, ich habe unsere Besprechung vergessen?« Zitarra schätzte die Chancen der beiden Kämpfer ab, die den Käfig betraten. Ihre nackten Oberkörper glänzten im Hallenlicht. Sinnloserweise ließen sie die Brustmuskeln spielen – eine lächerliche Geste, die er bei Gegnern immer verabscheut hatte.

»Sparen Sie sich jedes Spielchen und eliminieren Sie Ihre Konkurrenten.« Rhodan fuhr sich über den falschen Vollbart.

Wozu habe ich ihm überhaupt geantwortet?

»Machen Sie es kurz und schmerzlos«, ergänzte der Terraner.

Zitarra lachte auf, zeigte in den Käfig. »Auch wenn Sie es im Kampf nicht spüren, aber das ist ein Hort der Schmerzen.« Ein Gong eröffnete den Kampf, und die Männer gingen mit erhobenen Fäusten aufeinander zu. Der Tätowierte griff zuerst an. »Bald werden Sie das am eigenen Leib feststellen.«

»Zitarra, denken Sie daran«, mahnte Rhodan wieder. »Nur die Besten fliegen nach TERMINUS-ALPHA, um am Finale teilzunehmen.«

Zitarra schloss die Augen. Er wusste das alles, weil sie es zu viert durchgespielt hatten. Warum behandelte der Terraner ihn wie einen Vollidioten?

Für den Bruchteil einer Sekunde stellte Zitarra sich vor, wie er auf Rhodans Gesicht einschlug, dann verdrängte er den reizvollen Gedanken. Vermutlich wäre der Großadministrator des Solaren Imperiums sogar mit gebrochenem Kiefer noch ein Klugscheißer gewesen.

Ein Satz aus einem Interview fiel Zitarra ein, das er auf Regenz in grauer Vergangenheit gegeben hatte: Ich weiß immer, dass ich gewinne, selbst wenn ich dann verloren habe.

Langsam drehte er sich zu Rhodan, der ihm erwartungsvoll entgegenschaute. Der Gesichtsausdruck erinnerte Zitarra an Rebo Fagri, den Leiter des Waisenhauses auf Regenz. Auf diesen Blick waren stets entweder Lob oder eine Moralpredigt gefolgt.

»Das da unten ...«, Zitarra deutete zum Käfig, in dem sich die Kämpfer nach dem ersten erfolglosen Angriff wachsam umkreisten, »... gehörte viele Jahre lang zu meinem Alltag. Während Sie im Büro Kaffee schlürfend Leute in tödliche Einsätze geschickt und Flotten am 3-D-Bildschirm verschoben haben, musste ich mir mein Leben erkämpfen.«

Rhodan öffnete den Mund, doch Zitarra verhinderte mit einer Handbewegung eine weitere Belehrung. »Ich habe selbst dann mehr Kampferfahrung, wenn Sie doppelt so alt werden, wie Sie heute sind. Sorgen Sie sich lieber darum, dass Sie Ihre Kämpfe gewinnen.«

In der Arena rammte der Tätowierte dem Gegner das Knie in den Magen und landete einen Faustschlag an der Schläfe. Vier rasche Hiebe später lag der Konkurrent bewegungslos auf dem Boden. Der Gewinner riss die Arme hoch, drehte sich im Kreis und ließ sich bejubeln.

Zitarra lächelte abwertend. Wie erbärmlich, sich für den Sieg über einen schwachen Gegner feiern zu lassen.

»Da!«, rief Rhodan. »Ihr Name!«

Der dabrifanische Agent blickte zur Anzeigetafel. In neun Kämpfen war er an der Reihe. Wortlos erhob er sich.

»Viel Glück«, sagte Rhodan.

»Mit Glück hat das nichts zu tun.« Zitarra trat am Terraner vorbei. »Nur mit Können.«

 

*

 

Darren Zitarra lockerte die Schultern, tänzelte und schlug auf ein imaginäres Ziel, bis sich die Tür vor ihm öffnete. Grelles Licht blendete ihn. Er blinzelte, dann gewöhnten sich die Augen daran. Als er in die Halle trat und die johlende Meute hörte, legte sich die Erinnerung an die Zeit als Kämpfer auf Regenz wie eine Trübung um seinen Geist.

Die Worte seines akonischen Ausbilders Niaben Ras-Cem strichen über sein Ohr: Du lebst nicht, um zu kämpfen, du kämpfst, um zu leben.

Mühsam verdrängte er die Eindrücke aus einer anderen Zeit. Er konnte sie nun nicht gebrauchen, musste fokussiert bleiben.

Ich klinge schon wie Rhodan!

Zitarra konzentrierte sich auf die Schreie und Anfeuerungsrufe der Zuschauer. Auf Regenz hatte er immer eine Show abgezogen. Es war wichtig, das Publikum auf seiner Seite zu haben. Oft hatte er erlebt, wie ein Kämpfer, der sich bereits verloren geglaubt hatte, mit Anfeuerungen motiviert wurde, noch einmal alles zu geben, und über sich hinauswuchs.

Wie vor jedem Kampf spürte er die Aufregung, spürte das Kribbeln und die leichte Nervosität. Der Gegner war ihm unbekannt, er wusste nur den Namen: Fan Li.

Diese Ungewissheit ließ seinen Körper mehr Adrenalin ausschütten. Zitarra unterdrückte den Wunsch, loszustürmen. Er musste ruhig bleiben, musste zuerst die Bewegungen und Reaktionen des Gegners studieren, um ihn zu schlagen.

Langsam ging er an der sensationslüsternen Meute vorbei, bis er vor zwei düster blickenden Hünen stehen blieb. Beide hatten die Züge von brandschatzenden Raumpiraten und strahlten eine Bösartigkeit aus, die in Zitarra instinktiv den Kampfimpuls weckte. Sie fuhren ihm durch die dunkelblonden Haare, tasteten die kurze Hose ab, forderten ihn auf, den Mund zu öffnen.

Selbstverständlich fanden sie nichts. Sein Kampfstil war schmutzig, seine Moral nicht.

»Hände!«, fauchte der linke Hüne.

»Seht ihr mir auch in den Arsch?«, fragte Zitarra.

Der Hüne, der die Fäuste kontrollierte, stutzte, zog die Augenbrauen zusammen. Entweder überlegte er, die Kontrolllücke zu schließen, oder, ob Zitarra ihn foppte. »Du kämpfst gegen Fan Li?« Die knarzende Stimme verdankte er wohl einer Mischung aus Zigaretten- und Drogenkonsum.

Zitarra nickte.

»Du wirst verlieren.«

»Verlieren?« Zitarra zog die Hände zurück. »Ist für mich ein Fremdwort.«

Der andere Hüne öffnete die Gittertür, und Zitarra trat in die Arena, in deren Mitte zwei Medodrohnen zur ärztlichen Erstversorgung schwebten. Zitarra hüpfte zweimal auf und ab, testete den Boden, bevor er das Gitter ablief und sich dagegenwarf und zurückfederte. Ein gutes Gefühl für den Käfig war während des Kampfes essenziell. Er musste wissen, in welchem Bereich er sich befand, musste fühlen, wie viel Platz ihm im Ernstfall blieb und eins mit dem Käfig werden.

Das Gegröle des Publikums schwoll an, als Fan Li die Halle betrat. Obwohl der Mann einen halben Kopf kleiner als Zitarra war, hatte er mehr Muskeln. Kompakter, zäher, fester.

Zitarra schätzte ihn um zehn bis fünfzehn Kilo schwerer als sich selbst ein. Jeder Schritt strotzte vor Selbstbewusstsein. Er hätte zu gern Fan Lis bevorzugten Kampfstil gekannt. Aber den Luxus einer Videoanalyse der vorherigen Kämpfe gab es in HEER nicht.

Du hast genügend Kämpfe ohne Analyse gewonnen, sprach er sich selbst Mut zu. Irritiert horchte er in sich hinein. Seit wann hatte er Zuspruch nötig?

Vermutlich hatte ihn Rhodan angesteckt. Er musste sich von dem Terraner mental abschotten. Der Großadministrator kroch mit den Gedanken in jede Hirnritze und beeinflusste ihn.

Fan Li kam in den Käfig, senkte ein Knie und bekreuzigte sich kurz und stumm. Die Überheblichkeit trug er im Gesicht.

Zitarra würde sie aus ihm herausprügeln.

Die Roboterdrohnen schwebten nach oben, gaben damit das Zeichen für den Kampfbeginn.

Das Licht im Saal dimmte sich, die krakeelende Menge verschwand in der Dunkelheit. Zitarra kreiste die Schultern, nahm Kampfstellung ein.

Verächtlich spuckte Fan Li aus und hob die Fäuste.

Der Gong ertönte.

Sofort stürmte Fan Li los. Zitarra ging ihm einen Schritt entgegen, wartete ab. Fan Li sprang, zielte mit dem Knie auf die Milzgegend. Zitarra wich aus, leitete mit der Rückhand den Tritt an sich vorbei und schlug nach dem Kopf des Gegners, fuhr jedoch ins Leere. Fan Li war pfeilschnell außer Reichweite gesprungen.

Gut, er war also schnell.

Fan Li grinste herablassend, tänzelte vor und zurück, schlug ein paarmal in die Luft, wollte Zitarra provozieren.

Nicht mit mir, Kleiner.

Zum Schein tat er Fan Li den Gefallen, rückte vor. Fan Li setzte zurück. Sie umkreisten einander, bis Fan Li vorwärtsschnellte. Zitarra wich nicht aus, sondern griff direkt an. Sie krachten zusammen, deckten einander mit Tritten und Schlägen ein. Er spürte die Härte von Fan Lis Muskeln und die Wucht der Fäuste, landete einige Treffer, aber auch Fan Li kam durch. Irgendwann brauchten sie eine Pause und ließen keuchend voneinander ab. Nun bemerkte Zitarra das Blut, das ihm über das linke Auge lief.

Fan Li war ebenfalls angeschlagen. Er hinkte leicht. Seine Körpersprache hatte sich verändert. Er war nicht mehr so siegessicher – obwohl er weiter hämisch grinste, vermutlich, um Zitarra einzuschüchtern und sein Eigenbild aufrechtzuerhalten.

Dein Grinsen treibe ich dir aus!

Erneut drangen sie aufeinander ein, schenkten sich nichts und ließen wieder voneinander ab. Fan Li keuchte, während Zitarras Herz hektisch schlug. Das hatte er lange vermisst.

Fan Li setzte vor, packte ihn und fegte ihn von den Beinen. Sofort versuchte Zitarra aufzustehen, doch Fan Li kam auf ihm zu sitzen. Reflexartig schützte Zitarra sich mit den Unterarmen, aber Fan Li vergrub die Fäuste in seinen Oberkörper. Obwohl Zitarra wie ein Verrückter abblockte, landete Fan Li Treffer um Treffer. Der Schmerz verschlimmerte sich, und schließlich hielt Zitarra es nicht mehr aus.

Zum ersten Mal seit langer Zeit hörte er sich schreien.

 

*

 

Nachdenklich strich sich Perry Rhodan über den Bart. Obwohl Zitarras Gegner einen halben Kopf kleiner war, hatte er den Dabrifaner zu Boden gebracht. Zu Rhodans Erstaunen fand Zitarra kein Mittel gegen die anstürmenden Schläge von Fan Li. Er blieb passiv, schützte sich mit den Unterarmen, versuchte nicht, den anderen abzuschütteln.

Zitarra war in den vergangenen Wochen immer kritischer geworden, hatte sinnvolle Anweisungen missachtet.

War das sein Weg, um auszusteigen?

Unmerklich schüttelte Rhodan den Kopf. Im Innern war Darren Zitarra ein Straßenkämpfer, egal wie stark ihn die Zeit in Raumflotte und Geheimdienst des Imperiums Dabrifa sozialisiert hatten. Einen Kampf absichtlich zu verlieren, verstieß gegen seine Überzeugung. War er also wirklich gegen den muskulöseren, aber kleineren Mann unterlegen?

»Geiler Kampf, eh!«, brüllte der Akone neben Rhodan, sprang auf, reckte die Arme in die Höhe und grölte mehrmals »Töte ihn!« in seiner Muttersprache.

Rhodan musste sich beherrschen. Obwohl er den Hintergrund verstand, hasste er derartige Spektakel. Wenn er einen anderen Weg nach TERMINUS-ALPHA gefunden hätte, wären sie ...

Zitarras Schmerzensschrei war wie ein Stich, den das Aufkreischen der Menge verschlimmerte.

Hatte er falsch entschieden? Hätte er doch mit Takayo Sukurai versuchen sollen, in die Station zu gelangen, um die Positionsdaten des Terminussystems zu ergattern? Hätte er Zitarra fragen sollen, statt seine Teilnahme an den Kämpfen vorauszusetzen?

 

*

 

Der Schmerz nahm Darren Zitarra den Atem. Die Rippen glühten, vor den Augen zuckten Blitze.

Es wurde Zeit für die fiesen Tricks.

Zitarra fuhr hoch, umschlang Fan Li mit den Armen und zog ihn zu sich herab, um ihn am Schlagen zu hindern. Doch Fan Li versuchte es weiter.

Damit hatte Zitarra gerechnet. Die linke Hand schnellte zur Lende, traf exakt den Akupressurpunkt. Zeitgleich ging er ruckartig in die Brücke und warf Fan Li in hohem Bogen ab. Instinktiv sprang er auf, setzte nach, doch der Gegner war bereits ausgewichen.

Das hämische Grinsen war komplett verschwunden. Irritation und Unsicherheit schwang in Fan Lis Blick. Mit dieser Befreiung hatte er nicht gerechnet.

Du verlierst, mein Bester. Du hast dein Pulver verschossen, und ich kenne nun deine Schwachstelle.

Zitarra rückte vor, deckte Fan Li mit Schlagkombinationen ein, drängte ihn in Richtung Gitter. Wie erwartet, versuchte Fan Li mit einem Tritt des gestreckten Beins den Ausbruch. Zitarra blockte mit dem Knie ab, setzte nach. Er umschlang den Gegner, stieß mit der Stirn in Richtung Nase. Fan Li schrie auf, schlug blindlings zurück.

Sofort ging Zitarra tiefer, umklammerte Fan Lis Beine. Mit einem Ruck hebelte er ihn aus und warf sich mit ihm nach hinten, um sich im Flug zu drehen. Sie krachten auf den Boden – nur war diesmal Zitarra oben und drosch auf Fan Li ein. Die Gegenwehr wurde schwächer, Fan Li atmete stoßartig, erhielt zu wenig Luft.

Zitarra schlug weiter, bis Fan Lis Hände leblos zu Boden klatschten. Der Körper erschlaffte. Zitarra holte aus, wollte ihn mit einem Fingerstich gegen den Kehlkopf ins Jenseits schicken, da wurde er mit einem Traktorstrahl angehoben.

»Der Kampf ist beendet«, hörte er die künstliche Stimme eines Roboters.

Zum Zeichen, dass er verstanden hatte, stellte Zitarra jede Bewegung ein. Wahrend ihn der Medoroboter wieder absetzte, durchströmte ihn eine lange vermisste Zufriedenheit. Der Ring ... der Käfig war sein Wohnzimmer. Endlich fühlte er sich wieder lebendig. Die Einsätze als Agent für das Imperium Dabrifa hatten dieses Gefühl nie erzeugt. Dabei hieß es stets, das große Ganze zu beachten, Kompromisse im Dienst der Sache einzugehen.

Im Ring hingegen ging es nur um den Gegner und ihn. Als Agent gab es so viele unnötige Dinge zu berücksichtigen. Allein wenn er an die Bürokratie dachte, hätte er kotzen können.

Der Roboter schwebte zu ihm herab und sprühte über der Augenbraue ein Gel auf. Es fühlte sich kalt an und kitzelte, stoppte aber die Blutung. Das trübende Rot in seinem Blick verschwand.

Der Roboter fuhr die Tentakel ein. »Brauchst du Schmerzmittel?«

Zitarra horchte in sich hinein. Der rechte Oberschenkel stach. Die Muskeln waren schwer, weil er sie überdurchschnittlich beansprucht hatte. Dennoch schüttelte er den Kopf.

»Raus mit dir!« Einer der Hünen hatte die Käfigtür aufgerissen.

Als Zitarra neben ihm stand, stieg er ihm unabsichtlich auf die Zehen. Der Hüne riss die Arme hoch. »Bist du ...«

Mit voller Wucht schlug Zitarra zu, traf die Nase. Es knackte. Der Mann griff sich ins Gesicht, krümmte sich mit einem schmerzverzerrten Brüllen. Bevor der zweite Hüne reagieren konnte, trat Zitarra ihm gegen das Knie und schickte ihn mit einem Aufwärtshaken zu Boden.

Mann, tut das gut!

Das Gefühl der Überlegenheit wärmte seine Seele. Nun war er in Fahrt, hätte gleich die anderen Kämpfe bestreiten können.

Ein kugelförmiger Kampfroboter raste auf ihn zu. »Der nächste tätliche Angriff führt zur Paralysation und Disqualifikation«, schnarrte er.

Zitarra hob unschuldig die Arme. »Es war ein Unfall und reine Notwehr.«

Der Roboter wich beiseite. Als Zitarra an ihm vorbeiging, sah er auf der Anzeigetafel Perry Rhodans Tarnnamen. Falls alle Kämpfer so zur Sache gingen, hatte dieser mickrige Terraner nicht den Hauch einer Chance.

2.

TROSS, Tage zuvor

 

»Sind Sie bereit?« Galbraith Deighton blickte in die dunkelbraunen Augen von Tom Bistamurti, der an der Wand des kleinen Verstecks in den unteren Ebenen von TROSS lehnte.

Bistamurti holte tief Luft, lächelte traurig. Es kam Deighton wie ein Abschied vor. »Wird schon schiefgehen.«

Der Solarmarschall nickte, wartete, bis sich Bistamurti umgedreht hatte. Mit voller Wucht rammte er den Entstörer in Bistamurtis Rücken und löste den zwölfstündigen Systemneustart in dem Vario-Roboter aus. Bistamurtis Beine knickten ein, und er sackte zu Boden. Deighton fing ihn auf, legte ihn vorsichtig auf die vorbereitete Matte.

Vor ihnen lagen zwölf bange Stunden, in denen sich das Schicksal des positronisch-biologischen Bewusstseins des Vario-400 entscheiden würde. Deighton hoffte, dass es dem Roboter gelang, die Identität samt Erinnerungen von Tom Bistamurti zu bewahren. Dafür mussten sich die Potenzialfelder auflösen, die sich in den Balpirol-Halbleitern des Vario-400 infolge jenes blauen Kirlianleuchtens aufgebaut hatten, das die Machthaber im Terminussystem zur mentalen Beeinflussung ihrer Rekruten verwendeten.

Diese Halbleiter stellten die hypertoyktische Verzahnung zwischen dem auf Faustgröße komprimierten Zellplasma und der angeschlossenen Positronik her. Obgleich der Vario dank des Entstörers den Großteil seiner Erinnerungen wiedererlangt hatte, war die Freude nur kurz gewesen. Eine Analyse hatte ergeben, dass nur ein vollständiger Systemneustart samt halbtägiger Ruhephase die schädlichen Potenzialfelder auflösen konnte, die einen überwiegenden Teil der Kommunikation zwischen dem Plasma und der Positronik blockierte.

Dummerweise lieferten die Energiezellen nur noch Strom für neun Stunden. Um überhaupt eine Chance zu haben, musste der Vario die Energie für die Lebenserhaltung der Kokonmaske massiv reduzieren. Im schlimmsten Fall starb das lebende Gewebe, und er wäre nur mehr eingeschränkt handlungsfähig. Im Gegensatz zum Vario-500 war Bistamurtis Kokonmaske mit dem eiförmigen Robotkörper verwachsen. Im besten Fall kam er mit schweren Verletzungen davon.

Deighton betrachtete das glatt rasierte Gesicht und die kurzen, schwarzen Haare, die einmal Rastazöpfe gewesen waren und bei jeder Kopfbewegung wie Schlangen nachgeschwungen hatten.

Unglaublich, wie lebensecht die Kokonmaske über dem eiförmigen Roboterkörper aussah. Das half Deighton, in dem Vario eine eigenständige Persönlichkeit zu sehen, die sich durch das hochkomprimierte Zellplasma in Verbindung mit der Positronik entwickelt hatte. Obwohl er die Realisierung der Vario-Reihe ab dem Jahr 3092 begleitet hatte, hatte er dem Projekt im Gegensatz zu Perry Rhodan skeptisch gegenübergestanden.

Aber wie üblich hatte am Ende der Erfolg Rhodan recht gegeben. Das vorläufige Ende des Projekts, der Vario-500, war als Anson Argyris der perfekte Herrscher über Olymp und ein wichtiger Garant für die Existenz des Solsystems und Terras geworden.

Ungeduldig blickte Deighton auf sein Multifunktionsarmband. Von den zwölf Stunden waren erst zehn Minuten verstrichen. Ihn beunruhigte, dass selbst der Vario nicht einzuschätzen vermocht hatte, wie das Ergebnis des Neustarts aussehen würde. Die Fehleranalyse hatte gewarnt, dass die Auflösung der Potenzialfelder in den Halbleitern höchstwahrscheinlich irreparable Schäden verursachen und auf das Zellplasma durchschlagen würde. Im Extremfall löschte sich damit Bistamurtis Persönlichkeit, und er starb. Die Chancen, dass der Vario-400 sowohl die Identität als auch die Erinnerungen von Tom Bistamurti behielt, waren hingegen gering.

»Im Zweifelsfall denke ich positiv«, hatte der Vario mit einem zittrigen Lachen gesagt.