Inhaltsverzeichnis

Vorwort.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechszehntes Kapitel.
Siebzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Neunundzwanzigstes Kapitel.
Dreißigstes Kapitel.
James Fenimore Cooper

Ravensnest oder die Rothäute

(Wildwestroman)
Übersetzer: Carl Kolb
 
 
 
 
 
 
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2017 OK Publishing

 
ISBN 978-80-7583-098-2

Vorwort.

Inhaltsverzeichnis

Dieses Buch schließt die Reihe der Littlepages-Manuscripte, die der Welt übergeben wurden, weil sie einen treuen Bericht über die Opfer an Zeit, Geld und Mühe enthalten, welche beziehungsweise von den Grundherren und den Pächtern auf einem New-Yorker Besitzthum gebracht worden sind. Daran fügt sich eine Schilderung der Art, wie die Gebräuche und Ansichten unter uns wechseln, nebst einer Angabe von einigen der Gründe, welche diese Veränderungen herbeigeführt haben. Der einsichtsvolle Leser wird wahrscheinlich im Stande sein, in diesen Erzählungen den Verlauf jener Neuerungen zu verfolgen, die mit den großen Gesetzen der Moral vorgenommen wurden und in den Interessen des Tages so schroff hervortreten, weil sie die einfachsten Grundsätze, welche Gott dem Menschen als Richtschnur seines Lebens vorgezeichnet hat, unter dem merkwürdigen Vorwande, als beabsichtigten sie eine Begünstigung der Freiheit, zu nichte machen. Auf dieser abwärts führenden Bahn zeigt unser Gemälde einige von den Proben der Gewissenlosigkeit, mit welcher man eine bestimmte Art von Eigenthum behandelt, die vielleicht theilweise von dem halb barbarischen Zustand einer neuen Ansiedelung unzertrennlich ist. Wir verfolgen die Abstufungen des Squatters zum Landbauer, welcher blos die Aufgabe kennt, im Vorübergehen einigen Feldern eine Ernte abzuringen, und endlich zu dem, welcher das Geschäft im Großen betreibt, bis wir schließlich bei dem Antirenter anlangen, welcher in dieser Liste von Freibeutern nicht die niedrigste Stufe einnimmt.

Es wäre eitel, in Abrede ziehen zu wollen, daß das Hauptprinzip, welches dem Antirentismus zu Grunde liegt – wenn anders hier von einem Prinzip die Rede sein kann – in der Anmaßung besteht, für die Interessen und Wünsche der Massen Achtung zu verlangen, selbst wenn darüber die klarsten Rechte Einzelner geopfert werden müssen. Daß dieß keine Freiheit, sondern eine Tyrannei in der allerschlimmsten Form ist, muß jeder rechtlich denkende und rechtlich fühlende Mensch auf den ersten Blick einsehen. Wer in der Geschichte der Vergangenheit bewandert ist und den Einfluß der verschiedenen Klassen kennt, begreift wohl, daß die gebildeten Reichen und Welterfahrenen unwiderstehlich werden, sobald sie ihre Combinations-und Geldmittel vereinigen, um die Politische Bestimmung eines Landes zu leiten; sie sind in der Lage, dieselben Massen, welche nur sich für die wahren Hüter ihrer Freiheit halten, zu ihren servilsten Werkzeugen zu machen. Die wohlbekannte Wahl von 1840 ist ein denkwürdiger Beleg für die Macht einer solchen Kombination, obschon sie meist nur für Parteizwecke zu Stande kam und vielleicht durch die verzweifelten Entwürfe der Zahlungsunfähigen im Lande unterstützt wurde. Nothwendig mußte ihr die Einigkeit unter den Vermöglichen gebrechen, da ihr die Grundlage von Prinzipien fehlte, welche ihr eine Weihe geben konnten, und man sieht in dem ganzen Vorgang wenig mehr, als einen Beweis, wie mächtig selbst in einer sehr zweideutigen Sache Geld und Muße einwirken können, wenn sich’s darum handelt, die Massen einer großen Nation dahin zu bringen, daß sie sich zu Werkzeugen ihrer eigenen Unterwerfung hergeben. Kein wohlmeinender amerikanischer Gesetzgeber sollte daher die Thatsache aus dem Gesichte verlieren, daß jeder Eingriff in die Rechte, die er heilig halten sollte, ein Schlag gegen die Freiheit selbst ist, denn diese hat, in einem Land, wie das unserige, keinen so sicheren oder so gewaltigen Bundesgenossen als die Gerechtigkeit.

Der Staat New-York enthält ungefähr 16000 Quadrat-Meilen Landes und umfaßt gegen 27 Millionen Acres. Im Jahre 1783 mochte seine Bevölkerung 200,000 Seelen betragen. Vergleicht man die Bevölkerung mit dem Flächenraum, so braucht man nicht erst zu beweisen, daß der Bauer nicht ganz so abhängig vom Grundbesitzer war, wie der Grundbesitzer von dem Bauer: auch läge hierin eine große Wahrheit, wenn der Staat eine Insel gewesen wäre. Wir wissen übrigens Alle, daß ringsumher viele unter ähnlichen Verhältnissen stehende Gemeinschaften sich befanden, und daß man nichts in solchem Ueberflusse haben konnte, als den Grund und Boden. Die Vorstellungen also, mit denen man sich über Erpressungen und Monopole trägt, müssen unwahr sein, wenn man sie auf die beiderseitigen Interessen jener Zeit in Anwendung bringen will.

Im Jahr 1786-87 hob der Staat New-York, welcher damals die volle Befugniß dazu hatte, alle Fideicommisse auf und brachte auch anderweitig seine Gesetzgebung über Realbesitz in Harmonie mit den Institutionen. Damals bestanden hunderte, vielleicht tausende von Pachtgütern, die seitdem so anrüchig geworden sind. Die Aufmerksamkeit des Staats wandte sich unmittelbar der Hauptsache zu, und Niemand sah darin eine Unverträglichkeit mit den Bestimmungen der Institutionen. Man wußte, daß die Grundbesitzer durch die Freigebigkeit ihrer Zugeständnisse den Bauern zu Bewirtschaftung ihres Bodens angekauft hatten, und daß letzterem damit ein Vortheil zuging. Hätten die Landlords jener Zeit den Versuch gemacht, ihre Grundstücke für ein Jahr oder auch für zehn Jahre abzulassen, so würden sich für eine Wildniß keine Pächter gefunden haben: anders verhält sich aber die Sache, wenn der Eigenthümer des Bodens darein willigte, seine Farmen gegen Bezahlung einer sehr niedrigen Rente wegzugeben; mit Zahlung der letzteren durfte man erst nach sechs-oder achtjährigem Betrieb beginnen, und man hatte zugleich das Abfinden getroffen, daß statt des Geldes das Produkt des Bodens geliefert werden sollte. Man ging damals mit Freuden auf diese Bedingungen ein, und der beste Beweis dafür liegt in der Thatsache, daß dieselben Pächter in der Umgegend nach allen Richtungen hin freies und eigenes Land hätten kaufen können; aber die leichteren Bedingungen des Pachtvertrags waren ihnen lieber. Jetzt sind diese Personen oder ihre Nachkommen reich genug geworden, so daß sie sich mehr um die Beseitigung der Rentenlast, als um die Erhaltung ihres Geldes kümmern, denn in den Rechten der betreffenden Partien hat sich sicherlich nichts geändert.

1789 trat die Constitution der Vereinigten Staaten in Wirksamkeit, und New-York hatte bei Gründung und Abfassung derselben mitgewirkt. Vermöge derselben Constitution begab sich nach gutem Vorbedacht unser Staat der Ermächtigung, die Verträge besagter Pachte anzutasten, und gestattete auch keiner andern Regierung das Recht dazu, im Falle es nicht durch eine Umänderung der Constitution selbst geschah. Eine nothwendige Folge davon ist, daß das Pachtverhältniß im gesetzlichen Sinn mit zu den Institutionen New-Yorks gehört und deßhalb nicht im Widerspruch mit denselben stehen kann. Nicht nur der Geist der Institutionen, sondern auch ihr Buchstabe weist dieß nach. Man muß wohl einen Unterschied machen zwischen dem »Geist der Institutionen« und dem »eigenen Geist«, denn der letztere ist oft nichts weiter, als ein Magen, der sich nicht ersättigen lassen will. Mit demselben Rechte, als sich dieß vom Pachtverhältnisse sagen läßt, könnte man behaupten, das Haussklaven-System vertrage sich nicht mit den Institutionen der Vereinigten Staaten, und mit der gleichen Triftigkeit ließe sich nachweisen, weil A. keine Kameradschaft mit B. halten will, so handelt er gegen den »Geist der Institutionen«, weil die Unabhängigkeitserklärung als Dogma aufstellt, daß alle Menschen gleich geboren seien.

Man hat vorgegeben, die Pachtverträge von langer Dauer trügen die Natur des Feudalwesens an sich. Wir können hierin nichts Wahres finden; aber selbst zugegeben, daß es der Fall wäre, so würde damit nur der Beweis geliefert, daß ein Feudalsystem in solcher Ausdehnung ein Theil der Staats-Institutionen ist – ja und außerdem noch ein Theil, über welchen der Staat selbst sich aller Zuständigkeit begeben hat, etwa diejenige abgerechnet, die er als einer von den achtundzwanzig Staaten besitzt. Was das Feudale in der Sache betrifft, so wird es mir schwer, zu sagen, wo es etwa zu suchen sein müßte. In der einfachen Thatsache der Rentenzahlung gewiß nicht, denn diese ist so allgemein, daß hiedurch das ganze Land feudal würde. Eben so wenig kann der Umstand in Betracht kommen, daß die Rente in natura, wie man’s nennt, oder in Arbeit bezahlt werden soll; denn dieß ist ein Vortheil für den Pächter, und es steht ihm ja frei, auch in Geld zu zahlen, da bei Versäumnissen die Gerichte auf letzteres Tilgungsmittel erkennen. Sollten die Pachtverträge wohl deßhalb feudal sein, weil sie für immer fortlaufen? Aber eben dieß ist ja augenscheinlich ein Vortheil für den Pächter, und er wußte denselben bei Eingehung seines Kontrakts recht wohl zu würdigen. Auch gibt es wahrscheinlich nicht einen einzigen Pächter auf Lebensdauer, der nicht bereitwillig ein derartiges Besitzverhältniß gegen einen von jenen verwünschten ewigen Pachten umwandeln würde.

Unter die Abgeschmacktheiten, welche man über das Thema des Feudalismus in Umlauf gesetzt hat, gehört auch die Behauptung, daß das wohlbekannte englische Statut » quia emptores« Entschädigungen für die Veräußerung verbiete, oder daß die quarter sales, fifth sales, sixth sales u. s. w., wie sie in unsern Verträgen vorkommen, schon bei ihrer Einführung im Widerspruch mit den Reichsgesetzen gestanden hatten. Gemeinrechtlich waren in gewissen Fällen von Hörigkeit die Abweichgelder eine Stipulation des Lebensvertrags. Das Statut des quia emptores hob zwar dieß als allgemeinen Grundsatz auf, aber nicht in einer Weise, welche den Partieen verbot, sich auf Verträge von der Natur der quarter sales oder Verkäufe gegen Bürgschaft einzulassen, wenn sie es für passend hielten. Das gemeine Recht weist allen realen Besitz dem ältesten Sohn zu, unser Statut aber theilt ihn, sogar ohne Rücksicht des Geschlechts, unter die nächsten Verwandten. Folgerichtig müßte also, wenn man annehmen wollte, das Gesetz von Edward I. verbiete einen Vertrag unter der Bedingung der quarter sales, dem Statut gemäß ein Vater seinen Grundbesitz auch nicht auf den ältesten Sohn übertragen können. Der Umstand, daß in dem gemeinen Recht eine Bestimmung geändert wird, zieht noch nicht die Unmöglichkeit nach sich, daß man nach der alten Norm eine Uebereinkunft abschließe.

Das Lehensverhältniß zerfiel ursprünglich in zwei große Klassen; es gab nämlich militärische oder ritterschaftliche und After-oder Bauernlehen. Die ersteren wurden im Laufe der Zeit für die Gesellschaft sehr bedrückend. Das Afterlehensystem war gleichfalls doppelter Art – es gab freie Lehensleute und leibeigene Vasallen. Letztere hat man unter uns nie gekannt, während die Stellung der ersteren Aehnlichkeit mit derjenigen hat, welche unser Pachtsystem bietet. Als unter der Regierung Karls II. die ritterschaftlichen Lehen in Freilehen umgewandelt wurden, betrachtete man dieses Zugeständniß als so vortheilhaft für die Freiheit, daß es mit unter die bedeutendsten Maßregeln der Zeit gerechnet wurde, von denen eine die Gewährung der Habeas corpus-Akte war.

Der einzige Zug in unsern Pachtverträgen, welcher einigermaßen an die Leibeigenschaft erinnert, liegt in den »Tagwerken«. Wer aber mit den Gewohnheiten des amerikanischen Lebens vertraut ist, begreift wohl, daß durch sämmtliche nördliche Staaten die Landwirthe allgemein es als einen Vortheil betrachten, wenn sie in dieser Weise ihre Schulden zahlen können; auch läßt ihnen das Gesetz die Wahl, indem es für den Fall einer Nichterfüllung der Zahlung in natura oder in Arbeit auf Entrichtung des Werthes in Geld erkennen läßt. Thatsächlich ist auch stets für die bedungenen Tagwerke eine gewisse stipulirte Summe angenommen worden.

Aber man hat vorgegeben, wenn auch derartige Verträge auf den Fuß der Billigkeit gegründet seien, hätten sie doch immer etwas Verletzendes für den Pächter, und sollten, um den Frieden des Staates zu erhalten, abgeschafft werden. Der Staat aber ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß alle Klassen seine Gesetze achten, und in keinem Stücke erscheint dieß dringender nöthig, als in Erfüllung gesetzlicher Kontrakte. Je größer die Anzahl der Uebertreter ist, um so mehr hat der Staat die Obliegenheit, ihnen mit Entschiedenheit und Nachdruck entgegenzutreten. Wollte man sagen, mansolledie Unruhestifter gewähren lassen, so würde dieß mit andern Worten heißen: ein jedes Verbrechen kann sich durch seine Verbreitung Straflosigkeit erwirken; behauptet man aber, »bei unseren Staatseinrichtungen«könneman einem solchen Unfug keinen Einhalt thun, so wird dadurch ein Zugeständniß gegeben, daß die Regierung außer Stande sei, eine der einfachsten und gewöhnlichsten Verpflichtungen einer jeden civilisirten Gesellschaft zu erfüllen. Wäre Letzteres wirklich der Fall, so könnte man nichts sehnlicher wünschen, als daß unsere gegenwärtige Regierungsform je eher je lieber beseitigt werde. Die Ansicht, einderartigesUebel durch Zugeständnisse beschwichtigen zu können, ist eben so knabenhaft als unehrlich. Je mehr man einräumt, desto weiter werden die Erpressungen einer nie zu ersättigenden Habgier greifen, und hat man in Ansehung des Pachtverhältnisses durch solche Mittel einige Ruhe gewonnen, so wird im Augenblick wieder ein Bund dastehen, der einen andern Zweck zu erreichen bemüht ist.

Als Lee bei Monmouth zu Washington sagte: »Sir, Eure Truppen werden nicht Stand halten gegen brittische Grenadiere,« soll Letzterer geantwortet haben: »Sir, Ihr habt’s noch nicht mit ihnen versucht.« Dieselbe Erwiederung könnte man jenen erbärmlichen Schreiern unserer Republik geben, welche, nur um Stimmen zu erlangen, thun, als glauben sie, die Regierung besitze nicht Kraft genug, um einen so keckstirnigen Versuch zu dämpfen, wie ihn die Antirenters gemacht haben, um eine Aenderung in den Bedingungen ihrer Verträge nach eigener Bequemlichkeit zu erzwingen. Die County Delaware hat auf eigene Faust diese Behauptung mannhaft Lügen gestraft, und der ehrenwerthe Theil der Bewohner zerstreute die Schurken nach den vier Winden, sobald sich eine günstige Gelegenheit bot, gegen sie kräftig aufzutreten. Eine einzige energische Proclamation von Albany, welche »eine Spate auch eine Spate nennen würde« und nicht den verkappten Raub der Antirenter mit einem Firniß überzöge, sondern dem öffentlichen Geist die Grundsätze der Gerechtigkeit an’s Herz legte, hätte an sich schon das Uebel im Keim ersticken können. Die Bewohner von New-York in ihrem Allgemeincharakter sind nicht die Schurken, welche der kriechende Knechtssinn augenscheinlich hinter ihnen sucht.

In der denkwürdigen Sitzung von 1846 hat die Assembly von New-York die Renten aus langen Pachtverträgen mit einer Taxe belegt, und dadurch nicht nur dasselbe Eigenthum zweimal besteuert, sondern auch die allerschlimmste Art von Einkommens-Taxe aufgelegt, da sie nur auf wenige Individuen berechnet ist. Dieß ist das »Fingerhut-System« in seiner Gesetzgebung, wie es Mr. Hugh Littlepage nicht unpassend nennt; man versucht indirekt das zu erreichen, was die Constitution nicht unmittelbar durchzuführen gestattet. Mit andern Worten: da der legislative Körper kein direktes Gesetz erlassen kann, welches »die Verbindlichkeit von Kontrakten beeinträchtigt«, setzte er, weil er bei Regulirung des Heimfalls zuständig ist, so weit eine gesetzgebende Versammlung überhaupt etwas zu erwirken vermag, den Beschluß durch, daß nach demTodeines Grundbesitzers der Pächter sein Pachtgut in ein hypothekarisches umwandeln und frei und eigen machen könne, sobald er die darauf haftende Schuld getilgt hat.

Uns scheint die erste dieser Maßregeln weit tyrannischer zu sein, als der Versuch Britanniens, seine Kolonien mit Taxen zu belegen, und dieser hat damals die Revolution hervorgerufen. Der Allgemeincharakter ist der gleiche – es handelt sich um eine ungerechte Besteuerung, welche übrigens im gegenwärtigen Falle noch von erschwerenden Umständen begleitet ist – von Umständen, die in der Politik des Mutterlands keine Parallele haben. Die Steuer wird nicht aufgelegt, um dem Staat eine Revenue weiter zu schaffen, denn man bedarf ihrer nicht; sondern es handelt sich bei dieser Taxe blos um eine »Abkappung« der Grundbesitzer ( choke off), wie die gewöhnliche amerikanische Phrase lautet. Auch besteuert man klärlich einNichtsoder dasselbe Eigenthum zum zweiten Mal. Und alles Dieß geschieht aus keinem andern Grunde, als um drei-oder viertausend Wahlstimmen, die jetzt auf dem Markt sind, auf Unkosten von drei-oder vierhundert zu gewinnen, die, wie man wohl weiß, sich nicht erkaufen lassen. Ungerechtigkeit in den Beweggründen, in den Mitteln und in dem Zwecke! Die Maßregel gereicht der Civilisation zur Schande und ist ein Schimpf für die Freiheit.

Der andere eben erwähnte Beschluß ist eine eben so freche Vermessenheit, und wohl im Stande, jeden Staatsangehörigen von nur gewöhnlicher Gewissenhaftigkeit in Unruhe zu versetzen, wäre der Plan, die Constitution zu betrügen, nicht so ärmlich, daß er eigentlich nur Verachtung hervorrufen kann. Die außerordentliche Ermächtigung wird benützt, weil die Gesetzgebung die Verhältnisse des Heimfalls ordnenkann, obgleich es ihrer Befugniß entrückt ist, »die Verbindlichkeit von Kontrakten zu schwächen!« Hätte das Gesetz unverhohlen ausgesprochen, nach dem Tod eines Grundbesitzers solle jeder Pächter die von ihm bisher bewirtschaftete Farm frei und eigen besitzen, so wäre doch das ensemble des Betrugs bewahrt geblieben, weil die »Heimfall-Verhältnisse« so weit eine Regelung gefunden hätten, daß an die Stelle des einen Erben ein anderer gesetzt worden wäre; aber die Veränderung desWesenseines Kontrakts im Interesse einer Partie, welche bei der Erbfolge durchaus nicht betheiligt ist, kann nicht so klärlich als eine Veränderung oder Verbesserung des Heimfall-Statuts angesehen werden! Es ist kaum nöthig, zu sagen, daß jeder achtbare amerikanische Gerichtshof, funktionire er nun von Staats-oder Unionswegen, ein solches Gesetz mit der verdienten Schande brandmarken würde.

Aber der schlimmste Zug in diesem Beschluß oder – wie ich besser sage – in dem versuchten Beschluß verdient hier auch noch einige Beleuchtung. Er setzt eine Prämie auf den Mord. Dieses Verbrechen ist bereits von den Antirentern verübt worden, und zwar augenscheinlich in der Absicht, ihren Zweck zu erreichen. Man sagt ihnen damit, so oft ihr einen Grundbesitzer erschießt, – und der Versuch dazu ist schon oft gemacht worden – könnt ihr eure Pachtgüter in freie umwandeln! Die Art der Abschätzung ist gleichfalls so interessant, daß sie eine Bemerkung verdient. Man muß die Schätzung auf Zeugniß hin vornehmen lassen. Die Zeugen sind dann natürlich »die Nachbarn« – und so kann durch das ganze Land Einer für den Andern schwören.

Wir als Demokraten, verwahren uns feierlich gegen solche freche Betrügereien, gegen so handgreifliche Habsucht und Raubgier, die man mit jedem anderen Namen, nur mit ihrem wahren nicht bezeichnet. Hat irgend eine Partie ihre Hand darin, so muß diese der Teufel selbst sein. Das demokratische Bewußtsein ist ein stolzes, edles Gefühl, und es fällt ihm eben so wenig ein, den Armen zu berauben, um den Reichen noch reicher zu machen, als es zu Gunsten des Armen einen Eingriff in die Rechte des Reichen gestattet. Gerechtigkeit ist sein Prinzip – es behandelt alle Menschen gleich und will nicht »die Verbindlichkeit von Kontrakten schwächen«. Die Demokratie ist keine Freundin einer heuchlerischen Gesetzgebung, sondern hat das Rechte im Aug’ und wagt es, offen zu handeln. Es ist eine schlimme Verblendung, wenn man glaubt, die ächte Demokratie habe etwas mit Ungerechtigkeit oder Schurkerei gemein.

Ebenfalls kann von keinem Gesichtspunkte aus die Behauptung dem Antirentismus zur Entschuldigung dienen, die Pachtverhältnisse seien unzuträglich. Das Zuträglichste in der Welt ist die Gerechtigkeit. Wäre auch kein anderer Einwurf gegen diese Rentenbewegung aufzubringen, als der, daß sie einen verderblichen Einfluß übe, so sollte dieß allein schon zureichen, um jeden weisen Mann in der Gemeinschaft zum festen Widerstande aufzufordern. Wir haben schon zu viel von dieser Erde gesehen, um uns so leicht überzeugen zu lassen, daß der Bestand großer Pachtgüter, wenn er – wie es bei uns der Fall ist – nicht im Gefolge von politischer Macht auftritt, nachtheilig – ja, daß er nicht entschieden vortheilhaft sei. Der alltägliche Vorwand, er vereitle die Civilisation eines Landes, ist in keiner Weise durch Thatsachen bestätigt. Die civilisirtesten Länder der Erde sind im Besitz dieses Systems, und noch obendrein unter Verhältnissen, gegen die sich manche ernstliche Einwendungen vorbringen lassen – Einwendungen, die übrigens für Amerika keine Geltung haben. Daß eine ärmere Klasse von Bürgern ursprünglich in New-York Ländereien gepachtet, dann aber anderweitig erworben hat, ist wahrscheinlich richtig, und in gleicher Weise läßt sich annehmen, daß die Wirkungen dieser Armuth und sogar des Pachtsystems in der Kindheit eines Landes auf den Gütern nachweisbar sind. Doch dieß heißt die Sache von einem sehr einseitigen Gesichtspunkte auffassen. Die Männer, welche in mittelmäßigen, aber doch gemächlichen Verhältnissen Pächter wurden, hätten sich ohne diesen Ausweg meist auf andern Farmen als Taglöhner und Knechte forthelfen müssen. Dieß ist die Wohlthat des Systems in einem neuen Land und der Ultra-Humanitätsfreund, welcher über das traurige Loos der Pächter ein Geschrei erhebt, sollte nicht vergessen, daß sie, wenn sie sich nicht in eben dieser Lage befänden, vielleicht in einer viel schlimmeren stecken würden.

Es ist in der That ein Beweis mehr von der Unaufrichtigkeit Derer, welche um der aristokratischen Tendenz willen über das Pachtverhältniß Lärm schlagen, daß die Aufhebung desselben notwendig eine zahlreiche Klasse von Ackerbauern in die Reihe der Knechte und Taglöhner zurückwerfen oder sie zur Auswanderung zwingen würde, wie dieß in Neu-England bei so vielen aus derselben Klasse der Fall ist. Thatsächlich stellt sich heraus, daß in einer wohlhabenden Gemeinschaft die Beziehung des Grundherrn zum Pächter und umgekehrt ganz naturgemäß und sehr wohlthätig ist, ja, so ganz im Einklang mit den Bedürfnissen der Menschen steht, daß keine Gesetzgebung es für die Dauer beseitigen kann. Ein Stand der Dinge, welche den Reichen nicht ermuthigt, sein Kapital im Grundbesitz anzulegen, wäre sicherlich nicht wünschenswerth, weil er sein Geld, seine Kenntnisse, seinen liberalen Sinn und seine Muße anderen weniger nützlichen und weniger preiswürdigen Bestrebungen zuwenden müßte, während sonst alles Dieß der Kultur des Bodens zu gut käme.

Wir haben anderswo viel von dem Geist des Antirentismus einer provinzialen Erziehung und provinzialen Gewohnheiten zugeschrieben. Dieser Ausdruck ist Solchen, welche die Beschuldigung am meisten trifft, zum schwersten Stein des Anstoßes und des Aergernisses geworden. Gleichwohl steht unsere Ansicht unverändert. Wir wissen, daß die Entfernung zwischen dem Niagara-Fall und der Massachussets-Linie gute hundert Stunden beträgt und daß man von Sandy Hook bis zum 45. Breitengrade eben so weit hat. Ohne Frage sind in moralischer sowohl, als in physischer Hinsicht viele treffliche Dinge innerhalb dieser Gränzen zu finden; aber wir wissen zufälligerweise aus einer Erfahrung, die sich im Laufe von nun mehr als vierzig Jahren auch auf andere Theile der Welt erstreckt hat, daß man auch außer diesem Banne noch recht viel sehen kann. Wenn »ehrenwerthe Gentlemen« zu Albany das Gegentheil glauben, so müssen sie uns gestatten, daß wir uns in der Annahme nicht beirren lassen, sie stehen allzusehr unter dem Einflusse provinzieller Vorstellungen.

Juni, 1846

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Der Tugend Musterbild war deine Mutter,
Und sie erklärt für meine Tochter dich;
Dein Vater schwang das Scepter über Mailand
Als Herzog, und die einz’ge Erbin war
Nichts schlechteres als eines Fürsten Sprößling.

Der Sturm.

Onkel Ro und ich, wir Beide hatten uns im Orient aufgehalten, und waren, als wir in Paris anlangten, schon volle fünf Jahre aus der Heimath abwesend gewesen. Wie wir auf unserem Rückweg von Egypten über Algier, Marseille und Lyon durch die Barrieren einfuhren, hatte bereits seit achtundzwanzig Monaten keiner von uns auch nur Eine Zeile aus Amerika zu Gesicht bekommen: denn wir waren diese ganze Zeit über nie in unsere frühere Reiseroute zurückgefallen, die es uns möglich gemacht haben würde, da oder dort ein einzelnes Schreiben aufzulesen. Aus eben diesem Grunde war auch unsere Vorsichtsmaßregel vergeblich gewesen, als wir Weisung ertheilten, die an uns gerichteten Briefe an verschiedene Banquiers in Italien, in der Türkei und auf Malta zu senden.

Mein Onkel war ein alter Reisender, und man hätte Europa fast seine Heimath nennen können, da er von seinen neunundfünfzig Lebensjahren nicht weniger als zwanzig fern von dem amerikanischen Kontinent zugebracht hatte. Er war ein Junggeselle, und hatte nur für Verwaltung seines großen Grundbesitzes Sorge zu tragen, welcher durch das ungeheure Anwachsen der Stadt New-York schnell zu einem bedeutenden Werth gelangt war; da er außerdem von früh an seinen Geschmack durch Reisen gebildet hatte, so lag es ganz in der Natur der Sache, daß er diejenigen Gegenden aufsuchte, die ihm am meisten gefielen.

Roger Littlepage war im Jahre 1786 geboren und der zweite Sohn meines Großvaters Mordaunt Littlepage aus dessen Ehe mit Ursula Malbone. Mein Vater Malbone Littlepage war der älteste Sprößling dieser Verbindung, und würde, wenn er seine Eltern überlebt hätte, kraft seines Erstgeburtsrechts die Besitzung Ravensnest geerbt haben. Da er jedoch in jungen Jahren starb, trat ich in einem Alter von kaum achtzehn das Erbe des Eigenthums an, welches ihm zugefallen wäre. Auf meinen Onkel Ro kamen Satanstoe und Lilaksbush, zwei Landhäuser und Meiereien, die, wenn sie auch nicht den Namen großer Besitzungen verdienten, im Lauf der Zeit doch weit werthvoller wurden, als die große Bodenfläche, welche das Erbtheil des ältern Bruders war. Mein Großvater hatte ein bedeutendes Vermögen besessen, da nicht nur die Habe der Littlepage’s, sondern auch die der noch reicheren Familie Mordaunt nebst einigen sehr freigebigen Vermächtnissen eines gewissen Obristen Dirck Follock oder Van Valkenburgh auf ihn gefallen waren; letzterer hatte nämlich, obschon nur in einem entferntern Verwandtschaftsgrade zu uns stehend, die Nachkömmlinge meiner Urgroßmutter Anneke Mordaunt zu seinen Erben ernannt. Demgemäß traf auf jedes von uns ein schöner Antheil. Meine Tanten erhielten reiche Vermächtnisse in Hypotheken auf das Gut Mooseridge nebst einigen Bauplätzen in der Stadt, während auf meine Schwester reine fünfzigtausend Dollars in Geld kamen. Auch mir waren Stadtbauplätze zugefallen, die in der Folge sehr einträglich wurden, und ein besonders verordnetes Minderjährigkeitsverhältniß von sieben Jahren hatte mein in New-Yorker Staatspapieren angelegtes Kapital auf eine Weise anwachsen lassen, daß ich einer schönen Zukunft entgegensehen konnte. Ich sage – ein besonders verordnetes Minderjährigkeitsverhältniß – denn mein Vater und mein Großvater, von denen der erstere mich und einen Theil des Vermögens, letzterer aber den Rest meiner Habe unter die Vormundschaft meines Onkels stellte, hatten die Verfügung getroffen, daß ich den Besitz erst nach Vollendung meines fünfundzwanzigsten Lebensjahres antreten sollte.

Ich verließ im zwanzigsten das College, und Onkel Ro – denn so wurde er nicht nur von Martha und mir, sondern auch von etlich und zwanzig Cousinen, den Sprößlingen unserer drei Tanten, genannt – wollte nun meine Erziehung durch Reisen vollenden.

Da ein derartiger Vorschlag einem jungen Manne nur angenehm sein konnte, so brachen wir in einer Zeit auf, als sich die Bedrückung des großen panischen Schreckens von 1836-37 eben gelegt hatte, und unsere »Lots« sowohl, als auch unsere Staatspapiere leidlich sicher standen. In Amerika muß man ebensogut auf die Erhaltung seines Vermögens Acht haben, als die Erwerbung desselben einen unverdrossenen Fleiß fordert.

Mr. Roger Littlepage – beiläufig bemerkt, ich trug den gleichen Namen, obgleich ich stets Hugh genannt wurde, während mein Onkel je nach Beschaffenheit der Umstände (wenn man nämlich sentimental, traulich oder mannhaft mit ihm sprechen wollte) von den Familiengliedern mit den Bezeichnungen Roger, Ro und Hodge angeredet wurde – Mr. Hugh Roger Littlepage Senior hatte damals ein eigenes System, amerikanischen Augen den Staar zu stechen und die Flecken des Provinzialismus aus dem Diamant von republikanischem Wasser zu entfernen, indem er selbst weit klarer sah, als es irgend Einem möglich ist, der seine Heimath nie verlassen hat. Und es war ihm bereits genug vorgekommen, was ihm die Ueberzeugung geben konnte, es sei doch auch noch eine Möglichkeit – man merke wohl, ich sage nur eineMöglichkeit– vorhanden, daß unsere glückliche Nation ein bischen lernen könne, wie sehr sie auch mit ihren Angehörigen oder nicht Angehörigen bei allen Gelegenheiten, ob diese nun passend seien oder nicht, zu glauben geneigt sein mag, sie sei in unendlich vielen Stücken berufen, die Lehrerin der alten Welt zu sein. Von dem Grundsatze ausgehend, daß jeder Wissenszweig allmählig erlernt werden müsse, war er daher der Ansicht, man müsse zuerst mit dem ABC anfangen und dann regelmäßig zu den belles lettres und der Mathematik aufsteigen. Die Art, wie er dieß bewerkstelligte, verdient Beachtung.

Die meisten amerikanischen Reisenden landen in England, das in materieller Beziehung am weitesten vorgeschritten ist, und gehen dann nach Italien, vielleicht auch nach Griechenland, während Deutschland und die weniger anziehenden Gegenden des Nordens den Schluß des Kapitels bilden müssen. Der Theorie meines Onkels gemäß sollte man der Ordnung der Zeit folgen und mit den Alten beginnen, um mit den Neuen zu endigen, obgleich er zugab, daß bei Befolgung einer solchen Regel für den Anfänger das Vergnügen einigermaßen geschwächt werde; denn ein Amerikaner, der frisch von der frischen Natur des westlichen Kontinents herkömmt, kann sich recht wohl, namentlich in England, an den Denkzeichen der Vergangenheit ergötzen, während sie seinem verwöhnten Geschmack unbedeutsam erscheinen, nachdem er den Tempel des Neptun, das Parthenon oder vielmehr die Ueberbleibsel desselben, und das Coliseum gesehen hat. Ohne Zweifel ging mir dadurch Vieles verloren, indem ich mit dem Anfang, d. h. mit Italien begann und dann in den Norden reiste.

Indeß blieb es einmal bei diesem Plane. Wir landeten zu Livorno, musterten im Laufe von zwölf Monaten die italienische Halbinsel, gingen dann durch Spanien nach Paris, machten von hier aus die Reise nach Moskau und dem baltischen Meere und gelangten endlich über Hamburg nach England.

Nachdem wir die brittischen Inseln, deren Alterthümer mir nach den anderwärts gesehenen weit merkwürdigeren Antiken flach und uninteressant vorkamen, durchwandert hatten, kehrten wir nach Paris zurück, damit ich dort wo möglich ein Mann von Welt werde, und die Provinzialflecken abreibe, durch welche der amerikanische Diamant in seiner Dunkelheit unvermeidlich getrübt worden war.

Mein Onkel Ro war sehr gern in Paris, und hatte sich sogar in der Faubourg ein kleines Hotel erworben, in welchem stets eine schön möblirte Abtheilung für seinen eigenen Gebrauch bereit stand. Der Rest des Hauses war an ständige Bewohner vermiethet, der ganze erste Stock aber und der Entresol blieben in seinen Händen. Aus besonderer Vergünstigung ließ er auch hin und wieder, wenn er auf länger als sechs Monate auszubleiben gedachte, seine eigenen Gemächer an eine amerikanische Familie ab, und verwandte sodann den Miethpreis auf Ergänzung des Mobiliars in seiner Abtheilung, die aus einem Salon, einer salle à manger, einer antichambre, einem cabinet, mehreren chambres à coucher und einem boudoir – ja, man denke sich, einem männlichen boudoir – bestand, denn so pflegte er dieses Gemach gerne zu nennen. Er hielt große Stücke darauf, daß seine Räumlichkeiten stets in einem Zustand waren, um sogar seinen eigenen ekeln Geschmack zufrieden zu stellen.

Von England angekommen, blieben wir eine ganze Saison zu Paris, und gaben uns eben alle Mühe, den Diamant abzuschleifen, als sich mein Onkel plötzlich in den Kopf setzte, daß wir das Morgenland besuchen müßten. Er war selbst früher nie weiter als nach Griechenland gekommen, und jetzt gefiel er sich in dem Gedanken, in meiner Gesellschaft eine Reise nach dem Orient zu machen. Im Lauf von zwei und einem halben Jahre besuchten wir Griechenland, Konstantinopel, Klein-Asien, Palästina, Mecca, das rothe Meer, Egypten bis zu den zweiten Catarakten hinauf und fast die ganze Berberei. Die letztere Tour schlugen wir ein, um auch etwas außer dem gewöhnlichen Reisezug zu sehen, obschon man jetzt unter den Turbanen so viele Hüte und Reisemützen trifft, daß ein Christ, der sich anständig benimmt, fast überall fortkommen kann, ohne daß er besorgen müßte, angespieen zu werden. Ein solches Verhältniß ist im Allgemeinen sehr verlockend, und muß es besonders für einen amerikanischen Reisenden sein, der heutzutage in der Heimath weit mehr einer derartigen Demüthigung ausgesetzt ist, als sogar in Algier. Doch der Animus ist in der Moral als Hauptsache anzuschlagen.

Als wir durch die Barriere einfuhren, waren wir zwei und ein halbes Jahr von Paris abwesend gewesen, ohne im Laufe von achtzehn Monaten eine Zeitung gesehen oder eine Mittheilung aus Amerika erhalten zu haben. Auch früher schon war der Inhalt der Briefe und Zeitschriften mehr von Privatinteresse gewesen, so daß ich über den allgemeinen Charakter unserer Zustände nichts Erhebliches mitzutheilen wüßte.

Wir wußten, daß die »zwanzig Millionen« – erst kürzlich noch nannte man sie die »zwölf Millionen« – nach der vorübergehenden Geldkrisis, die sie durchzumachen hatten, ganz erstaunlich wieder in Aufnahme gekommen waren, denn die Banquiers hatten während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit unsere Wechsel ohne Extrabelastungen honorirt. Freilich muß ich hier sagen, daß Onkel Ro als erfahrener Reisender sich gut mit Kreditbriefen vorgesehen hatte – eine Maßregel, die der Amerikaner nach dem in der alten Welt über uns erhobenen Geschrei nicht verabsäumen durfte.

Ehe ich übrigens eine Zeile weiter schreibe, muß ich mir hier eine unverhohlene Bemerkung erlauben. Der Amerikaner, der sich nie von dem Gängelband seiner Mutter abgelöst hat, verfällt gerne in eine engherzige, provinziale Eigenliebe, welche ihn veranlaßt, mit offenem Munde all’ den Unsinn zu verschlucken, welcher in den Spalten seiner Zeitungen vor der Welt ausgekramt, oder von den Jährlingsreisenden zu Markt gebracht wird, die ihre »Excursions« antreten, ehe sie die geselligen Gebräuche und charakteristischen Züge ihres eigenen Landes nur zur Hälfte kennen gelernt haben. In dem, was meine Feder niederschreibt, hoffe ich mich von einer derartigen Schwäche ebenso fern zu halten, als von der Sünde einer Verwirrung der Prinzipien und der Abläugnung solcher Thatsachen, die dem Lande meiner Geburt und meiner Vorfahren wirklich zur Ehre gereichen. Ich habe lange genug in der »Welt« gelebt – hierunter verstehe ich nicht das südöstliche Ende der nordwestlichen Township Connektikuts – um nicht einzusehen, daß wir, sowohl was Theorie als was Praxis betrifft, in vielen Dingen weit hinter älteren Nationen zurückstehen, während es andererseits Manches gibt, worin wir ihnen einen gewaltigen Vorsprung abgewonnen haben. Gewiß ist es nicht patriotisch, eine heilsame Wahrheit zu verbergen, und am allerwenigsten möchte ich mich zu einem derartigen kindischen Wunsch durch den Umstand verleiten lassen, weil ich die Ansichten, die ich hege, meinen Landsleuten nicht mittheilen kann, ohne daß die übrige Welt davon Kunde erhielt. Wo wären die Molière’s, die Shakespeare’s, die Sheridans und die Beaumonts und Fletchers, wenn Frankreich oder England nach demselben engherzigen Grundsatze gehandelt hätte! Nein, nein, große Nationalwahrheiten dürfen nicht nach dem albernen Wunsch und Willen der Fraubaserei gemodelt werden, und wer meine Schriften liest, mußmeineAnsichten über Dinge und Zustände, nicht diejenigen erwarten, welche zufälligerweise er selber hegt. Allerdings steht es Jedem frei, anderer Meinung zu sein; indeß nehme ich für mich das Privilegium einer kleinen Gewissensfreiheit in Betreff des Landes in Anspruch, welches nah und fern für das alleinfreieauf Erden erklärt wird. Unter »nah und fern« begreife ich die Ausdehnung von St. Croix bis zum Rio Grande, und vom Kap de Cod bis zur Einfahrt von St. Juan de Fuca – gewiß ein recht hübsches Gütchen, der Zwischenraum, welcher innerhalb dieser Gränzen liegt, und man kann ihn recht wohl »nah und fern« nennen, ohne sich dem Vorwurf der Beschränktheit oder Eitelkeit auszusetzen.

Wir hatten unsere Reise trotz aller Beschwerlichkeiten zu Ende gebracht und befanden uns wieder in den Mauern des prächtigen Paris. Die Postillone hatten die Weisung erhalten, nach Onkel Ro’s Hotel in der Rue St. Dominique zu fahren, und eine Stunde nach unserer Ankunft setzten wir uns unter eigenem Dache zum Mittagsmahle nieder. Der Miethmann meines Onkels war der Uebereinkunft gemäß einen Monat zuvor ausgezogen, und das Pförtners-Ehepaar hatte nicht nur für einen guten Koch gesorgt, sondern auch die Zimmer in Ordnung gebracht und Alles zu unserem Empfang bereit gehalten.

»Das muß wahr sein, Hugh,« sagte mein Onkel, »man kann in Paris recht gemächlich leben, wenn man das savoir vivre besitzt. Gleichwohl hege ich eine große Sehnsucht, einmal wieder die heimische Luft zu athmen. Mag man über Pariser Vergnügungen, Pariser Kochkunst und dergleichen sagen, was man will, die Heimath bleibt doch Heimath, gleichviel, wie arm sie auch sei. Ein dinde aux truffes ist zwar ein Kapitalessen, aber den Truthahn mit Preißelbeerensauce muß man auch nicht verachten. Bisweilen gelüstet’s mich sogar nach einer Kürbispastete, obschon sich kein Kernchen vom Plymouthfelsen im Granit meines Körpers befindet.«

»Ich habe Euch immer gesagt, Sir, Amerika sei, was Essen und Trinken betrifft, ein treffliches Land, wie viel ihm auch in andern Stücken der Civilisation abgehen mag.«

»Ja wohl, was Essen und Trinken betrifft, Hugh, wenn nur erstlich das Fett nicht wäre und zweitens sich ein gediegener Koch auffinden ließe. Zwischen der Kochkunst Neu-Englands z. B. und der der mittlern Staaten, die holländischen ausgenommen, findet ein ebenso großer Unterschied statt, wie zwischen der von England und Deutschland. In den mittlern und auch noch in den südlichern Staaten, obgleich es in den letztern schon ein wenig nach West-Indien schmeckt, hat man englische Küche im wahren Sinn, d. h. die kräftigen, würzigen, nahrhaften Gerüchte englischer Hausmannskost, das ungare Roastbeef, die schnell fertigen Beefsteaks, die saftigen Coteletten, die Schöpsenbrühe, die Hammelsschlegel et id omne genus. Auch manches Eigene besitzen wir in trefflicher Eigenschaft – so z. B. die Cannavaßenten, die Riedvögel, die Schafsköpfe, die Alosen und den Schwarzfisch. Der Unterschied zwischen Neu-England und den mittlern Staaten ist noch immer augenfällig genug, obschon er in meinen jüngern Tagen besonders schlagend war. Ich glaube, der Grund davon liegt in der provinzielleren Abkunft und in den rusticöseren Gewohnheiten unserer Nachbarn. Beim billigen Georg, Hugh, was meinst du? man könnte wohl sogar jetzt ein Gelüstchen an eine Austernsuppe kriegen.«

»Eine gut zubereitete Austernsuppe, Sir, ist eine der größten Leckereien von der Welt. Könnten die Pariser Köche eines solchen Gerichts habhaft werden, so wäre für eine ganze Saison ihr Glück gemacht.«

»Was ist › crème de Bavière‹ und dergleichen Tand gegen ein gutes Teller voll Austernsuppe, Junge! Natürlich gut zubereitet – etwa so wie sie ein Koch von Jennings seit dreißig Jahren anzufertigen pflegt. Habe ich dir von der Suppe dieses Burschen schon erzählt, Hugh?«

»Schon oft, Sir. Indeß habe ich schon köstliche Austernsuppe gegessen, ohne daß er damit zu schaffen hatte. Natürlich meint Ihr die Suppe, die nur eben durch den Geschmack der kleinen harten Austern gewürzt ist – nicht die gemeine potage à la softclam? – Diese ist keine Kost für einen Mann von Bildung!«

»Natürlich meine ich die harte, kleine Auster, die hardclam. Das Geschrei der New-Yorker hat freilich jetzt aufgehört, wie in der Heimath Alles, was zwanzig Jahre alt ist. Willst du etwas von diesem unvermeidlichen › poulet à la Marengo?‹ Ich wünschte, es wäre ein ehrlicher amerikanischer gesottener Vogel, mit einer saftigen Spanferkelschnitte daneben. Hugh, es ist mir diesen Abend ganz erstaunlich heimelich!«

»Ich finde dieß ganz natürlich, mein theurer Onkel Ro, und gestehe ein, daß ich von dieser weichen Stimmung selbst nicht frei bin. Sind wir doch schon fünf Jahre von dem Lande unserer Geburt fern und haben noch obendrein die Hälfte dieser Zeit fast gar nichts von der Heimath gehört. Wir wissen, daß Jakob« – dieser war ein freier Neger im Dienste meines Onkels, eine Reliquie aus dem alten Haussklavensystem der Kolonien, die vor dreißig Jahren den Namen Jaaf oder Yob geführt haben würde – »nach dem Hause unseres Banquiers gegangen ist, um nach Briefen und Zeitungen zu sehen, und dieß zieht natürlich unsere Gedanken nach der andern Seite des Atlantischen. Ohne Zweifel werden wir uns morgen beim Frühstück, wenn Jeder von uns die betreffenden Depeschen gelesen hat, weit behaglicher fühlen.«

»Jetzt ein Glas Wein zusammen nach guter alter Yorker Sitte, Hugh. Als ich und dein Vater noch Knaben waren, fiel es uns nie ein, mit dem halben Glas Madeira, das uns zu Theil wurde, uns die Lippen anzufeuchten, ohne zu sagen: ›Deine Gesundheit, Mall!‹ ›Deine Gesundheit, Hodge!‹«

»Von Herzen gerne, Onkel Ro. Der Brauch ist zwar, schon ehe ich die Heimath verließ, etwas in Abnahme gekommen, aber gleichwohl könnte man ihn fast den amerikanischen beizählen, da er bei uns länger ausgehalten hat, als bei den meisten Leuten.«

»Henry!«

Dieß war der maitre d’hôtel meines Onkels, welchen er während der ganzen Zeit unserer Abwesenheit bezahlt und verköstigt hatte, damit ihm nach seiner Rückkehr der Sinn für Ordnung und Gemächlichkeit, der Geschmack und die Geschicklichkeit dieses Mannes wieder zu Statten käme.

»Monsieur.«

»Ich zweifle nicht« – mein Onkel sprach zwar für einen Ausländer trefflich französisch; indeß halte ich es doch für besser, hier seine Worte in Uebersetzung zu geben – »ich zweifle zwar nicht, daß dieses Glas Burgunder gut ist – wenigstens sieht es gut aus und kömmt von einem Weinhändler, auf den ich mich verlassen kann; – aber Monsieur Hugh und ich wollen à l’Americain mit einander trinken, und ihr werdet daher so gefällig sein, uns ein Glas Madeira vorzusetzen, obgleich es schon etwas spät an der Tageszeit ist, um damit anzufangen.«

» Très volontiers, Messieurs, – ich schätze mich glücklich, Euch zu Diensten zu sein.«

Onkel Ro und ich tranken nun mit einander Madeira; übrigens kann ich zu Gunsten seiner Güte nicht viel sagen.

»Was ist es doch Köstliches um einen guten Newtoner Pippinapfel!« rief mein Onkel, nachdem er eine Weile schweigend gegessen hatte. »Hier zu Paris spricht man so viel von der poire de beurré: aber meiner Ansicht nach läßt sie sich nicht vergleichen mit den Newtonern, wie sie zu Satanstoe wachsen. Beiläufig bemerkt, ich halte diese Frucht, wie sie zu Newton vorkommt, für viel besser, als wenn man sie auf der andern Seite des Flusses sucht!«

»Es sind treffliche Aepfel, Sir, und Euer Obstgarten zu Satanstoe ist einer der besten, die ich kenne. Freilich sollte ich nur von dem sprechen, was von ihm übrig blieb, denn ich glaube, ein Theil Eurer Bäume steht jetzt in einer Vorstadt von Dibletonborough.«

»Ja, zum Henker mit diesem Platz! ich wollte, ich hätte nie einen Fußbreit von dem alten Fleck weggegeben, obschon ich durch den Verkauf ein hübsches Stück Geld gewann. Harte Thaler können keine Entschädigung bieten für theure Erinnerungen.«

»Ein hübsches Stück Geld, mein theurer Sir? Erlaubt mir die Frage, wie hoch wurde Satanstoe angeschlagen, als es von meinem Großvater auf Euch überging?«

»Ziemlich hoch, Hugh, denn es war, wie es auch noch jetzt ist, ein treffliches Gut und im besten Stand. Du erinnerst dich, daß es im Ganzen, einschließlich des nassen Riedgrundes, volle fünfhundert Acres beträgt.«

»Und dieses Erbe ging im Jahr 1829 auf Euch über?«

»Natürlich, in diesem Jahr starb mein Vater; man schätzte den Platz damals zu dreißigtausend Dollars, aber das Landeigenthum stand zu jener Zeit in West-Chester sehr niedrig.«

»Und Ihr verkauftet, einschließlich des Vorsprungs, des Hafens und einer guten Strecke Riedgrundes zweihundert Acres für den mäßigen Preis von hundert und zehntausend Dollars baaren Geldes. Ein anständiger Erlös, Sir.«

»Nicht baar Geld; es wurden nur achtzigtausend baar aufgezählt und dreißigtausend blieben auf Hypothek stehen.«

»Und wenn ich die Wahrheit erfuhr, so haftet Euch für diese Hypothek noch immer die ganze Stadt Dibletonborough. Eine derartige Corporation sollte doch für dreißigtausend Dollars eine gute Sicherheit bieten.«

»Gleichwohl im gegenwärtigen Falle nicht. Die Spekulanten, welche mir 1835 den Boden abgekauft hatten, steckten eine Stadt aus, bauten ein Gasthaus, ein Quai und ein Magazin, worauf sie eine Versteigerung hielten. Sie verkauften vierhundert Bauplätze, je fünfundzwanzig Fuß lang bei hundert Fuß Tiefe, durchschnittlich für zweihundert und fünfzig Dollars, von denen sie sich die Hälfte oder fünfzigtausend Dollars baar zahlen und den Rest auf Hypothek stehen ließen. Bald nachher barst die Seifenblase, und der beste Bauplatz zu Dibletonborough brachte bei der Auktion keine zwanzig Dollars ein. Hotel und Magazin stehen allein in ihrer Herrlichkeit und werden so bleiben, bis sie einfallen, was wahrscheinlich stattfinden wird, ehe tausend Jahre umgelaufen sind.«

»Und in welchem Zustand findet sich der Stapelplatz?«

»In einem sehr schlimmen. Die Abgrenzungen verschwinden, und wer seinen Antheil aufzufinden versuchen wollte, müßte den Werth seines Bauplatzes daran rücken, um nur die Vermessungskosten zu bestreiten.«

»Aber Eure Hypothek ist gut?«

»Ja, in einem Sinne wohl; aber es würde sogar einen Philadelphia-Juristen in Verlegenheit bringen, das Pfand für verfallen zu erklären. Je nun, die Rentabilität dieses Stadtplatzes sorgt von selbst für Bevölkerung, und um dem Unwesen auf die kürzeste Weise zu steuern, trug ich meinem Agenten auf, mit dem Ankauf der Berechtigungen zu beginnen. Dieser theilt mir nun in seinem letzten Briefe mit, es sei ihm gelungen, für einen Durchschnittspreis von zehn Dollars die Besitztitel von dreihundert und zehn Bauplätzen zu erwerben: der Rest wird sich vermuthlich auch noch absorbiren lassen.«

»Absorbiren? Dieß ist ein Ausdruck, den ich noch nie auf Landbesitz anwenden hörte.«

»Und gleichwohl tritt er in Amerika oft genug in Wirksamkeit. Man versteht darunter das bloße Umschließen eines fremden Stück Landes, auf das Niemand Anspruch erhebt, durch eigenes Besitzthum. Was kann ich thun? Eigenthümer lassen sich nicht auffinden, und dann gilt meine Hypothek stets als ein Rechtstitel. Ein zwanzigjähriger Besitz unter Pfandberechtigung ist so gut wie eine Allodial-Verleihung mit vollen Bürgschafts-Verträgen, vorausgesetzt, daß keine minderjährigen Personen und unter der Gewalt des Mannes stehenden Frauen dabei in Frage kommen.«

»Bei Lilaksbush seid Ihr besser gefahren?«